Re: Die besten Dylan Bootlegs

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dock

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Der folgende TAZ Artikel brachte mich 2000 dazu mir mein erstes Dylan Bootleg zu beschaffen…..zurzeit besitze ich 20 Dylan Boots und mehr will/brauche ich auch nicht….

Aber dieses war nein IST MAGISCH !!!

In diamantener Verdichtung

Von Max Dax

Bob Dylans mittlerweile über ein Jahrzehnt andauernde und daher oft als
»Never Ending Tour« bezeichnete Konzertreise ohne absehbares Ende, ist
offiziell nie mit einem Live-Album dokumentiert worden. Fans des Sängers
kaufen oder tauschen daher illegal auf Cassette oder Minidisc
mitgeschnittene Konzerte. Ein herausragendes und für die künstlerische
Ambition hinter der Never Ending Tour beispielhaftes Konzert aus dem Jahr
2000 ist Thema dieses Artikels; es ist unter dem Titel „Highlands 2000³
(ohne Zugaben) als Bootleg hier und da erhältlich. Echte Fans können den
kompletten Mitschnitt auch in einem der gängigen Internet-Foren bekommen, zu
denen man sich mit etwas Energie über die sehr informative Internet-Site
www.expectingrain.com durchklicken kann. Unter Dylan-Fans nämlich gilt es
als unkoscher, mit Tapes von Dylan-Konzerten Gewinn zu erwirtschaften, da
die Frage, wie fällige Tantiemen bei einem unlizenzierten Produkt an den
Urheber weitergeleitet werden könnten, nicht geklärt ist.

Haupttext:

Sie verehren ihn wie einen Gott. Die Fans. Sie haben sich im Internet
miteinander verabredet, unter Garantie hat einer von ihnen einen
Minidisc-Recorder dabei, um das Konzert aufzunehmen. Sie diskutieren über
Songtexte, Songauswahl, kommende Konzerte, gewesene Konzerte und ihre
Lieblingssongs, während die Halle von seltsam-plätschernder
Cocktail-Jazz-Musik beschallt wird. Wird er guter Laune sein? Wird er Songs
spielen, die er auf anderen Konzerten nicht gespielt hat? Wird er
Mundharmonika spielen? Wird er ein paar Worte mit seinem Publikum wechseln?
Überpünktlich geht das Licht aus, und eine Stimme aus dem Off (sie kommt vom
Band) spricht: „Good evening Ladies and Gentlemen please welcome Columbia
recording artist Bob Dylan³. Tosender Applaus. Endlich Licht. Ein geraffter
Samtvorhang ist die einzige Bühnendekoration hinter den Musikern, es gibt
keine weitere Begrüßung, andauernder Applaus, dann beginnt das Konzert. Bob
Dylan trägt einen schwarzen Totengräber-Anzug, die schwarze Hose wird von
einem weißen Streifen geziert, dazu schwarze Boots, eine String Tie und ein
dunkles Hemd ­ Dylan sieht aus, als wäre er einem Western entstiegen. Es
heißt, Gianni Versace hätte dieses außergewöhnliche Outfit seinerzeit
persönlich geschneidert, aber letzlich ist das nur ein Gerücht unter vielen,
die Bob Dylan umgeben. Eines aber wird auch jenen klar, die keine beinharten
Fans sind: So cool, so Pokerface, so respekteinflößend sind nur wenige außer
Dylan. Vielleicht noch Marlon Brando, vielleicht noch Frank Sinatra, als er
noch lebte.

Seit dem April 1999 beginnt Bob Dylan seine Konzerte mit einem akustischen
Set. Etwa 100 bis 140 Konzerte im Jahr, nicht selten zwei Shows an einem
Abend, verteilt über alle Erdteile, die meisten von ihnen in den Vereinigten
Staaten. Dieses aus einem halben Dutzend Songs bestehende Eröffnungsset ist
seit einigen Jahren so angelegt, dass die gesamte, vierköpfige Begleitband
Dylans mit akustischen Instrumenten spielt, bevor sich ein elektrisch
verstärktes Rockset anschließt. Diese inszenatorische Klammer funktioniert.
Die Musiker haben sauteure Instrumente. Einzelanfertigungen, es sind ihre
Werkzeuge, sie arbeiten fast jeden Tag mit ihnen. Der Klang ihres
Zusammenspiels ist entsprechend: Warm, ausdifferenziert und tief im
akustischen Part; tight, treibend und rockend im darauffolgenden Teil. Heute
ist der 16. März 2000, die Stadt ist Santa Cruz, Kalifornien, schon gestern
hat Dylan am selben Ort, dem Civic Auditorium, ein Konzert gegeben. Gestern
hat er 13 Songs von 16 gespielt, die er heute abend nicht spielen wird,
heute wird er zwölf Songs in einem Set von 15 spielen, die er gestern nicht
gespielt hat. Kein Konzert, das ist die Quintessenz aus dieser Beobachtung,
gleicht dem anderen, nur den Song „Tangled Up In Blue³ mit den
selbstbekenntnishaften Zeilen „The only thing I knew how to do / Was to keep
on keepin¹ on / Like a bird that flew³, den spielt Dylan seit über einem
Jahrzehnt Abend für Abend, so auch heute nacht.

Von der zweiten Show in Santa Cruz existiert ein Konzertmitschnitt von
exzellenter Qualität. Jedes Zupfen der akustischen Gitarren und der Steel
Guitar, des Kontrabasses, jeder Schlag des mit dem Besen gestrichenen
Schlagzeugs, vor allem aber jede Silbe von Dylans Gesang sind auf diesem
Mitschnitt mit einer an Studioqualität heranreichender Brillanz eingefangen
worden. Von nahezu jedem Konzert, das Bob Dylan in seinem Leben gegeben hat,
gibt es einen Mitschnitt, wenngleich nur selten einen technisch so
hochwertigen. Mitschnitte wie der aus Santa Cruz dokumentieren einen in der
Rockmusik einzigartigen Lebensentwurf: Denn die Konzerte, die Dylan fast
allabendlich gibt, unterscheiden sich nicht nur durch unterschiedliche
Songauswahl, sondern auch dadurch, dass der Sänger in den letzten 13 Jahren
quasi sein gesamtes ‚uvre einer Revision unterzogen hat. Kein Akkord blieb
auf dem anderen, kein Arrangement wurde im Vergleich zu den Originalsongs
auf den Originalalben, die jeder kennt, beibehalten, keine Zeile seiner
Texte hat Dylan nicht schon so anders gesungen, dass nicht
überraschenderweise ein neuer Sinn interpretierbar geworden wäre. Dieses
Prinzip des praktizierten Work In Progress ähnelt der Arbeitsweise von Miles
Davis, der sich selbst Stilwechseln unterwarf und das eigene Songmaterial
mitunter radikal neuinterpretierte, um nicht in die Falle des Selbstplagiats
zu tappen ­ eine Problematik, mit der jeder Musiker früher oder später in
seiner Karriere konfrontiert wird, aber nur wenige haben so konsequent auf
Reinvention als Überlebensprinzip gesetzt wie Dylan oder Davis.

Santa Cruz, zweiter Abend, unterscheidet sich von anderen Dylan-Shows der
vergangenen Jahre insofern, als dass sie diese Neuerfindung des eigenen
Selbst in einer diamantenen Verdichtung und Konzentration dokumentiert. Mehr
noch, Santa Cruz macht Dylans Kunstbegriff stellvertretend für all die
ungezählten Konzerte vorher und später ein für alle Mal fassbar: Der Mann,
der da auf der Bühne steht, redet wenig, aber er schüttet sein Herz aus,
indem er sich fallen lässt in die Musik. Das ist, nebenbei bemerkt, das
Wesen seines selbstgewählten Berufes, dem des fahrenden Sängers, der sich
offenbar vorgenommen hat, in seinem Leben in jeder Stadt dieser Welt
zumindest einmal aufgetreten zu sein, immer vorausgesetzt, die Gage stimmt.
Ein Konzert ist eben nicht mehr die zuvor einstudierte Wiedergabe eines
Programms, sondern ein allabendliches Experiment in Sachen Kontaktaufnahme
und Selbstvergewisserung. In Santa Cruz spielt Dylan zu Beginn einen
Folksong von Ralph Stanley and Larry Sparks namens „I Am The Man, Thomas³,
und er wird noch drei weitere Songs spielen, die nicht er selbst geschrieben
hat: „Big River³ von Johnny Cash, „Rock Of Ages³ von Augustus Montague
Toplady, sowie „Not Fade Away³ von Buddy Holly. Seine eigenen Songs,
darunter äußerst selten performte Stücke wie „Song To Woody³ oder
„Highlands³, aber auch Gassenhauer wie „Highway 61 Revisited³ oder „Stuck
Inside The Mobile With The Memphis Blues Again³, spielt Dylan dabei
ebenfalls, als wären sie Bestandteil eines Fundus¹ amerikanischer
Erinnerungen (und nicht seiner eigenen) ­ mit Bob Dylan in der Rolle des
Sängers, der aus diesem kollektiven Balladenschatz schöpft, um durch die
Songauswahl mit seinem Publikum zu kommunizieren.

Wenn Dylan etwa in seinem Song „You¹re A Big Girl Now³ die Zeilen „Bird on
the horizon, sittin¹ on a fence / He¹s singin¹ his song for me at his own
expense / And I¹m just like that bird / Singin¹ just for you³ singt, dann
ist das eben nicht abgeschmackt und zynisch, sondern es darf davon
ausgegangen werden, dass die Wahl dieses selten gespielten Songs Auskunft
über eine spezifische Stimmung Dylans gibt. Dass an diesem Abend mit
Zartheit des Umstandes gedacht wird, dass ein Sänger sein Publikum braucht
und in dieser Rolle aufgeht. Von der Schönheit des Songs und dessen
Interpretation durch die blind eingespielte Band, bestehend aus Tony Garnier
(Bass), Charlie Sexton, Larry Campbell (Gitarre) und David Kemper
(Schlagzeug), ganz zu schweigen: Der Wunsch nach Transzendenz, den die
Musiker (Dylan spielt selbst auf eine geradezu kubistische Weise
Lead-Gitarre) in ihrem Zusammenspiel zum Ausdruck bringen, manifestiert sich
in atemraubenden „Extended³ Versions von Dylans Songs, zu überprüfen am
dritten Song des Abends, „It¹s Alright Ma (I¹m Only Bleeding)³. Mit gleich
drei Gitarren winden sich die Musiker immer tiefer in die Repetitionen
dieses bedrohlichen, offen arrangierten Talking Blues¹. Dylan singt: „He not
busy being born / Is busy dying³. Die Zeilen hat er schon vor über 36 Jahren
gesungen, als der Song zum ersten Mal auf dem Album „Bringing It All Back
Home³ veröffentlicht wurde. Fast vier Jahrzehnte später, in Santa Cruz,
haben diese Zeilen nichts von ihrer Wucht und Wahrheit verloren: Er erfindet
sie und damit sich neu, und die Art, wie Dylan diese Zeilen singt, beweist,
dass sich der Sänger dessen vollends bewusst ist. Mit fast 60 Jahren
wiedergeboren. Jeden Abend aufs Neue. Ein Leben auf dem Prüfstand. Das noch
längst nicht abgeschlossene Selbstportät eines Künstlers, der sich nicht
zufrieden geben will mit einfachen Lösungen. Ein Role Model. Ein letzter
Repräsentant einer aussterbenden Berufsgattung. Ein Mann, der uns etwas zu
sagen hat. Unbeirrbar. Eigenbrötlerisch, einzelgängerisch,
vorwärtsschreitend, immer wieder mit solcher Magie singend wie an jenem
denkwürdigen 16. März 2000 in Santa Cruz.

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