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Die Widersprüchlichkeit zwischen Orchester und Billie Holiday wurde ja schon mehrfach angedeutet. Auch mein erster Gedanke galt dieser fast schon bizarren musikalischen Situation. Zum Orchester bleibt mir zu sagen, dass es ziemlich anonym und belanglos spielt. Dazu passt die Tatsache, dass diverse Besetzungen im Booklet mit „unknown“ ausgewiesen werden. Positiv dagegen fallen die sparsam gesetzten Soli von Trompete und Posaune auf, stimmungsmäßig jeweils genau auf den Punkt gesetzt.
Nun zu Billie: Hier singt eine verzweifelte Frau, die zeitlebens nach der großen Liebe gesucht hat und sie nicht fand. Hier singt eine Frau, die ihr Ende kommen sieht, wohlwissend, dass es kein schönes Ende sein wird. Hier singt aber auch eine Frau, die trotz des ganzen Schmerzes die Musik weiterhin liebt und im Singen ihren Frieden findet. Genau diese Empfindungen sind es, die für mich dieses Album so groß werden lassen. Natürlich hat Lady Day schon einmal klarer und schöner gesungen, doch berührt sie dort nicht so, wie sie es hier tut. So eine Stimmung ist einmalig, quasi nicht wiederholbar (von Billie sowieso nicht, „Lady in Satin“ sollte das letzte Album vor ihrem Tod sein), nicht kopierbar. Joni Mitchell hat in ihrem Album „Both Sides Now“ sehr stark Ahnlehnung an „Lady in Satin“ genommen, doch falls es stimmungsmäßig in die gleiche Richtung gehen sollte (was ich jetzt nicht felsenfest behaupten möchte), ist es nicht gelungen.
Fazit: Ein verdammt großes Album, welches mindestens fünf Sterne verdient hat. Die Schwächen des Orchesters werden locker von Billies Gesangsperformance wettgemacht, die Orchestermusiker treten in meiner Wahrnehmung dermaßen in den Hintergrund, dass eine einfache Pianobegleitung für mich wahrscheinlich auch ausgereicht hätte. Es heißt immer, dass die Persönlichkeit und die Lebensweise des Künstlers immer unmittelbaren Einfluss auf ihre Musik hat („Weil sich für den Jazzmusiker sein Leben immerfort in Musik verwandelt, ohne Rücksicht auf Schönheit, Form und vielerlei andere Dinge[…].“ Schreibt J.E. Berendt in seinem Jazzbuch), bei Lady Day konnte ich es das erste Mal richtig nachvollziehen.
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You can't fool the flat man!