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gypsy-tail-windThere we go again … vielleicht sind ein paar Zeilen zum anderen Diskurs gestattet, aus dem @soulpope und ich kommen (ich denke neben redbeansandrice als einzige hier im Forum)? Jazz war immer schon ein Haifischbecken: 95% der Kenner (wer immer dieses äh, Gütesiegel, erteilt) verabscheuen Oscar Peterson, manche Leute halten Miles Davis bis heute für einen schlechten Trompeter (und Monk für einen Dilettanten) oder können nur seine Sachen bis 1967 ertragen … Coltrane bis 1964. Jackie McLean konnte keine Intonation, Dexter Gordon ist todlangweilig, Red Garland: ein Barpianist, … favorisierte Musiker werden verteidigt und gelobt, andere ignoriert oder gedisst (irgendwoher musste der Scheiss der Hip-Hop-Kultur ja herkommen, oder?). Das ist jetzt arg überzeichnet, aber es zieht sich immer noch weiter, unter den Hardcore-Jazzfans zumindest, und mit Variationen …
Dass sich diese Diskussionen durch die Jazz-Welt ziehen, ist wahrscheinlich auch so normal wie in anderen Genres. Dafür ist man doch unter anderem auch hier, um sich darüber auszutauschen, zuzustimmen, zu kritisieren und zu differenzieren. Schlimmer wäre es, wenn jemand schreiben würde, Jackie McLean konnte keine Intonation, und dann wird diese Aussage nicht aufgenommen, weil’s eh niemanden interessiert. Daher kann ich deinen Frust auch verstehen, wenn du dir hier wieder einen substaiellen Wolf schreibst und niemand reagiert.
Die Wohlfühlideologie heutiger Zeiten (und mit Verlaub, wer mich als arrogant oder überheblich tituliert, von dem verlange ich, dass er mein Wirken hier im Forum, meine vertretenen Ansichten kennt, sonst reicht auch mal eine Nummer kleiner!) ist da jedenfalls eine völlige Gegenthese dazu – und ich habe mich in den letzten Jahren, auch z.B. bei dem Hype um Kamasi Washington (der mir absolut nichts gibt, ich merke der Musik zwar die Geschultheit an den rhythmischen Finessen des – instrumentalen – Hip-Hop an und finde das auch toll, aber obendrauf Gepose und Leere, aufgebläht mit viel warmer Luft … falls sich jemand wundert, warum ich mich nicht ausführlicher zu Kamasi W. geäussert habe, there you go, es wäre das gleiche passiert wie hier gerade), immer mal wieder gewundert, wie entkoppelt diese Hype-Phänomene von dem sind, was ich oben als den „Jazz-Diskurs“ zu umreissen versuche. Ich befürchte, es gibt da praktisch keine Schnittmenge (entsprechend auch keinen Spillover, weil wer auf Kamasis Album oder auf Shabaka abfährt, fängt er/sie nicht plötzlich damit an, anderen Jazz zu hören bzw. kommt ev. bis zu Marshall Allens Sun Ra Arkestra, aber das ist dann auch wieder so ein Ding, anders gelagert aber total Hype-anfällig). Das wiederum mag bei Leuten wie mir auch zu einer gewissen Bitterkeit führen: warum wird sowas mittelprächtiges plötzlich überall abgefeiert als sei der Messias zurück (da ist jetzt Kamasi selbst dran schuld bei dem Covermotiv – das finde ich ja abgesehen davon wieder gut, der Afro-Messias geht über Wasser … aber das hilft beim Genuss der Musik auch nicht weiter). Vermutlich ist das jetzt auch nur ein hoffnungslos versandender Gruss aus einer anderen Blase, aber was soll’s – seit ein paar Jahren treibt mich das immer um: JazzmusikerInnen (Matana Roberts, Kamasi Washington, Makaya McCraven*, Yazz Ahmed, jaimie branch, Shabaka Hutchings) feiern Crossover-Erfolge, wie das seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten kaum mehr der Fall war … aber es gibt wie erwähnt keinen spürbaren Spillover dieser neuen HörerInnen in andere Gefilde des Jazz.
Ich kann zwar mit Kamasi Washington auch nichts mehr anfangen, zumindest mit der letzten 3CD nichts, finde es auch sehr aufgesetzt und einzig die Coverversion aus dem BruceLee-Score gefällt mir, aber ansonsten bin ich das lebendige Gegenbeispiel: Ich mag die Shabaka-Hutchings-Projekte und Yazz Ahmed, ließ mich davon und von Washinton näher einsaugen in den Jazz-Kosmos, bin dann unter anderem zum späteren Coltrane gekommen (und hangel mich weiter zu seinen früheren Sachen, gehe also den umgekehrten Weg, habe (auch durch dich) das Art Ensemble Of Chicago entdeckt, bin bei Albert Ayler und Marion Brown gelandet, mache Stopps bei Wayne Shorter, finde mit Freude bei Bandcamp Living By Lanterns und James Brandon Lewis, und so weiter. Das spillt aber sowas von over bei mir. :)
Aber wie soulpope oben richtig sagt, das mit der messianischen Mission führt – auch innerhalb der Jazz-Community – oft nirgendwohin
Also ich bin der letzte, der euch alte Jazz-Hasen missionieren will. Dafür habe ich aber den zahlreichen Anregungen von euch hier im Forum viel zu verdanken.
(auch bei mir nicht, es gibt wohl ein halbes Dutzend Namen, von denen ich seit 20 Jahren weiss, dass ich sie mal anhören müsste, aber wenn mein eigener verschlungener Pfad, der natürlich allerlei Anregungen, Einflüsse, Meinungen, Lobeshyhmnen und Disse mitnimmt, mich nicht dahin führt, dann passiert es eben nicht, auch wenn mir vielleicht drei Leute, deren Ansichten ich durchaus schätze, in der Zwischenzeit drauf hingewiesen haben … manchmal passt das eben, aber meistens passt es halt nicht, soulpope kann z.B. drüber klagen, dass ich mit Kip Hanrahan noch nirgends bin und Jerry Gonzalez mit seiner Fort Apache Band eine pure Leerstelle darstellt). — *) dessen „Universal Beings“ habe ich übrigens gerade mit „Fly or Die II“ aus Neugierde doch mal noch gekauft – ich hoffe, meine Neugierde, die dann zu Überheblichkeit führt, ist nicht auch etwas, was wir im Sitzkreis diskutieren müssen.
Die „Universal Beings“ ist mir mittlerweile eigentlich etwas zu leblos zusammeneditiert. Gekonnt, aber leblos, wie ein Kaminfeuer auf DVD. Ein ähnliches Problem habe ich mit vielem aus dem Flying Lotus-Umfeld. Anderes holt mich aus der Ecke dann aber wieder ab.
(Jetzt ist es wiederum unpassend, diese Konversation im Jaime-Branch-Thread zu führen).
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Werbunggypsy-tail-wind… sowie das (bessere ) „An Unruly Manifesto“ von James Brandon Lewis mit branch griffbereit. Was ich auch gerne empfehlen würde – aber das wird eben wieder auf Desinteresse stossen (zu jazz?) –
Haha, das passt ja hervorragend zu dem Kommentar, den ich eben parallel verfasst habe, ohne diesen Kommentar von dir zu kennen. :)
@wahr„Kein Soli als Pluspunkt“ wirst du von mir nicht hören. Ich bin nicht friedrich .
Was? Wo werde ich hier hineingezogen? Ich kenne Jaimie Branch ja nicht einmal!
Btw: Ich finde auch, dass Keith Richard ein toller Gitarrist ist, aber vor allem ein toller Rhythmusgitarrist und Co-Bandleader, der auch weiß, was er nicht kann. Vielleicht sind ihm andere technisch überlegen, er versteht es aber aus seinen Möglichkeiten mehr als die Summe der Einzelteile herauszuholen. Die tolleren Soli hat m.E. z.B. Mick Taylor gespielt. Auch ein toller Gitarrist, vermutlich technisch virtuos – aber er wahr offenbar darauf angewiesen, dass jemand anderes das Einzelteil seiner Virtuosität in ein größeres Ganzes einfügt.
Wie das bei Jaimie Branch ist, weiß ich aber nicht.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Nur ein ganz kurzer Einwurf, weil ich im anderswo genannten „Jazz Bulletin“ gerade über eine CD-Empfehlung stolpere:
Ig Henneman/Jaimie Branch/Anne La Berge – Dropping Stuff And Other Folk Songs--
@gypsy-tail-wind: Wollte mit meinem „Überheblichkeits-Kommentar“ keinesfalls deine Kennerschaft, deine Ehre or what ever anzweifeln…aber dein von mir erwähnten Kommentar klang so. Da du/ihr das Album ja nur zweimal gehört habt…eh alles aus einer Hypeblase kommt und auch noch von jungen Leuten konsumiert wird die sich dabei stylish anziehen…das kann nichts sein. Hypealarm und ich bekomm Angst dass mein geliebtes Jazzgenre mit solchen Hipstern besudelt wird. Aber halt: die kommen höchsten bis Sun RA und das ist ja kein richtiger Jazz. Puh nochmal Glück gehabt.
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you can't win them allsnowball-jackson
@ gypsy-tail-wind: Wollte mit meinem „Überheblichkeits-Kommentar“ keinesfalls deine Kennerschaft, deine Ehre or what ever anzweifeln…aber dein von mir erwähnten Kommentar klang so. Da du/ihr das Album ja nur zweimal gehört habt…eh alles aus einer Hypeblase kommt und auch noch von jungen Leuten konsumiert wird die sich dabei stylish anziehen…das kann nichts sein. Hypealarm und ich bekomm Angst dass mein geliebtes Jazzgenre mit solchen Hipstern besudelt wird. Aber halt: die kommen höchsten bis Sun RA und das ist ja kein richtiger Jazz. Puh nochmal Glück gehabt.Blödsinn. Wenn Du hier mitliest, kennst Du meine Meinung zu Sun Ra vielleicht? Und sonst ist es wohl Wurst, aber dann können wir weiter in Ruhe parallel weiterleben, ist dann auch egal (ich beobachte bloss, wie das Arkestra heute, unter Marshall Allen, beim Publikum als Sensation abgeht – und nein, es geht nicht um Arroganz oder Besserwisserei, ums Näschen in der Höhe, es geht darum, dass solche Musik seit den Fünfzigern oder noch länger da ist, dass sie teils sogar besser da war, aber dass das auch heute keine Sau interessiert, es ist halt etwas anstrengender den Dingen auf den Grund zu gehen als auf der Welle mitzusurfen … das bringt mich nicht in Rage sondern eher zum Heulen – es geht nicht um Besudeln sondern um die Oberflächlichkeit bzw. den Mangel an Neugierde, aber das ist ein Thema, das weit weg führt … von mir aus kommt alle mit und öffnet die Ohren und alles ist gut).
Obendrein habe ich das neue Album zweimal gehört, das erste wohl über ein Dutzend Male, und „An Unruly Manifesto“ auch schon ein halbes Dutzend mal – und im Gegensatz zu euch allen habe ich branch auch schon live erlebt. Es mag jetzt wohlfeil scheinen, wenn ich das schreibe, aber glaub mir: ich bin selbst am untröstlichsten, dass ich ihr Spiel nicht besser mag. Meine Meinung geht da auch gar nicht konform mit den Leuten, die ich bei Konzerten und Festivals öfter mal antreffe – bei vielen von ihnen geniesst jaimie branch einen guten Ruf … aber auch das ändert halt nichts, wenn bei nur wenig ankommt (ein ähnlicher Fall, aber das ganz jenseits der Trends, ist die Saxophonistin Angelika Niescier, die sich mir auch partout nicht erschliessen will … da gehe ich Ende Monat aber mal wieder einen Versuch machen, wenn sie im Duo mit Alexander Hawkins auftritt … a propos Hawkins, da ist mal ein Engländer, den man gerne etwas hypen könnte!)
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wahr
Ich kann zwar mit Kamasi Washington auch nichts mehr anfangen, zumindest mit der letzten 3CD nichts, finde es auch sehr aufgesetzt und einzig die Coverversion aus dem BruceLee-Score gefällt mir, aber ansonsten bin ich das lebendige Gegenbeispiel: Ich mag die Shabaka-Hutchings-Projekte und Yazz Ahmed, ließ mich davon und von Washinton näher einsaugen in den Jazz-Kosmos, bin dann unter anderem zum späteren Coltrane gekommen (und hangel mich weiter zu seinen früheren Sachen, gehe also den umgekehrten Weg, habe (auch durch dich) das Art Ensemble Of Chicago entdeckt, bin bei Albert Ayler und Marion Brown gelandet, mache Stopps bei Wayne Shorter, finde mit Freude bei Bandcamp Living By Lanterns und James Brandon Lewis, und so weiter. Das spillt aber sowas von over bei mir. :)Da ist ja auch super so … ich finde es auch total faszinierend zu verfolgen, wenn Leute mit anderem Background ( @friedrich!) sich den Jazz zu erschliessen anfangen. Gerade die Kreise, die Du ziehst, finde ich höchst interessant! Es fällt mir dabei als „jazzhead“ auch öfter schwer, einzuschätzen, was denn nun in welchem Fall als Empfehlung passen könnte … aber das macht ja nichts, wenn ich hier meine Monologe führe und jemand (auch später) drüberstolpert und sich die brauchbaren Anregungen herauspickt, ist das doch fein!
Living by Lanterns ist bei mir übrigens eine der euphorischsten Live-Erinnerungern aller Zeiten – ich konnte bis heute zuhause keine Musik dieser Combo anhören, aber irgendwann wird der Abstand reichen (es sind erst sechseinhalb Jahre, das reicht noch bei weitem nicht)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba@gypsy-tail-windDa ist ja auch super so … ich finde es auch total faszinierend zu verfolgen, wenn Leute mit anderem Background ( friedrich!) sich den Jazz zu erschliessen anfangen.
Aha? Und was für ein Background wäre das?
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)friedrich
@gypsy-tail-windDa ist ja auch super so … ich finde es auch total faszinierend zu verfolgen, wenn Leute mit anderem Background ( friedrich!) sich den Jazz zu erschliessen anfangen.
Aha? Und was für ein Background wäre das?
Das weisst Du ziemlich sicher besser als ich – Aber dass Du nicht mit Jazz sozialisiert wurdest stimmt doch? Oder lieg ich da komplett falsch?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba@gypsy-tail-windDas weisst Du ziemlich sicher besser als ich – Aber dass Du nicht mit Jazz sozialisiert wurdest stimmt doch? Oder lieg ich da komplett falsch?
Natürlich bin ich nicht ursprünglich mit Jazz sozialisiert worden. Aber wer ist das schon?
Ja, ich höre und sehe vieles aus einer Pop-Perspektive. Es geht um Images, Posen, Referenzen, was aber keineswegs heißt, dass die unmittelbar sinnliche Wahrnehmung keine Bedeutung hat. Meine Liebe zu – ich sag mal spontan – Johnny Hodges, Thelonious Monk, oder – worüber ich mich dieses Jahr ja etwas ausließ – Stan Getz kennst Du ja. Im besten Fall kann man diese Musik auf verschiedenen Ebenen hören. Da sind die ganz individuellen Stimmen, die in Klang übersetzten Persönlichkeiten und gleichzeitig ist das cool, eine scharfe Pose und ein tolles Image.
Btw: Ich glaube @wahr erwähnte hier Keith Richards. Kein Jazzer, ich weiß, aber nicht nur eine coole Ikone sondern auch ein toller Musiker mit Persönlichkeit. Hier hat @krautathaus ein sehr schönes Video gepostet, „Why Keith Richards kicks ass!“
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Ja, und genau das kann ja auch total befruchtend sein in Diskussionen @friedrich – und klar kenn ich einige Deine Vorlieben in Sachen Jazz!
Und doch, ich würde behaupten ich hab mich quasi ab 12/13 halbwegs selbst mit Jazz sozialisiert … Zugang hatte ich über Bibliotheken, das Plattenregal der Eltern, in dem ein oder zwei Dutzend okaye Jazzplatten stehen, zudem bald regelmässig Radio mit Konzerten von Festivals gehört, manchmal auch Reihen wie „Klassiker des CH-Jazz“ mitgeschnitten oder Portraits von grossen Jazzern gehört usw., es gab in der Schule ein paar Leute, mit denen ich bald nicht nur ober Coltrane und Miles sondern auch über Andrew Hill oder Eric Dolphy fachsimpeln (Betonung auf „simpel“) konnte. Mir geht dafür vieles Andere ab, gerade in Sachen Pop bin ich sicher keine Referenz. Es gibt da ein paar Gebiete – Dylan, den ich noch vor dem Jazz entdeckt hatte (dank meinem Vater), The Band, Johnny Cash, Elvis etc. – wo ich im Lauf der Jahre mal tiefer eingestiegen bin, aber auch da sind’s in der Regel eher Dinge, die näher beim Jazz liegen (Ray Charles, James Brown, Sam Cooke, Marvin Gaye).
Mit Flying Lotus hab ich übrigens bisher keine solchen Probleme @wahr … aber zu McCraven werd ich dann gelegentlich mal berichten, wird aber wohl dauern, da ich derzeit so oft an Konzerte gehe (November/Dezember ist irgendwie immer die geschäftigste Zeit, von Barock bis neue Musik und etwas Jazz z.B. von Wadada Leo Smith – den solltest Du unbedingt mal auschecken @wahr, warum nicht gleich mit „Ten Freedom Summers“ loslegen? – ist alles drin).
Aber gut, vielleicht reicht das mit den Erklärungen und Umkreisungen? Ich melde mich gerne wieder, wenn es beim Wiederhören Veränderungen in der Wahrnehmung gibt … und ich nehme wahrs schöne Beschreibung oben gerne mal mit auf den Weg, vielleicht öffnet sie mir ja doch wieder ein Türchen (von denen war übrigens bei „Fly or Die“ einst zunächst viele weit offen, die Begeisterung erstmal gross, aber sie schrumpfte dann ziemlich rasch – und alle folgenden Begegnungen halfen nicht weiter).
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Blödsinn. Wenn Du hier mitliest, kennst Du meine Meinung zu Sun Ra vielleicht? Und sonst ist es wohl Wurst, aber dann können wir weiter in Ruhe parallel weiterleben, ist dann auch egal (ich beobachte bloss, wie das Arkestra heute, unter Marshall Allen, beim Publikum als Sensation abgeht – und nein, es geht nicht um Arroganz oder Besserwisserei, ums Näschen in der Höhe, es geht darum, dass solche Musik seit den Fünfzigern oder noch länger da ist, dass sie teils sogar besser da war, aber dass das auch heute keine Sau interessiert, es ist halt etwas anstrengender den Dingen auf den Grund zu gehen als auf der Welle mitzusurfen … das bringt mich nicht in Rage sondern eher zum Heulen – es geht nicht um Besudeln sondern um die Oberflächlichkeit bzw. den Mangel an Neugierde, aber das ist ein Thema, das weit weg führt … von mir aus kommt alle mit und öffnet die Ohren und alles ist gut). Obendrein habe ich das neue Album zweimal gehört, das erste wohl über ein Dutzend Male, und „An Unruly Manifesto“ auch schon ein halbes Dutzend mal – und im Gegensatz zu euch allen habe ich branch auch schon live erlebt. Es mag jetzt wohlfeil scheinen, wenn ich das schreibe, aber glaub mir: ich bin selbst am untröstlichsten, dass ich ihr Spiel nicht besser mag. Meine Meinung geht da auch gar nicht konform mit den Leuten, die ich bei Konzerten und Festivals öfter mal antreffe – bei vielen von ihnen geniesst jaimie branch einen guten Ruf … aber auch das ändert halt nichts, wenn bei nur wenig ankommt (ein ähnlicher Fall, aber das ganz jenseits der Trends, ist die Saxophonistin Angelika Niescier, die sich mir auch partout nicht erschliessen will … da gehe ich Ende Monat aber mal wieder einen Versuch machen, wenn sie im Duo mit Alexander Hawkins auftritt … a propos Hawkins, da ist mal ein Engländer, den man gerne etwas hypen könnte!) —
Natürlich war das überspitzt und teils auch ironisch von mir formuliert. Ich lese hier hin und wieder mit, wenn es mir meine Zeit gestattet. Auch sehr mit Interesse und ich entdecke, lerne, kaufe. Ich selbst habe jahrelang nur die Klassiker im Jazz gehört: Coltrane, Roach, Davis, Mingus, Blakey, Ellington usw. Zeitgenössischer Jazz hingegen hat mir lange Zeit wenig gegeben. Warum dagegen Jaimie Branch, Matana Roberts, Ill Considered, „ECM Jazz“ mein Interesse erregt ist auch teils diesem Forum geschuldet. Und ja… auf den Konzerten von Ill Considered und Mantana Roberts habe ich viele junge Menschen gesehen und auch mit einigen kommuniziert die über Hip Hop zum Jazz gekommen sind. Mich freut sowas ungemein, generell auch das ein wiedergefundes Interesse für Jazz besteht. Einige davon wollen bestimmt nur Teil einer Bewegung sein, andere entdecken dann sicherlich auch die Klassiker und forschen dann noch weiter. So war das bei mir und meiner „Clique“ als wir noch jung waren und ist es auch heute noch. Warum sollten junge Leute heute anders ticken, da ihnen doch quasi für low price ein großes Sammelsurium an Jazz Alben vor die Füße gelegt wird?
Ich habe auch kein Problem mit damit, dass Dir Jaimie Branch nicht zusagt (ich prophezeie zudem, dass Dir Makaya McCraven nicht zusagen wird). Allergisch reagiert habe ich nur auf die sich verbindenden Schlagwörter, die mir etwas zu überheblich vorkamen wie „hip“, „taugt nichts“ „dilettantisch“, „erst zweimal gehört“ usw da ich es a.) natürlich komplett anders höre (wie einige Abschnitte vorher beschrieben) und b.) es als eine stereotypische Degradierung angesehen hatte. Vermutet hatte ich indes auch, dass eine tiefergehende Beschäftigung nicht stattgefunden hat. Aber da war ich ja komplett auf den Holzweg wie du oben ausführlich beschrieben hast, also kann ich meine Vermutungen zu Grabe tragen. Und das stimmt mich friedlich, u.a. auch weil es letztendlich ins „Geschmäcklerische“ abzielt.
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you can't win them allgypsy-tail-windWadada Leo Smith – den solltest Du unbedingt mal auschecken @wahr, warum nicht gleich mit „Ten Freedom Summers“ loslegen? – ist alles drin).
Von Wadada Leo Smith habe ich mal vor 2 oder 3 Jahren in America’s National Parks reingehört, mich aber aus Gründen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, gegen einen Kauf entschieden. Ten Freedom Summers ist ein 4CD-Brocken. Sowas finde ich immer etwas, äh, unübersichtlich für einen Einstieg. Ich höre grad via Bandcamp den ersten Track Dred Scott, der mir schon gut gefällt. Geht so ein bisschen in Richtung Henry Threadgills Kammermusik, scheint mir. Ich bleib da mal dran.
edit: Ist in America’s National Parks eigentlich ein informatives Booklet enthalten, @gypsy-tail-wind? Höre es nämlich gerade und finde es gut.
zuletzt geändert von wahrsnowball-jackson
Und ja… auf den Konzerten von Ill Considered und Mantana Roberts habe ich viele junge Menschen gesehen und auch mit einigen kommuniziert die über Hip Hop zum Jazz gekommen sind. Mich freut sowas ungemein, generell auch das ein wiedergefundes Interesse für Jazz besteht. Einige davon wollen bestimmt nur Teil einer Bewegung sein, andere entdecken dann sicherlich auch die Klassiker und forschen dann noch weiter. So war das bei mir und meiner „Clique“ als wir noch jung waren und ist es auch heute noch. Warum sollten junge Leute heute anders ticken, da ihnen doch quasi für low price ein großes Sammelsurium an Jazz Alben vor die Füße gelegt wird?Das ist genau das Verhalten, das ich eigentlich erwarten würde
Bloss bleibt hier der sichtbare Spillover zu anderen Jazz-Konzerten halt völlig aus. Ich mag da keinen Neid oder Missgunst sehen, eher Enttäuschung (dieselbe wird mich überkommen, wenn ich der einzige weit und breit bin, der die neue Box mit fast den gesamten frühen Aufnahmen von Nat „King“ Cole im Regal stehen haben wird – übrigens ein Phänomen hinsichtlich seiner allgemeinen Akzeptanz in den Vierzigern/Fünfzigern: da wirst Du, anders als mit fast jedem anderen Jazzmusiker der Zeit, kaum jemand finden, der ihn nicht mochte … aber das schützt vor Vergessen leider auch nicht).
snowball-jackson
Ich habe auch kein Problem mit damit, dass Dir Jaimie Branch nicht zusagt (ich prophezeie zudem, dass Dir Makaya McCraven nicht zusagen wird). Allergisch reagiert habe ich nur auf die sich verbindenden Schlagwörter, die mir etwas zu überheblich vorkamen wie „hip“, „taugt nichts“ „dilettantisch“, „erst zweimal gehört“ usw da ich es a.) natürlich komplett anders höre (wie einige Abschnitte vorher beschrieben) und b.) es als eine stereotypische Degradierung angesehen hatte. Vermutet hatte ich indes auch, dass eine tiefergehende Beschäftigung nicht stattgefunden hat. Aber da war ich ja komplett auf den Holzweg wie du oben ausführlich beschrieben hast, also kann ich meine Vermutungen zu Grabe tragen. Und das stimmt mich friedlich, u.a. auch weil es letztendlich ins „Geschmäcklerische“ abzielt.In Sachen McCraven rechne ich mit demselben – aber wenn ich die Scheibe nicht mal in Ruhe anhöre (und das heisst: CD kaufen, denn Läden, in denen ich in Ruhe probehören könnte, gibt es nicht mehr) weiss ich das halt nicht … und eben: die Neugierde stirbt zuletzt. Zu denen, die finden: gab es alles schon, früher war eh alles besser, gehöre ich ja hoffentlich nie, auch wenn ich natürlich gerne mit sowas wie: „hat aber intensiv X gehört“ oder „erinnert schwer an Y“ durchaus hervorkrieche – aber das ist ja auch nichts anderes als der Lauf der Dinge, es gibt kein Vakuum, keine Tabula Rasa in der Kunst.
Zudem lässt sich ja über nichts so trefflich streiten wie über den Geschmack
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Die Wadada-Diskussion führen wir anderswo weiter, sorry für das off-Topic!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbasnowball-jackson Überlege momentan mir ihre Live Show in Berlin anzuschauen. Hoffe es gibt noch Karten!
Es gibt keinen Vorverkauf. Also: ja.
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A Kiss in the Dreamhousenapoleon-dynamite
snowball-jackson Überlege momentan mir ihre Live Show in Berlin anzuschauen. Hoffe es gibt noch Karten!
Es gibt keinen Vorverkauf. Also: ja.
Wann findet das Konzert statt?
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Schlagwörter: jaimie branch, Jazz, Meta, Trompete
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