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Jean-Paul Brodbeck Trio – Extra Time | Ich verfolge die lokale(n) Szene(n) nicht immer so genau, wie ich das wohl tun sollte. Der Name dieses 1974 in Basel geborenen Pianisten ist mir seit meiner Teenagerzeit geläufig (er spielt auf einem Jazz/Hip-Hop-Crossover-Album mit, das ich damals öfter hörte, „Chapter 12“), aber irgendwie ergab es sich nie, dass ich ein Album von ihm in die Finger kriegte. Im Juni 2016 hörte ich ihn dann im intimem Rahmen als Begleiter von Elina Duni bei einem Billie Holiday-Abend, der magisch war – auch weil Brodbeck so hervorragend begleitete. Sein Trio hatte ich im April desselben Jahres schon im Moods gehört, bei einem Konzert, dessen erstes Set ein Seiltanz von David Murray und Aki Takase war. „Extra Time“ ist im Juli 2016 im Jazz Campus in Basel aufgenommen wordden, produziert hat Brodbeck selbst für Enja/Yellowbird (Aldinger), die Liner Notes hat der Freund geschrieben, bei dem das Duni/Brodbeck-Konzert stattgefunden hat. Das Trio – mit Lukas Traxel (b) und Claudio Strüby (d) – funktioniert sehr organisch, zwischen lyrischen und freieren Passagen, mit Sinn für atmosphärische Stimmungen und Dramaturgie. Für meine Ohren klingt das recht frisch, aber auch etwas verhalten. Abgesehen von je einer Schumann- und Brahms-Bearbeitung stammen die restlichen sieben Stücke von Brodbeck.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deWelches Equipment verwenden eigentlich…Pink Floyd?
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WerbungBänz Oester & The Rainmakers – Ukuzinikela Live in Willisau | Ein Rubato-Intro mit getupften Klavierakkorden und Trommeln, eine hymnische, leise intonierte Melodie vom Tenorsax … und eh man sich’s versieht, fällt das Quartett in einen 3/4-Groove, der Bass schnarrt, das Saxophon hebt ab und singt bis zum Überschlagen, die Drums bilden immer mehr Momentum – und das Stück, das hier à la Coltrane-Quartett gespielt wird? „Amsterdam“ von Jacques Brel … das Quartett von Bänz Oester ist – wie ich schon zweimal erleben konnte – eine exzellente Live-Band, die nahezu ekstatische Sets abliefern kann. Nach einem ersten Album auf dem Schweizer Label Unit erschien 2015 bei yellowbird der Mitschnitt der Gruppe vom Auftritt am 30. August 2014 beim Jazzfestival Willisau. Das mittlere der sieben Stücke, „Alone Again“, stammt vom Bejazz Winterfestival in Bern 25. Januar 2014. Der Leader, Bassist Bänz Oester, und der Tenorsaxophonist Ganesh Geymeier stammen aus der Schweiz, der Pianist Afrika Mkhize und der Drummer Ayanda Sikade aus Südafrika. Von Christoph Rüegg stammt das zweite Stück, „Hungersnot“, dann folgen drei Stücke von Oester sowie zwei Schweizer Lieder, ein Volksmusik-Schlager aus den Siebzigern („Dr Schacher Seppli“) und ein Kinderlied als Closer („Nach em Räge schint Sunne“ – da gehörte noch ein „d'“ vor die Sonne, aber gesprochen passt es auch ohne). Das ekstatische Element lässt sich nur teilweise auf CD übertragen – dafür wirkt die Aufnahme etwas atmender, dynamischer, was ihr durchaus gut tut und zur Konserve auch tatsächlich besser passt. Was das Quartett mit dem Schlager und dem Kinderlied anstellt, ist so verblüffend wie die Coltrane-Version des Brel-Chansons – zumindest für schweizer Ohren. Die Aufnahme in Willisau hat Martin Pearson gemacht, vermutlich ursprünglich fürs Schweizer Radio, Mix und Master kommen von Benoît Piccand – der Name sagt mir nichts, aber jedenfalls klingt das Album anders, vielleicht weil hier nicht die üblichen Leute aus Bayern involviert sind, die um den Dreh herum anderswo gemachte Aufnahmen – z.B. die zwei Ambrosetti-Alben von gestern – für Enja gemischt und gemastert haben).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaNitai Hershkovits – New Place Always | Nach der Ekstase etwas Ruhe – ein Solo-Album des Pianisten, dem ich erstmals letztes Jahr bei Oded Tzur und dann mit seinem eigenen Solo-Album auf ECM begegnet bin. Aufgenommen hat er das Album am 21. und 22. September 2917 in den Recpublica Studios in Lubrza, Polen, gemischt wurde es in Tel Aviv, gemastert dann von einem der oben erwähnten Gewährsleute von Enja (Christoph Stickel Mastering, München). In den Liner Notes schreibt Hershkovits im ersten Satz, das Album sei „a collection of melodies that have resonated through time, long enough to evoke a sense of folkloric familiarity.“ Das leuchtet sofort ein, denn die dreizehn Stücke, die gerade mal 36 Minuten dauern, klingen oft einfach, geradezu simpel – manche entwickeln aber einen Zauber, der schon mal nach Debussy und Ravel oder auch nach Satie klingt. Eingestreut hat Hershkovits zwischen die eigenen Stücke auch eines von Paul McCartney („Jenny Wren“), eines von Pat Thomas/Ebo Taylor („Oye Asem“) und eines von Rejoicer (der den Mix in Tel Aviv machte), dazu kommen drei, die Hershkovits und Rejoicer gemeinsam konzipiert haben. Miniaturen, die manchmal wie Lieder ohne Worte klingen, manchmal eher wie karge Klavierversionen aktueller Popsongs, dann wieder nach Begleitmusik für einen an exotischen Schauplätzen gedrehten kolorierten Stummfilm.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaSamuel Blaser – Routes | 2023 erschein bei Enja (aber mit yellowbird-Katalognummer und in Co-Produktion mit dem Eigenlabel Blaser Music, gegründet 2020 zu Beginn der Pandemie) noch eine Hommage an Don Drummond, dieses Mal vom westschweizer Posaunisten Samuel Blaser, der eine illustre Band zusammengestellt hat – von der ich mir gar nicht sicher bin, ob sie mal zur selben Zeit am selben Ort war. Die Aufnahme sind von 2020 bis 2022 entstanden, die Drums in St. Thomas, VI, der Bass in Rhinebeck NY, der Baby Bass in Pointe-Claire, Quebec, Piano und Orgel im Powerplay Studio in Maur, in den Hard Studios Winterthur und an der Kantonsschule (=Gymnasium) Küsnacht, alles in der Nähe von Zürich. Zum Rest gibt es keine detaillierten Angaben, ausser dass Lee „Scratch“ Perry seine Dubs im Juli 2021 in Hanover, Jamaica, machte. Neben Blaser (tb) sind dabei: Alex Wilson (p, org, melodia), Alan Weekes (g), Ira Coleman (b und baby bass), Dion Parson (d), Soweto Kinch (as, voc), Michael Blake (ts) und Edwin Sanz (perc). Auf zwei Stücken singt Carroll Thompson, auf zwei anderen ist Perry dabei (voc, dub), auf einem weiteren ein Posaunenchor (Steve Turre auch an Muscheln, John Fedchock, Johan Escalante, Glenn Ferris, sowie Jennifer Warthon an der Bassposaune). Aldinger ist als „executive producer“ gelistet, aber die ganze Arbeit hier hat wohl Blaser geleistet, der auch als Solist glänzt. Sein Posaunenspiel ist flüssig, mit grossem runden Ton, sehr elegant ausgeführt. Für meine Ohren ist er am Instrument einer der besten in diesen Zeiten. Besonders Soweto Kinch steuert auch ein paar tolle Soli bei, Wilson ist vermutlich derjenige, der den ganzen Sound zusammenhält – auch wenn er, wie in „Thoroughfare“, mehr Melodica als Klavier spielt. Das ist ein kurzweiliges Album (es 54 statt 74 Minuten dauern zu lassen hilft bestimmt) und sagt mir glaub ich etwas mehr zu als das Album von Josh Roseman, das, so dünkt mich, weniger ambitioniert gespielt, aber ambitionierter nachbearbeitet worden ist. Bei Blaser kommt die Musik irgendwie direkter rüber.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind
Ron Miles – Quiver | Ron Miles (t), Bill Frisell (g), Brian Blade (d) – ich hatte nach dem mässig überzeugenden Album von Ambrose Akinmusire in derselben Besetzung etwas die Furcht, dass mich das hier auch nicht packen würde … das war aber unbegründet – schon eher stille Musik, die aber oft einen Zauber entfaltet, auch weil die drei wirklich gut aufeinander abgestimmt sind. Blade ist immer wieder sehr toll und trägt zumindest vom Eindruck vom gestrigen Wiederhören her schon einiges dazu bei, dass das Album nicht in Wohlklang und Nettigkeit dahindümpelt (was mein momentanes Fazit zum Akinmusire Trio ist). Die Aufnahmen sind in Denver, CO, entstanden, im September 2011 in den Mighty Fine Productions und live im Dazzle Jazz Club.
Um dieses Album kreise ich immer noch … so richtig warm will ich damit nicht werden, obwohl es wirklich schöne Sachen zu hören gibt hier. Es dauert über eine Stunde und braucht für meine Ohren geraume Zeit, um in Fahrt zu kommen. Die fehlenden Bassfrequenzen mögen Frisell und Blade nur teils füllen, es bleibt da eine Art Lücke, die der Musik Leichtigkeit gibt, aber vielleicht auch eine gewisse Unverbindlichkeit? Beim Hören gestern Abend dachte ich zwischendurch mal an das Tiny Bell Trio von Dave Douglas (mit Brad Shepik und Jim Black), das mit der gleichen Besetzung doch recht anders funktioniert. Blade spielt halt seine ureigenen Grooves, Frisell ist Frisell – während bei Douglas‘ Gruppe auch tightere, gemeinsam angesteuerte Grooves und folkloristische Elemente zu hören sind, die hier fehlen – zu Gunsten eine grösseren Eleganz würde ich sagen? Wobei Miles auf Blues und Country zurückgreift, während Douglas eher etwas in Richtung Balkan oder Europa im allgemeinen schielt. Und es mir so vorkommt, as würde bei Miles alles sublimiert, durch seine eigene Brille betrachtet wird – und dafür hat er sich schon kongeniale Leute geholt mit Frisell und Blade. Miles spielt gerne und viel im tieferen Register der Trompete – mit singendem, warmem Ton. Da trifft er sich z.B. in „Mr. Kevin“ wunderbar mit der Gitarre (in den langen Liner Notes von Chip Stern wird eine Episode berichtet, in der Bassist Ben Allison bei Freddie Hubbard zu Besuch war und diesem „Heaven“, das Duo-Album von Miles/Frisell, vorspielte: „He talked about that lower register that Ron favors and he said, ‚I wish I could do that,‘ and explained how hard that was to do on the horn, and the fact that he got it, was some sort of compliment coming from a trumpet innovator of his stature and magnitude“).
Das Programm hier ist genauer betrachtet sehr breit: es gibt ein paar alte Stücke, „There Ain’t No Sweet Man That’s Worth the Salt of My Tears“ von Fred Fisher und „Doin‘ the Voom Voom“ von Duke Ellington, in dem die drei quasi zur Mini-Big-Band werden (das wäre dann mein unbedingter Anspieltipp für @friedrich – geht ev. mit Streaming-Abo, in der Tube ist von Enja ja nur sehr wenig). Zudem ist „Days of Wine and Roses“ von Henry Mancini zu hören, und dazu kommen sechs Originals von Miles, die ihrerseits einen breiten Horizont abstecken. Da springt die Musik schon mal von old-timey Beats zu den Retro-Projekten von Lester Bowie, während Frisell auch mal Charlie Christian channelt. In „Just Married“ gibt es einen folksy Romp mit rollenden Beats von Blade, jumpender Gitarre („Big Buckle Elvis“ lautete die Spielanweisung in Frisells Noten gemäss den Liner Notes) und schönen kleinen „inflections“ von Miles. Der Closer „Guest of Honor“ ist zugleich ein Stück für den Sohn, der Honor heisst, wie auch eine Ragtime-Nummer, die an Scott Joplin erinnert, und an seine gleichnamige Oper, die sich wiederum auf den Besuch von Booker T. Washington im Weissen Haus bei Teddy Roosevelt bezieht: „And so while we tend to think of Joplin writing upbeat music such as ‚Maple Leaf Rag,‘ here he was writing political operas as far back as 1903“ (Zitat von Miles in den Liner Notes). Das Stück direkt davor wiederum, „Rudy-Go-Round“, klingt nach Ornette Coleman, asymmetrisch und mit kreisenden, tanzenden Linien.
Die drei klingen alle phantastisch (Aufnahme und Mix: Colin Bricker, produziert hat Hans Wendl – ein Name, der mir hier in der ganzen Enja-Strecke zum ersten Mal begegnet), das ist halt wirklich Musik, bei der man hinsitzen und genau hören muss, um ihren Reichtum zu erkennen – sonst plätschert sie scheinbar belanglos dahin.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaAbdullah Ibrahim – Dream Time | Ich tendiere ja dazu, aus dem Spätwerk die Alben von Gearbox zu bevorzugen („The Balance“ war eine echt schöne Überraschung und das jüngste von Anfang Jahr ebenso) – aber das ist vermutlich nicht ganz fair. Das Solo-Album auf Gearbox („Solotude“) ist am selben Ort entstanden, wie dieses Album: in der Halle des Hotel Hirzinger in Söllhuben in Bayern, wo Ibrahim seit einigen Jahren stets um seinen Geburtstag herum auftritt. „Dream Time“ entstand jedoch nicht Anfang Oktober sondern am 17. März 2019 – und es gibt, analog zu den drei Trio-Alben, die ich als letztes vorgestellt habe – eine fortlaufende Suite, 69 Minuten, 20 Stücke, als Leitmotiv zieht sich hier der „Blue Bolero“ durch, der in einer ersten knapp dreiminütigen Version früh im Set zu hören ist, dann zweimal in sehr kurzen Versionen als Überleitung wieder auftaucht, und zum Schluss in einer langen, siebenminütigen Version erneut zu hören ist.
Das Material stammt alles von Ibrahim, es gibt Klassiker wie „Nisa“, „District Six“, „Sotho Blue“, „Whoza Mtwana“, den „Blues for a Hip King“ (acht Minuten lang und ein Highlight) oder „Did You Hear That Sound“, Widmungen wie „For Coltrane“, „Song for Lawrence Brown“ und für dessen Boss „Dedication to Duke Ellington“. Aus der „African Suite“ steht „Aspen“ auf dem Programm, dazu ein paar exklusive Spätwerk-Stücke und Ersteinspielungen: „Trieste My Love“ (später auch auf „Solotude“), „Genesis“, „The Balance“ (später auch auf dem gleichnamigen Album wieder), „In the Evening“ (später auch auf „Solotude“ und davor schon auf „Mukashi“) oder den „Blue Bolero“, den es erstmals auf „Senzo“ (2008, kenne ich nicht) zu hören gibt, aber auch auf „African Magic“, „Solotude“ und „3“, dem jüngsten Album.
Was mir hier gleichermassen wie bei den drei Trio-Alben auffällt: Ibrahim nimmt sich Zeit – und darauf muss man sich beim Hören einlassen, sonst plätschert auch das dahin. Wohlgesetzt klingen die Akkorde auf dem Fazioli-Piano (auf dem er die Tage zu bestehen scheint, für „3“ war die Bedingung, dass man ihm einen Fazioli-Flügel hinstellen solle, dann komme er), manchmal fast verschleppt in den meist gemächlichen Tempi. „Dream Time“ ist dafür auch ein passender Titel: das Set klingt wie eine Art filmische Traum-Reise, ein nokturnes, aber keineswegs dunkles Werk. Der Meister mag alt geworden sein – aber er findet Wege, seine Musik so faszinierend wie eh und je zu gestalten. Schön.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaRon Miles – Circuit Rider | Album Nummer zwei vom Trio Ron Miles (inzwischen am Kornett, nicht mehr an der Trompete), Bill Frisell (g) und Brian Blade (d), aufgenommen am 29. und 30. Oktober 2013 von Colin Bricker in den Mighty Fine Productions in Denver, Colorado (und erneut von Hans Wendl für yellowbird produziert – das Enja-Logo ist stets auch dabei). Es gibt hier zwei Stücke von Mingus („Jive Five Floor Four“ [kein Stück, das ich im Ohr habe … auch bekannt als „Cell Block F. ‚Tis Nazi U.S.A.“ oder „Remember Rockefeller at Attica“ gemäss hier], und „Reincarnation of a Love Bird“) sowie als Closer eins von Jimmy Giuffre („Two Kinds of Blues“). Die anderen fünf stammen von Miles, und schon in „Comma“, dem Opener, gibt es nach ein paar Minuten einen tollen Groove. Im ersten Mingus-Stück ertappe ich mich dann beim Gedanken, dass das vielleicht doch gar nicht immer so weit vom Tiny Bell Trio entfernt ist – das hat aber vielleicht damit zu tun, wie Frisell hier spielt … irgendwie atypisch? Er streut zwischendurch sogar mal Bassläufe ein. Es gibt auch hier alles von altmodischer Americana-Nostalgie bis zur (historischen) Jazz-Avantgarde – und wieder alles durch eine modernistische Brille betrachtet, sublimiert, wahnsinnig schön eingefangen, manchmal sehr berührend. Doch wo ich heute Morgen beim vierten oder fünften Anlauf mit „Quiver“ eine Art Durchbruch hatte, bleibe ich hier wieder ambivalent, so richtig packen will mich das nur vereinzelt (im Opener, in „Dancing Close and Slow“, im Giuffre-Closer, der auch wieder diese Americana-Wärme wie „Dancing“ hat).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaBänz Oester & The Rainmakers – Gratitude | Auf dritten Album gibt es eine Änderung in der Besetzung: Javier Vercher aus Madrid übernimmt den Posten am Saxophon. Damit fliegen die Schweizer Traditionals mehrheitlich raus, jedenfalls sucht man sie vergeblich auf dem Album, das von diversen Live-Mitschnitten aus dem April und November 2022 stammt („Bejazz Club“ in Bern, „Bau 4“ in Altbüron, „Jazz in Bess“ in Lugano, „AMR“ in Genf). Kollege Malcolm Braff hat die Liner Notes beigesteuert (BraffOesterRohrer mit Drummer Samuel Rohrer war in der ersten Hälfte der Nullerjahre eine der tollsten Jazzbands im Land) und schreibt ein paar treffende Zeilen: „The Rainmakers‘ music […] features of course individual virtuosity and creativity (the four members of the quartet are all master improvisers and phenomenally expressive), but it is also about the quest for freedom, the rebellion against systems of control and oppression in general, as well as the need for transcendence and humanity. Through their collective interplay, the musicians tirelessly reaffirm their spiritual aspirations and their need to free themselves from all forms of constraint. They so perpetuate a tradition that relatively few bands claim today (except perhaps in South Africa, and in this respect the presence of Afrika Mkhize and Ayanda Sikade in the quartet is undoubtedly decisive).“ Es gibt hier sechs lange Stücke (8 bis 16 Minuten), in denen all das, was Braff anspricht, zu erfahren ist. Höhenflüge aller vier, als Band aber nicht virtuoses Interplay sondern hymnisches, mitreissendes, ja transzendierendes Zusammenspiel, das auch in den Soli oft präsent bleibt, weil auch der Bass des Leaders und die Drums von Sikade eine so starke Präsenz haben. Klar – das schreibt Braff auch – denkt man da öfter mal an Coltranes klassisches Quartett, aber auch an den frühen Spiritual Jazz, der hier ebensosehr gechannelt wird. Los geht es mit „Jaipur“ vom westschweizer Saxophonisten (und Neffen Donald Byrds) Cyrille Bugnon, dann folgt „Doina / My Love for You“, ein Traditional aus Rumänien, das in eine Komposition von Sikde übergeht. „Blue Heron“ ist Verchers Beitrag, gefolgt von Oesters „Transformation“ (mit besonders starkem Vercher), und Sikades „Gaba“ (eine Ballade), bevor „Ode to Keith“ von Mkhize den Abschluss macht (den Widmungsträger der Groove-Nummer kann man schon im kurzen Piano-Intro erahnen). Nach meinen Live-Erlebnissen (beide mit Vercher, das eine mit Florian Favre am Klavier, weil Mkhize kein Visum organisieren konnte) finde ich dieses Album deutlich ansprechender und mitreissender als das Konzert aus Willisau (das ich davor schon kannte, ebenso wie das erste Album der Gruppe auf Unit Records).
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Da ich nicht streame, muss ich mal in youtube oder so suchen.Hängen geblieben bin ich hier kurz, weil in meinem Kopf
„The Rainmakers“ eigentlich hiermit verklebt ist (kein
Jazz, aber trotzdem sehr schön – speziell dieser Titel):
Ich würde also bei der Namensgebung genauer agieren, immerhin
ist der Walkenhorst auch schon ein paar Jährchen dabei:
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Rainmakers_(band)So. Jetzt suche ich mal den anderen.
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Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)@icculus66 Das jüngste Album gibt’s tatsächlich vollständig hier zum Probehören:
https://bnzsterandtherainmakers.bandcamp.com/album/gratitude--
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Mercer leitet aus der Biographie von Miles – der offen darüber sprach, von Robin Gibb von den Bee Gees ebenso beeinflusst worden zu sein wie von Miles Davis‘ Trompetensound – den „Non-Hierarchical Aesthetic Gospel of Ron Miles“ ab: „This loving embrace of all things great and small, beautiful and ugly“. Hank Williams, Burt Bacharach oder Prince zählten da ebenso dazu wie der Jazz. In seiner kurzen Zeit in New York – die Zeit der Marsalis’schen Glaubenskriege – schloss er sich der Avantgarde an. Als er nach Denver zurückkehrte, um einen Posten als Lehrer anzunehmen, wozu auch Jazzgeschichte gehörte, musste er sich diese erst mal erarbeiten, tauchte tief in die Musik von Jelly Roll Morton oder Duke Ellington ein, nur zum zu begreifen, „that early jazz styles were themselves avant-garde for their time radically challenged then-prevailing categorizations in jazz“ (Mercer).
Im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen baut Miles in seine Musik keine oft als etwas künstlich empfundene Schwierigkeiten ein: „I just write songs, not meters. I write notes and chords, and then figure out, ’shoot, that is bar 7 and then bar 4.‘ Things can be tricky to play, and that’s fine, but you always want musicians to feel like your song is worthy of the effort.“ (Miles in Mercers Liner Notes). Dass sich „spirituality an politics, art and politics“ nicht trennen lassen, ist klar. „We’re in some trying times right now, that’s for sure […] But we’ve seen this before. Culturally, black folks have had to do this over and over again, fighting injustice and finding a positive solution.“ (Miles in Mercers Liner Notes).
Der Albumtitel den ist Tafeln entliehen, die protestierende Arbeiter mit sich trugen, als 1968 bei einem Unfall der Müllabfuhr in Memphis zwei Kollegen zu Tode kamen. Die Müllmänner gingen danach auf die Strasse und trugen Schilder mit der Aufschrift „I AM A MAN“ mit sich. Eine Nachricht aus der Bürgerrechtsbewegung also. Die Musik ist hier, im Opener/Titelstück und vielleicht im ganzen Album etwas blueslastiger als sonst. Die Kollegen loben Miles‘ Ton. Frisell meint, dieser sei so schön, dass es leicht sei, zu vergessen, wie viel Kraft in ihm stecke. Er sei zudem einer der verblüffendsten Begleiter, mit denen er je gespielt habe: „He makes everybody sound better. It’s like playing with Herbie Hancock, somebody who affects the music from the inside. Everything he plays is more than a solo statement; it’s also for the good of the group“ (Frisell in Mercers Liner Notes). Er verteilt allen Musikern die kompletten Charts, damit sie sehen, wo die anderen was spielen werden und „because he cares about how the people understand the world around them“ (Moran in Mercers Liner Notes).
Die Erweiterung des Trios führt hier, finde ich, tatsächlich zu „more is more“. Warum ich bei Morgan manchmal Zweifel habe, verstehe ich nach seinem Auftritt hier wieder einmal überhaupt nicht mehr. Er ist hellwach, immer da, auch wenn er sich nie in den Vordergrund drängt. Sein Ton relativ flach und nicht sehr voluminös, aber auch da: eine stete Präsenz, immer zu fühlen – ein gekonnter Einsatz der Mittel. Moran und Frisell kommen die allermeiste Zeit sehr gut miteinander klar, es gibt auch faszinierende Momente zwischen den beiden, gerade im zweiten Stück, das vielleicht der Kern des Albums ist, das 13minütige „Darken My Door“. Ganz toll ist auch der langsame Closer, „Is There Room in Your Heart for a Man Like Me?“. Wie Miles auch hier wieder zu seinen Wurzeln geht, das ganze aber aus einer Perspektive angeht, die seine Avantgarde-Erfahrung miteinbezieht, ist wirklich toll. Lassen wir Mercer das letzte Wort, aus ihrem Abschnitt zum Closer, aber durchaus allgemein gültig: „The music’s mood of searching, of collective quest rather than attainment, gives you a felt sense of Ron’s métier. Like those Memphis sanitation employees, Ron has a worker’s pride, particularly in the musicians‘ art and craft of improvisation. For him and for jazz, collaboration counts more than results. Process counts more than product.“
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDannie Richmond Quintet – Three or Four Shades of Dannie Richmond Quintet: „Live“ from Int. Jazzfestival Münster | Ein heisses Set vom Jazzfestival Münster am 12. Juli 1981 (rec. WDR/Ansgar Ballhorn), um die 70 Minuten Musik mit ein paar kurzen Ansagen von Richmond (die am Anfang der CD legt nahe, dass entweder was fehlt oder die Reihenfolge umgestellt wurde – vermutlich fehlt wirklich was, weil Richmond bei Garrett auch noch die Flöte erwähnt, die aber gar nicht zu hören ist, glaub ich … oder allenfalls mal im Ensemble versteckt) und 44 Sekunden „Audience’s Excitement“ (mit einer Bandansage von Richmond) als letzten Track. Nur vier Stücke gibt es zu hören, das längste nimmt allerdings fast die Hälfte der Dauer in Anspruch. Los geht es mit „Soft Seas“, das Richmond auf einem Kreuzfahrtschiff geschrieben hat. Kenny Garrett tritt in die Fussstapfen von George Adams, lässt ein Altsax fauchen und schnauben und spielt viel in der tiefen Lage, mit grossem, vibratoreichen Ton. Trompeter Jack Walrath und Pianist Bob Neloms sind Kollegen aus der späten Mingus-Band, Bassist Cameron Brown ein Kollege aus dem Pullen/Adams-Quartett. Daher kommt auch diese Musik, die aber schon weniger explosiv und wuchtig ist als Pullen/Adams. In „Theme for Lester Young: Goodbye Pork Pie Hat“ präsentiert Walrath das Thema, Neloms begleitet ziemlich toll. Garrett kriegt das zweite Solo, dann ist Brown an der Reihe – eine schöne, konzise Version des Klassikers, sieben Minuten, in denen vor allem der Trompeter glänzen kann. Nach einer weiteren Ansage ist „Big Alice & John Henry“ von Don Pullen zu hören: der Blues. Richmond schafft es, im Drum-Intro schon das Lick erklingen zu lassen, auf dem das Stück basiert. Dann folgt ein recht starkes Solo von Garrett, eine Passage von Walrath, der nicht dran interessiert ist, eine Geschichte zu erzählen, zeitweise mit sehr lebendigem Neloms, der dann im eigenen Solo aber irgendwie richtungslos klingt. Das Quintett findet dann aber einen brennenden Abschluss mit einer kollektiven Passage über dem ewig rockenden Lick. Den Abschluss macht dann die 33 Minuten lange „Suite: Cumbia & Jazz Fusion“ von Mingus – ein von vielen unterschätztes Werk – für meine Ohren Mingus‘ letztes tolles Album (rec. März 1977 u.a. mit Walrath, Neloms und natürlich Richmond). Die Suite geht durch mehrere Teile, mal mit Latin-Rhythmen, dann wieder im 4/4-Swing oder auch mal in einem altmodischen 2-Beat. Es gibt natürlich auch Raum für ausgedehnte Soli, von denen ich dieses Mal das erste von Walrath besonders toll finde. Nach einem Garrett-Solo gibt es eine schone unbegleitete Klavier-Passage, in der Neloms nochmal ein paar weitere Facetten seines durchaus breiten Könnens zeigen kann. Dann, nach dem Old-Timey-Segment, auch nochmal ein tolles längeres Richmond-Solo, bevor Brown auch nochmal an der Reihe ist (sein Bass-Sound ist leider echt nicht schön, das alte Problem). Alles in allem ein recht gutes Live-Set, ziemlich heiss, aber auch nicht unelegant, was vor allem Walraths Verdienst ist. Manchmal klingt das aber auch etwas nach einer lockeren Blowing Session.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaschöner text zu I AM A MAN. bisher habe ich dazu noch keinen zugang, das hat wohl mit den kompositionen von miles zu tun, bei melford und harriet tubman fand ich ihn ja super.
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Ron Miles – Quiver | Ron Miles (t), Bill Frisell (g), Brian Blade (d) Um dieses Album kreise ich immer noch … so richtig warm will ich damit nicht werden, obwohl es wirklich schöne Sachen zu hören gibt hier. Es dauert über eine Stunde und braucht für meine Ohren geraume Zeit, um in Fahrt zu kommen.
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Das Programm hier ist genauer betrachtet sehr breit: es gibt ein paar alte Stücke, „There Ain’t No Sweet Man That’s Worth the Salt of My Tears“ von Fred Fisher und „Doin‘ the Voom Voom“ von Duke Ellington, in dem die drei quasi zur Mini-Big-Band werden (das wäre dann mein unbedingter Anspieltipp für friedrich – geht ev. mit Streaming-Abo, in der Tube ist von Enja ja nur sehr wenig).
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Die drei klingen alle phantastisch (Aufnahme und Mix: Colin Bricker, produziert hat Hans Wendl – ein Name, der mir hier in der ganzen Enja-Strecke zum ersten Mal begegnet), das ist halt wirklich Musik, bei der man hinsitzen und genau hören muss, um ihren Reichtum zu erkennen – sonst plätschert sie scheinbar belanglos dahin.Ich kenne mindestens noch eine ältere Aufnahme von Ron Miles mit Bill Frisell bzw. umgekehrt. Quartet von 1996 mit Bill Frisell, Ron Miles plus Eyvind Kang (violin, tuba) und Curtis Fowlkes (trombone). Die klingt schon wegen der Instrumentierung sehr voll und reich wie auch gleichzeitig originell. Habe ich damals geliebt und sie würde mir sicher auch beim Wiederhören viel Freude bereiten. Man, ist das lange her! Aber Platten, die man zum Erscheinungsdatum gekauft und gehört hat, bleiben irgendwie immer neu und gegenwärtig.
Habe Quiver mal in der Stömung quergehört. Das klingt schon viel spröder, mehr kammermusikalisch, sicher auch wegen der spärlicheren Instrumentierung, funktioniert wohl mehr auf der Ebene, dass die Musiker und der geneigte Hörer sich am feinen Zusammenspiel des Trios erfreuen. Da zwinkert man sich gegenseitig auf der Bühne zu und spürt ein unausgesprochenes gemeinsames Einverständnis und erfreut sich daran – und mit etwas Glück teilt sich das irgendwie auch manchem Hörer mit.
Doin’ The Voom Voom ist da sicher sogar einer der spritzigeren Tracks, aber auch der kommt etwas um die Ecke gedacht und abstrakt daher. Das Original von Duke Ellington kannte ich bislang nicht – ist wohl eine etwas kleinere Nummer unter Dukes 2000 Kompositionen. Aber selbst wenn der Duke um die Ecke gedacht und abstrahiert haben mag, so ist seine Musik insbesondere der damaligen Zeit weniger dafür geeignet, dazu im Ohrensessel mit Pfeife im Mund den Kopf nachdenklich zu Seite zu legen. Diese Musik will und muss vor allem eins – wirken und unterhalten!
Da ist der Unterschied zwischen „Original“ und „Coverversion“ schon ziemlich groß oder? Hoher Abstraktionsgrad, würde ich sagen.
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)Ja, sicher weit weg vom Original … aber dann eben doch nicht, weil es Miles ja irgendwie gelingt, das „Feeling“ der alten Aufnahme in die Gegenwart hinüberzuholen. Ich weiss zwar genau, was Du mit „spröde“ und dem Zuzwinkern meinst – beides liegt auf der Hand, scheint mir aber weit weg. Zuzwinkern muss sich da nämlich keiner, weil das alles innermusikalisch abläuft, die könnten vermutlich in einem Kreis mit dem Rücken zueinander sitzen (Miles scheint ja auch gesessen zu haben beim Spielen, zumindest legt das Cover des aktuellen Blue Note-Albums, das ich jetzt bestellt habe, nahe) und alles wäre exakt so kommunikativ, so eng verwoben. Und darin liegt auch ein Reichtum – auch im Trio, nicht nur bei „I Am a Man“ (oder „Rainbow Sign“, seinem letzten Album zu Lebzeiten, das dieselbe Band für Blue Note nochmal vereinte … das muss ich jetzt mit neu justiertem Gehör für Miles auch bald wieder mal einlegen). Und in diesem Reichtum ist eben auch das Gegenteil von Sprödheit verborgen. Aber das zu erkennen hat auch bei mir einen Moment gebraucht („Quiver“ habe ich gekauft, als ich auch die zwei Snowy Egret-Alben kaufte).
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Schlagwörter: Enja Records, Tiptoe, Tutu Records, yellowbird
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