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dietmar_
Apropos Polanskis Villa: das war seine Ehefrau, Sharon Tate, die dort von Anhängern Charles Mansons ermordet wurde. *räusper*Das ist klar … aber irgendwie hat sich bei mir noch ein zweiter Fall im Gedächtnis eingenistet. Die fatale „Party“ fand ja möglicherweise dort statt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deSo klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
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dietmar_ Apropos Polanskis Villa: das war seine Ehefrau, Sharon Tate, die dort von Anhängern Charles Mansons ermordet wurde. *räusper*
Das ist klar … aber irgendwie hat sich bei mir noch ein zweiter Fall im Gedächtnis eingenistet. Die fatale „Party“ fand ja möglicherweise dort statt.
Ob Manson es erzählen würde?
Keine Ahnung, ich bin nicht drin in der Materie.
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Elina Duni „Partir“ – Zürich, Moods – 11.05.2018
Elina Duni, voc, p, g, perc
Eine langjährige Beziehung sei in die Brüche gegangen, so liest man, das fabelhafte Quartett von Duni hat sich wohl aufgelöst, seit einiger Zeit ist sie z.B. mit Jean-Paul Brodbeck am Piano unterwegs und hat gerade für ECM ein erstes Solo-Album herausgebracht (mein Exemplar ist noch nicht angekommen). Ob das alles eine Rolle spielt? Wieso ich das an den Anfang stelle? Ich weiss es selbst nicht so genau, aber Bemerkungen über die Sinnsprüche und Karten am Kühlschrank und ähnliches sind nicht, was man bisher bei einem Konzert von Elina Duni zu hören kriegte. Man kriegte aber auch nicht annähernd so viel von ihrer wunderbar warmen und voluminösen Stimme. In „Partir“, ihrem Solo-Programm, flechtet sie einen Strauss von Liedern in unterschiedlichen Sprachen zusammen mit Geschichten über Abschiede – den Abschied aus dem Albanien ihrer Kindheit, den Abschied von Freunden, den Abschied der Braut von den Eltern, das Ende von Beziehungen … dass die dazwischen gesprochenen Worte – in einem charmanten, französisch getönten Hochdeutsch – manchmal etwas gar nach Kalendersprüchen klangen, nach eben den Sinnsprüchen am Kühlschrank, störte mich jedenfalls schon bald nicht mehr, so sehr vereinnahmte mich Duni mit ihren Liedern. Sie betrat den Club über die Galerie, ohne Mikrophon singend, kam die Treppe herab, ging auf die Bühne, stets singend – schon das ein starker Auftritt. Auf der Bühne waren der Flügel, die akustische Gitarre und ein paar Rahmentrommeln bereit, zudem ein Mikrophon am rechten Rand, dan das sie sich manchmal stellte, um zu erzählen oder auch um zu singen. In die Jazzecke gehört das eigentlich gar nicht mehr, was sie gestern gemacht hat, aber Grenzen überschritt sie ja immer schon, mit Liedern aus dem ganzen Balkanraum, gesungen in diversen Sprachen, dazwischen fanden aber auch schon früh Chansons von Jacques Brel ihren Platz, dessen „Je ne sais pas“ gestern den grossartigen Schlusspunkt darstellte – es folgte noch eine Zugabe, die war schön, aber auch überflüssig. Mit Brodbeck, im Duo, singt sie schon länger ein Billie Holiday-Programm (ich hörte es im Juni 2016 in intimem Rahmen und liess daher spätere Aufführungen in grösseren Lokalitäten bleiben) und auch ins Solo-Programm fand einer der Songs Eingang, „Willow Weep for Me“, zu dem Duni sich an der Gitarre begleitete. Sie sang auch unbegleitet oder stampfte mit den Füssen oder klopfte gegen die Brust – und so ist dieses Solo-Programm in vielerlei Hinsicht ein Alles, ein Ganzes, in das Duni völlig eintaucht und sich zugleich dem Publikum entblösst – natürlich sollte man dabei nie vergessen, dass hier eine längst gestandene Künstlerin am Werk ist, die das Spiel beherrscht und das Publikum um den Finger zu wickeln versteht. Welche der Geschichten, der Abschiede nun tatsächlich biographisch gefärbt sind, welche erdichtet und welche universaler Natur sind, spielt am Ende keine so grosse Rolle, denn eben: vom Gehen, Weggehen, von der Veränderung handelten ihre Lieder schon immer.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaSheila Jordan & Big Band der Hochschule Luzern (Ed Partyka) – Zürich, Moods – 15.05.2018
Sheila Jordan, voc
Ed Partyka, lead
Pascal Fernandes, Martin Borner, Martin Gilgen, Nicolas Jäger, t, flh
Maurus Twerenbold, Jasmin Lötscher, Jonas Inglin, tb; Sandro Willauer, btb, tuba
Benjamin Knecht, Mathias Landtwing, Michael Koller, Andri Schärli, Chris Sommer, sax, clars, fl
Kenny Niggli, p
Nico Stettler g
Vito Cadonau, b
Noah Weber, dWar zwar völlig bekloppt, gestern noch ein Konzert reinzudrücken, aber es musste einfach sein! Sheila Jordan war schon zu Beginn dieser Saison im Moods, in der Zwischenzeit feierte sie ihren 89. Geburtstag und gestern war sie zurück, als Gast der Big Band der Hochschule Luzern (Musikhochschule, wohlgemerkt … die stimmten sogar zu Beginn der Sets kurz), die von Ed Partyka geleitet wird. Ihn kennt Jordan vermutlich aus Graz, wo er seit midnestens einem Dutzend Jahren aktiv ist. Gespielt wurden auch diverse Arrangements von George Gruntz, mit dem Jordan früher gearbeitet hat und den sie wohl sehr schätze. Neben Charlier Parker war er die Referenz-Grösse an diesem Abend und Jordan meinte – keine Ahnung, wie sie darauf kam – dass Gruntz besonders „in his own country“ nie ordentlich gewürdigt worden sei. Dass man einem Basler in Zürich keine roten Teppiche ausrollt, mag in der Regel stimmen (das hat auch mit der Idiotie namens Fussball[fans] zu tun), aber gewürdigt wurde er sehr wohl und mir ist sein soweit ich weiss letzter Auftritt im Moods in lebendiger Erinnerung geblieben – leider auch meine einzige Begegnung mit der George Gruntz Concert Jazz Band.
Beide Sets starteten instrumental, in beiden Sets gab es auch mal eine Pause für Jordan. Die Big Band gab zum Auftakt gleich mal den Tarif durch mit einem Swinger, dann folgte die erste Parker-Nummer, ein Mash-Up aus Jordans „The Bird“ und Gruntz‘ Arrangement von „Quasimodo“, dran angehängt wurde glaube ich direkt noch „Embraceable You“ (oder hängten sie das an ein anderes Stückd ran?), im zweiten Set folgte noch Miles Davis‘ „Little Willie Leaps“. Dazwischen gab es pro Set je eine Arie aus einer Jazzoper von Gruntz, von denen die erste etwas schwierig war, weil Jordan im Sound der Band etwas untering, die zweite dann aber toll, sie stammte aus The Holy Grail of Jazz and Joy nach Texten von Alfred Lord Tennyson, Guinnevere bezirzt King Arthur, er solle in ihren Garten kommen … und mittendrin gab es dann auch noch eine sehr persönlich gefärbte Version von „Body and Soul“ (ich weiss nicht, ob das schon bei Gruntz so war).
Sehr persönlich gefärbt ist bei Jordan ja schon lange alles, was sie macht – allein der Klang ihrerb Stimme, die manchmal nur noch ein Krächzen ist, trocken wie ihr Humor. Doch sie weiss genau, was geht und was nicht und wacklige Töne gab es nur ein oder zweimal bei ihrem Einstieg und sofort fing sie sich wieder. Als sie beim zweiten Song auf die Bühne kam, hatte ich jedenfalls minutenlang Tränen in den Augen, denn was sie macht berührt mich ungemein. Im zweiten Set durfte „Dat Dere“ nicht fehlen, ihre Version von Bobby Timmons‘ Klassiker – begleitet nur vom Kontrabass sang sie und sprang waghalsig aber erfolgreich immer wieder in die Kopfstimme … in der Pause fand ich das Konzert noch nicht so toll, aber hätte auch nicht bereut, hingegangen zu sein, wenn es so weiter gegangen wäre.
Doch sowohl die Band wie auch Jordan drehten im zweiten Set nochmal ordentlich auf und dieses zweite Set hatte es wirklich in sich! Die Band spielte eine krachende Version von „Take the ‚A‘-Train“ (ich vermute Gruntz‘ Arrangement) und zum Auftakt des Sets ein Arrangement von Herbie Hancocks „Dolphin Dance“ mit dem Posaunisten Maurus Twerenbold als sehr überzeugendem Solisten – für mich der interessanteste Solist der Band. Ebenfalls zu nennen sind Nicolas Jäger am Flügelhorn, Nico Stettler an der Gitarre und die beiden Damen in Band: die Posaunistin Jasmin Lötscher spielte ein tolles Growl-Solo, ebenfalls sehr gut die Alt- und Sopransaxophonistin, deren Namen nirgendwo steht (ich nehme an, sie ersetzte Mathias Landtwing, 2. Altsax), war mehrmals zu hören, im Dialog mit Jordan in der Guinnevere-Arie, als Solistin im Balladen-Feature über „Over the Rainbow“ und – wie Twerenbold – mit einem guten Solo im Glanz- und Schlusspunkt „Sheila’s Blues“. Ein Highlight war auch ein Arrangement aus der Feder von Ed Partyka über „You Go to My Head“ (glaube ich), bei dem die Rhythmusgruppe Pause hatte und die Bläser ihr ganzes Arsenal auspackten (alle Trompeter hatten Flügelhörner mit, der Bassposaunist auch eine Tuba, vier der Saxophonist_innen eine Klarinette, zwei davon auch eine Bassklarinette und zwei hatten Flöten mit, die erwähnte Altsaxophonistin spielte – neben der Klarinette – auch prominent Sopransaxophon … die Flöten und Klarinetten kamen solistisch allerdings nicht zum Einsatz).
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Chicago London Underground – Padova, Cinema Torresino – 19.05.2018
Rob Mazurek – piccolo t, elec, perc, voice
Alexander Hawkins – p
John Edwards – b
Chad Taylor – d, mbira, elecÜber Pfingsten entfloh ich für ein paar Tage nach Padua – der Plan: ausschlafen, ein wenig lesen, ein paar Aperol Spritz trinken und gut essen, die Fresken von Giotto und sonst noch einiges anschauen, und am Samstagabend zum Konzert von Chicago London Underground gehen – ein zweites Konzert kam ungeplant dazu, schon bei meiner Ankunft im Hotel sah ich ein Plakat für ein Konzert von I Solisti Veneti mit ihrem Leiter Claudio Scimone, doch dazu drüben in der Klassik-Ecke mehr.
Das Konzert der Gruppe um Rob Mazurek fand in einem Gemeinschaftszentrum statt, das wohl zur Kirche gehört, die gleich nebenan steht und fast eher an eine Festung erinnert. Es gibt da einen Sportplatz, auf dem auch einige Kinder zugange waren, eine Wiese und neben dem Saal mit Theaterbestuhlung und Bühne im Obergeschoss noch weitere Räume, in denen parallel zum Konzert ein kirchlicher Anlass stattfand.
Ich habe ja, angeregt von @vorgarten, inzwischen ein paar Mazurek-Sachen da, aber beschloss, erst einmal das Konzert zu hören, bevor ich mit der weiteren Entdeckung beginnen werde. Auf diese habe ich nun mächtig lust, denn das Set des Quartetts war phantastisch. Los ging es recht hymnisch, fast schon elegisch, ich dachte von der Atmosphäre her da und dort an Keith Jarretts Trio und die weiten Bögen, die dort immer wieder geschlagen wurden. Mazurek, so meinte auch Alexander Hawkins danach im Gespräch, gehört zu den Musikern, die keine Angst vor einer guten Melodie haben. Dass er tiefe Wurzeln im Jazz hat, merkte man seinem Spiel jedenfalls auch dann an, wenn er sich befreite von gängigen Mustern. Solche gab es ansonsten eh keine, mit Hawkins, Edwards und Taylor ging es sofort zur Sache. Chad Taylor, den ich ebenfalls zum ersten Mal sah, beeindruckte mich schwer. Seine Beats sind flexibel und oft ziemlich sexy, alles war ständig in Bewegung und dennoch swingte und groovte die Karre mächtig. Er und Alexander Hawkins am Flügel verzahnten sich immer wieder aufs Schönste ineinander, angetrieben und umklammert von John Edwards am Bass, der leider auf der Bühne die klassische Position hinten in der Mitte einnahm, so dass ich ihn von meinem Platz am Rand oft nicht sehen konnte, weil Mazurek schräg vor ihm stand. Diesen zu beobachten fand ich dafür ziemlich faszinierend – er scheint völlig in sich zu ruhen, zeigt kaum Regungen – aber wehe, wenn er losgelassen! Die Palette an Klängen, das Verspielte, das aber nie Belanglos wirkt, der erwähnte Mut zur Melodie … eine tolle Kombination und auf jeden Fall ein Musiker, den ich näher verfolgen möchte.
Aus den Melodien und dem immer hymnischeren Groove spielte die Gruppe sich wohl nach einer Viertelstunde völlig frei, es wurde alles im dichter und intensiver, streckenweise auch verdammt laut (leider spielt die Band so laut, dass Edwards ein Pick-Up braucht, um auch seine ganzen Spielereien mit Falsett-Tönen und dem Bogen usw. bringen zu können, und der „normale“ Sound war über die Anlage ziemlich hässlich). Mazurek begann dann auch zu singen, griff sich sein Bündel mit Glocken – und zusammen mit den Chants liess wohl auch der São Paulo Underground grüssen. Hawkins hatte ebenfalls ein paar Glocken da, die er auch dazu nutzte, den Flügel zu präparieren, Saiten zu dämpfen oder scheppern zu lassen. Hie und da griff er auch sonst ins Innere des Instrumentes. Chad Taylor hatte eine verstärkte Mbira dabei und es gab nach einem ruhigen Moment eine grossartige, lange Passage, in der er einen hypnotischen Groove spielte und die anderen dazukamen. Mazurek mischte da und dort mal ein paar elektronische Klänge bei. Das Set als ganzes war kompakt und unglaublich organisch, am Schluss fand man einen Bogen zurück zum getrageneren Anfang, landete quasi wieder bei der eigenen Variante von aktualisierten Coltrane-Sounds.
Das Publikum erreichte eine Zugabe – wie so oft hatte ich etwas Bedenken deshalb. Los ging es mit einem Sample von Mazurek, der mit Bassline, einem Riff und einem Beat daherkam, Taylor stieg als erster darüber ein und wenig später drehte Hawkins nochmal mächtig auf, schien seine Hommage an Cecil Taylor abzugeben. Einmal mehr war Taylor zur Stelle und es wuchs noch einmal eine faszinierende Quartett-Performance daraus, die ordentlich lange dauerte und in der zweiten Hälfte dann ohne den Sample auskam.
Ausser dem Sample, den die Band natürlich kannte, war an dem Abend nichts abgesprochen oder vorgegeben (und dass Mazurek diesen Sample bringen würde, wusste wohl im Voraus auch keiner). Danach gab es Negronis mit Hawkins und den anderen – nur Taylor verzog sich direkt, er scheint sich nach den Auftritten jeweils zurückzuziehen. Er war für mich wohl die grosse Entdeckung des Abends, denn von Mazurek hatte ich ja – auch dank vorgartens Vorarbeit – sowieso erwartet, dass er liefern würde … aber darauf, dass Taylor live so toll ist, war ich nicht vorbereitet (ich kannte ihn bisher von Alben mit Sticks and Stones, Eric Revis und jüngst natürlich „Fly or Die“ von jaimie branch).
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Fred Frith – g, objects
Hans Koch – ss, bclGestern endlich wieder bei einem Konzert in der guten Stube eines Freundes, der zum 30. Mal zu sich heim einlud – und vorerst leider zum letzten Mal. Die Kadenz der Konzerte hatte schon seit irgendwann im letztem Jahr abgenommen, es gab bereits eine lange Pause und nach zwei oder drei Konzerten steht eine solche nun auch wieder an. Verständlich, aber sehr bedauernswert – denn auch gestern, bei meiner ersten Begegnung mit Frith im Konzert, war die Stimmung wieder magisch. Koch begann und endete am Sopransaxophon, dazwischen wechselte er für eine lange Passage zur Bassklarinette. Das Set entwickelte sich aus dem Nichts und bestand aus einem einzigen, langen Dialog.
Frisell legte zunächst (und auch später immer wieder) vor, Koch folgte ihm, entwickelte die Ideen weiter oder reagierte mit Brüchen, mit Gegenreden. Seine Instrumente waren verstärkt, was in dem kleinen Raum nicht nötig gewesen wäre, ihm aber klangliche Möglichkeiten gab, wie er sie gerne auskostet. Im Vergleich mit dem Duo-Set, das Koch letzten Sommer in Willisau mit Manuel Troller spielte, ging es mit Frith direkter zur Sache, es gab weniger Riffs und kein sich in etwas Verbeissen sondern eine freiere Erkundung von Klanglandschaften, die immer wieder von betörender Schönheit waren. Atemberaubend war eben nicht nur die Luft in der guten Stube sondern auch das, was Frith/Koch boten. Sehen konnte ich diesmal leider wenig, aber Frith traktierte sein Instrument mit allerlei Objekten, darunter auch ein Geigenbogen und eine Schachtel aus Blech, in der er kleine Gegenstände hatte, so stellte er einen Teil auf das Griffbrett und leerte die Nägel oder was immer darin war aus dem anderen um oder stellte die Dosenhälfte abwechselnd auf die Gitarre, die die meiste Zeit auf seinen Knien lag, aber auch öfter normal gehalten wurde.
Doch das ist die Art freie Improvisation, bei der das „Wie“ völlig unwichtig wird, wenn der Flow stimmt und die Klangwellen und -wolken einen mittragen und wie gestern in eine völlig andere Zone transportieren, in der es nicht so zu und hergeht, wie wir das gewohnt sind. Ein sehr feines Set, das mit einem grossen Applaus gewürdigt wurde … für eine Zugabe reichte der Sauerstoff nicht mehr, als die Fenster dann wieder auf waren, kaufte ich bei Koch noch seine bei Intakt erschienene Duo-CD mit Frisell, die mir letztes Jahr völlig entgangen war (die Aufnahme stammt schon von 2016).
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vielen dank für den schönen bericht! es freut mich auch, dass dieses quartett weiter auftritt, das album war das dokument des ersten aufeinandertreffens. freut mich auch, dass mazurek bei dir einen guten eindruck hinterlassen hat. was den sinn für melodien angeht – ich finde ja immer, dass mazurek viel näher an cherry ist als an anderen free-trompetern, seine melodien haben immer eine trance-qualität, weil sie auch durch viele schichten von scheinbar chaotischen materialien hindurchdringen müssen, erst in diesem kontext entsteht ihr wert.
chad taylor habe ich leider noch nie live gesehen (ich war nur bei einem sao-paulo-underground-konzert), darauf wäre ich jetzt nach deinem bericht doppelt gespannt.
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In der Tat, an Cherry dachte ich ein paar Mal – aber auch an Lester Bowie.
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https://www.jazzfestivalwillisau.ch/programm/Ich habe aber gerade mal ein Zimmer für eine Nacht gebucht, um allenfalls für James Blood Ulmer & The Thing dort sein zu können. Am folgenden Abend gibt es jaimie branch „fly or die“, aber da habe ich schon eine Karte für die Berliner Philharmoniker im KKL in Luzern (unter Petrenko) und da will ich auch hin … Die Nacht davor in Willisau zu sein ist gar nicht so schlecht … und dann gäbe es am Samstag noch Nate Wooley in einer interessanten Band (Laubrock-sax, Courvoisier-p, Moran-vib).
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Ich habe aber gerade mal ein Zimmer für eine Nacht gebucht, um allenfalls für James Blood Ulmer & The Thing dort sein zu können.sehr gute wahl. ulmer scheint gerade ziemlich gut in form zu sein.
martin schray und paul acquaro schreiben weiter über visions festival:
tag 3 (u.a. mit shipp/parker/carter, nasheet waits‘ equality & irreversible entaglements)
tag 4 (mit einer rave review über das trio ambrose akinmusire/ kris davis/ tyshawn sorey und einer lauwarmen wertschätzung für ein neues jaimie branch projekt).--
Tage 1 und 2 vorhin kurz nachgelesen, danke für die Links! Lese dann auch noch weiter …
jaimie branch hätte ich in Willisau – auch um den Preis einer zweiten Hotelübernachtung (mit Ticket, Zug und etwas zu Essen kommt das pro Tag auf 200 …) – noch mitgenommen, wenn ich dann nicht schon was mir Wichtigeres hätte … aber die Band, die neben bzw. nach branch spielt, kenne ich nicht … das Trio vor Ulmer/The Thing auch nicht bzw. daraus Baker praktisch nicht (woher kennt man den? aus dem eigenen Regal kommt mir nur das Album von Witches & Devils in den Sinn), Erb gar nicht und Rosaly noch am meisten – aber das klingt jedenfalls ziemlich interessant, eine Chicago-Luzern-Connection gibt es ja schon lange (gerade war der junge Tenorsaxer mit der korrekten Frîsur und Hornbrille, der bei Delmark ein paar Alben hat, ein halbes Jahr in Luzern, komme grad nicht auf den Namen, Josh Berman ist der „zugehörige“ Trompeter … und ich hab’s mal wieder verpasst, ihn auch mal hören zu gehen – aber eben: ist halt auch immer doppelt so teuer und die Anfahrt dauert drei- oder viermal so lange wie wenn ich in Zürich zu Konzerten gehe, wo es ja auch nicht gerade mangelt …)
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ich kenne niemanden davon, nur rosaly dem namen nach. dessen trio scheint mir auch nicht uninteressant zu sein.
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vorgarten
gypsy-tail-wind… aber die Band, die neben bzw. nach branch spielt, kenne ich nicht … das Trio vor Ulmer/The Thing auch nicht bzw. daraus Baker praktisch nicht (woher kennt man den? aus dem eigenen Regal kommt mir nur das Album von Witches & Devils in den Sinn), Erb gar nicht und Rosaly noch am meisten
ich kenne niemanden davon, nur rosaly dem namen nach. dessen trio scheint mir auch nicht uninteressant zu sein.
Von Rosaly habe ich „Cicada Music“ (Delmark) da, und dort ist auch der erwähnte Saxophonist dabei, dessen Name mir vorhin nicht einfallen wollte: Keefe Jackson.
Das Trio Erb/Baker/Rosaly hat vor ein paar Jahren bei Hat eine CD herausgebracht, die ich mir wohl mal besorgen werde:
https://www.allaboutjazz.com/dont-buy-him-a-parrot-christoph-erb-hatology-review-by-john-sharpe.php
Eine Folgeplatte erschien dann auf Erb Label Veto, das mir bisherunbekanntwenig bekannt ist (ich hab zwei CDs … aber das Label gar nie wirklich zur Kenntnis genommen):
https://www.allaboutjazz.com/parrots-paradise-christoph-erb-veto-records-review-by-glenn-astarita.php
Klingt jedenfalls ziemlich gut.Die Chicago-Sachen von Veto (nebst ein paar anderen) findet man wohl hier versammelt:
zuletzt geändert von gypsy-tail-wind
http://www.veto-records.ch/exchange/index.html--
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Pierre Favre Quintett – Zürich, Theater Stok – 01.06.2018Samuel Blaser, tb
Pierre Favre, d
Bänz Oester, b
Philipp Schaufelberger, g
Nils Wogram, tb(auf dem Photo v.l.n.r.)
Am Donnerstagnachmittag sass Pierre Favre in der Kaffeepause am Nebentisch – und ich hatte mich schon gewundert, ob er wohl grad in Zürich auftritt. Am Freitag guckte ich dann nach und sah, dass er von Montag bis Sonntag im kleinen Theater Stok eine Reihe von Konzerten gibt, solo, in verschiedenen Duos, sowie je zweimal im Schlagzeugquartett und mit einem Quintett. Freitagabend, der erste des Quintetts, passte, also nichts wie hin!Und was für eine Überraschung: all Monk! Die irren wagten sich sogar an „Brilliant Corners“, ansonsten gab es u.a. „Bright Mississippi“, „Evidence“ und als Zugabe den Blues „Raise Four“ – wenn ich mir nur die Titel von Monks Stücken besser merken bzw. sie besser mit den vertrauten Themen verbinden könnte … „Pannonica“ war wohl noch mit dabei und noch vier, fünf weitere. Das Set dauerte mit Zugabe um die 90 Minuten und es war toll, die Musiker in diesem intimen Rahmen zu erleben. Das Zusammenspiel machte ihnen grossen Spass, besonders Oester und Favre grinsten sich immer wieder an wie zwei verschmitzte Jungs, die gerade etwas tolles tun, was sie eher nicht hätten tun sollen … Favre spielte mit dem Beat, beschleunigte und verlangsamte, während Oester wie ein Fels in der Brandung wirkte. Schaufelberger war fürs Comping zuständig aber oft auch die Präsentation der Themen eingebunden, die Posaunen und er schoben sich den Lead zu und umspielten dann wieder, was die anderen machten. Solistisch glänzte Schaufelberger mit kühlen Linien und warmen Akkorden, mit langen, rhythmisch gebrochenen Phrasen, versponnen und hintersinnig aber auch knapp und lakonisch. Zu Monks Musik passt das jedenfalls sehr gut – überhaupt kann man Monk mit so einer Besetzung gewiss viel besser machen als mit einem herkömmlichen Quartett oder Quintett mit Piano und Sax.
Das alles wirkte manchmal so spontan wie eine Jam Session, man signalisierte durch Blicke, wenn der nächste Solist dran kam, gab auch mal spontan musikalische Kommentare ab. Favre spielte ein paar Duos, ein Stück wurde im Trio ohne die Posaunen dargeboten, für Abwechslung war gesorgt. Wogram glänzte wie üblich mit filigranen Linien und rasanten Läufen, streute auch immer wieder prägnante Linien mit Vierteltönen ein. Blaser verfügt über einen volleren, vokaleren Ton, wie ich ihn eher mag, die beiden sind als Solisten von recht unterschiedlichem Temperament, haben aber auch gemeinsame Wurzeln (ich dachte bei beiden ein paar Male an Albert Mangelsdorff, nicht nur, wenn sie beim Spielen auch noch ins Instrument summten), fanden aber auch immer wieder zusammen, es gab denn auch Posaunen-Chor-Passagen.
Das schönste daran war aber, Pierre Favre wieder zu sehen und zu hören (zuletzt hörte ich ihn im Herbst 2015 am Unerhört, als er ein Wunschtrio mit John Surman und Mark Helias zusammenstellte) – es war eine Freude, zu sehen mit welchem Engagement er noch immer dabei ist, mit welchem Drive er swingen kann, wenn er denn will. Dabei spielt er oft quasi auf der Stuhlkante, drängt nach vorn – Oester musste am Bass ordentlich dagegenhalten, ist aber was den Beat betrifft mit einem untrüglichen Gespür ausgestattet und lässt sich so schnell nicht aus der Fassung bringen. Favre hatte diebische Freude dabei, den Beat zu manipulieren, den gerade etablierten Swing mit kleinen Verschleppungen und Akzenten auf den Kopf zu stellen und geradezu zu bedrohen … wie dabei stets bei sich bleibt und alles immer passt, was er anstellt, ist enorm beeindruckend. Einen so souveränen Schlagzeuger mit einer so breiten Palette an Möglichkeiten kriegt man jedenfalls nicht alle Tage zu hören! Zu sagen, er sei mit seinen (heute auf den Tag) 81 Jahren der jüngste in der Band wäre ein blödes Klischee und ungerecht den anderen vier gegenüber, die alle seine Söhne, ja fast Enkel sein könnten. Jedenfalls muss man mit einem solchen Drummer ordentlich aufpassen, dass man nicht plötzlich mit abgesägten Hosenbeinen dasteht.
Diese Woche mit Favre im Theater Stok, so fand ich gestern heraus, findet bereits zum neunten Mal statt – aber weil das wohl abseits der üblichen Netzwerke läuft, hatte ich davon noch nie Wind bekommen. Sehr bedauernswert. Ich hoffe natürlich, dass ich nächstes Jahr wieder hingehen kann …
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: 2018, Jazzfestivals, Jazzgigs, Jazzkonzerte, Konzertberichte
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