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catch-23vielleicht findet @wahr passende Worte.
ich finde keine passenden worte, sondern bin einfach nur traurig. ich hatte mir für dieses jahr fest vorgenommen, the fall nicht zu verpassen, falls sie mal wieder in norddeutschland aufschlagen würden. nun wird es dazu nicht mehr kommen. zweimal sah ich sie live: 1985 im bremer schlachthof – zu ihrer glamourösen zeit als indie-darlings, als sie eben auch mal kleinere hallen füllen konnten – und anfang der nullerjahre vor einem vielleicht hundert leute zählendem fan-only-publikum im logo in hamburg mit junger, irgendwie anonymer band, die ihm ein hardrock-outfit umlegte. was auch gut passte zum stoischen smith, der auf der 30 cm hohen bühne des logo kaum zu erkennen war: gebückt hielt er sich zudem die faust mit dem mikro vors gesicht, im lärm gingen seine proklamationen unter, aber sie wären ja ohnehin kaum verständlich gewesen, wie wir wissen. ich glaube, zum publikum gerichtet gab es nur eine ansage an dem abend: „thank you“, nach dem letzten stück. ich habe beide konzerte genossen. bremen war die fall-supergroup, in hamburg bekam man mit voller wucht den abweisenden smith, der sich sein verhasstes mittelklasse-publikum mit viel zu lautem lärm vom leibe hielt.
als ich mir die relativ wenigen kondolenz-postings im rs-forum durchlas, fiel mir auf, dass smith und the fall als institution gewürdigt wurden, aber einigen usern ihre musik immer fremd geblieben ist. bei mir war das nicht so. ich habe die musik der fall immer sehr geschätzt. vielleicht weil sie sich aus inspirationen speist, die auch mich als hörer beeinflusst haben und deren lektionen ich nicht vergessen habe: singe und spreche geschichten einfach über die musik drüber (beefheart); wiederhole dich endlos (can, neu!, james brown); singe nicht mit dem ziel verstanden zu werden (damo suzuki); nutze sounds durch fehlerhaftes bedienen (geri reig); sei auf der hut vor produzenten, die dir erklären wollen, wie ein ‚vernünftiger‘ sound zu klingen hat; misstraue immer der mittelklasse. ok, letzteres habe ich dann doch nicht übernommen von mark e. smith, den schreibenden normalo aus der arbeiterklasse. diese normalität habe ich an smith immer geschätzt: jackett und hemd, normal-ordentlicher halblanger haarschnitt, fußball, pub, trinken, amphetamine, auch mal unfug reden. du musst nicht seltsam sein, um seltsam zu sein. und das was er damit verwoben hat: eine große belesenheit sowohl in der klassischen, in der modernen, aber auch der trashigen literatur. und nebenbei ein unternehmen namens the fall am laufen halten. manchmal leider auch diktatorisch, zynisch, unfair den mitmenschen gegenüber. in „renegade“, seiner autobiografie von 2008, teilt er nach allen seiten aus, lobt aber auch hin und wieder und zeichnet, trotz allem teilweise wieder sehr lustigen genöle, ein differenzierteres bild seiner sicht auf sein umfeld.
in den letzten jahren wurden smiths texte immer reduzierter, er erzählte kaum noch geschichten, es war so, als würde er keine zeitungsartikel mehr singen, sondern sich nur noch auf die schlagzeilen beschränken. er ließ einfach seine stimme wirken, die immer bedenklicher verkrächzte. diese stimme wird nun nichts neues mehr zu gehör bringen können, sie wird sich nicht mehr in den krach mischen, kratzend, dumpf, unverständlich oder sonstwie unvernünftig. und das ist es wohl auch, was ich an the fall immer geschätzt habe, während es viele andere eher ratlos zurück ließ: eine ganze kunst darauf aufzubauen, unverständlich und unvernünftig zu bleiben, gut gemeinte ratschläge, etwas ‚richtig‘ zu machen, abzulehnen und das dann angriffslustig durchzuziehen. endlos, wenn es sein muss.