Antwort auf: james 'blood' ulmer

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wahr

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Ich mach mich auch mal ein bisschen an Ulmer ran und starte mit Revealing. Die Rezensionen von vorgarten und gypsy tail wind dazu finden sich hier (vorgarten) und hier (gypsy). Ich kenne das Album seit einem guten halben Jahr, seit ich es mir als CD besorgt habe.

James Blood Ulmer – Revelation (rec. 1977, VÖ 1990)
„Revealing“, Titelstück und Albumeröffner, ist anfangs eigentlich fast das schwierigste Stück, verknotet sich in den ersten Minuten, als wollten hier mal alle zeigen, welche Muster zum Weben bereit stehen. Nach vier Minuten setzt dann Ulmer zum Solo an, das aber mehr eine Art Ensemble-Solo ist – und damit so weit von Coleman’s Prime Time nicht weg ist. Mich begeistert gleich Ulmers trockener Ton hier, der über alle Stücke durchgehalten wird und nicht darauf anlegt, den Leader rauszuhängen. Verzerrungen (auch beim Bass) scheinen mir eher unabsichtlich über dezente Bandübersteuerungen eingebracht. Sie werden von mir gerne genommen, aber ich finde hier kann man gut hören, dass Ulmer eher von klaren Noten spielenden Gitarristen wie Grant Green kommt, nur das er sich nicht dafür interessiert, Melodien auszuspielen, sondern sie meist nur kurz andeutet, Stops spielt, Pausen, sich wieder einordnet, mit gut gesetzten, seltsamen Akkorden den Beat unterstützt.
„Raw Groove“ dann schön treibend, die spielen einfach fantastisch zusammen, die vier. Cecil McBee bringt manchmal einen dichten bassigen Unterton rein, immer auf Sendung immer auf Empfang. Doug Hammond an den Drums ist kein Derwisch, aber das verschafft der Musik ein starkes Rückgrat. Besonders die dunkle Grundstimmung auf dem letzten Stück – „Love Nest“ – ist sehr großartig. Bass und Drums zerfließen in eine faszinierende untergrundige Allianz. George Adams an der Bassklarinette – statt am Tenorsax wie auf dem Rest des Albums – verschafft dem Stück nochmal ein besonders intimes Gefühl, dabei bleibt aber alles irgendwie auf dem Boden. Könnte ich ewig hören.
Mit „Overtime“ – wir skippen nach diesem Exkurs wieder zurück in die Trackreihenfolge – legt Ulmer auch gleich offen, warum er so ein großes Potenzial sowohl bei Jazz- als auch Rockhörern hat. Strenges Grundgerüst, treibender Beat der Drums, der Bass kommuniziert ständig, ohne aufdringlich zu sein, Ulmer haut kleine Akkordbruchstücke rein und unterstützt die kurzen Breaks. Das ist schon alles sehr meisterhaft. Dann sein Solo, kurze schnelle hellere volle Cluster, die meist in einem kurzen Akkordfragment enden, der genau auf dem Break liegt. Ulmers Fähigkeit, Noten zu spielen, indem er sie weglässt. Eigentlich ist sein Stil auf Revealing so ziemlich das Gegenteil von Jimi Hendrix, diesem ewig faulen Vergleich. Großes Quintett, große Musik. Gut, dass kein Piano dabei ist, das womöglich alles in Melodieläufe ersoffen hätte. Einziges Manko: Die Tracks werden etwas lieblos und schnell ausgeblendet. Wie schön wäre es, wir könnten den Vieren lauschen, wie die Tracks wirklich enden, wie sie sie auslaufen lassen, bis kein Instrument mehr zu hören ist. Igrendwo müssen die Bänder doch noch rumliegen. Who knows the secrets of the master tape?

zuletzt geändert von wahr