Wolf Biermann – ein dt. Michel spricht !

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  • #9415  | PERMALINK

    dock

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 4,485

    Sondermüll von Mann

    Wie Bob Dylan und Johnny Cash von Wolf Biermann und Gunter Gabriel versuchsweise unter die Erde gebracht wurden

    Nun dröhnt er wieder: Wolf Biermann hat Bob Dylans »11 Outlined Epitaphs« ins Biermanndeutsche übersetzt: »Elf Entwürfe für meinen Grabspruch«. In »mein Deutsch«, tönt Biermann, habe er Dylans 40 Jahre alten Text überführt, eine »Transportarbeit« sei das gewesen, ein »Rüberschleppen in unsere Sprache«, und zudem habe er Dylan »aus meinen Vorräten und aus meiner mehr europäischen Sicht noch das eine oder andre zustecken« wollen, was in richtigem Deutsch heißt: Biermann hat aus einem Dylan-Text eine Biermann-Lautsprecherei gemacht, und wo ihm das noch nicht reichte, hat er Dylan einfach Zeilen untergeschoben, für die es im Original keine Entsprechung gibt.

    Ganze Textpassagen wurden von Biermann ersungen und erlogen: »Steh fest auf Woody Guthries Schultern, doch / von spät bis früh Protest-Pamphlete ausposaunen / nur nur und nur den Menschenhassern meinen Hass / entgegenbrüllen? – Nein!« Wo Biermann das herhat? Man weiß es nicht, von Dylan aber auf keinen Fall, soviel steht fest: »Ich leide nicht an Patriotenpathos / doch mokieren werde ich mich / niemals übers Sternenbanner / wenn wo grosse Schweinereien grassieren / oder sogar Staatsverbrechen / will ich ohne Furcht mich wehren.« Nichts davon hat Dylan geschrieben, auch nicht »Und sein will ich nichts. Ich will werden…«, hat auch keine »Menschheit« und keine »Weltgeschichte« an- und keine »Panik« und keine »Apokalypse« ausgerufen – das ist alles reiner Biermann: klappernder Kitsch und donnerndes Gerumpel.

    Im Interview mit dem Spiegel auf diese Infamie angesprochen, entblößt sich Biermann ganz, und das ist erst recht nicht schön: »Das habe ich ihm reingeschoben. Das soll mir erlaubt sein, anderen nicht. Dylan hat das Glück, daß ich es gemacht habe.« Man faßt es nicht – Biermann aber glaubt ganz fest, daß Dylan »sich freut, wenn ein anderer mit seinem poetischen Jugend-Pamphlet nicht penetrant pietätvoll umgeht« und »daran großes Vergnügen hätte – es würde mich nicht wundern, wenn er hier an der Tür klingelt.« So siehst du aus – Dylan kommt bei Biermann vorbei und sagt für den Schrott noch danke.

    Biermanns Nachwort ist ein reines Delirium: Da wird aus »Sister Morphine« von den Rolling Stones ein beknacktes »Sister Murphy«, aus Serge Gainsbourg wird »Serge Gainsborough«, Jimi Hendrix wird von Biermann »Jimmy Hendrix«geschrieben, denn Jimmy ging zum Regenbogen. Statt München ist bei Biermann »Nürnberg die Hauptstadt der Bewegung«, englische Songtitel und Dichternamen werden falsch geschrieben, als kenne Biermann alles nur vom Hörensagen, habe es ahnungs- und lustlos heruntergeschrubbt und dann direkt in Druck gegeben. En passant behauptet Biermann frechrechts, politisch lägen Dylan und er auf einer Linie, auf der von George W. Bush nämlich: »Ich vermute, dass dieser Poet, geprägt von den Traditionen der amerikanischen Demokratie, einen Befreiungskrieg gegen aggressive Kriegstreiber und Massenmörder viel weniger verabscheuungswürdig findet als einen totalitären Friedhofsfrieden hinter Stacheldraht.« Worauf diese Vermutung basiert? Das behält Biermann, die alte Robbe, schön für sich.

    Warum ein Verlag eine solche grobe, vor Fehlern und schierem Irrsinn strotzende Schlamperei passieren läßt, ist schon nicht zu begreifen; Kiepenheuer & Witsch aber geht noch weiter und behauptet, Dylans »11 Outlined Epitaphs« gebe es im Herbst 2003 »nun zum ersten Mal in Deutsch«. Dabei sind Bob Dylans gesamte Songtexte von 1962 bis 1985 in den Achtzigerjahren bei Zweitausendeins erschienen, in der Übersetzung von Carl Weissner und Walter Hartmann; auf den Seiten 262 bis 305 findet sich auch die Übersetzung der »Epitaphs«. Kiepenheuer & Witsch nennt Biermanns Buch eine »Sensation« – es ist tatsächlich ein sensationell zusammengeschluderter Ramsch und Rotz.

    Noch eine andere amerikanische Sänger- und Songschreiberlegende sollte in diesem Herbst unter die deutsche Erde gebracht werden. Johnny Cash, gestorben am 12. September 2003, fiel dem deutschen Fernfahrersänger Gunter Gabriel anheim. Anders als Biermann ist Gabriel kein aufgepumpter Angeber; während Zwerg Biermann sich für Dylan gar nicht interessiert und Dylan ihm nur zur Selbstbespiegelung dient, zur Vergrößerung seines Ego, ist Gunter Gabriels Verehrung für Johnny Cash echt. Das hilft aber überhaupt nicht gegen die Schlichtheit, die Gabriel innewohnt und mit der er sich an die Übersetzung der Lieder seines Idols gemacht hat. Schon vor Jahren machte Gabriel aus dem Cash-Hit »Man in Black« einen erstaunlichen »Mann hinterm Pflug«, der »nach Schweiß und Blut und harter Arbeit riecht«– den Blut-und-Boden-Unfug hatte Gunter Gabriel ganz aus sich herausgesogen, bei Cash war analog nichts zu finden.

    Nun hat Gunter Gabriel flächendeckend zugeschlagen. »Das Tennessee-Projekt – Gabriel singt Cash« hat er die 18 eingedeutschen Cash-Songs betitelt. Dabei kommt die deutsche Sprache nicht ungeschoren davon. »I’m like a Soldier getting over the War« heißt in Gabriels Übersetzung: »Wie ein Soldat / Der überlebt hat den Krieg«. Armer Satzbau das leider nicht überlebte.

    Gunter Gabriels Stimme ist ein Angriff auf das menschliche Trommelfell. Er singt nicht, er röchelt die Lieder zu Tode, die von Johnny Cashs baritonös warmer, melodiöser Stimme so singulär gesungen wurden, und wenn man auf die deutschen Texte hört, überlegt man, ob Totsein nicht doch ganz schön wäre. Aus »Solitary Man« macht Gabriel einen »Sonderfall von Mann« – der Arzt wird ihm nicht widersprechen. Gunter Gabriel hat sich damit, wie Wolf Biermann lange vor ihm, diese Grabsteininschrift verdient: Sondermüll von Mann. Die Lieder und Texte von Bob Dylan und Johnny Cash aber, die von zwei dummdreisten Ranzlappen versuchsweise in deutsche Erde verklappt wurden, bleiben von den Anwanzereien erfreulich unberührt – und strahlen weiter.

    * Bob Dylan/Wolf Biermann: Eleven Outlined Epitaphs, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003, 158 S., 16, 90 Euro; Gunter Gabriel: »Das Tennessee Projekt – Gabriel singt Cash« (Sony)

    http://www.jungewelt.de

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    Highlights von Rolling-Stone.de
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    #1212779  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,865

    da kann biermann sich aber verdammt sicher sein,dass es SEIN deutsch ist,in das er dylans epitaphs übersetzt hat.

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    A Kiss in the Dreamhouse  
    #1212781  | PERMALINK

    dominick-birdsey
    Birdcore

    Registriert seit: 23.12.2002

    Beiträge: 14,848

    ich befürchte, das hier gleich wieder jemand nach COPYRIGHT schreit…

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    #1212783  | PERMALINK

    joerg-koenig

    Registriert seit: 09.08.2002

    Beiträge: 4,078

    Man kann nur hoffen, dass Dylan erfährt, was da in und unter seinem Namen veröffentlicht worden ist. Und dass er nicht darüber steht, sondern es sich nicht gefallen lässt.

    Bedeutet, dass ein Verlag, der einen Ruf zu verlieren hat, einen derartigen und geradezu kriminellen Müll veröffentlicht (was Anderes kann herauskommen, wenn man einen pathologischen Wichtigtuer wie Biermann bezahlt?), dass mittlerweile alles egal ist? Wird Dylan zu Biermann ins Loch gezogen und gilt als Spiel- und Spaßverderber, wenn er da nicht runter will?

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    Wenn wir schon alles falsch machen, dann wenigstens richtig.
    #1212785  | PERMALINK

    stillstand

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 384

    da kann man ja sogar jedem gesagten Wort vorbehaltlos zustimmen. fast beinahe.

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    #1212787  | PERMALINK

    deleted_user

    Registriert seit: 20.06.2016

    Beiträge: 7,399

    Biermann hat das gemacht, was Dichter seit Jahrhunderten tun : Eine Nachdichtung. Das ist legitim! Ich verstehe die Aufregung nicht!?

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    #1212789  | PERMALINK

    joerg-koenig

    Registriert seit: 09.08.2002

    Beiträge: 4,078

    Die Nachdichtung wird als Übersetzung angeboten (und ist womöglich auch als solche in Auftrag gegeben worden). Das ist Betrug am Leser.

    Klar sind Nachdichtungen legitim, das sind heutzutage fast die einzigen Möglichkeiten, z. B. Walther von der Vogelweide oder Homer zu lesen. Aber doch nicht Dylan. Es gibt keinen wie auch immer gearteten Grund, uns Dylans Texte anders als durch eine halbwegs korrekte Übersetzung nahe zu bringen. Schon gar nicht bedürfen die eines eitlen Lackels als Übersetzer, der hinzufügt und weglässt, wie es ihm im Bregen brummt und der, weil er nichts weiß, auch nicht weiß, dass ein Kunstwerk kein Steinbruch ist.

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    Wenn wir schon alles falsch machen, dann wenigstens richtig.
    #1212791  | PERMALINK

    deleted_user

    Registriert seit: 20.06.2016

    Beiträge: 7,399

    Das wird Dylan nicht umbringen, Jörg! Deshalb schweigt er auch dazu. Sehr Weise!!!

    Übrigens: Nachdichtung ist vielleicht das falsche Wort!? ´´ Dylan-Bearbeitung„ triffts! Dylan hat den Text als junger Mann geschrieben und war noch nicht im Vollbesitz seiner dichterischen Kraft. Der Text ist unfertig und dadurch eine gute Gelegenheit für eine Bearbeitung. Was Biermann wahrscheinlich daran interessiert hat, ist, Dylan zu ändern.

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    #1212793  | PERMALINK

    interstatefrenzy

    Registriert seit: 02.03.2003

    Beiträge: 240

    Das wird Dylan nicht umbringen, Jörg! Deshalb schweigt er auch dazu. Sehr Weise!!!

    Übrigens: Nachdichtung ist vielleicht das falsche Wort!? ´´ Dylan-Bearbeitung„ triffts! Bob Dylan hat den Text als junger Mann geschrieben. Er war damals noch nicht im Vollbesitz seiner künstlerischen Ausdrucksmittel. Der Text ist unfertig und dadurch eine gute Gelegenheit für eine Bearbeitung. Was Biermann wahrscheinlich daran interessiert hat, ist, Dylan zu ändern.

    Was Biermann interessiert hat, ist Geld verdienen, sonst nichts!

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    "Problems can be solved, and if not, ignore them. Play it for laughs."
    #1212795  | PERMALINK

    deleted_user

    Registriert seit: 20.06.2016

    Beiträge: 7,399

    Geld verdienen, muß jeder Künstler! Das ist kein Argument!

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    #1212797  | PERMALINK

    interstatefrenzy

    Registriert seit: 02.03.2003

    Beiträge: 240

    Geld verdienen, muß jeder Künstler! Das ist kein Argument!

    Ich glaube, du weißt wie ich das meine!

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    #1212799  | PERMALINK

    deleted_user

    Registriert seit: 20.06.2016

    Beiträge: 7,399

    Du meinst: nur um des Geldes willen? Das glaube ich nicht! Biermann verehrt seinen Bob abgöttisch. Er wollte ihm mit seiner Übersetzung mal etwas richtig gutes (subversives) tun. Daß ihn sogleich humorlose Dylanologen in der Luft zerreißen würden, darauf (glaube ich) hat er mit Zuversicht gehofft. Jetzt wünscht Wolfgang sich natürlich, daß Robert zur Belohnung mal kurz bei ihm vorbeischaut. Zum Kaffeekränzchen im (kauzigen!) Dichter-Idyll. Quasi – Geheimrat Goethe mit seinem neu gewonnenen Freund Eckermann. Das klingt grausam! Und das ist es auch! Drum: Dylanologen aller Länder, vereinigt euch!

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    #1212801  | PERMALINK

    interstatefrenzy

    Registriert seit: 02.03.2003

    Beiträge: 240

    Jemandem etwas Gutes tun zu wollen und ein Werk fast bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit um zu deuten, sind dann doch noch zwei Paar Schuhe!

    Ein Verehrer Dylans hätte so etwas nicht gewagt.

    Ich bin nicht wirklich sicher, dass Dylan sich darüber freuen kann, ausgerechnet in Biermann den zu finden, der sein Werk in „unsere Sprache rüberschleppt“!

    Jegliche Kritik an diesem Versuch wieder das Licht der öffentlichen Bühne zu betreten ist gerechtfertigt!

    --

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    #1212803  | PERMALINK

    deleted_user

    Registriert seit: 20.06.2016

    Beiträge: 7,399

    Du hast recht. Wäre Biermann in seiner Liebe zu Bob glücklich gewesen, hätte Pegasos uns diese „Übersetzung“ erspart.

    --

    #1212805  | PERMALINK

    joerg-koenig

    Registriert seit: 09.08.2002

    Beiträge: 4,078

    Dass Schriftsteller und Übersetzer von ihrer Arbeit leben und sich die Wurst aufs Butterbrot kaufen, ist doch wohl keine Sensation.

    Ich frage mich allerdings, wieso man sich von einer Nullnummer wie Biermann eine miese Übersetzung gefallen lässt, die nur beweist, dass der Mann weder Quell- noch Zielsprache beherrscht. Wenn mein Wasserhahn tropft und es tanzen derart unfähige Installateure an, werde ich doch auch frech.

    --

    Wenn wir schon alles falsch machen, dann wenigstens richtig.
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