Antwort auf: The Sound of German HipHop

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@bullschuetz

1. Macht es nicht doch einen Unterschied ums Ganze, ob Provokationen Teil einer aggressiven Abgrenzungs- und Selbstbehauptungsstrategie einer schwarzen Minderheit gegen eine strukturell rassistische Mehrheitsgesellschaft sind, oder ob Provokationen nur noch einer „Wer bietet mehr“-Logik im Kampf um Vermarktungsdistinktionsgewinn gehorchen?

Natürlich macht das einen (erheblichen) Unterschied, das habe ich in meinem letzten Beitrag auch versucht darzustellen. Mir stößt es aber auf, wenn eine xenophobe, homophobe, sexistische und rassistische Gesellschaft mit dem Finger auf (muslimische) Rapper zeigt und versucht, ihnen etwas in die Schuhe zu schieben, was ein gesellschaftsimmanentes Problem ist. Soll heißen: Ich halte die deutsche Gesellschaft nicht für so aufgeklärt und „progressiv“ wie sie sich selbst gerne sieht. Kollegah und Farid Bang sind die Ausformungen des Alltags dieser Gesellschaft. Deshalb verkaufen sie ja auch am meisten.

2. Macht es nicht einen entscheidenden Unterschied, ob Provokationen Teil eines künstlerisch überzeugenden Gesamtwurfs sind oder nur Gipfel der Grütze? Insofern kann ich Eminem misogyne oder ins Homophobe spielende Zeilen gut nachsehen und kam seinerzeit auch irgendwie unter Schmerzen mit Professor Griffs Antisemitismus klar, während ich bei Kollegah einfach keinen Bock mehr habe, sowas gegen bürgerliches Empoerungsfieber zu verteidigen.

Diese Frage finde ich sehr viel schwieriger zu beantworten, weil sie darauf abziehlt, zu definieren, was Kunst ist und was nicht. [Daran scheitert(e) die BPjM zum Beispiel dauernd.] Nach meinen persönlichen Maßstäben wiegt Kollegahs Kunst seine Provokationen nicht auf.
Viel wichtiger aber als diese eine Auschwitz-Zeile, sind seine strukturell antisemitischen Tracks und Äußerungen auch abseits der Kunst. Darum sollte sich die Diskussion drehen. Hier behaupte ich: Es gibt wenig bis keinen Unterschied zwischen Kollegah und der AfD. (Siehe meinen Beitrag auf der vorherigen Seite.)

3. Waren wir vielleicht alle gegen die gottverdammte Bitch-Rhetorik viel zu lange viel zu nachsichtig? Müsste man das Frauenbild in der Szene nicht mal viel strenger und grundsätzlicher hinterfragen?

Da kann ich wiederum nur auf die gesamtgesellschaftliche Situation verweisen. Oberflächlich vielleicht weiter als in manchen Rap-Kreisen, bei den Äußerungen zu „gender studies“ und ähnlichem aber mindestens so reaktionär. Sollte die Szene mit gutem Beispiel vorangehen?

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