Rio Reiser

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  • #345423  | PERMALINK

    mitchryder

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 25,961

    Mir graut es… das Schlömer und Michels keine Grenzen kennen und der Bruder Gerd nur auf Kosten des Todes seines Bruders lebt, habe ich mich ja abgefunden. Aber mit dieser Veröffentlichung fügen sie Rio sogar noch im Grabe Schmerzen zu.

    :-o

    Da hilft nur noch: :sauf: :sauf: :sauf:

    --

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    #345425  | PERMALINK

    gene-k

    Registriert seit: 16.09.2003

    Beiträge: 24

    Veranstaltungs-Ankündigung mit Martin Büsser zu „Linke Mythen“ und das

    Subversionsmodell Pop“ am Freitag, dem 26. September 2003, um 20:00Uhr

    im Antiquariat & BuchCafé „ANDERE SEITEN“ , Brunnenstr. 15/16, Bremen

    Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Anares e.V.,

    am Freitag, den 26. September 2003, findet um 20 Uhr in den Räumen des Antiquariat & Buchcafé Andere Seiten (Brunnenstr. 15/16, 28203 Bremen) eine Veranstaltung mit Martin Büsser zu dem Thema „Linke Mythen und das Subversionsmodell Pop“ statt.
    Martin Büsser ist Autor verschiedener Bücher zur Popkultur, Mitinitiator des Ventil Verlages, der einschlägige Bücher herausgibt und Redaktionsmitglied der in diesem Verlag erscheinenden popgeschichtlichen und -kulturellen Buchzeitschrift „Testcard“.
    Die Ausgabe 12 dieser halbjährlich herausgegebenen Zeitschrift hat das Schwerpunktthema „Linke Mythen“; neben einem umfassenden, wie immer sehr inspirierenden, manchmal auch provozierenden Besprechungsteil zu Tonträgern und Büchern sind deshalb u.a. die Band Ton Steine Scherben, der RAF-Mythos und dessen Aufarbeitung in Film und Literatur, die „letzten Linken“ unter den Filmemachern in Hollywood, freie Radios und die Globalisierungskritik Themen des Bandes. Die Veranstaltung soll jedoch keine reine Buchvorstellung werden. Eine zentrale Frage des Abends ist, inwieweit Popkultur im flexiblen Kapitalismus, der aus untergründigen Subkulturen immer schneller mainstreamförmige und massenkompatible Strömungen transformiert, noch eine emanzipatorische Kraft sein kann. Und, wenn nicht: welches ist die Kultur, die noch ein Widerstandspotential gegen die neoliberale Zurechtstutzung des Menschen zur Ware entwickeln kann? In jedem Fall wünschen wir uns eine spannende Diskussion. Die „Vorlage“ dazu wird Martin Büsser geben, mit dem wir bereits 2002 eine sehr gu besuchte, anregende und allgemein begeistert aufgenommene Veranstaltun durchgeführt haben.

    --

    #345427  | PERMALINK

    dengel

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 76,332

    hey gene,
    danke für deine beiträge. haben mir viel gebracht.
    aber mich kotzt diese ganze diskussion an.
    rio und die scherben haben mir mein ganzes leben mut gemacht so zu sein wie ich will. sich um keine konventionen scheren, usw. glaube nicht dass rio sich für irgendeine idee(sozialismus, grüne bewegung) während seines lebens hätte instrumentalisieren lassen.
    deswegen ist es scheisse mit wirklichen oder angeblichen gedanken eines solchen menschen an die öffentlichkeit zu gehen.

    --

    #345429  | PERMALINK

    mitchryder

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 25,961

    Da muß ich doch gleich mal folgenden Titel auflegen:

    Ton Steine Scherben – Allein machen sich dich ein

    „Und du weißt das wird passieren, wenn wir uns organisieren“

    :sauf:

    Irgendwie klingt das ja leider heute wie Seelenschmerz…. so daß man am liebsten direkt danach hören möchte:

    Ton Steine Scherben – Der Traum ist aus

    „Gibt es ein Land auf dieser Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist? Ich weiß es wirklich nicht…“ und ich weiß mit zunehmenden Alter auch immer weniger… ich glaube ich fühle wie Rio, weiß es aber natürlich nicht… noch habe ich 4 und ein halbes Jahr Zeit.

    :sauf: :sauf: :sauf:

    --

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    #345431  | PERMALINK

    dominick-birdsey
    Birdcore

    Registriert seit: 23.12.2002

    Beiträge: 14,848

    Ton Steine Scherben – Der Traum ist aus
    „Gibt es ein Land auf dieser Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist? Ich weiß es wirklich nicht…“

    live in der seelenbinderhalle. gänsehaut pur.
    aber auch der spätere rio reiser. „träume“ von „himmel & hölle“:

    „die zeit vergeht und so viel bleibt im straßenstaub, wird uns fremd wie ein bild von daheim, alles längst verschwunden – alles überwunden und doch, war da viel mehr als ein spiel“.
    das sucht doch seinesgleichen, oder?

    --

    #345433  | PERMALINK

    mitchryder

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 25,961

    Ton Steine Scherben – Der Traum ist aus
    „Gibt es ein Land auf dieser Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist? Ich weiß es wirklich nicht…“

    live in der seelenbinderhalle. gänsehaut pur.
    aber auch der spätere rio reiser. „träume“ von „himmel & hölle“:

    „die zeit vergeht und so viel bleibt im straßenstaub, wird uns fremd wie ein bild von daheim, alles längst verschwunden – alles überwunden und doch, war da viel mehr als ein spiel“.
    das sucht doch seinesgleichen, oder?

    Absolut… und der Weg in seinen Untergang… besser sterben hat er selbst vorausgesehen.

    Die Seelebinder Aufnahme ist wohl wirklich die beste die es von Rio je gab.

    --

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    #345435  | PERMALINK

    dominick-birdsey
    Birdcore

    Registriert seit: 23.12.2002

    Beiträge: 14,848

    Absolut… und der Weg in seinen Untergang… besser sterben hat er selbst vorausgesehen.

    man hat wirklich gespürt, dass es sein letztes album sein würde. solche texte wie zu „träume“ oder vor allem „hoffnung“ schreibt man doch erst, wenn man glaubt, mit dem leben abgeschlossen zu haben!

    --

    #345437  | PERMALINK

    mitchryder

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 25,961

    Absolut… und der Weg in seinen Untergang… besser sterben hat er selbst vorausgesehen.

    man hat wirklich gespürt, dass es sein letztes album sein würde. solche texte wie zu „träume“ oder vor allem „hoffnung“ schreibt man doch erst, wenn man glaubt, mit dem leben abgeschlossen zu haben!

    Jepp absolut… und ich weiß nicht wie du darübe denkst, aber sein Bruder Gerd nutzt es aus und profitiert von sein Tod. Mir ist das einfach zu wiederlich. Okay, es ist schon interessant unveröffentliches Material von Rio zu hören (z.B. Am Piano), aber was in Fresenhagen abläuft mit dem Songpreis und der jährlichen Todeshuldigungsfestival geht mir gegen den Strich.

    :twisted:

    --

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    #345439  | PERMALINK

    dominick-birdsey
    Birdcore

    Registriert seit: 23.12.2002

    Beiträge: 14,848

    das ist leider wirklich so und das nervt gewaltig. aber als fan befindet man sich auch in einem zwiespalt. einerseits genieße ich die wiederveröffentlichungen, die ich (sogar die hörspiele) allesamt gekauft habe – andererseits muss man, wie du richtig sagst, der profitgier hier aus ganzem herzen eine absage erteilen, weil das (und das ist zwar anmaßend, weil ich rio reiser nur einmal nach einer lesung kurz und völlig befangen gesprochen habe) niemals in seinem sinne gewesen wäre! :twisted:

    --

    #345441  | PERMALINK

    gene-k

    Registriert seit: 16.09.2003

    Beiträge: 24

    Hallo
    Ich verstehe, dass viele diese Debatte zum :kotz: finden. Aber das wird ja nicht besser, wenn man davor die Augen schließt. Im Gegenteil, die Resteverwerter aus Habgier und/oder Eitelkeit fühlen sich bestätigt. Ehe ich mal wieder mit Verspätung zur Arbeit renne noch ein Nachtrag zur heutigen Buchvorstellung mit Martin Büsser. Folge 12 von Testcard beginnt mit einem Artikel über die Scherben. Daraus folgender Auszug:

    „Wenn in Deutschland von politischer Musik die Rede ist und in Diskussionen rückblickend entschieden werden soll, wo Protestbewegungen ihren musikalisch gelungenen Ausdruck fanden, dann fallen immer wieder dieselben Namen – es sind allemal nur sehr wenige –, einigen können sich die meisten am Ende jedoch fast immer nur auf eine einzige Band, auf TON, STEINE, SCHERBEN. … Innerhalb des Wandels, den Popkultur in Deutschland seit der »Wiedervereinigung« erfahren hat, spielen auch die – zu diesem Zeitpunkt längst aufgelösten – TON STEINE SCHERBEN wider Willen eine eher traurige Rolle. Rio Reiser und TON, STEINE, SCHERBEN sind in der öffentlichen Rezeption kontinuierlich entpolitisiert und entkontextualisiert worden …. Umdeutungen dieser Art können den Originalen nicht vorgeworfen werden, sind aber symptomatisch für ein revisionistisches Klima, das bis in die Familie von Rio Reiser selbst hineinreicht. Auch dort wird freudig daran gebastelt, das Bild von Rio Reiser als schwulen, linken Rebellen zu dem eines Volks- und Heimatsängers umzudeuten, auf dass jene Band, deren Songs lange Zeit von den Radiostationen nicht gespielt wurden, weil der Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit bestand, endlich in den Kanon »deutscher Popkultur« aufgenommen werden kann, um dort neben Nena, Grönemeyer, Müller-Westernhagen und Lindenberg als eigenwertig nationales Liedgut in ganz neuem Licht zu erstrahlen.“

    --

    #345443  | PERMALINK

    gene-k

    Registriert seit: 16.09.2003

    Beiträge: 24

    das ist leider wirklich so und das nervt gewaltig. aber als fan befindet man sich auch in einem zwiespalt. einerseits genieße ich die wiederveröffentlichungen, die ich (sogar die hörspiele) allesamt gekauft habe – andererseits muss man, wie du richtig sagst, der profitgier hier aus ganzem herzen eine absage erteilen, weil das (und das ist zwar anmaßend, weil ich rio reiser nur einmal nach einer lesung kurz und völlig befangen gesprochen habe) niemals in seinem sinne gewesen wäre! :twisted:

    Lieber Birdseye

    Auch wenn due die Platten mit Zwiespalt kaufst – die Verkäufer interessiert das nicht die Bohne. Solange du kaufst, fühlen die sich bestätigt. Du bist nur ein Zahlungseingang. Auf dem Kassenbon steht nicht „hat nur mit Bauchgrimmen bezahlt“. Wer immer du bist und was immer du denkst verschwindet spurlos in der Geldform. Es ist ein Tausch Geld gegen Ware. Dass das Geld einem Menschen aus Fleisch und :sauf: gehört, interessiert nicht. Erst wenn du aufhörst zu kaufen, wirst du für den Verkäufer zur Person. Dann mu0 er nämlich nachdenken, was er falsch gemacht hat.

    Auf die Gefahr, ein paar Buh-Rufe zu ernten: es geht auch ohne diese Platten. Im Gegensatz zu Wohnung, Essen, Heizung kann man auch darauf verzichten. Und für den, der nicht verzichten will, gibt es andere Wege, an diese Musik zu kommen. Einen ganz interessanten, über den ausgerechnet Scherben-Fans viel zu wenig nachdenken, hat die Band gleich auf der ersten Seite von „Guten Morgen“, ihrem ersten Songbuch, beschrieben:

    „Was wir gemacht haben, kann jeder…“ :gitarre:

    Die Behauptung, das wäre was Einmaliges, Rio ein Genie, stellen vor allem die auf, die gleich im Anschluss ihren Bauchladen mit den Sonderangeboten aufmachen. Denn was du nicht selber kannst, musst du kaufen. Bei ihnen.

    --

    #345445  | PERMALINK

    dock

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 4,485

    das ist leider wirklich so und das nervt gewaltig. aber als fan befindet man sich auch in einem zwiespalt. einerseits genieße ich die wiederveröffentlichungen, die ich (sogar die hörspiele) allesamt gekauft habe – andererseits muss man, wie du richtig sagst, der profitgier hier aus ganzem herzen eine absage erteilen, weil das (und das ist zwar anmaßend, weil ich rio reiser nur einmal nach einer lesung kurz und völlig befangen gesprochen habe) niemals in seinem sinne gewesen wäre! :twisted:

    Lieber Birdseye

    Auch wenn due die Platten mit Zwiespalt kaufst – die Verkäufer interessiert das nicht die Bohne. Solange du kaufst, fühlen die sich bestätigt. Du bist nur ein Zahlungseingang. Auf dem Kassenbon steht nicht „hat nur mit Bauchgrimmen bezahlt“. Wer immer du bist und was immer du denkst verschwindet spurlos in der Geldform. Es ist ein Tausch Geld gegen Ware. Dass das Geld einem Menschen aus Fleisch und :sauf: gehört, interessiert nicht. Erst wenn du aufhörst zu kaufen, wirst du für den Verkäufer zur Person. Dann mu0 er nämlich nachdenken, was er falsch gemacht hat.

    Auf die Gefahr, ein paar Buh-Rufe zu ernten: es geht auch ohne diese Platten. Im Gegensatz zu Wohnung, Essen, Heizung kann man auch darauf verzichten. Und für den, der nicht verzichten will, gibt es andere Wege, an diese Musik zu kommen. Einen ganz interessanten, über den ausgerechnet Scherben-Fans viel zu wenig nachdenken, hat die Band gleich auf der ersten Seite von „Guten Morgen“, ihrem ersten Songbuch, beschrieben:

    „Was wir gemacht haben, kann jeder…“ :gitarre:

    Die Behauptung, das wäre was Einmaliges, Rio ein Genie, stellen vor allem die auf, die gleich im Anschluss ihren Bauchladen mit den Sonderangeboten aufmachen. Denn was du nicht selber kannst, musst du kaufen. Bei ihnen.

    @ Gene K.

    was der Verein da treibt kotzt mich auch gewaltig an ! andererseits habe ich definitiv noch NIE CD’s gesehen die so liebevoll aufgemacht sind wie die aus seinem Nachlaß !! :sauf:

    --

    #345447  | PERMALINK

    gene-k

    Registriert seit: 16.09.2003

    Beiträge: 24


    was der Verein da treibt kotzt mich auch gewaltig an ! andererseits habe ich definitiv noch NIE CD’s gesehen die so liebevoll aufgemacht sind wie die aus seinem Nachlaß !! :sauf:

    Leider hat auch die liebevolle Aufmachung der CDs des Rio-Archivs einen unangenehmen Subtext. In dem man Rios Leistung von der Band abtrennt, verschafft man sich die Alleinherrschaft über ökonomische Verwertung und politische Deutung. Geniekult ist ein Produkt des 19.Jahrhunderts, bei dem es um die Etablierung kapitalistischer Eigentumsformen in Kunst und Wissenschaft ging – um den Begriff des „geistigen Eigentums“ . Mit allem, was am Eigentum dranhängt, dem Erbrecht z.B. Das Genie wird nicht aus Liebe konstruiert. Wenn auf den „ am Piano“-CDs Rio allein (verstimmt auf einem betrunkenen Klavier) noch einmal die Scherben-Lieder intonert soll uns das zeigen, dass er die Band eigentlich nicht gebraucht hätte. Und wenn alles seins war – dann gehört es jetzt seinen Erben…

    Rios größte Fähigkeit war das Zuhören. Ohne die Band und die Leute drum herum hätte er nicht viel zum zuhören gehabt. Als um ihn herum nur noch Scheiße passierte (in die er sich selber hineinmanövriert hatte), kam nur noch der „Manager“ bei raus. Vieles von dem, was heute Rio zugeschrieben wird, war zu einem erheblichen Prozentsatz eine Kollektivleistung (so ziemlich alle Songs seiner Solo-Zeit, die einigermaßen erfolgreich waren). Als Peter Möbius die erste Piano-CD vorstellte, schaffte er es in seiner 20-minütigen Laudatio den Namen der Scherben :band: nicht ein einziges mal zu erwähnen (dabei spielt Rio nicht einmal überall das Klavier). Und manches ist einfach nur Legende :schnarch: (erste Rockband mit deutschen Texten, erste Band, die ihre Platten selber produzierte, Rios heroisches Abarbeiten der Scherben-Schulden).

    Und eine „liebevolle Aufmachung“ (Aufmachung bedeutet ja unter anderem, etwas verschönern, was im Alltag gar nicht so hell glänzt) ist das Mindeste, was du für dein Geld erwarten kannst. Rio-Records machen schließlich keinen schlechten Schnitt. Das ist Archivmaterial, dessen Produktion sie so gut wie keinen Pfennig kostet. Und leider muss man mit der liebevollen Verpackung auch noch deren fragwürdige Liner-Notes mitkaufen, die ausschließlich dem oben beschriebenen Zweck dienen (weswegen ich deine Einschätzung nicht teilen kann).

    „Macht kaputt was euch kaputt macht“ für einen tollen Song halten und stundenlang über die offensichtlichen und verborgenen Bedeutungen nachdenken, kannst du auch ohne Rio-Kult, Rio-T-shirt und Rio-Bettwäsche. Dafür musst du nicht einmal wissen, von wem das Lied ist (in diesem Fall übrigends nicht von Rio). Nicht das Rios Lebensgeschichte uninteressant oder unwichtig wäre. Beim Rio-Archiv und ihren Veröffentlichungen wirst du darüber aber nichts erfahren. Auf keinen Fall die Wahrheit.

    --

    #345449  | PERMALINK

    gene-k

    Registriert seit: 16.09.2003

    Beiträge: 24

    aus der TAZ vom 4.11.

    Hohn, Feinde, Schergen

    Die Erinnerung liegt in Trümmern, und jeder nimmt sich, was zu passen scheint. Mit einer Sammlung von zweifelhaften Rio-Reiser-Coverversionen versucht die Tributplatte „Familienalbum“, den Ton-Steine-Scherben-Sänger nachträglich zur Vaterfigur einer großen deutschen Popfamilie zu machen

    von Jörg Sundermeier

    Nichts ist, wie es bleibt. Diese Einsicht fällt Linken oft schwer. Konservativen dagegen erschließt sich dieser Satz erst gar nicht, denn einem Konservativen erscheinen Geschichtsverläufe als quasinatürlich, sodass Werte unverändert tradiert werden können. Linke hingegen versuchen eigentlich, gegen die Geschichte aufzustehen, was heißt: Sie halten die Welt für veränderbar. Doch sie lieben Ikonen. Daher ist eines der großen Probleme der Linken: ihre Toten. Ob Parteivorsitzender oder kleiner Arbeiterfürst – sind sie tot, ist ihr Erbe zur mutwilligen Interpretation freigegeben.

    Auch Rio Reiser, der einstige Ton-Steine-Scherben-Sänger, soll, seit er tot ist, von seiner Familie und anderen Figuren aus dem Scherben-Umfeld zu einer nationalen Rock-Pop-Ikone stilisiert werden. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Reiser, ein guter Sänger und Texter, hat leider nur selten gegen den Produktionsstandart ankämpfen können, der in deutschen Tonstudios gepflegt wurde. Durch das Eindrängen der Reiserschen Texte und des trockenen, leicht rauchigen Gesangs in einen unsouveränen, gleichmacherischen Sound, gegen den selbst eine gute Komposition kaum ankommt, wurde Reiser nie zu einer Art Fassbinder, also zu einem Star, der das allgemeine deutsche Aufbegehren gegen Starfiguren ignoriert und sich seine Eigenheiten bewahrt hat. Reiser wurde zu einem Volksbarde, sei es nun mit der x-ten Wiederholung von „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ oder aber dem billigen Song „König von Deutschland“, auf dessen verdruckste Ich-Anmaßungen sich eine breite Hörerschaft einigen konnte. Anders allerdings als die ehemalige Scherben-Managerin Claudia Roth gab sich Reiser nicht plötzlich der Macht hin, sondern suchte Widerstand, wenn auch nur im Kleinen. Wenn sich Claudia Roth heute gern an Reiser erinnert, erinnert sie sich an den Mann, der zuletzt nicht für sie und die Ihren, sondern für die PDS auftrat. Jetzt aber, da Reiser tot ist, reklamiert ihn Roth wieder für sich.

    Ähnlich hält es die Familie des Toten. Sie unterstützte die Auslobung eines Rio-Reiser-Songpreises, der vor zwei Jahren Teilnehmern das Thema „Heimat“ vorgab. Im Pressetext hieß es damals: „Wie sollte man authentisch sein Lebensgefühl in einem Song ausdrücken, wenn man nicht ehrlich sagt, was einen bewegt, wie sollte man Lieder machen, die ,zu Herzen‘ gehen oder sich selbst und andere auf die Straße treiben, wenn man nicht davon singt, wie man sich zu Hause fühlt – in seiner Heimat, die man liebt oder die man hasst, nach der man sich sehnt oder die man nie wieder sehen will?“ Die Familie wolle „die gesamte Scherben-Geschichte in eine Familiensaga umbauen“, mutmaßt Wolfgang Seidel, Mitbegründer und ehemaliger Drummer der Scherben. „Heute wird sehr viel über die Person Rio Reiser geredet, aber wenig über das, was in den Scherben sonst noch drin war. Erstaunlich wenig wird vom Rio-Reiser-Archiv, das stolz darauf ist, jeden von Rio beschriebenen Zettel zu horten, über die Inhalte der Lieder geredet.“

    Dementsprechend kommt nun eine Compilation auf den Markt, die die Plattenfirma als „Das Tribute Album des Jahres“ bewirbt und auf welcher eine illustre Künstlerschar Reiser-Songs covert. Nicht nur Reiser zu Lebzeiten nicht verbundene Leute wie Nena oder die Fehlfarben sind dabei, nein, auch Fettes Brot und die Bands Paula, Wir sind Helden oder Die Sterne mischen mit. Xavier Naidoo und seine Band Die Söhne Mannheims geben dem Song „Mein Name ist Mensch“ einen quasireligiösen Anstrich, und Ferris MC erlaubt es sich, den „König von Deutschland“ nicht nur in Hinblick auf Schröder, Bush jr. oder Oli P. zu „aktualisieren“, nein, er betont auch, dass er sich als König von Deutschland die Liebe von zweihundert Frauen wünsche. Das dürfte ganz in Reisers Sinne sein. Joachim Witt macht aus „Wo sind wir jetzt“ einen Nationalrock-Stampfer.

    Einzig Marianne Rosenberg singt mit einigem Recht den Song „Für immer und dich“, den ihr Reiser seinerzeit anbot, den sie jedoch ablehnte, weil er ihr damals „zu sentimental“ war.

    Bis auf diese Interpretation scheint das Album nur einen Sinn zu haben: das, wofür die Scherben einst standen, die Idee des „Was wir gemacht haben, kann jeder machen“ zugunsten eines Starkultes aufzugeben und Rio Reiser zur Vaterfigur einer national gedachten großen deutschen Popfamilie zu stilisieren. Anders lässt sich der Titel des Albums und die Zusammenstellung der Künstler nicht verstehen.

    Reiser ist jetzt ein deutscher Star. Dieser Rio Reiser hat mit dem, der lebte, nur noch wenig zu tun.
    V. A.: „Rio Reiser: Familienalbum – Eine Hommage“ (Safety Records/Edel)

    taz Nr. 7199 vom 4.11.2003, Seite 18, 160 Kommentar Jörg Sundermeier, Rezension * in taz-Bremen, -Hamburg, -Frankfurt: S.16

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    #345451  | PERMALINK

    mitchryder

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 25,961

    Nicht nur das es traurig macht, es macht auch wütend.

    Umso besser, daß einige Artikel Stellung beziehen, wie hier Sundermeier. Leider werden selbst diese Artikel nichts daran ändern, was aus Rio´s Erbe wurde.

    :sauf:

    --

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