Was ist Pop?

Ansicht von 15 Beiträgen - 811 bis 825 (von insgesamt 1,681)
  • Autor
    Beiträge
  • #2230823  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

    Registriert seit: 27.01.2009

    Beiträge: 11,779

    Habe gerade das Diederichsen-Kurzinterview gelesen, überlege gerade was ich von der Aussage, wenn Pop zu privat ist, wäre dass sein Ende in Langeweile.
    Ich selber hatte immer den Eindruck bei vieler Musik, die mich sehr persönlich berührt, (also quasi sehr privat ist), ich den Eindruck habe, dass ist jetzt zu gut um Pop zu sein.

    --

    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #2230825  | PERMALINK

    amadeus

    Registriert seit: 04.12.2003

    Beiträge: 10,741

    nail75Zum Anti-Kapitalismus: Natürlich war das damals nicht unbedingt negativ, sondern kann eben auch als positives Merkmal gedient haben. Als ich die Beiträge von Mista, Amadeus und Mikko gelesen habe, dachte ich daran, dass der Kern vielleicht im Selbst-Verständnis von Rock als Emanzipation vom Bestehenden liegt. Man glaubte, sich mit Rock befreien zu können vom Alten, Abgestandenen, natürlich auch von den Eltern, aber auch von denjenigen, die nicht „emanzipiert“ waren, sondern das hörten, was ihnen vorgesetzt wurde, nämlich Pop. Im Gegensatz dazu erschlossen sich die Rockfans ihre Musik selbst. Macht das irgendwie Sinn?

    Ja, das kann man so sehen. Wobei die Musik nur ein Teil dieser „Befreiung“ vom Establishment war. Äußere Merkmale wie Haare, Bartwuchs, Kleider gehörten auch dazu. Eine Suche nach Identifikation, wie sie zu anderen Zeiten auch stattfand bzw. zu jeder Zeit stattfindet. Ergo ging es nicht um Pop versus Rock, sondern um Abgrenzungen bzw. neue/andere Orientierung und Einstellung. Die Musik war nur ein Mittel dazu, um dies auszuleben.

    --

    Keep on Rocking!
    #2230827  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    AmadeusÄußere Merkmale wie Haare, Bartwuchs, Kleider gehörten auch dazu. Eine Suche nach Identifikation, wie sie zu anderen Zeiten auch stattfand bzw. zu jeder Zeit stattfindet. Ergo ging es nicht um Pop versus Rock, sondern um Abgrenzungen bzw. neue/andere Orientierung und Einstellung. Die Musik war nur ein Mittel dazu, um dies auszuleben.

    Anfang der 70er hockten wir mitten zwischen der Flower Power Generation der älteren Brüder und Bolans Federboa. Praktisch hieß das lange Haare, Parka und Jeans, aber auch Bowie mit androgyner Schminke an der Wand. Selbst die beinharten Easy Rider Typen, die abends zu Black Sabbath-Klängen vom Chopper träumten, während sie an ihrer Zündapp rumschraubten, hatten weniger ein Problem mit „Rocket Man“ als dem knallbunt lächerlichen Outfit des Sängers. Spätestens als Mick Jagger Lidschatten auflegte (74?), war doch jedem klar, dass die „alten Werte“ allein auch nicht glücklich machen, Authenzität in diesem Business variabel ist, die Grenzen zwischen Pop und Rock eben fließend und nur von theoretischer Bedeutung sind. Aber das hatten die Beatles alles schon vorher gewusst.
    Richtig hart für alle Arten von Rockfans wurde es doch erst als die Philly- und Munich-Sounds á la Silver Convention die Macht übernahmen. Punk verlor (für mich) rasend schnell jede Anziehungskraft. Als Kind der Arbeiterklasse schien mir die Message „no future“ ungefähr so attraktiv wie zersplitterten leeren Bierflaschen, die die örtlichen Punks an jeder Bushaltsstelle hinterließen.

    --

    #2230829  | PERMALINK

    amadeus

    Registriert seit: 04.12.2003

    Beiträge: 10,741

    Blitzkrieg BettinaHabe gerade das Diederichsen-Kurzinterview gelesen, überlege gerade was ich von der Aussage, wenn Pop zu privat ist, wäre dass sein Ende in Langeweile.
    Ich selber hatte immer den Eindruck bei vieler Musik, die mich sehr persönlich berührt, (also quasi sehr privat ist), ich den Eindruck habe, dass ist jetzt zu gut um Pop zu sein.

    d.h. Privates ist langweilig? Zumindest ist Privates nicht massentauglich.

    Muss Pop massentauglich sein?

    --

    Keep on Rocking!
    #2230831  | PERMALINK

    schussrichtung

    Registriert seit: 06.02.2007

    Beiträge: 17,697

    Was kann noch als Privat gelten?

    --

    smash! cut! freeze!
    #2230833  | PERMALINK

    onkel-tom

    Registriert seit: 23.02.2007

    Beiträge: 43,923

    gollumAnfang der 70er hockten wir mitten zwischen der Flower Power Generation der älteren Brüder und Bolans Federboa. Praktisch hieß das lange Haare, Parka und Jeans, aber auch Bowie mit androgyner Schminke an der Wand. Selbst die beinharten Easy Rider Typen, die abends zu Black Sabbath-Klängen vom Chopper träumten, während sie an ihrer Zündapp rumschraubten, hatten weniger ein Problem mit „Rocket Man“ als dem knallbunt lächerlichen Outfit des Sängers. Spätestens als Mick Jagger Lidschatten auflegte (74?), war doch jedem klar, dass die „alten Werte“ allein auch nicht glücklich machen, Authenzität in diesem Business variabel ist, die Grenzen zwischen Pop und Rock eben fließend und nur von theoretischer Bedeutung sind. Aber das hatten die Beatles alles schon vorher gewusst.
    Richtig hart für alle Arten von Rockfans wurde es doch erst als die Philly- und Munich-Sounds á la Silver Convention die Macht übernahmen. Punk verlor (für mich) rasend schnell jede Anziehungskraft. Als Kind der Arbeiterklasse schien mir die Message „no future“ ungefähr so attraktiv wie zersplitterten leeren Bierflaschen, die die örtlichen Punks an jeder Bushaltsstelle hinterließen.

    Ja, da finde ich mich auch wieder. Wobei ich doch später recht gerne den Philly-Sound hörte (schäm ;-)).

    --

    Gewinnen ist nicht alles, gewinnen ist das einzige.
    #2230835  | PERMALINK

    tolomoquinkolom

    Registriert seit: 07.08.2008

    Beiträge: 8,651

    Herr RossiIn den 60ern gab es viele Girl Groups und Sängerinnen, die mit ihren Images und Songs bewusst oder unbewusst das damalige Selbstbild junger Frauen mit prägten, die „teenage angst“ thematisierten und zum Teil auch die traditionellen Rollenmuster reflektierten. Aus der Zeit 1970-1977 fällt mir wenig dazu ein. Es gab einige wenige einflussreiche Sängerinnen wie Joni Mitchell und Patti Smith, aber die waren nicht unbedingt „Pop“, jedenfalls nicht so wie die Shangri-Las oder Madonna.

    Darüber hinaus gab es (vor bzw. neben Bangles, Go-Go’s, Siouxsie, Kate Bush, Joan Armatrading, Chryssie Hynde, Joan Jett, 7 Year Bitch, L7, Bikini Kill, Hole) auch Helen Reddy (ihr „I Am Woman“ von 1972 gilt als feministische Offenbarung), Carole King, Laura Nyro, Cass Elliot, Linda Ronstadt, Rita Coolidge und Karen Carpenter*. Die erwähnten Einflüsse der genannten Sängerinnen reichten weit über den rein musikalischen Aspekt hinaus und veränderten nachhaltig das eigene Bild junger Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft (zumindest in Amerika).

    *) In einem anderen Thread zum Thema Carpenters wurde von einigen überheblichen Herrschaften die perfekte amerikanische Popmusik der Carpenters angegriffen. Dabei wurde vollkommen übersehen, welchen bedeutenden Einfluss gerade Karen Carpenter auf junge amerikanische Frauen hatte und noch hat. Karen Carpenter (Pop) steht auf gleicher Stufe mit Janis Joplin (Rock).

    --

    #2230837  | PERMALINK

    amadeus

    Registriert seit: 04.12.2003

    Beiträge: 10,741

    schussrichtungWas kann noch als Privat gelten?

    Wenn man einen Song als privat ansieht, ist er sehr persönlich und leicht angreifbar. Für die Masse vermutlich langweilig, die gut gespielte Rollen erwartet, ähnlich wie bei einem spannenden Film.

    --

    Keep on Rocking!
    #2230839  | PERMALINK

    schussrichtung

    Registriert seit: 06.02.2007

    Beiträge: 17,697

    Also letztlich persönliche Erwartungshaltung, da man ja so individuell gestrickt ist?

    --

    smash! cut! freeze!
    #2230841  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,243

    Blitzkrieg BettinaHabe gerade das Diederichsen-Kurzinterview gelesen, überlege gerade was ich von der Aussage, wenn Pop zu privat ist, wäre dass sein Ende in Langeweile.

    Wenn er „Privatsache“ wäre. Das ist eine völlig andere Aussage.

    Ich selber hatte immer den Eindruck bei vieler Musik, die mich sehr persönlich berührt, (also quasi sehr privat ist), ich den Eindruck habe, dass ist jetzt zu gut um Pop zu sein.

    Puh, da muss ich mich kurz setzen – wir sind also wieder am Ausgangspunkt: Für Dich bezeichnet „Pop“ eben doch etwas letztlich banales, was Dich nicht persönlich berührt und nicht wirklich gut ist. Was denkst Du denn stattdessen? „Das berührt mich so, das ist so gut, das muss Rock sein“? Sag mal ein paar Beispiele für Songs, die für Dich aus diesem Grund keinesfalls Pop sein können.

    Amadeusd.h. Privates ist langweilig? Zumindest ist Privates nicht massentauglich.

    Oh doch, schau Dir mal den ganzen Reality-Trash im zeitgenössischen Fernsehen an. Aber das ist gar nicht das Thema. Diedrichsen geht es darum, dass Pop relevant sein sollte, dass er rückgekoppelt an soziale, politische und kulturelle Entwicklungen und Zusammenhänge sein muss. Das Musikhören auch ein sehr persönliches Erleben ist, ist davon doch völlig unbeschadet.

    Muss Pop massentauglich sein?

    Nein. Er kann es sein, muss es aber nicht. Es gibt viele wunderbare Popgruppen und -künstler, die nicht massentauglich sind und auch gar nicht den Drang dazu haben.

    --

    #2230843  | PERMALINK

    blitzkrieg-bettina

    Registriert seit: 27.01.2009

    Beiträge: 11,779

    Amadeusd.h. Privates ist langweilig? Zumindest ist Privates nicht massentauglich.

    Diederichsen scheint privates langweilig zu finden, ich finde privates einfach nur privat. Ob privates auch massentauglich sein kann frag ich mich ja gerade. Ob Pop massentauglich sein muss, wurde ja schon weiter vorne im Thread diskutiert.
    Seh gerade dass du in deinem neuesten Post deine Sicht eines privaten Songs erläuterst, die ich glaube ich sogar unterschreiben kann.

    --

    Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.
    #2230845  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,243

    Ach Leute, nun lest das Interview einfach noch mal, ihr dichtet da was hinein, was da überhaupt nicht steht … Da wird gefragt: „Ist Pop Privatsache?“

    --

    #2230847  | PERMALINK

    wa
    The Horst of all Horsts

    Registriert seit: 18.06.2003

    Beiträge: 24,684

    Amadeus
    Muss Pop massentauglich sein?

    Nein, nicht massentauglich im Sinne von „wird von allen geliebt/ gemocht“. Aber Pop muss präsent sein bzw. wird er erst durch die Präsenz zu Pop.

    Den Diederichsen-Ansatz finde ich ganz gut. Kommt meiner Ansicht von Pop auf jeden Fall näher als die Rossi’schen Versuche, Pop gegen Rock auszuspielen.

    --

    What's a sweetheart like me doing in a dump like this?
    #2230849  | PERMALINK

    schussrichtung

    Registriert seit: 06.02.2007

    Beiträge: 17,697

    @Rossi: O.K., ich habe mich von Bettina verführen lassen. ;-)

    --

    smash! cut! freeze!
    #2230851  | PERMALINK

    daniel_belsazar

    Registriert seit: 19.04.2006

    Beiträge: 1,253

    Ich würde aber gerne als Anregung noch mal den Begriff der „Counterculture“ oder zu deutsch „Gegenkultur“ so etwa von 65 – 75 in den Ring werfen. Als Zusammenfassung einer kulturellen Ideologie, die zumindest Kapitalismus kritisch inspiriert ist, sich aber eben nicht mit rein ökonomisch-politischen Diskussionen zufrieden gibt, sondern gewissermaßen den von Marx auf die Füße gestellten Hegel-Kopf (Überbau / Bewusstsein) in aller schönen historischen Dialektik wieder mehr zur Geltung bringen möchte: Rockmusik also als Gegenentwurf zur „falschen“ Bewusstseinsindustrie, die deren Interessen affirmativ dient, und die man „Pop“ nennen mag und dann auch tat: „I am the slime from your radio“.

    Auch ich war natürlich als Jahrgang 60 von solchem Gedankengut noch stark infiziert. Allerdings leuchtete mir als 12-13 jähriges „Child of the Revolution“ durchaus unmittelbar evident und absolut unwiderlegbar ein, dass Marc Bolan einen Rolls-Royce fuhr, weil der gut für seine Stimme war, genauso wie Mick Jagger aus „Spass an der Freud“ den indianischen Jumpin Jack Flash gegeben hatte. Sweet Phase 1 (Chinn/Chapman) dagegen überließ ich den Mädchen, Sweet Phase 2 den Möchtegern-Machos, und Pink Floyd auf der anderen Seite gerne den Musiklehrern dieser Welt. Dass die mir was von reversen Tonleiter-Läufen bei PF vorschwärmten und mich über diesen Weg ja doch wieder nur zur „langweiligen“ offiziellen Kultur der klassischen Musik bringen wollten, war mir suspekt. Ich war halt nicht so einfach zu reinzulegen, ha! Natürlich habe ich erst später begriffen, was es auch bedeuten kann, dass es kein richtiges Leben im Falschen geben kann: puren Pop nämlich. Aber dies zu feiern, wie es die Populärkultur nach der Zerstörung des Punk in einem postnihilistischen Tanz auf dem Vulkan tat, ist wohl ebenso wenig ein Ausweg.

    --

    The only truth is music.
Ansicht von 15 Beiträgen - 811 bis 825 (von insgesamt 1,681)

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.