Re: Observers Favoriten

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observer

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The Flaming Lips – Zaireeka
(Warner, 1997)

In ihrer Jugendclique nannten sie sich „The Fearless Freaks“ und ungewöhnliche, abgedrehte Aktionen ziehen sich durch die Geschichte der Band. Ein Versuch, die ansonsten eher bei den spektakulären Live-Auftritten der Lips umgesetzten Ideen auch auf einen Tonträger zu übertragen, ist das Album „Zaireeka“. Vier CDs, die nicht in konventioneller Art nacheinander, sondern gleichzeitig abgespielt werden müssen. Erforderlich für die Durchführung: 4 CD-Player und möglichst 4 oder mehr experimentierfreudige Menschen.

Natürlich kann man nun erst einmal denken, dass es sich bei diesem Album um die Kopfgeburt realitätsferner Spinner (wer hat schon vier CD-Player?) oder um pure Effekthascherei handelt. Die Flaming Lips haben aber ein verspieltes, kindliches Gemüt und nur so sollte man „Zaireeka“ auch verstehen. Die Grundidee besteht darin, sich mit Freunden, die ihre Anlagen mitbringen, zu treffen und mit der Musik und den sich öffnenden Räumen zu spielen. Das Verblüffende sind nämlich die sich verschiebenden Perspektiven und Wahrnehmungen, wenn man sich im Zimmer bewegt. Diese Interaktion haben die Flaming Lips dann beim „Boombox Experiments“ auch live praktiziert, indem sie Dutzende Kassettenrecorder mit unterschiedlichen Tapes im Publikum verteilten und dirigierten. Davor gab es bereits die „Parking Lot Experiments“, bei denen aus 30 bis 40 Autos die unterschiedlichen Soundspuren abgespielt wurden. „Zaireeka“ war dann die minimierte Ausgabe für den Hausgebrauch. Die Namensschöpfung setzt sich aus „Zaire“ und „Eureka“ zusammen, was für die Flaming Lips für eine Mischung aus Anarchie und Inspiration stehen soll. Und wer dieses Album mal im kompletten Versuchsaufbau erlebt hat, weiß, was sie damit meinen.

„Zaireeka“ ist musikalisch nicht wirklich mit den anderen Alben der Band vergleichbar. Die Songs sind anders gestrickt, eher eine Mischung aus Hörspiel, psychedelischen Soundexperimenten und den immer wieder sich herausarbeitenden, harmonischen Passagen. Die Flaming Lips sind sich bewußt gewesen, dass man Leuten, die sich „Zaireeka“ kaufen, mehr zumuten kann als auf einer regulären Platte. Schon auf dem Cover wird darauf hingewiesen: „This recording contains frequencies not normally heard on commercial recordings and on rare occassion has caused the listener to become disoriented.“ Neben den typischen Chorpassagen und symphonischen Elementen der Band gibt es auch schwer erträgliche Frequenztöne und enervierende, sich im Kreis drehende Schlagzeugsoli zu erleben. Die Band baut Klangräume auf, die so ziemlich alle Empfindungen von höchster Glückseligkeit bis großer Beklemmung hervorrufen.

Die Sounds sind zum größten Teil strikt auf einzelne Kanäle verteilt, so dass man beim Anhören wie an einem Mischpult einzelne Spuren ausblenden oder hervorheben kann. Aber es genügt auch, sich einfach im Raum zu bewegen und dadurch das Klangbild in immer neuen Variationen zu erleben. Diese Interaktivität unterscheidet „Zaireeka“ schon von sonstigen quadrophonischen Aufnahmen. Aber auch die gesamte Vorbereitungszeremonie des Aufbauens der Anlagen und des Synchronisierens der CD-Player nach jedem einzelnen Stück bringt einen sehr spielerischen Charakter in dieses Projekt. Ich habe es bisher an zwei Abenden in kompletter Fülle gehört, dann auch immer gleich mehrmals hintereinander. Es waren einzigartige Momente aus „Anarchie und Inspiration“. Glaubt mir!

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Wake up! It`s t-shirt weather.