Antwort auf: Harald Schmidt

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bullschuetz

Registriert seit: 16.12.2008

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bullitt Grenze ist das Strafrecht. Ganz easy eigentlich.

Theoretisch. Praktisch zeigen die vergangenen Jahre, dass es erstens oft schwierig ist, das Strafrecht durchzusetzen, und dass zweitens die Verrohung des politischen Diskurses Sagbarkeitsgrenzen verschoben hat. Vieles, das sich haarscharf unterhalb der Strafbarkeitsschwelle bewegt, erscheint zumindest meinem mal mehr, mal weniger gesunden Menschenverstand wie kapitale Hetze – ganz easy schlucken will ich das jedenfalls nicht. Ich sehe da ein Problem, das gesellschaftlich gefährlich ist, weil sich quer durch die Republik Gemeinderäte oder Bürgermeister, die Stützen also der Graswurzeldemokratie, fragen, wie viel Anfeindung sie sich eigentlich zumuten wollen in ihrem Ehren- oder Hauptamt. Und jeder, der zermürbt zurücktritt, bestärkt die Mobber in ihrem dann ja nachweislich erfolgreichen Kurs.

Die Frage, ob man heutzutage schon dann Widerspruch ernten dürfte, wenn man wie Schmidt Witze mit dicken Kindern oder auf Kosten von Autos klauenden Polen machen würde, erscheint mir demgegenüber zweitrangig.

Dass Schmidt den vielerorts im Netz komplett verrohten Ton nicht wahrzunehmen scheint, spricht für seine olympische Weltentrücktheit. Man könnte sich als Witzbold doch auch mal die Frage stellen, ob es in diesen rassistisch aufgeladenen Zeiten vielleicht unter Umständen sinnvoll sein könnte, sich aus freien Stücken den einen oder anderen Lacher auf Kosten von Minderheiten zu verkneifen – selbst wenn man’s früher anders gehandhabt hat und das damals auch in Ordnung gewesen sein mag.

Mir ist natürlich bewusst, dass in manchen, zum Beispiel universitären Milieus, die Sprachregelungen zu weit gehen. Der Streit um das Gomringer-Gedicht hat mir auch nicht behagt. Dass literarische Versuche, sich in die Köpfe von Menschen anderen Geschlechts oder anderer Hautfarbe zu versetzen, als cultural appropriation geschmäht werden, halte ich für kunstfeindlich und nicht empathiefördernd. Das Gender-Sternchen mag man für übertrieben, unschön oder den Lesefluss hemmend halten. Ob Pippis Neger-  zum Südsee-König werden muss und ob eine Mohren-Apotheke von Rassismus zeugt: zweifelhaft. Über all das wird fleißig diskutiert, und das sollte man auch! Nur: Letztlich geht es bei all dem um die Frage, wie wir rücksichtsvoll miteinander umgehen können beziehungsweise ob man’s mit der Rücksichtnahme auch übertreiben kann. Und sich diese Frage immer wieder zu stellen, kann nie schaden.

Und deshalb habe ich keine Lust, einerseits emotional ultrahocherhitzt über angebliche oder wirkliche Auswüchse gerechter Sprache zu diskutieren und mich andererseits angesichts des gesellschaftlichen Verrohungsdiskurses entspannt mit der Feststellung zu begnügen, dass es ja Gesetze gibt.

Ich finde, das ist eine Frage der Prioritäten. Ganz kurz zusammengefasst: Über Sprachgerechtigkeits-Übereifer sollten wir diskutieren – gegen Hass-Jargon müssen wir uns wehren.

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