The Sound of German HipHop

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  • #10453353  | PERMALINK

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    bullschuetzIch finde harsche Kritik an egozentrischen Deppen wie Farid Bang und Kollegah, die eine von mir hochgeschaetzte Kunstform namens Hiphop in den Dreck ziehen, jedenfalls sehr gerechtfertigt. Und wer sagt, dass solche Sprüche nun mal zur Hiphopkultur gehören und als Genremerkmale zu akzeptieren seien, der kann dann ja auch sagen: Bei Neonazirock ist Hetze nunmal ein Genremerkmal, und wer sich daran störe, sei ein Nichtsblicker.

    Das ist sowas von wahr.  :good:

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    #10453383  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Ich bemerke aber, dass mir die Lust, bescheuerte Holocaust- und Schlampen-Sprueche zu verteidigen zusehends abhanden kommt. Warum kann man nicht einfach sagen, dass sowas grundbescheuert ist?

    Vorab: Du benutzt Rap und HipHop synonym, oder? Gut. Bei fast allen von dir genannten Rap-Künstlern spielen provokative und transgressive Texte eine Rolle. Du erinnerst dich bestimmt an die Antisemitismus-Diskussion bei Public Enemy und die „Schlampen-Sprüche“ bei 2Pac, Snoop, Kanye oder Gang Starr? Hast du Eminem seine dummen, jugendlichen Lines über schwarze Frauen durchgehen lassen? Selbst ATCQ sind nicht so stubenrein, wie mancher Fan das gerne hätte. Bei Q-Tip kommt noch hinzu, dass er gerne von „the abstract“ und dem „love movement“ quatscht, aber keine Hemmungen zeigt, einem Wildfremden vor dem Studio den Kiefer zu brechen.
    Ich behaupte: Rap ist eine konfrontative Kunstform, die echte Gewalt sublimiert – und das so ziemlich seit Beginn ihres Daseins. In manchen Subgenres wird über die Strenge geschlagen, grundsätzlich herrscht aber ein aggressiverer Vibe als in der Popmusik.
    Ich sehe da auch einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den USA und Europa: Wer aus seiner Heimat entführt, versklavt, gedemütigt und ausgebeutet wurde, ohne 400 Jahre später auch nur eine Entschädigung in Aussicht gestellt zu bekommen und weiterhin als Bürger zweiter Klasse (seiner Kultur und seiner Traditionen beraubt) dem Überlebenskampf des Molochs ausgesetzt ist, hat jedes Recht seine prekären Lebensumstände, die Gewalt, das Verbrechen, darzustellen, radikale „Kill Whitey!“-Rhetorik zu vertreten und die „redneck cracker honkeys“ mit Hohn und Spott zu überziehen. Rap in den USA ist so krass wie die Lebensumstände der durch die Mehrheitsgesellschaft Unterdrückten.
    Damit kann man in Deutschland nicht argumentieren. Der kompromisslose Vibe ist aber einer der Gründe, die Rap auch in Europa so attraktiv machen. Dieses „Scheiß auf euren gesellschaftlichen Konsens, eure Werte, eure Moralvorstellungen“. Manch einer vergaloppiert sich dann, das ist aber kein Grund ein ganzes Genre (Battle-Rap? Gangsta Rap?) zu verunglimpfen.
    Im Falle von Kollegah und Farid fällt mir die Verteidigung schwer, weil ich die Musik für ziemlich beschissen halte. Wenn Taktlo$$ aber 1998 rappte „Der Fernseher ist an. Ich freue mich über Tote im KZ, die Vergewaltigung im anderen Kanal ist auch ganz nett“, vermute ich da keinen Antisemitismus. Das ist eine auf deutsche Verhältnisse zugeschnittene Provokation. Wer sowas geschmacklos findet, dem bieten sich genügend Alternativen im deutschsprachigen Rap. Ist halt auch eine Humorsache: Manche Menschen kommen auf schwarzen Humor nicht klar. Und vielleicht auch ein Problem der Kunstrezeption, denn es gab z.B. auch auffallend viele Zuschauer, die in Paul Verhoevens „Starship Troopers“ einen faschistoiden Propagandafilm sahen.
    Nicht zu vergessen, dass es hier um den ECHO geht, einen Preis, der dem Verwertungsgedanken des Kapitalismus folgt und sich damit keine Kritik an Inhalten leisten kann. Der Erfolg zählt, die Verkaufszahlen. Deshalb nehme ich es diesen Heuchlern auch nicht ab, dass sie eine Ethik-Kommission einberufen – nur um die Preise dann doch an Frei.Wild und Kollegah zu vergeben. Wozu der ganze Mummenschanz? (Und Campino hätte besser mal erklärt, warum ein Punkrocker sich als Hampelmann für die Schlagerindustrie hergibt, anstatt Phrasen über Homophobie und Rassismus abzusondern.) Wie auch immer: Am Wochenende konnten sich alle über ihre humanistischen Ideale freuen, mit dem Finger auf ein paar Rapper zeigen, um am Montag dann wieder im Betrieb zu mobben und abends der Familie zu zeigen, wer der Patriarch ist.

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    #10453403  | PERMALINK

    geitonas

    Registriert seit: 09.04.2018

    Beiträge: 243

    harry-ragDie eiskalte Alice interessiert sich jetzt natürlich auch für Rap.

    Und darf den religiösen Background der Rapper natürlich nicht unerwähnt lassen.
    Daher ist das Aufblasen dieses Themas wohlmöglich gar nicht so clever. Es wird sich danach sicher kaum eine Meinung revidieren, und die AFD kann sich auch wieder schön dranhängen.

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    #10453421  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    harry-rag

    Ich bemerke aber, dass mir die Lust, bescheuerte Holocaust- und Schlampen-Sprueche zu verteidigen zusehends abhanden kommt. Warum kann man nicht einfach sagen, dass sowas grundbescheuert ist?

    Vorab: Du benutzt Rap und HipHop synonym, oder? Gut. Bei fast allen von dir genannten Rap-Künstlern spielen provokative und transgressive Texte eine Rolle. Du erinnerst dich bestimmt an die Antisemitismus-Diskussion bei Public Enemy und die „Schlampen-Sprüche“ bei 2Pac, Snoop, Kanye oder Gang Starr? Hast du Eminem seine dummen, jugendlichen Lines über schwarze Frauen durchgehen lassen? Selbst ATCQ sind nicht so stubenrein, wie mancher Fan das gerne hätte. Bei Q-Tip kommt noch hinzu, dass er gerne von „the abstract“ und dem „love movement“ quatscht, aber keine Hemmungen zeigt, einem Wildfremden vor dem Studio den Kiefer zu brechen. Ich behaupte: Rap ist eine konfrontative Kunstform, die echte Gewalt sublimiert – und das so ziemlich seit Beginn ihres Daseins. In manchen Subgenres wird über die Strenge geschlagen, grundsätzlich herrscht aber ein aggressiverer Vibe als in der Popmusik. Ich sehe da auch einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den USA und Europa: Wer aus seiner Heimat entführt, versklavt, gedemütigt und ausgebeutet wurde, ohne 400 Jahre später auch nur eine Entschädigung in Aussicht gestellt zu bekommen und weiterhin als Bürger zweiter Klasse (seiner Kultur und seiner Traditionen beraubt) dem Überlebenskampf des Molochs ausgesetzt ist, hat jedes Recht seine prekären Lebensumstände, die Gewalt, das Verbrechen, darzustellen, radikale „Kill Whitey!“-Rhetorik zu vertreten und die „redneck cracker honkeys“ mit Hohn und Spott zu überziehen. Rap in den USA ist so krass wie die Lebensumstände der durch die Mehrheitsgesellschaft Unterdrückten. Damit kann man in Deutschland nicht argumentieren. Der kompromisslose Vibe ist aber einer der Gründe, die Rap auch in Europa so attraktiv machen. Dieses „Scheiß auf euren gesellschaftlichen Konses, eure Werte, eure Moralvorstellungen“. Manch einer vergaloppiert sich dann, das ist aber kein Grund ein ganzes Genre (Battle-Rap? Gangsta Rap?) zu verunglimpfen. Im Falle von Kollegah und Farid fällt mir die Verteidigung schwer, weil ich die Musik für ziemlich beschissen halte. Wenn Taktlo$$ aber 1998 rappte „Der Fernseher ist an. Ich freue mich über Tote im KZ, die Vergewaltigung im anderen Kanal ist auch ganz nett“, vermute ich da keinen Antisemitismus. Das ist eine auf deutsche Verhältnisse zugeschnittene Provokation. Wer sowas geschmacklos findet, dem bieten sich genügend Alternativen im deutschsprachigen Rap. Ist halt auch eine Humorsache: Manche Menschen kommen auf schwarzen Humor nicht klar. Und vielleicht auch ein Problem der Kunstrezeption, denn es gab z.B. auch auffallend viele Zuschauer, die in Paul Verhoevens „Starship Troopers“ einen faschistoiden Propagandafilm sahen. Nicht zu vergessen, dass es hier um den ECHO geht, einen Preis, der dem Verwertungsgedanken des Kapitalismus folgt und sich damit keine Kritik an Inhalten leisten kann. Der Erfolg zählt, die Verkaufszahlen. Deshalb nehme ich es diesen Heuchlern auch nicht ab, dass sie eine Ethik-Kommission einberufen – nur um die Preise dann doch an Frei.Wild und Kollegah zu vergeben. Wozu der ganze Mummenschanz? (Und Campino hätte besser mal erklärt, warum ein Punkrocker sich als Hampelmann für die Schlagerindustrie hergibt, anstatt Phrasen über Homophobie und Rassismus abzusondern.) Wie auch immer: Am Wochenende konnten sich alle über ihre humanistischen Ideale freuen, mit dem Finger auf ein paar Rapper zeigen, um am Montag dann wieder im Betrieb zu mobben und abends der Familie zu zeigen, wer der Patriarch ist.

    Ist ja alles richtig, auch was du weiter oben geschrieben hast, und dem Statement der Antilopen Gang kann ich sowieso folgen. Nur ein paar Fragen:

    1. Macht es nicht doch einen Unterschied ums Ganze, ob Provokationen Teil einer aggressiven Abgrenzungs- und Selbstbehauptungsstrategie einer schwarzen Minderheit gegen eine strukturell rassistische Mehrheitsgesellschaft sind, oder ob Provokationen nur noch einer „Wer bietet mehr“-Logik im Kampf um Vermarktungsdistinktionsgewinn gehorchen?

    2. Macht es nicht einen entscheidenden Unterschied, ob Provokationen Teil eines künstlerisch überzeugenden Gesamtwurfs sind oder nur Gipfel der Grütze? Insofern kann ich Eminem misogyne oder ins Homophobe spielende Zeilen gut nachsehen und kam seinerzeit auch irgendwie unter Schmerzen mit Professor Griffs Antisemitismus klar, während ich bei Kollegah einfach keinen Bock mehr habe, sowas gegen bürgerliches Empoerungsfieber zu verteidigen.

    3. Waren wir vielleicht alle gegen die gottverdammte Bitch-Rhetorik viel zu lange viel zu nachsichtig? Müsste man das Frauenbild in der Szene nicht mal viel strenger und grundsätzlicher hinterfragen?

    --

    #10453429  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

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    Ich finde erschreckend, dass man bei dieser Diskussion als „unwissend“ oder gar Provokateur bezeichnet wird (nur weil man als nicht Hip-Hop-affin gilt), sobald man diesen krassen Fehltritt und Auschwitz-Vergleich der beiden „Künstler“ kritisiert. Ich möchte betonen, dass mir intelligente Hip-Hop/Rap Musik zusagt, besonders Lamar, J Cole, Earl Sweatshirt und das „Dissen“ als Stilmittel (kenne auch RHP und die frühen Pelham Platten auswendig) oder die Selbstverherrlichung, Nonsens Texte (Niggas in Paris fällt mir da spontan ein, von Jay Z/West) alles bestens bekannt und kein Problem.
    Aber Auschwitz derart respektlos und verharmlosend zu benutzen, aus populistischem Kalkül, das geht zu weit und trägt in einem gewissen Maße zu Verrohung und Radikalisierung der Gesellschaft bei. Zumindest spreche ich einem großen Teil der jungen Hip-Hop Hörerschaft eine fundierte Allgemeinbildung und Erziehung ab, um vernünftig differenzieren zu können. Ich habe einige Jahre Frankfurt am Main gelebt, kenne einige soziale Brennpunkte dort.

    HipHop/Rap ist nunmal großteils primitiv und Gossensprache (und spielt auch damit) herrührend von seiner Herkunft. Das darf und sollte man (aufgrund dessen) in gebildeteren Schichten gerne kritisieren und den aktuellen Stein des Anstoßes um so mehr.

    --

    #10453433  | PERMALINK

    Anonym
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    Oder persönlicher ausgedrückt: Seit ich öfter mal mit Leuten zu tun habe, die legitime Gleichberechtigungsanliegen mit „Gendergaga“-Schmaehungen zu diskreditieren versuchen, fällt es mir zusehends schwerer, der Schlampenrhetorik mancher Rapper mit Nachsicht zu begegnen nach dem Motto: „So ist halt das Genre.“

    --

    #10453441  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

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    Ja, ich denke auch, man sollte schon kritischer hinterfragen und nicht alles durchwinken.

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    #10453485  | PERMALINK

    stormy-monday
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    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 21,495

    „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“

    Dieser Satz von Adorno wurde immer kontrovers diskutiert und ich fand ihn auch nicht richtig. In diesem Fall ist da was Wahres dran.

    Ach ja, friedvolles Wochenende, Krautathaus und Irrlicht.

    Euer Otto.

    --

    ...but everybody wants you to be just like them                              Contre la guerre    
    #10453561  | PERMALINK

    Anonym
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    @bullschuetz

    1. Macht es nicht doch einen Unterschied ums Ganze, ob Provokationen Teil einer aggressiven Abgrenzungs- und Selbstbehauptungsstrategie einer schwarzen Minderheit gegen eine strukturell rassistische Mehrheitsgesellschaft sind, oder ob Provokationen nur noch einer „Wer bietet mehr“-Logik im Kampf um Vermarktungsdistinktionsgewinn gehorchen?

    Natürlich macht das einen (erheblichen) Unterschied, das habe ich in meinem letzten Beitrag auch versucht darzustellen. Mir stößt es aber auf, wenn eine xenophobe, homophobe, sexistische und rassistische Gesellschaft mit dem Finger auf (muslimische) Rapper zeigt und versucht, ihnen etwas in die Schuhe zu schieben, was ein gesellschaftsimmanentes Problem ist. Soll heißen: Ich halte die deutsche Gesellschaft nicht für so aufgeklärt und „progressiv“ wie sie sich selbst gerne sieht. Kollegah und Farid Bang sind die Ausformungen des Alltags dieser Gesellschaft. Deshalb verkaufen sie ja auch am meisten.

    2. Macht es nicht einen entscheidenden Unterschied, ob Provokationen Teil eines künstlerisch überzeugenden Gesamtwurfs sind oder nur Gipfel der Grütze? Insofern kann ich Eminem misogyne oder ins Homophobe spielende Zeilen gut nachsehen und kam seinerzeit auch irgendwie unter Schmerzen mit Professor Griffs Antisemitismus klar, während ich bei Kollegah einfach keinen Bock mehr habe, sowas gegen bürgerliches Empoerungsfieber zu verteidigen.

    Diese Frage finde ich sehr viel schwieriger zu beantworten, weil sie darauf abziehlt, zu definieren, was Kunst ist und was nicht. [Daran scheitert(e) die BPjM zum Beispiel dauernd.] Nach meinen persönlichen Maßstäben wiegt Kollegahs Kunst seine Provokationen nicht auf.
    Viel wichtiger aber als diese eine Auschwitz-Zeile, sind seine strukturell antisemitischen Tracks und Äußerungen auch abseits der Kunst. Darum sollte sich die Diskussion drehen. Hier behaupte ich: Es gibt wenig bis keinen Unterschied zwischen Kollegah und der AfD. (Siehe meinen Beitrag auf der vorherigen Seite.)

    3. Waren wir vielleicht alle gegen die gottverdammte Bitch-Rhetorik viel zu lange viel zu nachsichtig? Müsste man das Frauenbild in der Szene nicht mal viel strenger und grundsätzlicher hinterfragen?

    Da kann ich wiederum nur auf die gesamtgesellschaftliche Situation verweisen. Oberflächlich vielleicht weiter als in manchen Rap-Kreisen, bei den Äußerungen zu „gender studies“ und ähnlichem aber mindestens so reaktionär. Sollte die Szene mit gutem Beispiel vorangehen?

    --

    #10453585  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    @mr-badlands:

    Ich möchte betonen, dass mir intelligente Hip-Hop/Rap Musik zusagt

    Ja, schon klar. Oder halt mal ironisch Haftbefehl hören, ne?

    Zumindest spreche ich einem großen Teil der jungen Hip-Hop Hörerschaft eine fundierte Allgemeinbildung und Erziehung ab, um vernünftig differenzieren zu können. Ich habe einige Jahre Frankfurt am Main gelebt, kenne einige soziale Brennpunkte dort.

    Jaja, DU kannst natürlich differenzieren und einordnen, aber doch nicht DIESE Leute. (Danke, dass du ein paar meiner Thesen in meiner letzten Antwort an bullschuetz so bereitwillig unterfütterst.)

    --

    #10453641  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    @harry-rag

    Bei derartigen Vergleichen muss ein gesellschaftlicher Aufschrei kommen.

     

     

    Ehrlich gesagt, bin ich aus dem Alter raus, um Musik ironisch zu hören. Das hat mal Spaß gemacht, zwischen 16 und 22 Jahren. Jetzt möchte ich Gossensprache nur selten um mich haben, und wenn, lieber auf Englisch.

    --

    #10453691  | PERMALINK

    klausk

    Registriert seit: 17.05.2008

    Beiträge: 19,699

    rockart

    bullschuetzIch finde harsche Kritik an egozentrischen Deppen wie Farid Bang und Kollegah, die eine von mir hochgeschaetzte Kunstform namens Hiphop in den Dreck ziehen, jedenfalls sehr gerechtfertigt. Und wer sagt, dass solche Sprüche nun mal zur Hiphopkultur gehören und als Genremerkmale zu akzeptieren seien, der kann dann ja auch sagen: Bei Neonazirock ist Hetze nunmal ein Genremerkmal, und wer sich daran störe, sei ein Nichtsblicker.

    Das ist sowas von wahr.

    Dass diese geistigen Haltungen unter dem Deckmäntelchen der Kunst quasi salonfähig gemacht werden sollen, ist für mich absolut inakzeptabel und überschreitet die Grenzen meiner Toleranz. Es werden natürlich bewusst von diesen Interpreten Grenzen überschritten, man macht von sich reden, kassiert ordentlich ab und rudert dann wieder ein bisschen zurück. Ist ja mittlerweile ein bekanntes Stilmittel, begünstigt selbstverständlich auch durch den Geist des Kapitalismus.

    Was darf Kunst? Darf sich jegliche geistige Haltung als Kunst definieren?

    --

    There is a green hill far away I'm going back there one fine day. I am free because I am the soul bird
    #10453719  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Außerdem ist der Ausdruck „das musst Du ironisch hören“ oft nur ein Alibi, um Gewalt, Diskriminierung und Diskreditierung zu akzeptieren.

    --

    #10454179  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,448

    bullschuetz Man könnte sich ja mal fragen, ob ein musikalisches Subgenre, das widerliche Geschmacklosigkeit und gezielte Provokation zu einem wesentlichen Stilmittel und Aufmerksamkeitsmarketinginstrument macht, nicht eigentlich der letzte Scheißdreck ist. Ich finde es billig, jetzt auf die hiphopfernen Alten zu schimpfen, die mal wieder nichts verstehen und sich nur alte Schaltjahre dazu äußern. Ich finde harsche Kritik an egozentrischen Deppen wie Farid Bang und Kollegah, die eine von mir hochgeschaetzte Kunstform namens Hiphop in den Dreck ziehen, jedenfalls sehr gerechtfertigt. Und wer sagt, dass solche Sprüche nun mal zur Hiphopkultur gehören und als Genremerkmale zu akzeptieren seien, der kann dann ja auch sagen: Bei Neonazirock ist Hetze nunmal ein Genremerkmal, und wer sich daran störe, sei ein Nichtsblicker.

    Mehrere paar Stiefel, ein Versuch:

    Ein großes Problem, was ich in Deiner Argumentation sehe, ist, dass Du den Anteil speziell dieser Attitütde überhöhst. HipHop ist meines Erachtens nach, gerade in Deutschland, Subkultur – große Teile der Künstler, die ich für relevant und inspirierend halte, finden allenfalls mal in der JUICE oder anderen Szenemags statt, im Fernsehen oder der SZ sicher nicht. Das, was an die Oberfläche treibt, ist eben das, was mit ordentlichem Beat zu dem Bereich zählt, der mit Gewaltinszenierungen um sich wirft oder auf der anderen Seite die gegenwärtige, teils zum Schlager abdriftende Cloud-Rap Dadakultur, die lange nach dem abgrenzenden DIY Prinzip funktionierte, aber allmählich auch vom Kapitalismus gefressen wird. Ich kenne persönlich keine Leute „in der Szene“, die Leute wie Kollegah feiern würden – vielleicht mal für einen guten Beat, ein cleveres Wortspiel oder eine sauber geflexte Flowpassage, aber eben nicht für den Charakter. Felix Blume ist ein eitler Typ, mal für einen guten Spruch zu haben sicherlich, der aber nie verstanden hat, das Reime dazu dienen eine Atmosphäre zu erzeugen und nicht einfach nur Selbstzweck sind. Dieser ganze Körperkult, diese ganze Spezialisierung auf sauber gereimte Siebensilber usw. – das ist viel zu technokraitsch, viel zu bürgerlich, viel zu weit weg von der Szene selbst. Das ist bei Farid sicherlich ein wenig anders, seit er die Bosstransformation gewählt hat, sind die Stile aber sowieso immer weniger unterscheidbar.

    In dem Sinne: Das „Subgenre“ toleriert das mitnichten. Es gab zuletzt große Artikel zu Antisemitismus und Frauen im HipHop – und es gibt Dutzende, Hunderte Künstler, denen Aufarbeitung und Gleichstellung ein zentrales Anliegen sind (welches stilistische Mittel sie dafür auch wählen). Die finden beim Echo aber nicht statt – Harry hat dazu alles Wichtige schon geschrieben. Und er hat einen sehr wesentlichen Teil ebenfalls angesprochen: Ich lebe lieber mit Gewalt, Prostitution, Sexismus direkt vor meinen Augen. Deutschland ist von einem Land, das wirklich tolerant wäre, ob es um Gender, Homosexualität oder Hautfarbe geht, noch Jahrzehnte entfernt. So zu tun, als wäre Gangster Rap die Eisspitze des Ekels, während man die fotogeshoppte Tageszeitung mit der lächelnden Blondine aufschlägt, ist, nun ja, nettestensfalls Eskapismus.

    Ansonsten stören mich übrigens keine Alten, die HipHop fern sind. Mich stören Leute, denen es einen großen Scheißdreck um die Kunstform, die Menschen dahinter, die Szene, die Beweggründe geht, sondern die nur alle paar Monate einen Skandal nutzen, um ihre unreflektierten Ressentiments weiter zu füttern. Ansonsten findet absolut keine Auseinandersetzung statt und man redet mit jedem Beitrag gegen eine Backsteinwand. Beatrix von Storch Syndrom.

    --

    Hold on Magnolia to that great highway moon
    #10454243  | PERMALINK

    stormy-monday
    Natural Sinner

    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 21,495

    Danke, Irrlicht. Jetzt weiss ich, wo ich hingehöre.

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    ...but everybody wants you to be just like them                              Contre la guerre    
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