Re: Arno Schmidt

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Carrot Flower… schreib hier doch auch was über „Caliban“, hab ich nämlich nicht gelesen …

Schmidts Erzählung „Caliban über Setebos“ ist ein höchst kunstvoll gedrechselter Text, der mit dem Orpheus-Mythos einen (bei der oberflächlichen Lektüre) kaum merklichen doppelten Boden besitzt, auf dem die Handlung ruht (Ähnlich wie sich James Joyces Ulysses grob an Homers Odyssee orientiert bzw. Arno Schmidts Schüler Hans Wollschläger seinen experimentellen Roman Herzgewächse auf dem Faust-Mythos aufgesetzt hat).

Schmidts ungemein dichte Erzählung über den Dichter Georg „Orpheus“ Düsterhenn, der seine einstige Jugendliebe Rieke (= Euridyke) in einem abseits gelegenen Kaff aufsucht, weil er sich davon einen Inspirationsschub erhofft, ist lustig, unterhaltsam, spannend und voller Überraschungen.

Düsterhenn ist eine völlig unverkrampfte alter-ego-Figur Schmidts, mit sehr vielen menschlichen Schwächen und einigen psychologischen Stärken. Großartig.

Während mich etwa „Abend mit Goldrand“ bei der ersten Lektüre sehr beeindruckt, aber bei der zweiten Lektüre so enttäuscht hat, dass ich diese abgebrochen habe, verfügen „Caliban über Setebos“ und „Sitara und der Weg dorthin“ über besondere Wiederlesequalitäten: diese beiden Schmidt-Werke kann ich mit großem Vergnügen wieder und wieder lesen und entdecke dabei jedesmal etwas Neues.

„Kaff“, das mich auch beeindruckt hat, steht schon lange auf der Wiederleseliste, aber es gibt halt so viel anderes, das noch zum ersten Mal gelesen werden will, weshalb das schon Gelesene weiter warten muss. C’est la vie!

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