Ich höre gerade … Blues!

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  • #11422649  | PERMALINK

    friedrich

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    @zoji
    Ich habe zwar ein paar Sachen von Holiday und Simone, bin aber weit vom Expertentum entfernt (das gilt eigentlich für ausnahmslos alle Bereiche des Lebens ). Bei Simone lese ich gerne mit, könnte aber nichts substantielles beitragen. Weißt Du, ob die metaphorische Umsetzung eine rein künstlerische Entscheidung ist, oder ob sie sich auch gegen eine direktere Sprache taylorscher Art entschieden haben, weil ihnen sonst enormer Ärger bis zur Lebensgefahr gedroht hätte?

    Über den White African bin ich natürlich auch schon gestolpert. Habe jetzt noch einmal nachgeschaut, keine direkte Erklärung im Booklet und jedenfalls auf diesem Album nimmt wohl auch kein Song direkt Bezug darauf. Meine eigene Spekulation (und mehr als das ist es nicht) sieht ungefähr folgendermaßen aus: Ich habe ´mal gelesen (sorry, Quelle längst vergessen), dass sich ein kleiner Teil der afroamerikanischen Community in Abhängigkeit von der Tiefe des Hauttons noch einmal selbst bzw. gegenseitig mit Rassismus überzieht (oder überzog?). Wenn das stimmt, würde „White African“ eventuell jemanden bezeichnen, der gleich von zwei Seiten ausgegrenzt und diskriminiert wird und mindestens verbale Gewalt erfährt. Vielleicht sogar nicht nur als von Taylor aufgesetzte Bezeichnung, sondern als allgemein bekannter Begriff? Taylor selbst sieht für mich so aus, als ob er nicht ausschließlich afrikanisches Erbe in sich trägt. Und um die Ecke gedacht: Im Booklet gibt es das Covermotiv inkl. Titel noch einmal als Negativ zu sehen. Die inversen Lichtverhältnisse lassen sich vielleicht symbolisch interpretieren. Er selbst ist der White African. Ergibt das für Dich Sinn? Kann auch eminenter Quatsch sein, ich bin mir ja nicht einmal des Wahrheitsgehaltes der Prämisse, auf der meine Spekulation beruht, wirklich sicher.
    (…)
    Mehr Fragen als Antworten, aber s.o. unter Expertentum, ich bin zum Lernen hier.

    Ich bin nur aus Neugier hier. ;-)

    Über Strange Fruit kann man wohl ganze Doktorarbeiten schreiben. Ich bin aber weder Historiker noch Kulturwissenschaftler und weiß nur wenig darüber. Text und Musik stammen nicht von Billie Holiday sondern von Lewis Allen. Die Wirkung dieses Liedes wird wohl auch durch den Aufbau und die Verwendung von Bildern und Metaphern erreicht. Dadurch bekommt es eine besondere Dramatik und Tiefe. Das setzt sich erst im Kopfe des Hörers zusammen.

    Ob das jetzt eine künstlerische Entscheidung war (wovon ich ausgehe, denn der Text ist Literatur und seine Wirkung ist gerade auch deswegen erschütternd) oder nicht, wollte Columbia Strange Fruit nicht veröffentlichen, weil man negative Reaktionen befürchtete. Das Thema Lynchmord war damals wohl noch zu heiß. Wie diese Reaktionen ausgesehen hätten? Geschäftspartner und Kunden springen ab? Scheiben werden eingeschmissen? Plattenläden in Brand gesteckt? Personal aufgeknüpft? Holiday spielte Strange Fruit dann 1939 für das kleine Label Commodore ein. Ich denke, es kommen verschiedene Faktoren zusammen, die dieses Lied zu einem Fanal machten und später fast zur Folklore werden ließen.

    Eigentlich unerfreulich, dass Otis Taylor und andere immer noch und immer wieder Anlass haben, den Finger in die Wunde zu legen. Und paradox, dass diese üble Situation immer wieder zu toller Musik führt.

    Aber ich bin bloß ein mittelalter weißer deutscher Mann, der das nur aus der Distanz beobachten kann.

    Auf den Fotos von Otis Taylor, die ich kenne, hätte ich unter seinem Hut und hinter seinem Bart auch nicht unbedingt einen Afro-Amerikaner vermutet. Aber das ist wohl auch eher eine sozio-kulturelle als eine genetische Kategorie. Ich vermute daher mal, dass Deine Spekulation zutreffen könnte.

    Edit: Auch wenn es kein Blues ist, kann man das ja mal hier posten:

    zuletzt geändert von friedrich

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    “There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)
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    #11423467  | PERMALINK

    thelonica

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    STICKS McGHEE – 1947-1951

    --

    #11423927  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    Da der Name Nina Simone hier fiel, kann man mal wieder dieses Album auflegen.


    Nina Simone Sings The Blues (1967)

    Hier hatte ich mich etwas ausführlicher dazu geäußert.

    --

    “There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)
    #11424437  | PERMALINK

    asdfjkloe

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    noch ein toller bleichgesichtiger Harper:

    BILL LUPKIN – Hard Pill To Swallow (2007)

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    #11424973  | PERMALINK

    zoji

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    The Very Best Of Peppermint Harris – I Got Loaded – 1948-1959

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    Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)
    #11425551  | PERMALINK

    zoji

    Registriert seit: 04.10.2017

    Beiträge: 7,283

     @friedrich

    Ich bin nur aus Neugier hier. Über Strange Fruit kann man wohl ganze Doktorarbeiten schreiben. Ich bin aber weder Historiker noch Kulturwissenschaftler und weiß nur wenig darüber. Text und Musik stammen nicht von Billie Holiday sondern von Lewis Allen. Die Wirkung dieses Liedes wird wohl auch durch den Aufbau und die Verwendung von Bildern und Metaphern erreicht. Dadurch bekommt es eine besondere Dramatik und Tiefe. Das setzt sich erst im Kopfe des Hörers zusammen. Ob das jetzt eine künstlerische Entscheidung war (wovon ich ausgehe, denn der Text ist Literatur und seine Wirkung ist gerade auch deswegen erschütternd) oder nicht, wollte Columbia Strange Fruit nicht veröffentlichen, weil man negative Reaktionen befürchtete. Das Thema Lynchmord war damals wohl noch zu heiß. Wie diese Reaktionen ausgesehen hätten? Geschäftspartner und Kunden springen ab? Scheiben werden eingeschmissen? Plattenläden in Brand gesteckt? Personal aufgeknüpft? Holiday spielte Strange Fruit dann 1939 für das kleine Label Commodore ein. Ich denke, es kommen verschiedene Faktoren zusammen, die dieses Lied zu einem Fanal machten und später fast zur Folklore werden ließen. Eigentlich unerfreulich, dass Otis Taylor und andere immer noch und immer wieder Anlass haben, den Finger in die Wunde zu legen. Und paradox, dass diese üble Situation immer wieder zu toller Musik führt. Aber ich bin bloß ein mittelalter weißer deutscher Mann, der das nur aus der Distanz beobachten kann. Auf den Fotos von Otis Taylor, die ich kenne, hätte ich unter seinem Hut und hinter seinem Bart auch nicht unbedingt einen Afro-Amerikaner vermutet. Aber das ist wohl auch eher eine sozio-kulturelle als eine genetische Kategorie. Ich vermute daher mal, dass Deine Spekulation zutreffen könnte.

    Und ich kann auch aus unwissenschaftlichen Erläuterungen lernen, danke Dir  :bye: .

    Doktorarbeiten habe ich jetzt nicht gelesen, laut wiki hat es aber auch so gereicht, Holiday aus einer Stadt in Alabama zu jagen. Was ich letztens nicht mehr so parat hatte: Ja, Strange Fruit wirkt mit Bildern, aber es ist ja gar nicht verklausuliert, ich meine, nicht bis zur Rätselhaftig- und Mehrdeutigkeit metaphorisiert, lässt keinen Interpretationsspielraum, ist sogar sehr deutlich adressiert (The galant south). Und drastisch ging es auch zu (for the crows to pluck … for the sun to rot). Insofern finde ich dann die formale Differenz zu Taylor doch geringer als letztens zunächst angenommen.

    Bezüglich meiner Spekulation zu Taylor hatte ich neulich übrigens kurz nach dem Senden meines Beitrags ein ungutes Gefühl. Ein bisschen klingt das auch nach einer Mär, die White Supremacists in die Welt gesetzt haben könnten, um den eigenen Rassismus zu legitimieren. Ärgere mich, dass ich die Quelle nicht erinnere, zumindest auf die Schnelle habe ich jetzt auch keine weiteren Hinweise darauf gefunden. Mir fiel noch Big Bill Broonzys Black, Brown & White ein, das ja deutlich macht, dass, wenn schon nicht flächendeckend, dann wenigstens regional, noch Unterschiede gemacht wurden. Ergibt ja auch einen perversen Sinn. Einer der schlauesten Tricks der Unterdrückung ist es ja, einem kleinen Teil der Unterdrückten Privilegien zu gewähren. Aber auch bei Broonzy findet sich kein Hinweis darauf, dass eine rassistische Abstufung von Teilen der afroamerikanischen Gesellschaft adaptiert wurde.

    Wegen der Paradoxie: Ein Diktum, große Kunst entstünde nur aus Leid, erschiene mir als Nicht-Sachverständigen erst einmal zu klischeehaft. Aber in vielen Fällen scheint es dann eben doch förderlich. Was die beunruhigende Schlussfolgerung nahelegt, dass die Welt ihren Idealzustand erreicht, wenn es nur noch Flippers-Musik gibt. Brrrrr.

     

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    #11425553  | PERMALINK

    zoji

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    Mr. Sipp: The Mississippi Blues Child

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    #11425677  | PERMALINK

    zoji

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    Larry McCray: Born To Play The Blues

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    #11425923  | PERMALINK

    mr-blue

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    Johnny Mastro & Mama’s Boys – Elmore James for President

    Ein heavy Blues-/Bluesrock Album von Johnny Mastro und seinen Mama’s Boys aus diesem Jahr. Die Band war mir bis dato total unbekannt, dabei gibt es die schon seit 1994 und sie haben wohl schon gut ein Dutzend Alben veröffentlicht.
    Die spielen einen herrlich rauhen, dreckigen Blues/Bluesrock ohne Schnörkel und Politur, ja ich würde sagen, das klingt teilweise so wunderbar „dahingerotzt“, dass es zumindest mir eine wahre Freude macht. Teilweise höre ich dabei schon Anleihen bei Elmore James oder auch Hound Dog Taylor heraus. Wenn man das insgesamt so hört, könnte man meinen, die kommen alle aus einem heruntergekommenen Viertel aus Chicago oder Detroit, dabei stammt die Truppe aus Long Beach aus dem sonnigen Kalifornien.

    Doch gefällt mir ausnahmslos gut und absolut empfehlenswert :good: Ich denke, da werde ich über kurz oder lang noch mit dem einen oder anderen früheren Album von denen nachlegen.

    --

    Blue, Blue, Blue over you
    #11425973  | PERMALINK

    mr-blue

    Registriert seit: 20.10.2013

    Beiträge: 5,226

    John Campbell – Howlin Mercy

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    #11425981  | PERMALINK

    asdfjkloe

    Registriert seit: 07.07.2006

    Beiträge: 6,894

    CHARLIE MUSSELWHITE – Ace Of Harps

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    #11426003  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    @zoji
    Und ich kann auch aus unwissenschaftlichen Erläuterungen lernen, danke Dir
    (…)
    Wegen der Paradoxie: Ein Diktum, große Kunst entstünde nur aus Leid, erschiene mir als Nicht-Sachverständigen erst einmal zu klischeehaft. Aber in vielen Fällen scheint es dann eben doch förderlich. Was die beunruhigende Schlussfolgerung nahelegt, dass die Welt ihren Idealzustand erreicht, wenn es nur noch Flippers-Musik gibt. Brrrrr.

    Das Vergnügen ist ganz meinerseits!

    Nein, nein, große Kunst entsteht sicher nicht nur aus Leid. Aber es ist ein Impuls nötig, eine Motivation, um überhaupt Kunst zu schaffen. Das kann sicher sehr unterschiedlicher Natur sein. Aber Leid erzeugt wohl besonders viel Druck.

    In einem Idealzustand würde man überhaupt nichts tun. Schon mal gar nicht die Flippers. Warum auch?

    --

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    #11426307  | PERMALINK

    zoji

    Registriert seit: 04.10.2017

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    @friedrich

    Das Vergnügen ist ganz meinerseits!

    Nein, nein, große Kunst entsteht sicher nicht nur aus Leid. Aber es ist ein Impuls nötig, eine Motivation, um überhaupt Kunst zu schaffen. Das kann sicher sehr unterschiedlicher Natur sein. Aber Leid erzeugt wohl besonders viel Druck. In einem Idealzustand würde man überhaupt nichts tun. Schon mal gar nicht die Flippers. Warum auch?

     

    Latürnich, und sorry, ich hoffe es entstand nicht der Eindruck, ich würde behaupten, Du würdest das behaupten (Der „Nur-aus-Leid“-Teil).

    Vorhin Otis Taylor: My World Is Gone
    Hier hatte er sich auch der Geschichte der Natives angenommen.

    --

    Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)
    #11426329  | PERMALINK

    zoji

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    @mr-blueJohn Campbell – Howlin Mercy

    Mehr als jedes andere Blues-Album verbinde ich dies mit den 90ern. Dazu trug auch ein intensives, aber ziemlich sonderbares Konzert bei. Was im Nachgang noch durch seinen baldigen unerwarteten Tod zusätzliche Bedeutung erhielt. Erstaunlich finde ich auch die Entwicklung über die drei Alben jener Zeit, vom etwas konventionellen A Man And His Blues zu diesem schweren Brocken. Zwischenzeitlich hatte ich einmal fast vergessen, wie beeindruckend ich Howlin Mercy finde. Passiert mir nicht wieder. Welchen Stellenwert hat das bei Dir?

    --

    Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)
    #11426473  | PERMALINK

    zoji

    Registriert seit: 04.10.2017

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    D.C. Bellamy: Give Some Body To Somebody

    --

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