Re: Etta James

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minos

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gypsy tail windTraurige Nachrichten von/über Etta James

Habe bisher die Best of und At Last aus der Chess Reihe – brauche definitiv noch mehr von ihr!

Tja, dass hört sich alles leider gar nicht gut an. Vor ein paar Wochen habe ich auf zwei Websites gelesen, dass Etta, laut Auskunft ihrer Tochter, an fortgeschrittenem Alzheimer leide. Offenbar keine Falschmeldungen.

Was Empfehlungen angeht, kann ich mich zunächst vor allem folgendem Beitrag anschließen:

dougsahm
Rocks This House: Gleiche Zeit 1963. Qualitativ legendäres Live-Dokument mit einer glänzend shoutend aufgelegten Etta. Soundqualität würde ich mir besser wünschen.

Ein ganz starkes Live-Album (bei mir Top 3 bei Live-Alben und klar *****)!!! Dadurch, dass ich zufällig auf einen Track des Albums aufmerksam geworden bin, habe ich die Musik von Etta James – mir mittlerweile vollkommen unerklärlich, warum so spät – vor nicht einmal einem Jahr für mich entdeckt (vorher kannte ich nur ganz wenig von ihr). Nach Hörproben der übrigen Tracks habe ich mir das Album sofort bestellt und meine Erwartungen wurden keineswegs enttäuscht: Ein großartiges Blues/R&B-Livealbum, vom Tempo gleichbliebend relativ hoch, sehr rauher, teils ziemlich schmutziger Gesang mit damals üblichen Medleys. Dabei auch sehr gute Cover von „Money“, What’d I Say“ und „Ooh Poo Pah Doo“. Meine CD-Version (ich weiß, es werden jetzt einige mit den Augen rollen ;-)) enthät noch 3 Bonus-Tracks aus den gleichen zwei Konzerten, u.a. eine schnelle, mit einem harten Boogie-Woogie-Rhythmus unterlegte Version des Klassikers „I Just Wanna Make Love To You“, die mir sehr gefällt. Dass diese Tracks es nicht auf die LP schafften, spricht nur für die Güte des Albums!

Die Soundqualität finde ich übrigens nicht so fürchterlich mies. Die Instrumente klingen zwar etwas dumpf und undifferenziert, aber ähnliches gilt auch für die zeitgleichen Live-Alben von Ike & Tina Turner und Jerry Lee Lewis die – auch wenn es seltsam anmuten mag – auch sonst ein paar Parallelen offenbaren.

[Quote=dougsahm]Matriarch Of The Blues: 2000: 5 Sterne Blues-Scheibe. U.a. klasse Cover-Version von „Miss You“
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Ich musste grade ein wenig schmunzeln. Das Album habe ich mir kurz nach dem Kauf von „Rocks The House“ ausgeliehen, in der Annahme, es sei eine Best Off. Zuhause merkte ich dann, dass es ein relativ junges Album ist und war zunächst nicht grade begeistert. Zwar hat mir ebenfalls „Miss You“ direkt sehr gefallen, aber für der Rest konnte ich mich erstmal nicht so erwärmen. Enttäuschend fand ich vor allem „Hound Dog“ bei dem ich eine aggressiv singende Etta erwartete und mir nach dem Hören dachte, sie hätte es besser ein paar Jahrzehnte früher gecovert. Es dauerte lange, bis bei mir der Groschen fiel: sie interprteiert es mit einer derartigen Lässigkeit, dass es für den Angesporchenden sehr verachtend, ja gradezu beileidigend wirken muss! Eine durchaus raffinierte Art, dieses Lied zu interpretieren! Auch sonst fand ich das Album dann irgendwie doch nicht so schlecht, wie ich es ursprünglich hörte, lieh es mir etwas später noch mal aus und kaufte es mir kurz darauf.

Sehr positiv überrascht hat mich ihr 2003 erschienenes „Let’s Roll„! Die Altmeisterin präsentiert sich vor allem auf der ersten Hälfte ungewohnt hart, mindestens zwei Stücke erinnern mich stark an ZZ Top. Vor allem der Beginn von „Strongest Weakness“ an Ike & Tina Turner (70er), „Old Weakness“, als hätte Status Quo seine Finger im Spiel gehabt. Das ruhige, soulige „A Change Is Gonna Do Me Good“ fand ich zwar zunächst etwas seicht, aber mittlerweile mag ich es auch sehr; Etta soll es als einer der schönsten „Soulsongs“ der Gegenwart bezeichnet haben. Gegen Ende schwächelt das Album ein wenig, aber ansonsten eines ganz nach meinem Geschmack (kein Wunder, wenn mich viele Tracks an Favoriten erinnern ;-)). Insgesamt ein sehr gutes Album (****1/4), bei dessen Hören ich immer unwillkürlich denke, dass ich mir ein ähnlich gutes Spätwerk auch von ZZ Top oder auch den Stones wünsche, dass diese aber leider nicht gebacken kriegen (wollen).

Als würde sie wie Wein mit zunehmendem Alter immer besser, empfinde ich ihr darauf (2004) folgendes Album „Blues To The Bone„. Diesmal schlichter Blues, klassisch arrangiert. Mehr oder weniger alles durch zig andere Künstloer interpretierte Klassiker, aber Etta ist immer noch auf voll der Höhe, dazu spielt die Band ganz großarig! Ein wunderschönes Bluesalbum, das mir sogar nich besser gefällt als Let’s Roll, obwohl beide Werke schwer zu vergleichen sind.

Zwischen diesen beiden Alben lernte ich „Tell Mama“ von 1967 kennen, ein reines Soulalbum, bei dem Etta zeigt, dass sie nicht nur im Blues, R&B, Bluesrock und Rock’n’Roll ihre Stärken hat, sondern auch eine exzellente Soulsängerin ist. Es gehört mittlerwiele zu meinen favorisierten Soulalben und braucht sich vor Alben von Franklin, Redding, Gaye usw. nicht zu verstecken (auch wenn ein echter „Knaller“ fehlt und ich die jeweils besten Alben der genannten vorziehe)

An „At Last“ habe ich mich übrigens noch nicht rangewagt. Den Titeltrack finde ich zwar seltsamerweise auch wunderschön, ein anderer mir bekannter Track aus dem Album ist mir aber viel zu klebrig, bzw. der damaligen Zeit verhaftet. Vielleicht werde ich diese Musik in ein paar Jahren mehr schätzen, ganz so ablehnend, wie noch vor kurzem, bin ich der Pop-Musik der End 50er/frühen 60er immerhin nicht mehr.

Ich besitze mittlerweise noch zwei Alben aus den 80ern bzw. 90ern und das Live-Album „Burnin‘ Down The House“ aus dem letzten Jahrzehnt, die ich aber alle noch unzureichend gehört habe (hatte in den letzten 2-3 Monaten leider wenig Zeit), um sie abschließend zu bewerten.

Was die oben gestellte Frage nach ihren 50er-Aufnahmen angeht – auch wenn sie nach über 5 Jahren sicher nicht mehr aktuell ist: es gibt diese Doppel-CD ihrer Aufnahmen Bei Modern und Kent:

Enthalten ihr Output ab 1955 („The Wallflower (Roll With Me He Henry)“) bis ca. 1960, inklusive einiger unveröffentlichter Versionen. Neben einigen harten Rock’n’Roll-Nummern – z. B. „Shotnin‘ Bread Rock“ :liebe: oder „Tough Lover – (teils Doo-wop-beeinflußter) R&B und etwas damaliger „ruhiger Pop“. Insgesamt durchaus empfehlenswert, vor allem wenn man sie günstig erwerben kann.

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