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was der Verein da treibt kotzt mich auch gewaltig an ! andererseits habe ich definitiv noch NIE CD’s gesehen die so liebevoll aufgemacht sind wie die aus seinem Nachlaß !! :sauf:
Leider hat auch die liebevolle Aufmachung der CDs des Rio-Archivs einen unangenehmen Subtext. In dem man Rios Leistung von der Band abtrennt, verschafft man sich die Alleinherrschaft über ökonomische Verwertung und politische Deutung. Geniekult ist ein Produkt des 19.Jahrhunderts, bei dem es um die Etablierung kapitalistischer Eigentumsformen in Kunst und Wissenschaft ging – um den Begriff des „geistigen Eigentums“ . Mit allem, was am Eigentum dranhängt, dem Erbrecht z.B. Das Genie wird nicht aus Liebe konstruiert. Wenn auf den „ am Piano“-CDs Rio allein (verstimmt auf einem betrunkenen Klavier) noch einmal die Scherben-Lieder intonert soll uns das zeigen, dass er die Band eigentlich nicht gebraucht hätte. Und wenn alles seins war – dann gehört es jetzt seinen Erben…
Rios größte Fähigkeit war das Zuhören. Ohne die Band und die Leute drum herum hätte er nicht viel zum zuhören gehabt. Als um ihn herum nur noch Scheiße passierte (in die er sich selber hineinmanövriert hatte), kam nur noch der „Manager“ bei raus. Vieles von dem, was heute Rio zugeschrieben wird, war zu einem erheblichen Prozentsatz eine Kollektivleistung (so ziemlich alle Songs seiner Solo-Zeit, die einigermaßen erfolgreich waren). Als Peter Möbius die erste Piano-CD vorstellte, schaffte er es in seiner 20-minütigen Laudatio den Namen der Scherben :band: nicht ein einziges mal zu erwähnen (dabei spielt Rio nicht einmal überall das Klavier). Und manches ist einfach nur Legende :schnarch: (erste Rockband mit deutschen Texten, erste Band, die ihre Platten selber produzierte, Rios heroisches Abarbeiten der Scherben-Schulden).
Und eine „liebevolle Aufmachung“ (Aufmachung bedeutet ja unter anderem, etwas verschönern, was im Alltag gar nicht so hell glänzt) ist das Mindeste, was du für dein Geld erwarten kannst. Rio-Records machen schließlich keinen schlechten Schnitt. Das ist Archivmaterial, dessen Produktion sie so gut wie keinen Pfennig kostet. Und leider muss man mit der liebevollen Verpackung auch noch deren fragwürdige Liner-Notes mitkaufen, die ausschließlich dem oben beschriebenen Zweck dienen (weswegen ich deine Einschätzung nicht teilen kann).
„Macht kaputt was euch kaputt macht“ für einen tollen Song halten und stundenlang über die offensichtlichen und verborgenen Bedeutungen nachdenken, kannst du auch ohne Rio-Kult, Rio-T-shirt und Rio-Bettwäsche. Dafür musst du nicht einmal wissen, von wem das Lied ist (in diesem Fall übrigends nicht von Rio). Nicht das Rios Lebensgeschichte uninteressant oder unwichtig wäre. Beim Rio-Archiv und ihren Veröffentlichungen wirst du darüber aber nichts erfahren. Auf keinen Fall die Wahrheit.
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