Pharoah Sanders

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  • #10321489  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Oje – danke trotzdem für den Bericht. Ich ärgere mich immer noch ein klein wenig, dass ich Ende der Neunziger nicht hin bin, als er in Zürich ein tolles Konzert spielte (das ich dann am Radio hörte). Aber damals war mein Budget eben noch so klein, dass so ein Konzert eigentlich gar nicht drin lag.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #10321521  | PERMALINK

    vorgarten

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    für @friedrich war wohl das wesentliche skandalon, wie wenig da einer machen muss, um so viel beifall zu bekommen – geschenkt. „der arme pharaoh“ für mich eher, weil: offensichtlich nicht gut drauf, weder sax noch piano ausreichend mikrofoniert, ein typ raucht ihm quasi ins gesicht, vielleicht hat ja kamasi washington doch nicht so viel für den respekt gegenüber dem jazz gebracht. aber: die mätzchen waren doof, der druck war nicht da, der arme william henderson (genauso alt) musste die ganze arbeit machen, und alle wissen: das war wohl das letzte mal, dass man diese gelegenheit hat. andererseits: es gibt tonnen guter konzertmitschnitte von sanders aus diesem jahr. ich glaube, das war im wesentlichen pech.

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    #10321589  | PERMALINK

    friedrich

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    vorgarten
    für @friedrich war wohl das wesentliche skandalon, wie wenig da einer machen muss, um so viel beifall zu bekommen – geschenkt. „der arme pharaoh“ für mich eher, weil: offensichtlich nicht gut drauf, weder sax noch piano ausreichend mikrofoniert, ein typ raucht ihm quasi ins gesicht, vielleicht hat ja kamasi washington doch nicht so viel für den respekt gegenüber dem jazz gebracht. aber: die mätzchen waren doof, der druck war nicht da, der arme william henderson (genauso alt) musste die ganze arbeit machen, und alle wissen: das war wohl das letzte mal, dass man diese gelegenheit hat. andererseits: es gibt tonnen guter konzertmitschnitte von sanders aus diesem jahr. ich glaube, das war im wesentlichen pech.

    Über den rhetorisch geschickten Einsatz von Fremdwörtern hatten wir ja auch geredet. Ist es eigentlich der, die oder das Syntax? ;-)

    Ich war vor allem über ein Publikum verwundert, das so leicht zu begeistern ist und dessen Begeisterung ich nicht teilen konnte und wollte. Ich hatte PS noch nie live erlebt und kenne auch keine Konzertmitschnitte aus letzter Zeit. Mein Eindruck war der, dass er altersbedingt der Aufgabe nicht mehr gewachsen war, was ihm aber nicht vorzuwerfen ist. Vielleicht sollte ihm sein Management nahelegen, in Zukunft etwas kürzer zu treten?

    Was Kamasi Washington für den Jazz getan hat, weiß ich nicht, zumal ich KW fast nur durch seine Präsenz in den Medien und aus der Auslage von Plattenläden kenne. Ich hätte von mir aus auch keinen Zusammenhang hergestellt. Zu einer kritischen Wahrnehmung dieses Konzerts durch das Publikum hat KW aber offenbar nicht viel beigetragen. Auch ich selbst habe beim Verständnis mancher Musik meine Grenzen (da ist sie wieder, die Syntax), aber immerhin habe ich das erkannt und bekenne mich dazu.

    Aber Schwamm drüber, ich hatte keinerlei Erwartungen, bin dadurch auch nicht enttäuscht und empfinde das Konzert fast schon wieder als interessante Erfahrung.

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    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #10321733  | PERMALINK

    friedrich

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    Konzert-Review aus der TAZ.

    Im Protokoll würde man es vielleicht so festhalten: „Die Beteiligten können sich nicht auf eine gemeinsame Bewertung des Sachverhalts einigen.“

    Ergänzung:

    Aus dem Tagesspiegel.

    Ich muss wohl einsehen, dass ich unter einer schweren Wahrnehmungsstörung leide.

    zuletzt geändert von friedrich

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    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #10323053  | PERMALINK

    vorgarten

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    zu vergleich: 2 tage vorher, in utrecht, gleicher opener.

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    #10323117  | PERMALINK

    kakofon

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    Danke für die Erinnerung, Vorgarten! Der Opener hatte mich wirklich gefangen und auch beim Rewatch ist er wieder sehr ansprechend. Er spiegelt leider nicht alle meiner Erinnerungen an dieses Ereignis.

    Ich war in Utrecht und kann Eure Schilderungen leider nur bestätigen. Ich denke, dass der Ablauf nahegehend identisch war. Auch ich hatte Sanders, dessen Werk mich seit vielen Jahren begleitet, nie zuvor live gesehen. Daher war er ein klarer Favorit beim wundervollen Le Guess Who Festival. Leider hätte ich mich im Nachhinein wohl besser für das überschneidende Konzert von Shabazz Palaces entschieden.

    Obwohl Sanders seine Soli noch traumwandlerisch gut traf und nur in den expressiveren Momenten altersbedingte Milde walten ließ, war sein körperlicher und irgendwie auch mentaler Zustand bedauernswert. Die Hälfte der Zeit schlurfte der offensichtlich Geschwächte zwischen Front und Sitzplatz hinter den Drums. Das (sonst anbetungswürdige) all-age-open-minded Festival-Publikum applaudierte dem Meister für jede seiner Handlungen, während die mitunter allein operierende Band (inklusive jazztypischer Soli der einzelnen Instrumentalisten) bei allem relativ unbeachtet und außen vor blieb. Sanders, der eben noch Hilfe beim Betreten der Bühne benötigte, steht nach einer Weile tanzend und rumpfkreisend am Bühnenrand und fordert die Menge auf, einfache Gesangslinien zu retournieren. Aus Respekt erspare ich Euch weitere Beobachtungen. Mir ist das ganze irgendwie peinlich. Ich hätte Sanders lieber anders in Erinnerung behalten.

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    #10323271  | PERMALINK

    vorgarten

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    danke dir wiederum für den bericht, @kakofon. zumindest scheinen in utrecht die tontechniker erfahrung mit jazzbands gehabt zu haben, das publikum wahrscheinlich genauso wenig wie in berlin: alle wollen sanders sehen, und dann gibt es so lange pianosoli… dass henderson ziemlich tolle sachen spielt (kann man auch im video verfolgen) und die beiden anderen auch nicht von schlechten eltern sind, sollte man schon würdigen. und sanders hat ja nie viel gespielt, selbst auf den impulse-alben nicht, er steigt halt nur ein, wenn sich in der musik was tut.

    über seinen mentalen zustand möchte ich mir kein urteil erlauben. und gelenkprobleme darf man mit 77 schon haben. aber klar, ich habe sanders vor 12 jahren zuletzt gesehen, mit dem gleichen zeug und einer ungleich experimentelleren band (orrin evans, matthew garrison, vince calhoun), da kam er wie ein orkan über die 50 zuhörenden. wenn ich aber „welcome“ in der utrecht-version höre, fehlt mir aber eigentlich auch wenig zum glück.

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    #10390531  | PERMALINK

    vorgarten

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    da ich ein bisschen weitergehört habe, hier ein kleiner überblick über sanders‘ nächste phase von ende der 1970er bis ein stück weit in die 1980er, die vom theresa label nicht nur sehr gut dokumentiert, sondern eigentlich überhaupt ermöglicht wurde. das kleine label von allen pittman und kazuko ishida existierte von 1976 bis 1989 und nahm hauptsächlich afroamerikanischen mainstream jazz in der bay area auf, angefangen von den lokalhelden (bishop) norman williams und ed kelly, setzte dann aber vor allem auf sanders und john hicks. außerdem entstanden alben von nat adderley, george coleman, bobby hutcherson und rufus reid. all das ist durch cd-ausgaben von evidence bis heute ziemlich gut erhältlich.

    auf sanders‘ erstem theresa-album, aufgenommen im dezember 1978, firmiert er inkognito als „friend“ und wird fotografisch neben pianist ed kelly von einem tenorsax, holzschuhen und einer kappe vertreten. er war damals noch bei arista unter vertrag und durfte nicht mit seinem namen auftreten, die spätere evidence-ausgabe erst nannte das album ED KELLY & PHAROAH SANDERS.

    das album ist hübsch und stilistisch ziemlich durcheinander. kellys beiträge sind üppige funk/pop-arrangements, mit streichern, e-gitarre und bläsersatz, dann gibt es zwei etwas kitschige, aber reduzierte balladen, eine hübsche barrelhouse-solo-version von „sweet georgia brown“. sanders steuert zwei originale bei, die symptomatisch für die nächsten aufnahmen stehen: die ersteinspielungen von „you’ve got to have freedom“ und „newborn“ haben einfache, subtil entwickelte, clevere themen und ein gerüst mit nicht allzu viel changes, die in kompakten bands gut funktionieren (live ist er ja immer noch im quartett unterwegs), aber auch durch chor, streicher etc. aufgefüllt werden können.

    ed kelly kommt vom gospel, spielt üppig, aber durchaus emotional. auf der cd befindet sich noch material einer session von 1992, u.a. mit drei solo-stücken, die sehr hübsch sind. sanders tritt etwas gebremst auf, funktional sowohl im poppigen, wie auch im balladen-kontext, von seinen eigenen sachen gibt es später wesentlich heißere aufnahmen.

    pharoah sanders‘ erstes leader-album auf theresa ist tatsächlich ein chef d’oeuvre, oder, wie idris muhammad sagt: „it put him back on the map“. 73 minuten auf zwei lps, ein komplettes portfolio aus spirituellen mantras (wahlweise von koto, harmonium oder piano begleitet), heißem post-bop, einem balladenstandard, einer verbeugung vor coltrane und vielen neuen kompositionen. grundstock ist ein fantastisches quartet mit john hicks (p), ray drummond (b) und idris muhammad (dm), das (mit ausnahme von drummond) danach auch live erfolgreich unterwegs sein wird. joe bonner ist aber auch dabei, sanders‘ frau bedria spielt harmonium und eddie henderson hat zwei auftritte als flügelhornist. ein gesangsensemble um den jungen bobby mcferrin ist zweimal zu hören, und muhammad sorgt als mixer zwischen zwei joints für ein paar spacige soundvariationen im ansonsten sehr knackig auf sanders‘ ton konzentierten klangbild.

    danach ist das rumpfquartett in europa unterwegs (mit curtis lundy am bass), es gibt einen auftritt mit ed thipgen, mats vinding und horace parlan in kopenhagen, den ich gerne mal hören würde, außerdem tritt sanders ein paar mal als gast des george-adams-don-pullen-quartetts auf.

    im september 1980 hilft sanders seinem bandkollegen muhammad, der keine discoalben mehr bei fantasy einspielen mag, bei dessen transformation vom funk- zum jazzdrummer. ein super album mit fetten, rollenden grooves und zwei schwergewichtigen tenorsaxofonisten, die nur auf einem blues gemeinsam zu hören sind, ansonsten mit muhammad und drummond im trio. perfekt destilliertes schwarzes post-bop-playing, mit schulbuchmäßig gebauten coleman-soli und eher kratzigen, angepieksten sanders-blöcken, der aber überraschenderweise auch die einzige ballade veredelt, eckstines „i want to talk about you“. ich greife immer wieder mal auf KABSHA zurück, weil es in gewisser hinsicht für die 1980er auf den punkt bringt, warum jazz niemals irrelevant werden kann – und das mit reduziertesten mitteln. dafür reicht es eigentlich, nur auf muhammads beckenarbeit zu hören.

    REJOICE ist die nächste großtat von sanders, ebenso fett produziert wie JOURNEY TO THE ONE, auch mit ziemlich ähnlichem konzept – das gesamte spektrum der pharaonischen ausdruckskraft auf vier lp-seiten, wobei der gleichnamige opener mit elvin jones‘ groove und den schwebenden sounds von bobby hutcherson wohl zu den veritablen hits von sanders aus dieser phase zählt. aber nicht nur jones und hutcherson tauchen hier auf, auch art davis, billy higgins, steve turre, john hicks und joe bonner, babatunde und big black, sowie ein gesangsensemble und ein bisschen afro-fusion. es gibt zwei coltrane-stücke („central park west“ und „moment’s notice“) und benny carters „when lights are low“, trotzdem ist das (auf hohem niveau) alles nicht so zwingend wie JOURNEY TO THE ONE. beachtlich aber dennoch, wie viel mühe sich das kleine label mit seinem star macht.

    im gleichen jahr (1981) fogt das erste theresa-livealbum von sanders, der mit seinem quartett aus hicks, booker und muhammad in den usa unterwegs ist, bevor er mit anderen besetzungen durch europa tourt. dieses album ist hier schon vielfach aufgetaucht, es ist wohl der perfekteste ausdruck für die live-extase, die die sanders-bands mit ihrem kompakten programm in den 1980ern hinbekamen. die version von „you’ve got to have freedom“ hier haut einen buchstäblich aus dem sessel und setzt einen dichten höhepunkt nach dem nächsten (vor allem john hicks ist in top-form, wahrscheinlich hat es ein so heißes post-tyner-mainstream-klavier bis kenny kirkland nicht mehr gegeben). die evidence-cd hat noch das über 20-minütige „doctor pitt“ zu bieten, was sich ebenfalls sehr lohnt, dazwischen darf sich das heftig angeflirtete publikum u.a. mit „easy to remember“ etwas ausruhen.

    ebenfalls aus 1981 ist dieses album, an dem william henderson john hicks ersetzt – allerdings mit einem kurzweil 250, der in der lage zu sein vorgab, diverse instrumentensounds zu imitieren (neben klavier und akustischer gitarre sowas wie einen chor und streicher). der war damals noch in einer probephase und dementsprechend cheap klingt das leider auch. schön ist der auftritt von leon thomas auf zwei stücken, aber auch hier stört die merkwürdige begleitung schon sehr. mit „body and soul“ und „too young to go steady“ versucht sich sanders an zwei weiteren standards und am spiel über changes. trotzdem bleibt SHUKURU, auch wenn das titelstück eine ziemlich ungreifbare melancholie ausbreitet, das einzige album, das man in dieser phase wohl nicht unbedingt braucht.

    danach gibt es einen gastauftritt auf dem album VISITING THIS PLANET von tisziji munoz (nur auf dem coltrane-stück „to be“), das ich leider nicht kenne. 1982 kommt dann das vorletzte sanders-album auf theresa heraus (das letzte sehr viel später, 1987, dazu später):

    der live-auftritt im keystone korner in sanders‘ aktueller hometown san francisco eröffnet mit einer ausgesprochen feurigen version von coltranes „olé“, ganze 22 minuten lang. wieder ist muhammad der drummer, aber am bass ist john heard und am klavier der glänzend aufgelegt william henderson. das publikum klatscht mit, der vibe stimmt, auf einer neuen version vom creator mit dem masterplan, taucht ein gespenstischer chor auf (mit andy bey!), der dazu „haert is a melody in time“ singt, was ziemlich super ist. überraschend auch die schön swingende version von damerons „on a misty night“. die cd-ausgabe bietet noch ein „naima“ und eine viertelstündige version von „rise n‘ shine“. funktioniert alles bestens.

    es folgen drei projekte im coltrane-kontext, u.a. die reunion von elvin jones und mccoy tyner und ein album von benny golson. und auf den europatourneen übernimmt das holländische timeless-label die dokumentation der sanders-bands für zumindest drei alben. aber dazu in einem nächsten post.

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    #10393371  | PERMALINK

    vorgarten

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    „the nearest thing to trane“ (1982-87)

    wer immer eine coltrane-referenz brauchte, kam in den 1980ern gerne auf sanders zurück, der selbst live bis heute stücke spielt, die mit coltrane assoziiert sind, interessanterweise aber alle aus phasen stammen, bevor sanders selbst mit ihm spielte (ca. „moment’s notice“ bis „welcome“).

    die wiedervereinigung von elvin jones und mccoy tyner auf dem japanischen trio-label macht 1982 den anfang, auch wenn hier kein coltrane-material bemüht wird. bassist ist richard davis, außerdem darf ein blutjunger jean-paul bourelly ein bisschen bluesakkorde beisteuern (die im von tyner dicht gefüllten raum keinen rechten platz haben – aber sanders wird nichtsdestrotz 10 jahre später bourelly in seine band holen).

    aufregend ist das – bei besten voraussetzungen – leider nicht, jones trommelt alles zu, tyner hält sich genauso wenig zurück, sanders ist hier nicht auf der höhe seines spiels, vermeidet aber gekonnt allzu deutliche coltrane-imitationen. auf gene perlas „korina“ gelingt ihm eine recht schöne balladenimprovisation, und sein eigenes „origin“ (ein sanders-standard, das mit permanenten changes sowas wie sein „giant steps“ ist) erhält durch jones‘ latin-begleitung eine andere farbe als in seinen eigenen bands. die aufnahme ist sehr glatt und hell produziert, frühe digitalsünden wahrscheinlich.

    ein wesentlich klareres klangbild hat 1983 benny golsons coltrane-hommage, zu der er neben sanders noch cedar walton, ron carter und jack de johnette ins studio eingeladen hat. sein abgehangener, etwas schmalziger ton kontrastiert schön zu pharoahs angerauter reserviertheit, während die rhythm section luziden traditionalismus abliefert. wirkliche aha-erlebnisse darf man allerdings auch hier nicht erwarten, alles geht schon recht gepflegt seinen gang. das material hat daran seinen anteil: „greensleeves“, golsons „jam the avenue“, lehars „vilia“, dazu wieder sanders‘ „origin“, das hier auch nicht unbedingt aufregend gerät. überhaupt: im changes-format agiert er solide, aber ohne das einbringen zu können, was sein spiel tatsächlich ausmacht.

    art davis‘ quartett-leader-date von 1986 ist das interessanteste album in der reihe. es ist allerdings auch kein hommage-album, sondern eher eine transformation der mittleren coltrane-phase in eine spirituelle 80er session. leider ist dieses live-konzert aus new york mit sehr viel hall aufgenommen, somit eher als dokument verfügbar gemacht als eigenständig produziert (darunter leidet vor allem der leader, dessen verstärkter bass sehr unschön grummelt und murmelt – man hört zwar alles, aber eben nicht auf der höhe der musik).

    die band ist eigentlich ein klassisches sanders-quartett aus der zeit (mit john hicks und idris muhammad), aber davis‘ material ist ambitioniert und hat einen loft-spirit. besonders schön ist ein kurzes (freies?) duo mit sanders, das tatsächlich nochmal andere klangräume aufmacht als man es von saxofonisten gewöhnt ist. hicks gelingen großartige aktualisierungen von tyner und muhammad ist sowieso spitze. interessantes album.

    1987 dann nochmal ein tyner-projekt, ordentlich für impulse zusammengestellt und auch folgerichtig mit einem grammy ausgezeichnet. der star der aufnahme ist allerdings roy haynes, der mit einem äußerst vitalen cecil mcbee das gepflegte programm unter spannung setzt, in dem sich als tenoristen sanders (auf 4 stücken) und david murray (auf 2) abwechseln, „lazy bird“ spielen tyner, mcbee und haynes im trio. sanders gelingt es in einem blues, seine autorität ins spiel zu bringen, sein „naima“ braucht man aber in einem derartig braven setting eher nicht. auch murray spielt recht gebremst, seine coltrane-hommage-komposition „last of the hipmen“ finde ich ohnehin keinen höhepunkt. trotzdem ist das alles gut gemacht und natürlich von herausragenden musikern exekutiert, die niemandem mehr etwas beweisen müssen. es scheint mir allerdings bezeichnend zu sein, dass das festhalten am coltrane bis zu den frühen 60ern eher musealisierende als fortschreibende absichten verfolgt, insofern ist auch dieses projekt hier ein typisches produkt aus der mitte der 1980er. lincoln-center-tauglich, wenn man so will.

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    #10402147  | PERMALINK

    vorgarten

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    80’s round-up

    auch ab mitte der 80er ist sanders unermüdlich live unterwegs, mit ständig wechselnder quartett-besetzung, obwohl john hicks und william henderson regelmäßig den klavierstuhl besetzen (und auch curtis lundy und idris muhammad immer wieder in den line-ups auftauchen). zu den pianisten gehörten aber auch kirk lightsey, charles eubanks und michel grailler, am bass tauchen santi debriano, herbie lewis, ray drummond und michael bowie auf, an den drums u.a. terri lynn carrington und alvin queen. ende der 80er scheint sich mit stafford james und eddie morre wieder eine feste working band herauszuschälen, was allerdings durch den frühne tod von moore (1990) vereitelt wird.

    im netz findet man noch sanders‘ schöne zusammenarbeit mit dem trio von joanne brackeen (clinton houston & victor lewis):

    während dieser zeit schwächelt das theresa-label, sanders kann nur noch ein album aufnehmen (A PRAYER BEFORE DAWN). in die bresche springt das holländische timeless-label, dass dreimal die sanders-band auf europa-tournee abgreift. aber der reihe nach:

    mein eigentliches lieblingsalbum von sanders wurde 1987 im niederländischen monster aufgenommen, mit der perfekt eingespielten band aus john hicks, curtis lundy und idris muhammad. die inspiration im playing merkt man vor allem in den ausgewalzten codi der stücke, wo zwischen den beteiligten nochmal augenzwinkernd material hin- und hergeschoben wird, das einfach nicht totzuspielen ist. muhammad sorgt durchgängig für spannende grooves, die die simplen 2-akkord-strukturen nicht einschlafen lassen, und sanders ist vom ersten nebeltonschrei des openers an in fahrt und hält die intensität bis zum schlusstrack, den er im duo mit muhammad bestreitet. das alles ist musik, die vorher und nachher niemand anders hätte spielen können, dabei spielen sie hier nur das ein, womit sie sowieso schon seit jahren unterwegs sind.

    ebenfalls 1987 kam dieses date für signature zustande, das meiner ansicht nach weniger überzeugend gerät. diesmal sitzt henderson am klavier, donald smith steuert ein paar sehr billige synthie sounds bei, die rhythm section besteht aus tarik shah und gregg bandy. das programm reicht von einem reggae über „equinox“ von coltrane bis zu ein paar schläfrigen balladen mit harfenimitationen. leon thomas taucht auf und singt einen inspiratonsfreien blues und ein synthieverwässertes „clear out of this world“.

    wenn schon kitsch, dann aber richtig. das letzte album für theresa beschränkt sich auf intime schnulzen, für die henderson, deutlich geschmackssicherer, wieder für overdubs seinen kurzweil auspackt. bis auf ein stück mit percussion und indischen instrumenten ist hier alles im duo eingespielt (ein stück auch live mit john hicks), und wenn man – wie ich – einen sanders-ton-fetisch hat, kommt man hier so richtig auf seine kosten. filmsongs, whitney houston („the greatest love of all“!), coltrane, alles sanft umspielt, heiser, kratzig, voll, gehaucht, klar, meist alles auf einmal, ein ton, den man in vielen verschiedenen layern aufnehmen kann.

    das zweite timeless-album entsteht 1989 in paris. hier sind sanders und henderson mit stafford james und eddie moore zu hören, außerdem haben sie den in paris lebenden senegalesischen percussionisten cheikh tidiane fale eingeladen. die band ist auf tour und völlig durch, die session dauert die ganze nacht, moore spielt auf einem fremden drum kit. die nachtstimmung ist klar zu identifizieren, gleich am anfang gibt es drei songs über den mond. ich liebe dieses album sehr, weil es so reduziert ist, aber gleichzeitig glimmt und schimmert und ganz nahe an der trance ist. die congas sind ein schönes feature, aber es ist vor allem moores idiosynkratisches getrommel, das immer wieder für spannung sorgt. sanders besingt den mond in verschiedenen sternzeichen, henderson ist im klavierhimmel, in „the night has a thousand eyes“ hängen sie ab der hälfte in einer sich verselbständigenden coda fest, zum schluss gibt es auch noch abdullah ibrahims traumverlorenes „moniebah“, eine perfekte wahl.

    zum schluss nimmt sanders noch für timeless im französischen yerres sein „ballads“-album auf, einmal kompletter coltrane-channel, mit entsprechendem material: „soul eyes“, „my one and only love“, „i want to talk about you“, „nancy“ usw. das album hat seine fans, ich brauche es nicht unbedingt. wainwright hat den gerade verstorbenen eddie moore ersetzt, viel zu tun hat er hier allerdings nicht. für mich wird es erst am schluss interessant, wenn sich sanders in den letzten beiden stücken von coltrane löst: „lament“ in einer geisterversion, ein „bird song“ fast sieben minuten im solo (klappengeräusche, growls usw. inklusive).

    bevor sanders in den 1990ern immer mehr als klangfarbe in hybriden produktionen eingesetzt wird, die umarmung durch bill laswell einsetzt und verve nochmal einen vertrag spendiert, endet das jahrzehnt für ihn mit einem gemischten output. er bleibt im geschäft, konsolidiert allerdings auch das, was mit wenigen mitteln aus dem ärmel zaubern kann und hält sich damit im geschäft.

    recht witzig ist der auftritt von sanders in david sanborns „night music“ sendung 1989. sie spielen „thembi“ und am ende noch ein bisschen aus dem „creator“, und sanborn macht wie üblich eine ziemlich gute figur dabei:

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    #10402155  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich grätsche nur kurz rein, um mich für die letzten paar Posts herzlich zu bedanken – ich kenne aus der Zeit nach Impulse von Sanders so gut wie gar nichts (ein paar Live-Mitschnitte, das Album mit Benny Golson) und Du machst mächtig Lust, da mal weiterzuhören!

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    #10402165  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windIich kenne aus der Zeit nach Impulse von Sanders so gut wie gar nichts (ein paar Live-Mitschnitte, das Album mit Benny Golson) und Du machst mächtig Lust, da mal weiterzuhören!

    oh, das freut mich. ich dagegen kenne ja vor allem die sachen seit den 70ern und musste hier vor allem die impulse-alben nachholen. KABSHA, AFRICA und MOONCHILD kann ich jedenfalls sorgenfrei empfehlen, die timeless-alben sind ja auch in einer cd-box zusammengefasst, die man immer noch ganz gut und preiswert bekommt. ab den 1990ern wird es ja recht wild – viele gastauftritte in allen möglichen kontexten (von sonny sharrock bis rob mazurek, sogar mit dem arkestra gab es ja noch kontakte), die beiden verve-alben, das tolle live-ding aus essaouira mit dem marrokanischen chor, das brave letzte quartett-album… mal sehen, was ich von den sachen, die ich nicht kenne, finde.

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    #10402213  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    vorgarten80’s round-up  während dieser zeit schwächelt das theresa-label, sanders kann nur noch ein album aufnehmen (A PRAYER BEFORE DAWN). in die bresche springt das holländische timeless-label, dass dreimal die sanders-band auf europa-tournee abgreift. aber der reihe nach: mein eigentliches lieblingsalbum von sanders wurde 1987 im niederländischen monster aufgenommen, mit der perfekt eingespielten band aus john hicks, curtis lundy und idris muhammad.  ……

    Volle Zustimmung …. in Rahmen dieser Sesssion am 12.März 1987 ergab sich auch die Möglichkeit für eine reine Trio Aufnahme :

    Der eingespieltt gefestigte Eindruck dreier Musiker mit Aussagekraft setzt sich hier nahtlos fort …. wurde auf den Timeless Sublabel Limetree veröffentlicht und gibt es noch immer um kleines Geld in einer rezenten Wiederveröffentlichung von Solid Japan ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10402247  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Gerade ein paar Sachen bestellt (Evidence, Timeless, Teresa …) – und dabei gesehen, dass man zwei bei denselben Sessions aufgenommene Balladen-Alben im Doppelpack in Japan gerade günstig kriegt – kennst Du sie schon @vorgarten? Gab es wohl auch früher schon als Doppel-CD, auf Discogs gibt es zahlreiche Einträge

    http://www.cdjapan.co.jp/product/VHCD-1114

    Ballads with Love & Crescent with Love

    Tenor Saxophone – Pharoah Sanders
    Piano – William Henderson
    Bass – Charles Fambrough
    Drums – Sherman Ferguson

    Recorded at Sear Sound Studio in New York on Oct 19 & 20, 1992.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    kurganrs

    Registriert seit: 25.12.2015

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    @gypsy-tail-wind,
    danke für den Hinweis. :bye:

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