Arno Schmidt

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  • #53895  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

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    Arno Schmidt und seine Bücher tauchen hier ja immer wieder in einzelnen Beiträgen auf. Ich denke daher, dass es an der Zeit ist, einen eigenen Thread zu starten. Vielleicht ergibt sich ja eine Diskussion, Ecken und Kanten, an denen man sich stoßen kann, gibt es in seinem Werk ja genug.

    Mein Lieblingstext von Schmidt ist die Kurzerzählung „CALIBAN ÜBER SETEBOS“ aber lesenswert sind nahezu alle seine (Kurz-, Lang- und Längst-)Romane, Erzählungen, Funk-Essays und natürlich SITARA UND DER WEG DORTHIN.

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    #6617617  | PERMALINK

    emma-bovary

    Registriert seit: 17.01.2007

    Beiträge: 2,724

    Arno Schmidt ist groß. Dessen ungeachtet, wird er von einigen Wenigen als „schwierig“ und „avantgardistisch“ eingestuft, die anderen kennen ihn erst gar nicht. Häufig habe ich, als Liebhaberin der Schmidtschen Literatur, einige Erklärungsversuche unternehmen müssen. Die „Sekte“ der Schmidt-Gemeinde- sind das (…) “ unkritische Verehrer, die die Fragwürdigkeiten der schmidtschen Selbstdarstellung konsequent ausblenden(…) ?“
    Es scheint schwierig, Schmidt zu lesen wie Grass, Andersch oder Walser. Bedauernswert, gehört er doch zu den größten Romanciers der deutschen Literaturgeschichte.

    --

    Ich mag Hunde lieber als Menschen. Und Katzen lieber als Hunde. Und mich, besoffen in meiner Unterwäsche aus dem Fenster schauend, am liebsten von allen.
    #6617619  | PERMALINK

    gerry

    Registriert seit: 29.06.2007

    Beiträge: 894

    nicht zu vergessen: eine großer Humorist.

    --

    #6617621  | PERMALINK

    schussrichtung

    Registriert seit: 06.02.2007

    Beiträge: 17,697

    Arno Schmidt ist

    Emma Bovary„avantgardistisch“ […]

    ?
    Heutzutage wohl kaum.
    Er hat mit für einen Umgang mit der deutschen Sprache in der Literatur gearbeitet, die es vorher nicht gegeben hat. Irgendwie schon Avantgarde. Auf anderem Gebiet war das Bauhaus in Weimar – dann Dessau – seinerzeit Avantgarde. Kurzum: Avantgarde erscheint zeitgebunden. Schmidt heute avantgardistisch zu nennen ist wohl kaum angebracht. Nichts gegen ihn – Beileibe, ich mag sein Werk sehr gern!

    Emma Bovary
    “ unkritische Verehrer, die die Fragwürdigkeiten der schmidtschen Selbstdarstellung konsequent ausblenden(…) ?“
    Es scheint schwierig, Schmidt zu lesen wie Grass, Andersch oder Walser.

    Warum? Weil es immer die Leser (Rezipienten) von Literatur (oder Kunst allgemeiner) gibt, die den Künstler vor sein Werk stellen?
    Oder weil Schmidt eine eigene Rechtschreibung entwickelt hat?

    --

    smash! cut! freeze!
    #6617623  | PERMALINK

    carrot-flower
    Moderator

    Registriert seit: 26.09.2007

    Beiträge: 3,122

    Emma BovaryDie „Sekte“ der Schmidt-Gemeinde- sind das (…) “ unkritische Verehrer, die die Fragwürdigkeiten der schmidtschen Selbstdarstellung konsequent ausblenden(…) ?“

    Es scheint zumindest so, als könne man bei Schmidt seine Protagonisten (die sich ja quer durchs Werk sehr ähneln) deutlich schwerer vom Autor trennen, was seine Urteile über die Welt angeht, als es bei anderen Schriftstellern der Fall ist.

    Ich hatte das Glück und Pech, mich an der Uni zwei Jahre lang intensivst mit Schmidt auseinandersetzen zu können, und bis heute bin ich hin- und hergerissen zwischen Ehrfurcht für den Dichter und Verachtung für den Welterklärer Schmidt. So poetisch, sublim und treffend er in seinen sprachlichen Bildern ist, so borniert-besserwisserisch-kleingeistig-beleidigt erscheint er, wenn er mal wieder konkret zeigen will, wie der Hase läuft.

    Mein Lieblingswerk ist seit Jahren „Seelandschaft mit Pocahontas“, in vielerlei Hinsicht eine Summe des Frühwerks und eine bessere „Erklärung“ des Schriftstellerseins als jede seiner wackeligen Theorien. Eine wunderbare Ergänzung dazu Klaus „Da fällt mir noch was ein“ Theweleits „You give me Fever“.

    Eine Lieblingsstelle:

    Tucketucketucke : „1 Motorboot solls auf dem
    Dümmer geben.“ (abfällig). Sie schlang sich das graue
    Wasser ein paarmal ums Handgelenk, ehe sie murmelte,
    wie eine Stimme aus dem See; ließ auch die Finger lange
    nebenher treiben, daß jeder sein feines Kielwasser zog. –
    – Zur Rechten flimmerte’s wie Gestade : Bäume aus
    Rauch geblasen; das Dunsttrapez eines Daches; Schat-
    ten wollten unter Gasfontänen : aus heißer Grauluft die
    Idee einer Küste. Seelandschaft mit Pocahontas. – –
    „Du !“ – – Sie warf die Mahagoniseile rückwärts hoch,
    mir um den Hals : „Ja ! Schnell !“; schnürte fester zu : ! -,
    richtete sich auf, und fing wild verworren an zu
    paddeln, unermüdlich eckig, dem Glasqualm entgegen. :
    Dem Glasqualm entgegen ! !

    --

    the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellation
    #6617625  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Carrot FlowerMein Lieblingswerk ist seit Jahren „Seelandschaft mit Pocahontas“, in vielerlei Hinsicht eine Summe des Frühwerks und eine bessere „Erklärung“ des Schriftstellerseins als jede seiner wackeligen Theorien.

    Hallo Carrot Flower, kannst Du in ein paar Worten ausführen, was Dir an „Seelandschaft mit Pocahontas“ so gut gefällt? Bei mir steht das Werk trotz wiederholter Lektüre nur unter ferner liefen (Mein Favorit ist „Caliban über Setebos“, der von Lektüre zu Lektüre an Faszination gewinnt).

    Im deutschsprachigen Raum hatte der rätselhafte Titel „Seelandschaft mit Pocahontas“ lange Zeit einen besonderen Zauber, weil (außer geeichten Neil Young- [… Marlon Brando, Pocahontas and me …] und Loudon Wainwright-Spezialisten [… And Pocahontas had her Captain Smith …]) kaum jemand etwas mit dem Namen Pocahontas anfangen konnte. Aber seit dem Disney-Film ist Pocahontas vermutlich weiten Bevölkerungsschichten vertraut: Vermutlich weiss inzwischen nahezu jedermann, dass sie mit einem Herren namens Smith vulgo Schmidt verbunden war.

    --

    #6617627  | PERMALINK

    carrot-flower
    Moderator

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    PopmuseumHallo Carrot Flower, kannst Du in ein paar Worten ausführen, was Dir an „Seelandschaft mit Pocahontas“ so gut gefällt?

    Gern, aber leider momentan wirklich nur kurz und aus der Hüfte, da ich gleich arbeiten muss:

    SmP ist ein Text über das beschädigte Leben und die Bemühungen eines Schreibenden, das zu fassen und in Worte/mit Worten zu bannen. Der Versuch einer Neu-Formulierung nach dem Krieg, der zugleich misslingt und glückt. Unter falschem Namen steigt der Erzähler im Gasthof ab, ein unbeschriebenes Blatt auch Selma, die beziehungsreich umgetauft wird in ein texturenwebendes mythisches Wesen. Die Bilder sind jedoch nach wie vor apokalyptisch, die beiden „Verliebten“ Leerstellen.

    Für mich ist das eine sprachlich unglaublich reiche und reife Erzählung, in der Schmidt die nervige Ego-King-Attitüde seiner Erzähler mal sein lässt und jemanden als Gebrochenen, Resignierten und Suchenden zeigt.

    Gern mehr bei Bedarf! Und schreib hier doch auch was über „Caliban“, hab ich nämlich nicht gelesen (hab vor allem den frühen und mittleren Schmidt seziert).

    --

    the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellation
    #6617629  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,857

    Top Fünf:

    1. Das steinerne Herz
    2. Schwarze Spiegel
    3. Brand’s Haide
    4. Seelandschaft mit Pocahontas
    5. KAFF auch Mare Crisium

    --

    I'm making jokes for single digits now.
    #6617631  | PERMALINK

    carrot-flower
    Moderator

    Registriert seit: 26.09.2007

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    Napoleon DynamiteTop Fünf:

    1. Das steinerne Herz
    2. Schwarze Spiegel
    3. Brand’s Haide
    4. Seelandschaft mit Pocahontas
    5. KAFF auch Mare Crisium

    Wie beurteilst du „Aus dem Leben eines Fauns“?

    --

    the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellation
    #6617633  | PERMALINK

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    Carrot Flower… schreib hier doch auch was über „Caliban“, hab ich nämlich nicht gelesen …

    Schmidts Erzählung „Caliban über Setebos“ ist ein höchst kunstvoll gedrechselter Text, der mit dem Orpheus-Mythos einen (bei der oberflächlichen Lektüre) kaum merklichen doppelten Boden besitzt, auf dem die Handlung ruht (Ähnlich wie sich James Joyces Ulysses grob an Homers Odyssee orientiert bzw. Arno Schmidts Schüler Hans Wollschläger seinen experimentellen Roman Herzgewächse auf dem Faust-Mythos aufgesetzt hat).

    Schmidts ungemein dichte Erzählung über den Dichter Georg „Orpheus“ Düsterhenn, der seine einstige Jugendliebe Rieke (= Euridyke) in einem abseits gelegenen Kaff aufsucht, weil er sich davon einen Inspirationsschub erhofft, ist lustig, unterhaltsam, spannend und voller Überraschungen.

    Düsterhenn ist eine völlig unverkrampfte alter-ego-Figur Schmidts, mit sehr vielen menschlichen Schwächen und einigen psychologischen Stärken. Großartig.

    Während mich etwa „Abend mit Goldrand“ bei der ersten Lektüre sehr beeindruckt, aber bei der zweiten Lektüre so enttäuscht hat, dass ich diese abgebrochen habe, verfügen „Caliban über Setebos“ und „Sitara und der Weg dorthin“ über besondere Wiederlesequalitäten: diese beiden Schmidt-Werke kann ich mit großem Vergnügen wieder und wieder lesen und entdecke dabei jedesmal etwas Neues.

    „Kaff“, das mich auch beeindruckt hat, steht schon lange auf der Wiederleseliste, aber es gibt halt so viel anderes, das noch zum ersten Mal gelesen werden will, weshalb das schon Gelesene weiter warten muss. C’est la vie!

    --

    #6617635  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    Mit Caliban über Setebos entlarvte Arno Schmidt die Inkompetenz jener mancherorts viel geltenden Literaturkritiker, die ihm gewöhnlich vorwarfen, daß es seinen Texten an Handlung mangle: Durch unzählige, eindeutige Anspielungen, parodierte Zitate und verweisende Etyms sowie durch eine gezielt angewandte Wortwahl (-höllen- ; schatten- ; -toten- ; usw.) wies er auf den eigentlichen Schauplatz, aber auch auf die zugrundeliegende Handlungsstruktur, den Orpheus-Mythos hin und dennoch völlig sicher sein, daß trotz dieser deutlichen Zaunpfahlwinke kaum ein Kritiker die bekannte Handlung der Erzählung entdecken werde. Schmidt hatte mit seinen Erwartungen erwiesenermaßen recht. QED.

    --

    #6617637  | PERMALINK

    Anonym
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    Im Herbst erscheint Hans Wollschlägers „Die Insel und einige andere Metaphern für Arno Schmidt“ „mit unveröffentlichtem Material aus dem Nachlass des großen Essayisten“.

    Aus der Verlagsankündigung: „Arno Schmidt (1914-1979) hat zu Lebzeiten nur einen Autor als Schüler angenommen und als Nachfolger akzeptiert: Hans Wollschläger. Dieser hatte in Gestus und Anspruch eine Stellung im Literaturbetrieb, die der seines bewunderten Vorbildes durchaus ähnelte, schließlich betätigte sich auch Wollschläger als unabhängiger Grenzgänger auf den verschiedensten Gebieten. Ihre Verwandtschaft lag aber weniger im literarischen Stil als in ihrer Weigerung, die Ansprüche des Marktes nach konformer Ware zu befriedigen.
    Dieser Band enthält neben bekannten Texten auch unveröffentlichtes Material aus dem Nachlass, in dem Wollschläger Schmidts historisch gewordene Gestalt in Form eines Dialog-Essays nachzeichnet und dabei das biographische Erinnern selbst zum Thema macht. Im Zentrum steht die große Nachruf-Rede von 1982, die, so Gustav Seibt, »an höchste Beispiele erinnert, an Nietzsches Betrachtung über Richard Wagner in Bayreuth oder an Rudolf Borchardts Hofmannsthal-Rede«. Hier wird nicht nur der Kontext von Wollschlägers literarischem Ursprung noch einmal eindeutig markiert, seine Texte zeigen überdies, dass er hinter seinem bewunderten Vorbild als Essayist nicht zurückstand.“.

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    #6617639  | PERMALINK

    Anonym
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    Die Kuriosität des folgenden YouTube-Videos mit abschließendem Beckett-Zitat schaut aus, als wäre „Dr. Hasenbein“ über „Zettels Traum“ gestolpert: Arno „Gewinnertyp“ Schmidt

    Wahrscheinlich berät der Autor auch Gusenbauer und Faymann in allen wichtigen Fragen des Lebens. ;-)

    --

    #6617641  | PERMALINK

    Anonym
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    Der große Arno würde heute 95.

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    #6617643  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    Friedhelm Rathjen: A Walk on the Wild Side. Arno Schmidt und die Rockmusik am Beispiel der Festivals von Woodstock und Scheeßel. http://www.beatstories.de/?detail=245

    – – –
    Geschrieben als satirischer Beitrag für: Zettelkasten 12. Aufsätze und Arbeiten zum Werk Arno Schmidts. Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser 1993. Hg. v. Marius Fränzel. Frankfurt a.M. / Wiesenbach: Bangert & Metzler 1993, S. 279-298; nachgedruckt in Friedhelm Rathjen: Der Ernst des Lesens. Beinharte Forschung zu Arno Schmidt & Consorten. Scheeßel: Edition ReJoyce 2006, S. 27-40 (in diesem Band auch weitere Beiträge zum Scheeßel-Festival, zu John Lennon und zu Jimi Hendrix).“

    – – –

    P.S.: Schussi, nimm das Bärtchen ab ! ;-)

    --

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