Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Musik im Wandel der Zeit: Wie Musik sich verändert
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herr-rossi Der Gedanke, dass Kunst durch die neuen technische Möglichkeiten ihrer massenweisen Reproduktion entwertet wird, ist nicht neu. Walter Benjamin etwa konstatierte 1938 den Verlust der „Aura“ des originalen Kunstwerks durch seine massenweise Reproduktion. Sowohl von rechter wie von linker Seite beklagte man den Verlust kultureller Werte durch die „Massenkultur“ bzw. „Kulturindustrie“ (Adorno/Horkheimer). Mit anderen Worten: Alle Spielarten moderner populärer Musik vom Jazz angefangen einschließlich ihrer massenweisen Verbreitung durch Tonträger (und Radio) galten einmal als Niedergang der Kultur.
Und das war damals schon im zeitlichen Kontext nicht verkehrt und lässt sich in Teilen auch auf heute ein Level weiter übertragen. Da wo ein neuer Umgang mit Kultur ensteht, verschwindet ein alter und das ging gerade in der Musikindustrie im Rahmen der Digitalisierung sehr schnell. Das kann man schlicht und ergreifend ganz wertfrei so feststellen und in dem Fall ist das keine düstere Zukunftsvision sondern längst Geschichte. Über den Verlust der „Aura“ einer raren Vinylauflage im Vergleich zu einem File einer Spotify-Playlist muss man hier sicher auch nicht lange debattieren. Die Veröffentlichungsform hat Einfluss auf die Wertschätzung.
Das „Album“ als musikalisches Werk ist Kind einer technischen Innovation, der Einführung der 12“-LP, aber als künstlerische Idee und als Marketingtool offenkundig so etabliert, dass es nicht nur den Formatwechsel zur CD überlebte, sondern auch mühelos den Sprung ins Streaming-Zeitalter geschafft hat.
Wie mühelos der Sprung auf Dauer sein wird, dürfte sich in nächster Zeit entscheiden. Der Trend zur individualisierten Playlists wird sich verstärken und Künstler und Labels darauf reagieren, prognostiziere ich mal.
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WerbungEin sehr interessanter Aspekt sind die Playlists von Künstlern,die man verstärkt bei Spotify findet. Das ist ein Trend, der mir sehr gefällt,weil er , zwar (noch?) keine Kommentare enthält,aber Ähnlichkeit mit einer Radiosendung hat, in der der Moderator Musik vorstellt.Oder Playlists von Freunden , die mir ihre neuesten Errungenschaften so vorspielen,soweit sie auf Spotify sind.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
bullittUnd das war damals schon im zeitlichen Kontext nicht verkehrt und lässt sich in Teilen auch auf heute ein Level weiter übertragen.
also haben wir jetzt seit 80 Jahren einen Niedergang der musikalischen Kultur? Wow…
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jjhumEin sehr interessanter Aspekt sind die Playlists von Künstlern,die man verstärkt bei Spotify findet. Das ist ein Trend, der mir sehr gefällt,weil er , zwar (noch?) keine Kommentare enthält,aber Ähnlichkeit mit einer Radiosendung hat, in der der Moderator Musik vorstellt.Oder Playlists von Freunden , die mir ihre neuesten Errungenschaften so vorspielen,soweit sie auf Spotify sind.
Sehe ich ähnlich, wobei das eben dazu führt, dass Alben immer mehr zur Randerscheinung werden oder zumindest bald werden könnten. Klinere bands profiteren heute enorm davon, wenn sie auf populären Spotify-Playlists landen.
elmo-ziller
bullittUnd das war damals schon im zeitlichen Kontext nicht verkehrt und lässt sich in Teilen auch auf heute ein Level weiter übertragen.
also haben wir jetzt seit 80 Jahren einen Niedergang der musikalischen Kultur? Wow…
Nö, seinerzeit ging es ja nur am Rande um Musik. Aber was ein Diorama ist, weiß z.B. heute kein Mensch mehr. Was lineares Fernsehen ist, wissen bereits meine Kinder nicht mehr. Mit dem Verschwinden von Kinos, Buchläden, Plattenläden, Labels und Magazinen verschwinden Institutionen, die die Rezeption und die Produktion von Kulturgütern geprägt haben. An deren Stellen treten andere, womit sich auch die Kunstform verändert.
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bullittSehe ich ähnlich, wobei das eben dazu führt, dass Alben immer mehr zur Randerscheinung werden oder zumindest bald werden könnten. Klinere bands profiteren heute enorm davon, wenn sie auf populären Spotify-Playlists landen.
„Früher“ wollte das Label eine radio-, MTV- oder clubtaugliche Single, die das Album anschiebt, ich sehe da nicht den grundlegenden Unterschied … Natürlich profitieren kleinere Bands davon, wenn sie auf populären Playlists landen, ebenso wie schon seit langem von Einsätzen in Werbespots und TV-Serien. Aber davon alleine können sie sich keine eigenständige Hörerschaft aufbauen und publizistische Aufmerksamkeit generiert man damit auch nicht. Das Album ist weiterhin das ideale Format, um sich als Künstler zu präsentieren.
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Die Aufmerksamkeitsspannen werden aber zunehmend immer kürzer. (So attestiert sich das lyrische Ich in „You Can Call Me Al“: „Got a short little span of attention“)
Schon damals meinte Paul Simon, mehr als 45 Minuten hört niemand mehr zu (und diese Aussage ist schon ziemlich alt).Wenn es nicht mehr um Verkäufe in klassischem Sinne geht, dann ist es vermutlich mindestens genauso erquicklich, eine (Hit) Single nach der anderen anderen rauszuhauen.
Oder, wenn wir die „Formate“ außen vor lassen: Einfach Tracks, die dann angeklickt, gestreamt werden etc.Das Verlangen nach einem Ganzen ist doch mehr und mehr dem Fragmentarischen, Ausschnitthaften gewichen.
zuletzt geändert von mozza--
Im Durchschnitt ist man kummervoll und weiß nicht, was man machen sollbullittÜber den Verlust der „Aura“ einer raren Vinylauflage im Vergleich zu einem File einer Spotify-Playlist muss man hier sicher auch nicht lange debattieren. Die Veröffentlichungsform hat Einfluss auf die Wertschätzung.
Müssen wir nicht diskutieren, aber das „rar“ in „rare Vinylauflage“ sagt doch schon aus, das hier nur ein ganz kleiner Kreis von Enthusiasten überhaupt angesprochen wird. Die sehe ich aber nicht gefährt, denn die waren doch auch bislang schon von anderen, kommerziell einträglicheren Veröffentlichungsformen unabhängig. Die „Aura“ eines Sammlerstücks war schon immer eine andere als die der „Kuschelrock 13“-LP bei Karstadt oder die der „Bravo Hits 98“-CD vom großen Stapel bei Mediamarkt – und in deren Tradition sehe ich die auf maximale Reichweite angelegten Playlists der Streamingdienste.
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mozzaDie Aufmerksamkeitsspannen werden aber zunehmend immer kürzer.
Für die These warte ich ja immer noch auf Belege. Wir leben immerhin in einer Zeit, in der Netflixserien „gesuchtet“ werden und „Young Adult“-Romane in dickleibigen Bänden und Serien verkaufen.
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herr-rossi
mozzaDie Aufmerksamkeitsspannen werden aber zunehmend immer kürzer.
Für die These warte ich ja immer noch auf Belege. Wir leben immerhin in einer Zeit, in der Netflixserien „gesuchtet“ werden und „Young Adult“-Romane in dickleibigen Bänden und Serien verkaufen.
Ich habe keine repräsentative Umfrage gemacht, das sind Beobachtungen und Wahrnehmungen aus meinem Umfeld. Nicht nur in Bezug auf Musik und deren Rezeption, sondern auch bei Kommunikation allgemein.
Aber je nach Umfeld ist das natürlich verschieden. Ich denke auch, dass den meisten einfach Konzentration und Hingabe fehlt. Aber auf mich hört ja keiner.
zuletzt geändert von mozza--
Im Durchschnitt ist man kummervoll und weiß nicht, was man machen sollDieser Thread ist einer der besten des Forums!
mozza
Schon damals meinte Paul Simon, mehr als 45 Minuten hört niemand mehr zu (und diese Aussage ist schon ziemlich alt).Macht Sinnn. Eine Schulstunde hat nicht ohne Grund 45 Minuten. Die Laufzeit einer Lp war ein menschlicher Glücksfall. Der Glaube, CDs prinzipiell randvoll pressen zu müssen, war ein Irrweg.
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Software ist die ultimative Bürokratie.demon Eine Schulstunde hat nicht ohne Grund 45 Minuten. Die Laufzeit einer Lp war ein menschlicher Glücksfall. Der Glaube, CDs prinzipiell randvoll pressen zu müssen, war ein Irrweg.
Ja, das sehe ich auch so. Je länger ein Album, desto größer die Gefahr, dass man die Zuhörer verliert.
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Im Durchschnitt ist man kummervoll und weiß nicht, was man machen sollherr-rossi Wir leben immerhin in einer Zeit, in der Netflixserien „gesuchtet“ werden und „Young Adult“-Romane in dickleibigen Bänden und Serien verkaufen.
Ich wundere mich auch immer wieder über die Verkaufszahlen von Hörbüchern. Oder über Menschen, die einem Audio-Podcast über +1 Std. zuhören.
Dee eine hört 100 Clips à 3 min und verfasst über jeden einen Tweet oder einen Kommentar auf Facebook. Der andere hört/sieht eine mehrteilige Serie von 5 Std und äußert sich einmal dazu. Wer gewinnt mehr Aufmerksamkeit?
zuletzt geändert von demon--
Software ist die ultimative Bürokratie.demon
herr-rossi Wir leben immerhin in einer Zeit, in der Netflixserien „gesuchtet“ werden und „Young Adult“-Romane in dickleibigen Bänden und Serien verkaufen.
Ich wundere mich auch immer wieder über die Verkaufszahlen von Hörbüchern. Oder über Menschen, die einem Audio-Podcast über +1 Std. zuhören.
Und meine Leute brauchen schon mehrere Tage, um sich eine Sprachnachricht von mir anzuhören, die mal gerade 10 bis 15 Minuten dauert.
Okay, das ging jetzt gegen mich selbst.
zuletzt geändert von mozza--
Im Durchschnitt ist man kummervoll und weiß nicht, was man machen soll
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
herr-rossiFür die These warte ich ja immer noch auf Belege.
Da gehts dir wie mir, ich warte auch noch…
Warum der Besitz und das Sammeln von Kopien eine derartige Bedeutung hat, daß daran das Wohle der Kunst hängt, wurde bislang noch nicht geklärt. Zumal es ja bei sonstigen Kunstformen (Film, Literatur, Malerei) doch ziemlich gut ohne Besitz geht. Humanistische Bildung durch Bibliotheken scheint allgemein akzeptiert, ein Kinobesuch schlägt jede Blu-Ray und auch das sonstige Kunstverständnis macht man eher nicht an dem Hopper-Poster über dem Bett fest. Also warum zur Hölle ist das Sammeln von Tonträgerkopien so überaus relevant für die Bestimmung der Lage der Kultur…?--
Filme: einen Film schaut man in der Regel nicht so oft, wie man ein Album hört. Ja, es gibt Ausnahmen.
Dennoch habe ich mir wichtige Filme als DVD oder BluRay.Malerei: Originale oft unerschwinglich. Nachdruck okay, aber wie viele Bilder kann man in der Wohnung / Haus aufhängen? Begrenzter Bedarf aufgrund von Platzmangel.
Literatur: Auch hier, ähnlich wie bei Filmen. Werke, die mir wichtig sind, habe ich als Buch, von mir aus auch Taschenbuch. Möchte ich jederzeit verfügbar haben.
Anders ausgedrückt. Ich bin haptisch veranlagt und besitzergreifend.
zuletzt geändert von mozza--
Im Durchschnitt ist man kummervoll und weiß nicht, was man machen soll -
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