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Zürich, Studiobühne, Opernhaus – 07.02.2018
Gesprächskonzert Christian Gerhaher
Christian Gerhaher, Bariton
Gerold Huber, Klavier
Claus Spahn, Moderation
Ich erwähnte es oben schon: Mittwochabend bot ein Gesprächskonzert mit Christian Gerhaher faszinierende Einblicke in Schumanns (Spät-)Werk und Liedschaffen, aber auch in die Praxis des Sängers (und des Klavierpartners – die beiden spielen nach eigener Auskunft seit 29 Jahren zusammen, seit Studententagen) und zudem in die neue Oper von Heinz Holliger, Lunea, an deren Erarbeitung Holliger sich erst machte, als klar war, dass er sich die Arbeit für Gerhaher macht – denn kein anderer könne das, so wurde räsoniert (von Spahn natürlich, denn Gerhahers Eitelkeit – das wird Holliger passen – besteht ja gerade in der völligen Uneitelkeit).
Das Violinkonzert von Schumann war eines der Werke, die Gerhaher erwähnte, um die Modernität von Schumanns Spätwerk zu erörtern – dabei bezog er sich immer wieder auf Holliger, der sich ja schon lange um Schumann bemüht (seine sechs CDs mit dem gesamten Orchesterwerk auf audite sind jedenfalls zu empfehlen), wie auch um andere Randfiguren oder Figuren, die an die Ränder gingen oder kamen (Hölderlin, Soutter). Holliger sass denn auch im Publikum, da auf dem Programm auch ein Lied stand (WoO 26/2), das er noch nie gehört hatte. Spahn und Gerhaher räsonierten, dass es sich möglicherweise um eine Uraufführung handeln könnte, jedenfalls scheint sich kein Hinweis zu finden, dass da Lied schon im Konzert erklungen ist.
Das Programm:
Heinz Holliger – ELIS. Drei Nachtstücke für Klavier nach Georg Trakl
Robert Schumann – Sechs Gedichte (Nikolaus Lenau) und Requiem (Lebrecht Dreves) op. 90
Robert Schumann – Frühlingsgrüsse (Nikolaus Lenau) WoO 26/2
Robert Schumann – Vier Husarenlieder (Nikolaus Lenau) op. 117
Heinz Holliger – LUNEA. 23 Sätze von Nikolaus Lenau (Auszüge, genauer: 2, 4, 6, 9, 12, 18 & 22
Zugabe: Robert Schumann – Die Grenadiere (Heinrich Heine)
Den Auftakt machte also Gerold Huber, der sich danach ziemlich im Hintergrund hielt (im Gespräch zumal, in den Schumann-Liedern hatte er ordentlich zu tun, bei Holliger sowieso), wobei Gerhaher die betreffenden Trakl-Verse (aus „An den Knaben Elis“, „Elis II“ und „Elis I“) jeweils davor sprach. Danach wurde erstmal länger über Schumann und Holliger und Lenau gesprochen (Lunea ist natürlich ein Anagramm) und auch später wurde nach den Liedgruppen immer wieder geredet. Das Konzert dauerte nicht ganz zwei Stunden und war sowohl von der Darbietung wie vom musikalischen Programm her sehr toll – und die Auskünfte von Gehaher halfen zum Verständnis, schossen die Gedanken auf die nächsten Tangenten – und machten natürlich nicht übel Lust auf die Oper von Holliger (eine Karte habe ich bereits). Dass an dem Abend alle Schumann-Lieder auf Texte von Lenau erklingen würde, war übrigens im Vorfeld nicht klar, bloss op. 90 war angekündigt. Da hier zu Weihnachten auch die Neuauflage der Bände von Ricarda Huch über die Romantik landete, bahnt sich wohl eine Lenau-Lektüre gelegentlich an. Hat hier jemand – @clasjaz vielleicht? – einschlägige Empfehlungen?
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Der Lenau-Satz (aus Holligers „Lunea“ – nach der hier auszugsweise gebotenen Klavierfassung, dem Anfang des Werkes, gab es noch eine Bearbeitung mit Orchesterbegleitung und jetzt eben die Oper), der sich eingebrannt hat: „Ich habe meine Augen mit Unglück gewaschen und nun einen schärferen Blick.“
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