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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
Beiträge: 56,495
Hi Flurin,
meine Frau hörte am 23.1.2018 im Konzerthaus Wien :
Estonian Festival Orchestra, Orchester
Viktoria Mullova, Violine
Paavo Järvi, Dirigent
Programm
Arvo Pärt
Cantus in memory of Benjamin Britten (1977)
Jean Sibelius
Konzert für Violine und Orchester d-moll op. 47 (1903-1904/1905)
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Zugabe:
Arvo Pärt
Passacaglia (Fassung für ein oder zwei Violinen, Vibraphon ad libitum und Streichorchester) (2003/2007)
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Fratres (Fassung für Streicher und Schlagwerk) (1991)
Dmitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 6 h-moll op. 54 (1939)
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Zugabe:
Lepo Sumera
Spring Fly (Aus dem Film «Kevadine Kärbes», Regie: Hardi Volmer und Riho Unt, EST 1986) (1986)
Hugo Alfvén
&
Vallflickans Dans (Bergakungen. Ballett-Pantomime op. 37)
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Sie war eher reserviert zu Mullova/Sibelius, hbane das schon deutlich beseelter von Kavakos, Krivde etc in denletzten Jahr miterlebt – begeistert war sie jedoch vom Orchester bzw vom Dirigat und besonders die Schostakovich 6 dürfte in Wien besonders gut gelungen sein ….
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WerbungJa, das war hier auch so … das Orchester war auch hinter Mullova gut, aber so richtig ab ging es dann mit Schostakowitsch. Von den Zugaben abgesehen (Mullova spielte in Zürich einen Satz aus einer der Bach-Sonaten/Partiten und das war wohl besser als der ganze Sibelius) war das Programm ja identisch, auch die Orchester-Zugaben.
Die seltsame Ansprache (100 Jahre Unabhängigkeit von Estland … was war denn das schon wieder von Ende Dreissiger bis 1991? Ein Besuch von Freunden, die einfach nicht mehr gingen, „Funny Games“?) des estnischen Ministers gab es in Wien auch?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-windJa, das war hier auch so … das Orchester war auch hinter Mullova gut, aber so richtig ab ging es dann mit Schostakowitsch. Von den Zugaben abgesehen (Mullova spielte in Zürich einen Satz aus einer der Bach-Sonaten/Partiten und das war wohl besser als der ganze Sibelius) war das Programm ja identisch, auch die Orchester-Zugaben. Die seltsame Ansprache (100 Jahre Unabhängigkeit von Estland … was war denn das schon wieder von Ende Dreissiger bis 1991? Ein Besuch von Freunden, die einfach nicht mehr gingen, „Funny Games“?) des estnischen Ministers gab es in Wien auch?
Wurde mir nicht so kolportiert, binn grad „Strohwitwer“ in Wien …. Mullova ist sicherlich treffliche Musikerin, aber mit dieser ausgeprägten Kühle (nennen wir es mal so) ist sie bei vielen Violinstücken de facto eine Fehlbesetzung (IMO) …. wenn man bedenkt wie sehr dies (zumindest hier in Wien) Gidon Kremer ab den frühen 80ern vorgehalten wurde, so lässt es mich staunen denn im Vergleich zu Mullova agiert er expressiv ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Zürich, Tonhalle-Maag – 01.02.2018
Camerata Bern
Meesun Hong Coleman, Violine & Leitung
Kit Armstrong, Cembalo & KlavierJOHANN SEBASTIAN BACH: Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066
JOHANN SEBASTIAN BACH: Klavierkonzert F-Dur BWV 1057
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JOHANN MARTIN KRAUS: Sinfonie C-Dur „Violin obligato“ VB 137
WOLFGANG AMADEUS MOZART: Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur KV 482Gestern Abend wieder in der Tonhalle-Maag … besser als befürchtet – asiatisches Wunderkind etc. pp … doch Armstrong (Mutter aus Taiwan, Vater aus UK, geboren in Los Angeles) scheint dem Rummel aus dem Weg zu gehen, wirkte fast etwas linkisch, sagte vor seinem ersten Auftritt (BWV 1057) ein paar Worte (auf Deutsch) zur Entstehung des Klavierkonzertes als Genre, sehr sympathisch.
Für die erste Hälfte sass ich auf meinem Platz ganz vorne, etwas links der Mitte, was in BWV 1057 mit den Stereo-Flöten links und rechts des Cembalos etwas nachteilig war. Überhaupt war die Musik von Bach in der Konstellation nicht ganz einfach: das Cembalo war sehr leise, das Orchester drohte es immer wieder zuzudecken, zugleich musste das klein besetzte Orchester (4-4-2-2-1) doch ziemlich drauflosspielen, um den Saal überhaupt zu füllen. Armstrongs Fingerfertigkeit und Musikalität stand dabei jedoch nie zur Debatte und von meinem Platz ganz vorne konnte ich das Cembalo auch die meiste Zeit ganz gut hören – aber die rechts placierten zweiten Violinen und die zweite Flöte eben nicht so gut.
Nach der Pause sass ich zum ersten Mal im Saal, im hintersten Viertel wieder etwas links – klanglich ist das sicherlich besser als ganz vorne, allerdings hört man dort mit noch halbwegs frischen Ohren auch ganz leise die Lüftung – und viel mehr vom Publikum (vorne hört man dafür das Keuchen oder Brummen oder Summen des Dirigenten, zudem manchmal Schuhe auf dem Bühnenboden – aber das stört mich definitiv weniger, solange der Dirigent nur in lauten Passagen mitsummt oder -singt).
Aber gut, Kraus, die Sinfonie (sie läuft manchmal auch als VB 138 – auch in der Naxos-Reihe, die hier ungehört bereitliegt – und wird gerne „Sinfonia concertante“ genannt), war für mich das Highlight. Ein sehr erfrischendes Stück, in dem die Konzertmeisterin Meesun Hong einiges zu tun hatte und ihre Aufgabe mit Bravour erledigte. Hier – wie zuvor natürlich in der Orchestersuite von Bach – kam das Cembalo, etwas nach hinten geschoben, als Teil des Orchesters zum Einsatz, gespielt aber nicht von Armstrong sondern einem Zuzüger, der im Programmheft leider nicht einmal namentlich erwähnt wird.
Den Abschluss machte dann Armstrongs zweiter Auftritt mit KV 482, einem der unsterblichen Konzerte Mozarts … dafür wurde der grosse Bechstein-Flügel in die Mitte geschoben, das Orchester wuchs etwas an (nur noch eine Flöte, dafür zwei Fagotte, zwei Hörner, wenigstens je eine Oboe und Klarinette (die waren vom Deckel des Flügels verdeckt, ebenso die Pauke) … die Musik ist wundervoll, Armstrong hat auch den richtigen Touch dafür, es gab immer wieder bezaubernde Passagen. Aber es fehlte ihm oder auch dem Ensemble als ganzem das Gespür für die Architektur des ganzen Konzertes, das ja um die 35 Minuten dauert und daher auch etwas gestaltet werden muss … das Spiel ohne Dirigent mag manchmal völlig stimmig sein, hier war es das nicht so richtig, wohl auch weil Armstrong diese Rolle nicht übernehmen wollte (konnte?), es aber schon der Pianist wäre, der bei Mozarts Klavierkonzerten den Ton angeben muss, wenn sie denn ohne Dirigent aufgeführt werden.
Aber gut, es gab riesigen Applaus, der Saal war überhaupt fast ausverkauft. Armstrong spielte dann als Zugabe ein Choralvorspiel von Bach auf dem Flügel – ein ruhiger Ausklang, der sehr stimmig war. Weniger stimmig, dass wohl ein Viertel des Publikums davor schon aufgebrochen war … schade, dass die Leute nicht Respekt genug haben, um sitzen zu bleiben, bis der Künstler fertig ist.
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-windZürich, Tonhalle-Maag – 01.02.2018 Camerata Bern Meesun Hong Coleman, Violine & Leitung Kit Armstrong, Cembalo & Klavier JOHANN SEBASTIAN BACH: Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066 JOHANN SEBASTIAN BACH: Klavierkonzert F-Dur BWV 1057 — JOHANN MARTIN KRAUS: Sinfonie C-Dur „Violin obligato“ VB 137 WOLFGANG AMADEUS MOZART: Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur KV 482 Gestern Abend wieder in der Tonhalle-Maag … besser als befürchtet ….ein ruhiger Ausklang, der sehr stimmig war. Weniger stimmig, dass wohl ein Viertel des Publikums davor schon aufgebrochen war … schade, dass die Leute nicht Respekt genug haben, um sitzen zu bleiben, bis der Künstler fertig ist.
Ist hier in Wien ganz ähnlich und ich wundere mich immer wieder warum manche Menschen überhaupt zahlungspflichtige Konzerte besuchen wenn sie nicht einmal genug Zeit bzw Entspannung aufbringen um das gesamte Konzert anzuhören …. setzt sich übrigens bei der partiellen „Schlacht“ um die Garderobe nach Konzertende fort …..
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Zürich, Tonhalle-Maag – 03.02.2018
Tonhalle-Orchester Zürich
Andrés Orozco-Estrada Leitung
Hilary Hahn ViolineLeoš Janáček „Taras Bulba“
Sergej Prokofjew Violinkonzert Nr. 1 D-Dur op. 19
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Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70Am Samtagabend hatte ich endlich die Gelegenheit, Hilary Hahn im Konzert zu hören – das Programm wurde am Sonntag noch einmal aufgeführt, der Rezensent der NZZ meinte zu Beginn des Prokofiev-Konzertes Koordinationsschwierigkeiten zu hören, vielleicht hat sich das geändert? Das Violinkonzert wurde allerdings schon am späteren Freitagabend gespielt, im Rahmen eines „Tonhalle Late“-Konzertes (da gibt es Happen aus einem regulären Konzert kombiniert mit Elektronik und wohl DJs, die auflegen … war noch nie an einem solchen Anlass). Die erwähnten Blicke zwischen Hahn und Orozco-Estrada gab es auch später im Konzert noch, sie schienen mir nicht der Lösungssuche zu dienen – aber egal, das Violinkonzert war auf jeden Fall das Highlight des guten Konzertes, Hahn bewies – überraschend vielleicht für all jene, die stets von der „Makellosigkeit“ ihres Spiels labern, wie die NZZ es ja erwähnt – Mut zur Hässlichkeit in der Tongestaltung, ihr Spiel war zupackend und bei aller Nuanciertheit und bei allem klanglichen Reichtum zugleich sehr direkt. Als Zugabe spielte sie – auch da wieder beeindruckend in der Ausgestaltung – einen Satz aus einer der Bach’schen Sonaten, die es auf CD von ihr ja nicht vollständig gibt (und die betreffende CD ist bei mir auch keine Lieblingsaufnahme weder der Werke noch von Hahn).
Davor gab es Janáčeks Helden-Epos „Taras Bulba“, mir bisher nicht vertraut und vermutlich auch künftig kein Lieblingsstück, aber in der Darbietung war das beeindruckend: wie Orozco-Estrada den Einstieg gestaltete, das Orchester aus dem Nichts (und in das noch nicht ganz stille Publikum hinein) zu klingen anfing – da war ich schon einmal ziemlich sprachlos. Die Solisten innerhalb des Orchesters waren erstklassig, besonders gut gefiel mir der Konzertmeister Andreas Janke. Den Abschluss machte nach der Pause die siebte Symphonie von Dvořák, auch hier gelang eine überzeugende Darbietung, aber auch dieses Stück wird wohl kaum je zu meinen Favoriten gehören.
Die Konzerte von Prokofiev muss ich mir aber bald wieder einmal vornehmen, Nr. 2 hörte ich vor ein paar Jahren von Kopatchinskaja in der Tonhalle, hatte damals aber einen ungünstigen Platz und konnte den Solo-Part manchmal nicht gut hören … ihre CD-Einspielung steht allerdings im Regal und gefällt mir sehr gut bzw. tat das, als sie zum letzten Mal lief. Von Nr. 1 ist meine jüngste die aus den 80ern mit Frank Peter Zimmermann und Maazel – und die lief bisher noch gar nie.
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Zürcher Kammerorchester
Sir Roger Norrington (Ehrendirigent) Leitung
Isabelle Faust ViolineRobert Schumann Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52
Robert Schumann Violinkonzert d-Moll op. posth.
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Franz Schubert Sinfonie Nr. 6 C-Dur D 589
Isabelle Faust wieder in Zürich – klar musste ich hin … trotz dem ein wenig missglückten Mendelssohn-Konzert im vorigen März, und trotz dem Konzert mit dem Tonhalle-Orchester unter Jakob Hrusa, bei dem auch bereits das Schumann-Konzert auf dem Programm stand – das war im Juni und leider auch ein wenig enttäuschend (lag aber an Hrusa, nicht an Faust!), während der Rest des Konzerts toll war.Aber das war gestern alles wie weggeblasen – vor dem Konzert gab es eine Ansage eîner Bratschistin, in der sie über das Violinkonzert von Schumann sprach. Doch den Auftakt machte zunächst dessen Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52 – sehr beschwingt wurde das angegangen, Norrington sass während des ganzen Konzertes, war aber exzellent gelaunt und zu einem Spässchen aufgelegt: als nach dem ersten Satz applaudiert wurde, drehte er sich zum Publikum und grinste, nach dem Scherzo forderte er den Applaus dann gleich selber ein. Es machte dem ehemaligen (2011-16) „principal conductor“ und jetzigen Ehrendirigenten sichtlich Spass, wieder mit dem ZKO zu arbeiten – und dieses las ihm jeden Wunsch von den Händen und Lippen ab (über letztere kam öfter mal ein „tsch, tschschsch“). Da wurde völlig im Einklang musiziert und das steckte an, das Publikum legte seine zurückhaltende, typisch zürcherische Reserviertheit schnell ab (das ZKO zieht aber auch ein anders Publikum an, es gab z.B. recht viele Kinder, die es beim Tonhalle Orchester eigentlich nie gibt).
Dann Isabelle Faust, ich hatte zum Glück meine Müdigkeitskrise überwunden und war bereit für das grosse Violinkonzert von Schumann. Im Rahmen der Einspielungen der jüngeren Zeit (Faust, Kopatchinskaja, Widmann und – bei ihm zum zweiten Mal – Zehetmair) wurde ja auch mal bemängelt, dass ein Kammerorchester für die grosse Geste, mit der Schumann durchaus auch arbeitet, nicht reiche (ich glaube, das stand in einer der Rezensionen zur Widmann-Einspielung auf ECM mit dem Chamber Orchestra of Europe – da ist übrigens auch eine feine Einspielung des Mendelssohn-Konzertes zu finden @gruenschnabel – eigentlich aufgrund der Geschichte doch eine ziemlich offensichtliche aber dennoch selten anzutreffende Paarung). Die Kritik konnte ich schon im Hinblick auf die CD-Einspielungen (auch Zehetmair hat mit dem Orchestre de chambre de Paris ein klein besetztes und wie bei Widmann selbst geleitetes Orchester an seiner Seite) nicht ganz nachvollziehen, im gestrigen Konzert wurde sie meines Erachtens komplett widerlegt. Dass Faust den Solopart bestens beherrscht wurde ja schon in der alten Tonhalle klar – ich erinnere mich nicht, ob sie damals auch schon Noten dabei hatte, gestern brauchte sie diese im dritten Satz ziemlich intensiv (ich sass mal wieder vor ihrer Nase, etwas links der Mitte, grad mit der kleinen Besetzung ist das auch vom Klang her perfekt). Das Zusammenspiel klappte bestens (Faust ist beim ZKO seit vielen Jahren ein gern gesehener Gast), Faust, Norrington und das ZKO waren völlig zusammen, da stimmte einfach alles, von den solistischen Einwürfen aus dem Orchester über das Zusammenspiel, die Dynamik bis hin zur Interpretation als Ganzem – sehr beeindruckend.
Vor der kurzen zweiten Konzerthälfte richtete Norrington dann das Wort ans Publikum, sprach zuerst kurz von Schumanns Op. 52 und fragte, ob überhaupt schon jemand dieses tolle Werk gehört hätte (habe ich wohl, aber eingebrannt hatte es sich bisher nicht, das wird nachgeholt bzw. wiederholt, denn es gefiel mir sehr gut), dann schwenkte er zu Schubert über und redete ein wenig über die Symphonik in der Romantik, wie Schubert, Mendelssohn und Schumann sich nicht auf Beethovens Werk beziehen mochten sondern eher zu Mozart zurückblickten und dort ansetzten. Das kann man über die sechs Jugendsymphonien von Schubert wohl sagen, die Sechste, die „kleine“ C-Dur, glänzt jedenfalls mit einer Vielfalt an Einfällen, einer ganzen Menge eingängiger Melodien und wirkte in der Version des ZKO mit Norringon äusserst frisch – aber halt auch ziemlich leicht, mehr auf Unterhaltung als auf Tiefgang angelegt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaTrivia: Barry Guy und Maya Homburger waren gestern auch da und applaudierten heftigst … es war ja auch wirklich toll!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDanke, Gypsy, für deine Eindrücke vom Konzert. Und schön, dass es so ein Genuss war. Wie du vielleicht in Erinnerung hast, hat mich Faust beim Mendelssohn u.a. mit ihrer Tonbildung gefesselt: Wie hast du das nun erlebt? War es die Kombi Stradivari, keine Darmsaiten, aber Barockbogen? Und da es ja im Bericht auch um die Frage nach der Größe des Orchesters ging: Hat die Entscheidung für Kammerorchester nicht womöglich ihr Pendant in Fausts Tonbildung und den oberflächlich betrachtet „kleineren“ Ton?
Wie „romantisch“ hast du den Schumann erlebt bzw.: Welche Art der „Romantik“ hat sich auf dich übertragen? Beim Faust-Mendelssohn höre ich ja eine „nächtliche“ Seite sehr stark und bin diesem berühmten Zitat, das Konzert solle die „Engel“ zum Singen bringen, gegenüber ein wenig distanziert, solange damit eine Ausgelassenheit evoziert wird, die allein schon durch den Eröffnungsgestus des ersten Satzes fragwürdig wäre. (Das ist alles natürlich mit diesen wenigen Worten nur angedeutet und auf keinen Fall beschlossene Sache.)
Jedenfalls: Übertrugen sich beim Violinkonzert „Ideen“ Fausts, so etwas wie ein persönlicher „Blick“ auf Schumanns Text?Und welchen Zungenschlag hatten Norringtons Anmerkungen zu den Zeitgenossen und „Nachfolgern“ Mozarts und Beethovens? Betonte er diese „Angst“, die Beethoven in vielen hinsichtlich ihres Schaffens offenbar ausgelöst hatte – oder betonte er etwas, das nun in Mozarts Werk als Anknüpfungspunkte gesehen wurde? Ich frage u.a. auch, da du das Fass „Tiefgang“ vs. „Unterhaltung“ aufmachst. Wurde Mozart von Norrington eher als der „leichtere Unterhalter“ verstanden?
zuletzt geändert von gruenschnabel--
Huch, so viele Fragen … in Sachen Schumann gab es gestern eine grossartige Fortsetzung mit Christian Gerhaher, der im Rahmen seiner Probearbeit zur neuen Oper „Lunea“ von Heinz Holliger in Zürich weilt – die Oper bezieht sich (und der Titel ist ein Anagramm) auf Nikolaus Lenau, und Schumanns komplette Lenau-Vertonungen wurden wurden von Gerhaher und seinem Klavierpartner Gerold Huber im Rahmen eines „Gesprächskonzertes“ dargeboten, zudem ein paar Klavierminiaturen von Holliger über Elis-Verse von Trakl und auch Auszüge aus der ersten Fassung von Holligers Lenau-Werk (für Klavier und Stimme). Da ging es um die verschatteten Seiten, um die Anknüpfung, die das Spätwerk Schumanns bietet (Gerhaher meinte mehrmals, an gewissen Stellen hätte Schumann Holliger zitiert – letzterer war auch anwesend, u.a. weil ein spätes Schumann-Lied gesungen wurde, das möglicherweise gestern überhaupt erst zur Uraufführung kam, jedenfalls konnten Gerhaher/Huber und Claus Spahn, der Dramaturg, der das Gespräch leitete, nichts über frühere Aufführungen herausfinden). Doch dazu vielleicht morgen noch ein paar Zeilen und Details (ich habe das Programm nicht zur Hand, kann darum auch den Namen des betreffenden Liedes nicht nennen).
Was Faust betrifft, da war nichts historisches dabei vorgestern, also moderner Bogen usw. Glaube ich wenigstens, kenne mich da noch überhaupt nicht aus, aber den alten Bogen hätte man wohl an der Bauweise erkannt. Was mir bei ihrem Schumann sehr gut gefällt, ist das Schreiten im ersten Satz, der ja etwas sehr Karges hat, wenn das Romantik ist, dann wohl von der desillusionierten Art, von einer gewissen Trostlosigkeit, aus der aber auch eine Art Unbedingtheit erwächst, fast schon ein Zwang – das geht weiter, und weiter, und noch weiter, und es lässt sich nicht aufhalten. Klar gab es Vibrato und das eine oder andere Portamento (davon war mir bei Mendelssohn jedenfalls zuviel, und das war dort auch nicht immer überzeugend ausgeführt, dünkte mich), aber Faust fand die perfekte Balance zwischen dem „Romantischen“ und dem „Modernen“, dünkte mich. Und ja, da hilft das kleine Orchester gewiss (das hatte sie letztes Jahr nicht, als sie Schumann mit dem Tonhalle Orchester und eben dem etwas planlosen Herrn am Pult spielte). Wenn hier Engel singen, dann sind es wohl Todesengel, Ausgelassenheit kann es ja auch beim Totentanz geben … und klar wurde getanzt, das gehört ja schon mit dazu, aber ich möchte das alles nicht zu programmatisch festlegen – das gilt aber wohl ganz allgemein für Schumannn. Gerhaher meinte gestern dazu, die Musik hätte quasi ihre eigene Wahrheit, etwas Auratisches – die ganze Bedeutungsaufladung ist da nicht nötig, jedenfalls nicht in so konkreter Weise, als dass ich mir jubilierende Barock-Putten vorstellen muss.
Die Orchestergrösse half wohl auch – aber eben: andere finden dann, Kammerorchester würden nicht passen für so ein romantisches Violinkonzert … bei Mendelssohn mag es für mein Empfinden auch daran gelegen haben, dass der Orchesterklang zu spröde war (und der Dirigent zu hart, ein grosser Fan von Heras-Casado werde ich wohl eher nicht mehr), aber bei Schumann passte das jetzt sehr gut – wobei eben auf modernen Instrumenten gespielt wurde, aber (das ist bei Norrington wohl üblich) das wissen um die historisch informierte Aufführungspraxis natürlich vorhanden war.
Was Norringtons Bemerkungen betrifft, er hat das schlau genug formuliert, als dass man ihm nichts anhängen kann … ich mag mich da auch gar nicht festlegen, es gibt ja grossartige Symphonien von Mozart und von Haydn, die letzten beiden von Schubert nahm Norrigton seinerseits wieder aus (das krasse aber: Schubert hörte keine seiner Symphonien jemals von einem ordnetlichen Orchester gespielt), die knüpfen ja sicherlich eher bei Beethoven als bei Mozart an, mit Brahms taucht ja dann wieder ein anderer Ton auf, während Mendelssohn auch nicht gerade als Beethoven-Fortschreiber betrachtet werden kann … wo Schumann in diese etwas gar schematische Darstellung passt, ist mir selbst nicht klar (zwischen Stuhl und Bank wohl, wie üblich – eingerichtet in der Unbehaustheit). Egal, ich will das Fass auch gar nicht auftun, es gibt bei mir Tage, an denen passen auch die leichtgewichtigen frühen Mozart-Symphonien perfekt, an anderen Tagen halte ich das kaum aus und muss sofort etwas anderes einlegen …
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Gesprächskonzert Christian Gerhaher
Christian Gerhaher, Bariton
Gerold Huber, KlavierClaus Spahn, Moderation
Ich erwähnte es oben schon: Mittwochabend bot ein Gesprächskonzert mit Christian Gerhaher faszinierende Einblicke in Schumanns (Spät-)Werk und Liedschaffen, aber auch in die Praxis des Sängers (und des Klavierpartners – die beiden spielen nach eigener Auskunft seit 29 Jahren zusammen, seit Studententagen) und zudem in die neue Oper von Heinz Holliger, Lunea, an deren Erarbeitung Holliger sich erst machte, als klar war, dass er sich die Arbeit für Gerhaher macht – denn kein anderer könne das, so wurde räsoniert (von Spahn natürlich, denn Gerhahers Eitelkeit – das wird Holliger passen – besteht ja gerade in der völligen Uneitelkeit).Das Violinkonzert von Schumann war eines der Werke, die Gerhaher erwähnte, um die Modernität von Schumanns Spätwerk zu erörtern – dabei bezog er sich immer wieder auf Holliger, der sich ja schon lange um Schumann bemüht (seine sechs CDs mit dem gesamten Orchesterwerk auf audite sind jedenfalls zu empfehlen), wie auch um andere Randfiguren oder Figuren, die an die Ränder gingen oder kamen (Hölderlin, Soutter). Holliger sass denn auch im Publikum, da auf dem Programm auch ein Lied stand (WoO 26/2), das er noch nie gehört hatte. Spahn und Gerhaher räsonierten, dass es sich möglicherweise um eine Uraufführung handeln könnte, jedenfalls scheint sich kein Hinweis zu finden, dass da Lied schon im Konzert erklungen ist.
Das Programm:Heinz Holliger – ELIS. Drei Nachtstücke für Klavier nach Georg Trakl
Robert Schumann – Sechs Gedichte (Nikolaus Lenau) und Requiem (Lebrecht Dreves) op. 90
Robert Schumann – Frühlingsgrüsse (Nikolaus Lenau) WoO 26/2
Robert Schumann – Vier Husarenlieder (Nikolaus Lenau) op. 117
Heinz Holliger – LUNEA. 23 Sätze von Nikolaus Lenau (Auszüge, genauer: 2, 4, 6, 9, 12, 18 & 22Zugabe: Robert Schumann – Die Grenadiere (Heinrich Heine)
Den Auftakt machte also Gerold Huber, der sich danach ziemlich im Hintergrund hielt (im Gespräch zumal, in den Schumann-Liedern hatte er ordentlich zu tun, bei Holliger sowieso), wobei Gerhaher die betreffenden Trakl-Verse (aus „An den Knaben Elis“, „Elis II“ und „Elis I“) jeweils davor sprach. Danach wurde erstmal länger über Schumann und Holliger und Lenau gesprochen (Lunea ist natürlich ein Anagramm) und auch später wurde nach den Liedgruppen immer wieder geredet. Das Konzert dauerte nicht ganz zwei Stunden und war sowohl von der Darbietung wie vom musikalischen Programm her sehr toll – und die Auskünfte von Gehaher halfen zum Verständnis, schossen die Gedanken auf die nächsten Tangenten – und machten natürlich nicht übel Lust auf die Oper von Holliger (eine Karte habe ich bereits). Dass an dem Abend alle Schumann-Lieder auf Texte von Lenau erklingen würde, war übrigens im Vorfeld nicht klar, bloss op. 90 war angekündigt. Da hier zu Weihnachten auch die Neuauflage der Bände von Ricarda Huch über die Romantik landete, bahnt sich wohl eine Lenau-Lektüre gelegentlich an. Hat hier jemand – @clasjaz vielleicht? – einschlägige Empfehlungen?—
Der Lenau-Satz (aus Holligers „Lunea“ – nach der hier auszugsweise gebotenen Klavierfassung, dem Anfang des Werkes, gab es noch eine Bearbeitung mit Orchesterbegleitung und jetzt eben die Oper), der sich eingebrannt hat: „Ich habe meine Augen mit Unglück gewaschen und nun einen schärferen Blick.“
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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gypsy-tail-wind Da hier zu Weihnachten auch die Neuauflage der Bände von Ricarda Huch über die Romantik landete, bahnt sich wohl eine Lenau-Lektüre gelegentlich an. Hat hier jemand – @clasjaz vielleicht? – einschlägige Empfehlungen? — Der Lenau-Satz (aus Holligers „Lunea“ – nach der hier auszugsweise gebotenen Klavierfassung, dem Anfang des Werkes, gab es noch eine Bearbeitung mit Orchesterbegleitung und jetzt eben die Oper), der sich eingebrannt hat: „Ich habe meine Augen mit Unglück gewaschen und nun einen schärferen Blick.“
@gypsy-tail-wind Das war ganz gewiss ein interessanter Abend! Die Kopplung mit Elis-Gedichten von Trakl liegt nahe; da ist schon eine Art gleichen gemächlichen, aber vertrackten Gangs in den Versen, bei Trakl ist die metaphorische Übertreibung womöglich deutlicher, aber sie atmen in die gleiche Richtung. – Ich habe Lenau bisher nur am Rand wahrgenommen, sprich, vor Zeiten ein bisschen gelesen – mehr als eine alte Gedichtsammlung habe ich selbst gar nicht, darin aber auch Auszüge aus „Faust“, „Savonarola“ und „Don Juan“ – und keinen Fuß fassen können. Am interessantesten fände ich wohl eine Neulektüre des „Faust“, der Mephistopheles dort hat eindeutig mehr gelesen als der des Geheimrats, sprich er amüsiert sich nicht nur über Faust und führt ihn an der Nase herum, sondern ist aufs Diskutieren aus. Bei mir könnte es trotzdem immer noch sein, dass mir Lenau in seiner Dunkelmanier etwas zu flüssig spricht.
Und zu Huch: Ihre Darstellung wurde reichlich gelesen, Musil z. B. hat sich bei ihr informiert, aber mir schien, dass sie die Romantik etwas zu sehr als Familienveranstaltung darstellt, was sie nun aber zweifellos gerade in ihren katholischen Blüten dann wurde.
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Danke @clasjaz – habe inzwischen mal recherchiert, ausser „Faust“ und einer Auswahl (vermute ich) „Gedichte“ bei Reclam gibt es derzeit wohl nichts Seriöses. Vielleicht bemühe ich mal wieder eine Bibliothek, es gab ja mal eine Werkausgabe.
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Rezital Maurizio PolliniMaurizio Pollini Klavier
Robert Schumann
Arabeske op. 18
Allegro h-Moll op. 8 für Klavier
Konzert ohne Orchester f-Moll op. 14
—
Frédéric Chopin
2 Nocturnes op. 55
Klaviersonate Nr. 3 h-Moll op. 58
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Zugaben: dreimal Chopin (eine Ballade – Nr. 1 G-Dur? – , eine Polonaise oder ein langes Prélude oder Mazurka (?) und ein Walzer – Op. 64/2?)Maurizio Pollini mit Schumann und Chopin … ich hatte ja meine Zweifel, ob ich wirklich hingehen soll, überhaupt datiert mein Versuch, an Pollini heranzukommen, erst seit letztem Sommer, als ich mit Alexander Hawkins und wenig später mit einem anderen, sehr alten Freund, über seine Aufnahmen sprach und beide aus diversen Gründen für ihn schwärmten – Hawkins gerade auch von einem Konzert in London. So kaufte ich dann vor Monaten schon eine Karte, erste Reihe, Pollini sass drei Meter vor mir, dafür hatte ich keinen Blick auf die Hände, aber das war mir egal. Los ging es mit Schumann – dem frühen diesmal, den man nicht so einfach mit den späten Sachen in Verbindung setzen mag, die ich letzte Woche hörte – aber Schumanns Klaviermusik im Konzert zu hören war eine Novität für mich, und das passte schon sehr gut. Wie stark Pollini mit der Dynamik arbeitet, wie tief er in der Musik drinzustecken, ja in ihr beinah zu verschwinden scheint, war schon eindrücklich.
Dass er einen ungewöhnlichen Pedaleinsatz pflegt, hatte Hawkins erwähnt, und das konnte ich dann auch bestens sehen – manchmal schnellten seine Füsse nach vorn, er stampfte mit dem rechten Absatz auf den Boden und attackierte das Fortepedal, das überhaupt oft eingesetzt wurde. Manchmal sollte es gewiss die eine oder andere Unsauberkeit in der Phrasierung verwischen, aber meist diente der Pedaleinsatz der Dramaturgie, der feinen Ausgestaltung der Musik. Dabei sang und summte Pollini die meiste Zeit hörbar mit, manchmal kam da auch eher ein Grunzen, das fast schon an Keith Jarrett erinnerte. Der Schumann – besonders die hübsche Arabekse zum Auftakt – mag alles in allem ein wenig dem Aufwärmen gedient haben, die dreisätzige Sonate war eindeutig der Höhepunkt.
Nach der Pause folgte Chopin, und da ging es nun richtig und kompromisslos zur Sache, besonders in der dritten Sonate (in den Nocturnes brauche ich Pollini wohl nicht, auch wenn das live unendlich dynamischer und farbiger war als es mir auf CD bisher erschien). Manche Passagen schien er zu sezieren, mal liess er die Hände, die Finger auseinandergleiten, fächerte die Musik auf, dann schienen wieder zwei Tempi nebeneinander zu laufen, ohne je wirklich zusammenzufallen … das war enorm faszinierend und bewies auch, dass es mit der Technik doch noch ziemlich gut klappt.
Beim Applaus stand bald der ganze Saal, nach drei oder vier Abgängen setzte er sich hin und spielte – eine der Balladen (Nr. 1 glaube ich? Mochte gestern den Rechner nicht nochmal hochfahren oder CDs durchwühlen und jetzt sitze ich im Büro und die Erinnerung an konkrete Melodiefetzen ist schon etwas verblasst). Bei einer solchen Zugabe, denkt man, wird es dann aber auch gut sein, doch nein: nächste stehende Ovation, zweite Zugabe. Da dachte ich zuerst an eins der langen Préludes, es könnte aber auch eine kürzere Polonaise oder vielleicht gar eine Mazurka gewesen sein … vielleicht schreibt ja anderswo jemand drüber, der besser darin ist, Chopin-Piècen zu erkennen. Dann noch einmal dasselbe, Ab- und Aufgänge, stehendes Publikum, Bravo-Rufe, und als dritte und letzte Zugabe dann noch ein Walzer. Und die Zugaben waren so behutsam und zugleich so intensiv musiziert wie der Chopin davor, keinesfalls nur so hingeworfen. Die Balladen sind ja sowieso wunderbar, und auch einen Walzer lässt man sich so gerne gefallen. Beeindruckend.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaChristian Wildhagen schreibt in der heutigen NZZ über das Rezital von Pollini – kritischer als ich; die da und dort nicht getroffenen Töne bermerkte ich schon auch, das Pedal erwähnte ich … aber Wildhagen schreibt eben auch über die grossartigen Momente, die bei mir im unmittelbaren Erleben übwerwieigten – auch, weil sie nach dem etwas verhaltenere Schumann in der zweiten, der Chopin-Hälfte des Konzertes, merklich zunahmen (das dritte Scherzo erklang also, immerhin ist damit eine der Zugaben zweifelsfrei identifiziert):
https://www.nzz.ch/feuilleton/die-last-der-eigenen-legende-ld.1356996--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: Kammermusik, Klassik, klassische Musik, Konzertberichte, Lied, Oper
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