Ornette Coleman

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    gypsy-tail-wind
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    In All Languages heisst das nächste Album, anscheinend im Februar 1987 in New York aufgenommen und im selben Jahr bei Caravan of Dreams Production als Doppel-LP und CD erschienen (später von Harmolodic/Verve wieder auf CD herausgebracht, und die Ausgabe von 1997 habe ich schon sehr lange). Der Titel gibt schon einen Hinweis: Hier spricht Ornette die Sprache seines klassischen Quartetts ebenso wie jene von Prime Time – und diverse Stücke gibt es in Versionen beider Bands zu hören (sieben, wenn ich richtig gucke? Im Booklet der CD von 1997 steht acht, aber „Africa Is the Mirror of All Colors“, „Word for Bird“ und „Sound Manual“ gibt es nur vom Quartett, von Prime Time dann sechs exklusive Stücke – hab das jetzt dreimal geprüft, weil im Booklet von acht, zwei und fünf die Rede ist … keine Ahnung, vielleicht ist noch eins dasselbe Stück aber mit zwei Namen?). Das ganze ist wieder super kompakt, 23 Stücke in ca. 70 Minuten, also keine langen Ausflüge, erst recht nit bei Prime Time, von denen 13 der Stücke stammen. Zuerst ist das wiedervereinte Quartett dran, und da gibt es schon im zweiten Stück eine Überraschung, denn der grösste nicht-singenden Bluessänger aus Texas hat wieder einmal sein Tenorsaxophon dabei (dafür keine Trompete und Violine). Don Cherry, Charlie und Billy Higgins sind dabei – und spielen mit Coleman Musik nach dem harmolodischen Konzept … auch wenn sich das etwas relativiert, denn die Rollenverteilung ist klarer, Haden und Higgins keine routinierten Dauersolierer wie die Kollegen in der zweiten Albumhälfte, in der weiterhin die siebenköpfige Besetzung zu hören ist: Coleman (sax, t), Ellerbee und Nix (g), Tacuma und MacDowell (b), Weston und Denardo (d). Beim Quartett sit in „Space Church (Continuous Services)“ noch etwas mit dem Sound getüftelt: Hall, seltsame Post-Productions-Verzerrungen/Tonhöhenverschiebungen, Extra-Percussion. Als Produzent agiert Denardo Coleman und es würde mich nicht wundern, wenn diese Beigaben seine wären. Gary Lambert, der für die Ausgabe von 1997 Liner Notes schrieb, meint, das Ergebnis sei „the fulfillment of Ornette’s oft-stated wish to ‚remove the caste system from sound.'“

    Im Quartett funktioniert die alte Magie noch immer ziemlich gut. Coleman und Cherry gehen sich solistisch die meiste Zeit aus dem Weg, das klingt oft gar nicht so weit weg von den alten Aufnahmen – ausser von den Feinheiten, dem Umgang mit Melodien und tonalen Zentren: die Stücke scheinen tatsächlich alle neu zu sein, jedenfalls sind keine früheren Aufnahmen davon zu finden. Das klingt anders, aber der verspielte Charme, der endlose Flow von melodischen Ideen, der Einbau von kleinen Figuren auch rhythmischer Art, das alles ist von den frühen Aufnahmen her bekannt. Und bei Prime Time ja auch eingeflossen, auch wenn es dort auf andere Instrumente übertragen wurde und sich dabei auch gewandelt hat. Es gibt auch einen karibischen Groove („Latin Genetics“) und im Titelstück „In All Languages“ übernimmt Haden am gestrichenen Bass tatsächlich fast eine zweite Stimme (Cherry spielt hier nur im Thema am Anfang und am Ende mit, Higgins punktiert ein wenig an den Becken und manchmal der Snare).

    Der Bruch am Übergang zu Prime Time ist heftig – und mit den hier ebenfalls beigemischten Effekten (kreischende E-Drums, überhaupt immer prominentere E-Drums) klingt das ein wenig nach „Rockit“ oder sowas … und ganz ehrlich: ist die Quartett-Reunion nicht vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass das Prime Time Konzept inzwischen irgendwie ausgeschöpft ist? Jedenfalls wirkt der Opener „Music News“ eher kopflos chaotisch als faszinierend dicht, auch wenn die alle ihr Ding durchziehen – so gut sind sie natürlich, dass sie das stets hinkriegen, und irgendwie ergibt sich dann auch eine Art Groove, doch kaum ist der erreicht, sind die drei Minuten um und es folgt das nächste, wenige Minuten davor im Quartett gehörte „Mothers of the Veil“, auch hier irgendwie lyrisch, aber verschroben, mit ständigen Störmanövern aus allen Richtungen – und Ornette auch an der Trompete. Nach ein paar Minuten Eingewöhnung finde ich das dann doch wieder ziemlich faszinierend, wie Tacuma immer wieder zur zweiten Stimme wird, die Gitarren ihre Melodiefetzen und Akkord-Kürzel spielen, die stapfenden Grooves unerbittlich schreiten. Die ruhigeren Momente gibt es hier auch mehrfach wieder, in „Today, Yesterday and Tomorrow“ etwa, da schwebt Colemans Sax fast elegisch über der Band, zitiert nur um Haaresbreite keine Phrase aus „Cheek to Cheek“ (bei 1:22) und klingt überhaupt als würde er über Changes spielen). Ich kann mich hier also immer noch an diversen Orten festhören, finde es durchaus faszinierend – aber kriege auch ein wenig den Eindruck, dass ich das alles schon mal gehört habe – bis auf die Pop-Anbiederungen, die mich an Ornettes „You’re Under Arrest“ denken lassen, was jetzt erstmal wertfrei gemeint ist … ich hab die CD zwar schon eine gefühlte Ewigkeit (wie „Body Meta“), aber irgendwie fand ich früher selbst zur ersten Hälfte keinen richtigen Zugang und heute finde ich sie unter dem die letzten Tage gehörten eher im hinteren Bereich.

    Mit dem nächsten Album, Virgin Beauty von 1988, findet Coleman sich auf Portrait wieder, einem 1976 gestarteten CBS-Sublabel, neben Cindy Lauper oder Sade. Das Label wurde 1988 neu ausgerichtet, neben Reissues von alten Epic-Alben (Phil Woods, Horace Silver), Compilations aus dem Backkatalog (Earl Hines, Duke Ellington, Red Norvo, Louis Armstrong) gab es auch andere neue Produktion von Jazzmusikern (Michel Camilo, Stanley Clarke … oder „Ming’s Samba“ von David Murray). Das Cover suggeriert Afrika – die Musik tendiert aber weiter in Richtung 80er-Synthetik, bei Denardo steht inzwischen „drums, keyboards and percussion“. Die Band hat sich leicht verändert, Ellerbee, Nix, MacDowell und Weston sind immer noch dabei, aber Chris Walker ist inzwischen der zweite Mann am Bass und auf drei Stücken verstärkt Jerry Garcia die Gitarrencrew, dem Opener „3 Wishes“, und den in der Mitte des Albums liegenden „Singing in the Shower“ und „Desert Players“ (er spielt wohl die solistischen Passagen hier, aber so bemerkenswert sind die nicht). Die Tendenz zum Pop zeigt sich auch darin, dass es hier mehr ausgearbeitete Grooves gibt – zwar immer noch mit viel Freiräumen, aber im Vergleich mit der Musik von 10-15 Jahren zuvor wirkt das schon ziemlich anders. Die Stücke sind auch hier wieder kurz, es gibt elf in einer Dreiviertelstunde, alles komponiert und arrangiert von Ornette Coleman. Er rifft immer wieder mit der Band mit – das Konzept ist nicht, ihm über den Riffs mehr Freiräume zu verleihen, sondern da hat sich insgesamt etwas verschoben. Es gibt auch hier wieder neue Sounds, etwa den Mix aus Kwela und Zydeco in „Happy Hour“ (hat jemand „Graceland“ gehört?) mit einem sehr wendigen E-Bass (Chris Walker? Das wäre früher Tacumas Part gewesen). Das Titelstück klingt dann wie eine halbwegs durcharrangierte Ballade – Colemans Sax im Ton weniger voll, etwas schattenhaft – fast ein wenig an die kühlen Sounds von Lee Konitz oder Paul Desmond erinnernd. Da mögen Details im Begleitteppich noch harmolodisch sein, aber als Ganzes geht das ganz woanders hin (und Overdubs gibt’s auch – oder kommt die Violine aus Denardos Keyboards?) – das ist irgendwie surreal, kriegt von den Gitarren einen leichten Hawaii-Touch … völlig irre! In „Healing the Feeling“ geht es ähnlich weiter, einfach über einen satten, sehr entspannten Groove mit Rhythmusgitarren und hintenraus einer immer aktiver werdenden zweiten Solo-Stimme wieder am E-Bass. Nach den Ermüdungserscheinungen vom Vorjahr scheint Coleman sich hier tatsächlich nochmal neu zu erfinden – das ist spannend, oft super schön („Desert Players“, das letzte Stück mit Garcia, ist wieder so ein Heuler) – und trotz der poppigen Settings ist der im Jazz so zentrale Cry in Colemans Saxophon so präsent wie zuvor länger nicht mehr. In „Honeymooners“ gibt es einen schönen Dialog der beiden Bässe – aber ich habe keine Ahnung, wer den höheren, agileren spielt … kenne beide Bassisten nur aus dieser Band. Kann da jemand helfen? Kurz vor dem Ende kommt mit „Spelling the Alphabet“ nochmal Schwung auf – aber auch der Closer „Unknown Artist“ ist wieder eine Art Ballade … und so ist Colemans Portait-Pop-Album auch eine Art Balladenalbum – tatsächlich oft bezaubernd.

    https://www.bilibili.com/video/BV13z4y1V7NZ/

    Am 6. Juli 1988 traten Ornette Coleman und Primetime mit dem Gast Pat Metheny beim Festival International de Jazz de Montréal im Théâtre St-Denis auf. Es gibt davon wenigstens drei Video- und eine Audio-Version und YT, die beiden längsten (einmal Video und einmal Audio) um die 58 Minuten – aber die beste scheint die oben verlinkte zu sein, die auf der chinesischen Seite Bilibili zu finden ist und von einem auf YT auch zu findenden Mitschnitt vom Polnischen Fernsehen stammt (der Stream wird bei mir alle 10 oder 15 Minuten durch ein QR-Code-Popup unterbrochen). Die Band hat sich inzwischen nochmal verändert: Ornette Coleman (as, t, v), Ken Wessel und Chris Rosenberg (g), Al MacDowell und Chris Walker (b), Denardo Coleman (d), Badal Roy (tabla) – und eben als Gast Pat Metheny (g). Walker ist wohl der Bassist im grünen Glitzeranzug mit linkshändigem Bass, Wessel der Gitarrist mit beigen Jackett und der schwarz-weissen (Fender?-) und akustischer Gitarre (beide links von Coleman, entsprechend MacDowell und Rosenberg rechts). Hier ist das Konzept, dass alle ständig solieren, wieder umgesetzt, es entstehen sehr dickte Geflechte und durch die teils stark verfremdeten Gitarren, die E-Drums und die Tabla eine breite Palette an Sounds. Auch der Funk ist zurück, die neue Pop-Sensibilität bleibt allerdings, die karibischen Rhythmen auch … die neuen Öffnungen von „Virgin Beauty“ finden also quasi Eingang ins längst bewährte Primetime-Konzept. Nach 35 Minuten taucht Pat Metheny auf – die beiden Gitarristen haben nur noch Augen für ihn, es gibt einen Rumpel-Polka-Groove, in den Metheny mit Störmanövern einsteigt (direkt aus dem Stimmen heraus?) und nach Colemans Solo dreht er frei, bis die Band zu spielen aufhört. Auch als die anderen wieder einsteigen, bleibt das eine Art Speed-Wettbewerb, Metheny grinst, Coleman verzieht keine Miene, scheint dann aber zu lächeln, als das Stück zu Ende ist. Einige Minuten später Schlussapplaus mit Metheny, der dann für die Zugabe „School Work“ auch wieder auf die Bühne kommt – und hier zeigt, wie er sich Coleman als ebenbürtiger Solist zur Seite stellen kann … was ja dank „Song X“ eh bekannt ist. Durch Metheny wird das Geflecht noch dichter als eh schon – und wenn er zu solieren anfängt (und Denardo wieder diesen Rumpel Zweiter-Beat anschlägt) wird es ziemlich schräg, gibt ordentlich Reibungen mit den anderen Gitarren. Doch hintenraus wird das etwas zum gar lärmigen Live-Jam.

    Einen Monat früher schon trat die Band im Ost-Berliner Friedrichstadtpalast auf, Prime Time – Jazzbühne Berlin ’88 ist bei Repertoire erschienen, steht aber freundlicherweise auch in der Tube. Ob das angegebenen Line-Up (Coleman, Ellerbee, Nix, McDowell, Walker [„Wilker“ geschrieben], Weston, Coleman) wohl korrekt ist? Ich gehe nicht davon aus, zumal schon in den ersten Sekunden Tabla zu hören sind … denke also eher, dass hier schon dieselbe Band wie in Montréal zu hören ist (am 2. September spielte sie dann in Willisau und davor war das Intergalactic Maiden Ballet zu hören, das ich drüben bei Enja neulich wiederentdeckt hatte). Ich glaub ohne den Stargast – und auch ohne Bild – gefällt mir das am Ende besser. Aber der Sound ist auch besser, im Gegensatz zu Montréal bilde ich mir ein, stets alle Instrumente zu hören … und werde auf Kleinigkeiten wie den sehr toll verschleppten Beat von Denardo am Anfang von „Realing the Feeling“ (ein Fantasietitel mit Schreibfehler?) aufmerksam.

    Auf dem Foto im CD-Booklet sind die neuen Gitarristen und Badal Roy zu sehen – alle mit falschen Namen angeschrieben:

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #12344609  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Noch ein Nachtrag zu 1987 – weil ich grad in meiner 90er-Strecke (ist ja eh ein Monolog, drum nur noch ein Monsterpost, dann bin ich fertig, morgen muss ich auch wieder zur Arbeit) drüber gestolpert bin:

    Prime Time am 26. März 1987 im Kölner Stadtgarten, via Crownpropeller:

    Ornette Coleman (as, t, v), Bern Nix & Charles Ellerbee (g), Jamaladeen Tacuma & Al MacDowell (elb), Calvin Weston & Denardo Coleman (d)

    Teil 1: „In All Languages“ und „Song X“:

    Teil 2: „Story Tellers“, „Latin Genetics“, „Mothers of the Veil“ und „Dancing in Your Head“:

    Teil 3: Interview mit Ornette & Denardo, danach „Space Church“:

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    #12344613  | PERMALINK

    wahr

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    Wahnsinn, gypsy, was du in drei Tagen schaffst, schaff ich noch nicht mal in dreihundertfünfundsechzig. Riesenrespekt!

    #12344623  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    wahr
    Wahnsinn, gypsy, was du in drei Tagen schaffst, schaff ich noch nicht mal in dreihundertfünfundsechzig. Riesenrespekt!

    Ich bin ja bis heute krankgeschrieben und muss was tun, um nicht irre zu werden, lesen geht irgendwie nicht und Fernsehen mag ich meist nur abends, sonst nerv ich mich über mich selbst (zu unproduktiv und so) … ob’s morgen bei der Arbeit gehen wird, kann ich noch nicht sagen, aber ich bin dennoch froh, mal wieder richtig raus zu müssen, nicht nur zum Einkauf, zum Spaziergang oder zur seeeeehr gemütlichen Fahrradtour.

    Ich hab Prime Time noch nie annähernd so intensiv gehört und finde das gerade wirklich irre toll!

    EDIT: noch ein kleiner, nicht sonderlich beachtenswerter Nachtrag: Ornette Coleman 1989 als Gast bei Al MacDowell, „Come See Tomorrow“ (vom Album „Time Peace“, Grammavision, 1990): Ornette Coleman (as), Jack O’Neil (ts, ss), Bernard Wright (keys), Jeff Ciampa (g), Al MacDowell (elb, keys, drum programming), Lizette (voc):

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    #12344629  | PERMALINK

    kurganrs

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    wahr Wahnsinn, gypsy, was du in drei Tagen schaffst, schaff ich noch nicht mal in dreihundertfünfundsechzig. Riesenrespekt!

    Respekt auch meinerseits!  :bye:

    #12344735  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    In den Neunzigern wurde es keineswegs stiller um Coleman – aber Aufnahmen gab es nur wenige. 1996/97 überraschte er mit neuen Alben ohne elektrische Instrumenten: die zwei Sound Museum-Alben mit Geri Allen, der Duo-Mitschnitt mit Joachim Kühn … und danach wurde es auf Platte endgültig still, bis 2006 noch „Sound Grammar“ folgte (und 2014 „New Vocabulary“, was vermutlich als Bootleg zu betrachten ist). Doch bis zu den neuen akustischen Platten gab’s noch zwei andere: einen Film-Soundtrack und ein letztes Prime Time-Album. Der Filmsoundtrack gehört zu David Cronenenbergs Naked Lunch (1991, Trailer) und präsentiert Ornette als einsamen Saxophonspieler vor einem 77köpfigen Orchester, komponiert und dirigiert von Howard Shore. Da sind auch elektronische Klänge drin, es gibt Passagen, die wie diegetische Filmmusik klingen (in der längeren „Interzone Suite“ etwa, die ein wenig an Pierre Henry erinnert). Auch eingebettet ist Monks Stück „Misterioso“, das im Klavier hinter Shores „Simpatico“ als eine Art Quodlibet auftaucht. Von Ornette sind die Stücke „Bugpowder“, „Intersong“, „Ballad/Joan“, „Midnight Sunrise“ und „Writeman“ Teil des Soundtrackalbums. „The compact disc of the soundtrack has another form that allows the listener to experience a record format as if it could appear in that form with the dialogue“, schreibt Coleman in seinen Liner Notes. Er interpretiert den ganzen Film als „harmolodic“, „meaning all parts are equal. Its score and script are harmolodic. The actor’s sound, scenes, dialogue, objects and colors have equal relation to the art of NAKED LUNCH.“ Aufgenommen wurde die Musik an vier Augusttagen (1991 nehme ich an, die Angabe fehlt) mit dem London Philharmonic Orchestra in den CTS Studios in London. Neben Ornette, wirken auch Denardo (d), Barre Phillips (b), J J Edwards (sintir), Aziz Bin Salem (nai) sowie David Hartley (p auf „Misterioso“) mit. Erschienen ist das Album bei Milan, einem Label, das ich eigentlich nur kenne, weil es ab Mitte der Achtziger die Musik Astor Piazzollas veröffentlicht hat. Ornettes Spiel klingt manchmal wieder so zart wie bei den coolen Altsaxern der Fünfziger, er hat einen tollen Ton … und manches klingt fast klassisch, aber er rifft auch, lässt seinen Ideen freien Lauf. Das ganze bleibt Stückwerk, wofür die 48 Minuten dann doch etwas viel sind, aber es gibt echt viele schöne Sachen zu hören hier. Ganz toll sind Colemans drei längere Stücke im Trio mit Phillips/Denardo. Es gibt zart singendes Saxophon im „Intersong“ ein Quasi-Duo mit Phillips, Denarde Coleman nur leise an Trommeln punktiert. Ähnlich ist „Ballad/Joan“ angelegt, eine Rubato-Ballade mit gestrichenem Bass, Denardo wieder nur an den Trommeln. Im Closer „Writeman“ legt dann Denardo mit einem dichten Beat los, bevor Coleman und Phillips einsteigen.

    https://youtu.be/hcXJDkpk_gw

    Das ist ein kurzer Ausschnitt von einem unbekannten Auftritt – könnten Phillips/Denardo sein, aber leider steht da überhaupt nichts dazu und die Bildqualität ist sehr bescheiden. Das zu hörende Stück ist wohl wirklich „Naked Lunch“, das erste auf dem Album mit der Filmmusik. Das ist nur ein Fragment, aber es gibt auch den ganzen Soundtrack in der Tube.

    https://youtu.be/46aR6YabwxQ

    Live kann man Coleman auch in der Zeit etwas intensiver verfolgen – hier ist er mit Prime Time im Sommer 1991 beim Estival Jazz in Lugano, die Band wieder mit einer Veränderung: statt eines zweiten Bass ist neu Dave Bryant (p, keys) dabei. Zudem die bisherigen Ken Wessel und Chris Rosenberg (g), Al MacDowell (b), Denardo Coleman (d) und Badal Roy (tabla, perc). Das geht mit Roy solo los, dann stösst die Band dazu, einer nach dem anderen und mit namentlicher Vorstellung: Wessel, MacDowell, Bryant, Rosenberg, Denardo … ein ziemlich klassisches Warm-Up, das immer intensiver wird und den Teppich für den Boss ausrollt, der nach acht Minuten auf die Bühne kommt. Schön zu sehen bis dahin das jeweilige Equipment (die Gitarrensynthesizer-Einrichtung von Rosenberg, die elektronischen Pads von Denard, der Roland D-50 Synthesizer auf dem Flügel usw.). Ich hab mal die Setlist, die ich zu dem Mitschnitt habe, in den ersten Kommentar zu dem Video eingestellt (mein erster YT-Kommentar? Die Zeitangabe funktionieren nicht, die müssten ja additiv neu erstellt werden, dass daraus automatisch Links erstellt werden, sah ich erst, als es zu spät war). Musikalisch würde ich auch sagen, geht das etwas weg vom Funk und mehr zum Jazz zurück – was ja Ornettes Richtung war in den Neunzigern. Mittendrin (so um 33 Minuten herum) spielt Wessel einen Satz aus einer Cello-Suite von Bach, zunächst solo an der leider etwas hässlich klingenden eingesteckten akustischen Gitarre (Roy raschelt ein wenig und spielt später leise Tabla dazu), für den zweiten Teil stösst dann die ganze Band dazu und improvisiert, während Wessel weiter Bach spielt, was ziemlich irre Dissonanzen erzeugt. Das passt wohl zum Credo von Coleman: „remove the caste system from sound“. (Direkt danach gibt’s einen Schnitt und man sieht kurz die Adresse des Crownpropeller Blogs – die drei Einzelteile hatte ich auch gesehen, vermutlich hat sich beim oben verlinkten Post einfach wer die Mühe gemacht, sie zusammenzumontieren; bei Minute 44 gibt’s dann eine kurze Schweizerdeutsche Ansage und bei Minute 56 noch eine: La Scala in Mailand habe bei Ornette Coleman eine Oper bestellt, aber man sei sich noch nicht einig geworden, was das Libretto angehe … das ganze stammt vom Schweizer Fernsehen, das alte Logo kenn ich noch aus meiner Kindheit).

    Von den kommenden Jahren finde ich weniger – das erste oben ist nur ein tolles kurzes „Spelling the Alphabet“ mit Prime Time (Denardo im Blaumann).

    Das zweite kommt wohl vom selben Konzert in Tokyo, von dem schon das kurze „Naked Lunch“-Fragment weiter oben stammt: Interzone, Tokyo, 19. Juni 1992 – eine Playlist in acht Teilen… bei der mir unklar ist, was wir hier genau sehen und hören: am Anfang und später gelegentlich Orchester ab Konserve bzw. einfach Filmausscchnitte als Intermezzi mit Ton? Sonst stumme Filmausschnitte (und bunte bewegte Bilder mit abstrakten Farbstrukturen) auf den drei Leinwänden hinter der Band, die man im obigen Video sieht und die hier auch mal als Vollbid reingeschnitten werden? Eine Aufführung des ganzen Soundtracks (sicherlich nicht nur, da sind auch Ornette-Klassiker dabei, aber in Teil 5 – nach einem längeren Orchesterintermezzzo, das schon in Teil 4 beginnt, ist hinter – live – Ornette auch „Misterioso“ zu hören, vermutlich ab der Tonkonserve … hat man da echt eine Spur ohne Sax angefertigt, damit Coleman drüber live spielen kann … es bleibt rätselhaft)? Die Bildqualität ist so schlecht, dass das ziemlich psychedelisch aussieht, was alles andere als unpassend ist – zu hören ist jedenfalls ein Trio (as/b/d) und dann und wann Orchesterparts, zu sehen neben den Musikern Ausschnitte aus dem Film von Cronenberg. An den Übergängen ist entfernter Applaus zu hören. Der Kommentar via Google Translate: „Dies ist ein wertvolles Live-Video des mittlerweile legendären Ornette Coleman Trios im Shiodome Tokyo P/N. Ich lade dies zum Gedenken an Ornette hoch.“ (Shiodome ist ein Viertel Tokyos.)
    Das Foto, das ich bei Getty finde, scheint Barre Phillips zu bestätigen (ich bin schlecht im Erkennen von Menschen, drum vorsichtig formuliert). Und musikalisch finde ich Phillips vollkommen plausibel. Musikalisch ist das erste Klasse und schade, dass das nicht besser präsentiert werden kann (Teil 5 bricht z.B. unvermittelt mittendrin ab). Auch das eine Formation, von der bitte bitte unbedingt was veröffentlicht werden sollte. Vielleicht müsste Zev Feldman mal Denardo ein paar Gallonen Honig um den Mund schmieren? Oder jemand macht einfach mal einen sechsstelligen Betrag rüber – könnte ja ins Programm von Kamala Harris aufgenommen werden, wo inzwischen bekannt ist, dass die u.a. Mingus schätzt.

    1993 spielte Prime Time in Oakland als Opener für Grateful Dead, in „Three Wishes“ stiess Jerry Garcia als Gast dazu (wie schon auf „Virgin Beauty“). Leider gibt es hier nur Audio, die mögliche Line-Up-Veränderung wäre Brad Jones am zweiten Bass – Kontrabass, auch ein Schritt weiter auf dem Weg zurück zum „akustischen“ Jazz (ich setzte das in Anführungszeichen, weil alle Musik akustisch ist). Das ist offensichtlich aus dem Publikum aufgenommen (passierte bei den Dead ja ständig) – und macht Spass.

    Tone Dialing von 1995 ist das letzte Prime Time-Album. Das Label wird zwar weiterhin als Harmolodic angegeben, aber inzwischen ist auch das Verve-Logo zu sehen und Jean-Philippe Allard ist in der langen Dankesliste im Booklet der erste Name. Die Aufnahmen entstanden im Harmolodic Studio in Harlem, New York, anscheinend bereits im Januar und (oder: vom/bis?) Juni 1993. Die Band hat sich nur leicht verändert – sie ist jetzt, am Ende ihres Laufes von zwanzig Jahren, zum Oktett geworden, das Coleman zu Beginn vorgeschwebt war: Ornette Coleman (as, t, v), Dave Bryant (keys), Chris Rosenberg und Ken Wessel (g), Bradley Jones (b), Al McDowell (elb), Denardo Coleman (d, prog), Badal Roy (tabla, perc), sowie auf „Search for Life“, dem zweiten Stück, Chris Walker (b, keys), Avenda „Khadijan“ Ali und Moshe Naim (spoken words). Es gibt 16 Stücke in 66 Minuten, darunter auch wieder die „Bach Prelude“, zu der hier vermerkt ist, dass das Arrangement von Coleman stammt, das Gedicht in „Search for Life“ stammt von Ornette und Ali. Produziert hat Denardo, Gregg Mann agierte wieder als Tonmeister und hat bei „Search“ noch „additional production“ beigesteuert.

    Schon im Opener ist der bewegliche Kontrabass von Brad Jones eine starke Präsenz. Das Soundgefüge ändert sich also wieder ein wenig (Bryant finde ich übrigens nicht so ansprechend … dass Coleman sich fürs nächste grosse Projekte Geri Allen holte – und auch auf einem ihrer Blue Note-Alben vorbeischaute – kann ich schon sehr gut nachvollziehen). Mein Eindruck ist hier, dass im Studio wieder die Pop-Schiene obsiegt. Das macht Spass, klingt leichtfüssig, nach dem Rap-Poem an zweiter Stelle folgt mit „Guadalupe“ eine charmante Nummer, in denen die Tabla aus ihrer Haut schlüpfen, um den karibischen Beat zu unterstützen, den auch die Gitarren weben, eine mit semi-akustische mit Akkorden, eine elektrische mit schlängelnden Melodielinien. Dann folgt Bach, dieses Mal mit aktiveren Drums und von einer elektrischen Gitarre gespielt. Dicht wird das auch hier immer mal wieder, aber es bleibt leicht und durchhörbar – und irgendwie auch etwas leichtgewichtig, mag mich jedenfalls selten zu packen. Vielleicht ist das Konzept bzw. seine Umsetzung mit dieser Band inzwischen halt doch etwas ausgeschöpft?

    Coda:




    Als Coda hier ein paar weitere Links zu Mitschnitten von Coleman zurück bei der „akustischen“ Musik, aber mit einem letzten Auftritt mit Prime Time aus dem Jahr, in dem „Tone Dialing“ erschien … kann das teils einsortieren – alle nur Audio:
    – mit Don Cherry, Charnett Moffett, Denardo Coleman beim Jazz Jamboree im Warschau, 23. Oktober 1993
    – mit Geri Allen, Moffett und Denardo beim Jazz à Vienne in Frankreich, 17. Juli 1994
    – vermutlich auch Allen, Moffett und Denardo, unbekannter Ort, 1994
    – Teil 1: Allen, Moffett und Denardo / Teil 2: Prime Time, unbekannter Ort, 1995

    Und zuletzt noch der Hinweis auf ein weiters Album, das ich mir noch besorgen muss: der 1939 in Ungarn geborene französische Saxophonist Yochk’o Seffer hat 1996 das Album „Ornette For Ever“ herausgebracht: mit Didier Levallet (b), Tony Marsh (d), auf drei Stücken der Tochter Déborah Seffer (v) … und auf dreien Ornette Coleman höchstselbst.

    An eigenen Aufnahmen gab es nicht mehr viele – noch einmal ist Coleman offiziell ins Studio, Ergebnis waren die 1996er-Alben „Sound Museum: Hidden Man“ und „Sound Museum: Three Women“ (mit der Band von den obigen Live-Mitschnitten: Allen, Moffett, Denardo). Dazu kommen zwei offizielle Konzertmitschnitte: das Duokonzert mit Joachim Kühn von den Leipziger Jazztagen 1996 („Colors: Live From Leipzig“, 1997), das die letzte Harmolodic/Verve-Veröffentlichung bleiben sollte), und ein knappes Jahrzehnt später ein Mitschnitt der späten Coleman-Band aus Ludwigshafen („Sound Grammar“, auf einem eigens dafür auf die Beine gestellten Label, rec. 2005, rel. 2006, zu hören sind die beiden Colemans und die Bässe von Greg Cohen und Tony Falanga). Dazwischen fällt der Gastauftritt bei Seffer und danach gab’s 2011 auf dessen „Road Shows Vol. 2“ noch den Überraschungsauftritt mit Sonny Rollins von der grossen Geburtstagssause im Vorjahr, wo Coleman auf „Sonnymoon for Two“ mit dem ein halbes Jahr jüngeren Rollins in einen sehr hörenswerten Dialog tritt. Die Band mit Cohen und Falanga ist 2003-05 dokumentiert, von 2007 gibt es dann noch Mitschnitte mit Falanga und Rückkehrer Al MacDowell sowie mit Charnett Moffett als drittem Bassisten.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    gypsy-tail-wind
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    Keine Ahnung, warum nicht alle YT-Links eingebettet werden … aber egal, sie sind ja da :-)

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    vorgarten

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    oje, da macht man mal 4 tage digital detox und dann stehen hier gleich ein paar seiten mehr… sehr schön, das alles zu lesen, ich hatte in meinem rolling-stone-forum-detox-jahr mich mal durch den gesamten (naja, fast) ornette coleman post-atlantic gehört, mit so großartigen neuentdeckungen wie FRIENDS & NEIGHBORS (früh) und SOUND GRAMMAR (spät), OF HUMAN FEELINGS liebe ich auch seit einem blindfoldtest von @wahr (der mich damals auf die reise geschickt hatte). wichtig für mich ist die punk-kategorie, aber auch das humanistische im ton von coleman selbst – und auf der drumcomputerversion von „dancing in your head“ auf tacumas RENAISSANCE MAN (gypsy hats verlinkt) ist ja wohl das großartigste (kurze) coleman-solo aller zeiten!

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    #12345017  | PERMALINK

    wahr

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    vorgartenoje, da macht man mal 4 tage digital detox und dann stehen hier gleich ein paar seiten mehr… sehr schön, das alles zu lesen, ich hatte in meinem rolling-stone-forum-detox-jahr mich mal durch den gesamten (naja, fast) ornette coleman post-atlantic gehört, mit so großartigen neuentdeckungen wie FRIENDS & NEIGHBORS (früh) und SOUND GRAMMAR (spät), OF HUMAN FEELINGS liebe ich auch seit einem blindfoldtest von @wahr (der mich damals auf die reise geschickt hatte). wichtig für mich ist die punk-kategorie, aber auch das humanistische im ton von coleman selbst – und auf der drumcomputerversion von „dancing in your head“ auf tacumas RENAISSANCE MAN (gypsy hats verlinkt) ist ja wohl das großartigste (kurze) coleman-solo aller zeiten!

    Höre es gerade. Erstmal eine überzeugende Idee, Dancing In Your Head in so ein Computersetting zu stellen (eine Idee auch, die zum Humor von Coleman passt, dazu, ‚primitive‘ Zusammenhänge zu konstruieren, wie eben Instrumente einzusetzen, die man nicht/wenig beherrscht, mit denen man sich vereinfacht, was ihm ja viel Naserümpfen eingebracht hat, aber eben auch eines der von dir angesprochenen Punk-Elemente einbringt), dann noch Coleman, der reinbläst wie ein losgelassener Romantiker. Soviel Dreck habe ich selten bei ihm gehört. Man hört gut, warum er zu denjenigen aus dem Jazz gehörte, die bei manchen Punks/Wavern aus der Anfangszeit (später sowieso) gut wegkamen (wie auch Albert Ayler).

    #12345035  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten
    oje, da macht man mal 4 tage digital detox und dann stehen hier gleich ein paar seiten mehr… sehr schön, das alles zu lesen, ich hatte in meinem rolling-stone-forum-detox-jahr mich mal durch den gesamten (naja, fast) ornette coleman post-atlantic gehört, mit so großartigen neuentdeckungen wie FRIENDS & NEIGHBORS (früh) und SOUND GRAMMAR (spät), OF HUMAN FEELINGS liebe ich auch seit einem blindfoldtest von @wahr (der mich damals auf die reise geschickt hatte). wichtig für mich ist die punk-kategorie, aber auch das humanistische im ton von coleman selbst – und auf der drumcomputerversion von „dancing in your head“ auf tacumas RENAISSANCE MAN (gypsy hats verlinkt) ist ja wohl das großartigste (kurze) coleman-solo aller zeiten!

    „Friends & Neighbors“ ist klasse … aber ich wollte das so portionieren, dass ich’s bis Sonntag schaffen kann und hab drum die Anfänge ausgedünnt, die Band mit Redman (und teils Bradford – ich mag ja auch die ganzen „Science Fiction“ und „Broken Shadows“-Sessions sehr gerne) weggelassen. Aber auf „Skies of America“ hatte ich Lust und hängte dann auch den ersten Durchgang des RCA-Albums an, das ja nochmal vier Jahre früher erschien.

    Den Punkt mit dem „Humanistischen“ finde ich ganz zentral – ich hätte vielleicht einfach „Menschlichkeit“ gesagt, aber in der Hinsicht ist Colemans „Stimme“ (auch an der Trompete, finde ich) auch eine Art Gegenpol zur Band-Maschinerie und ihrer – bei aller Freiheit – Gnadenlosigkeit.

    Das einzige Prime Time-Album, das bei mir etas hinten raus fällt, ist glaub ich „Tone Dialing“ … aber vielleicht muss ich das bald mal wieder anhören, kann ja auch einfach eine Ermüdungserscheinung sein. Meine LP von „Of Human Feelings“ muss ich auch mal ausgraben, ist ja schon was anderes als ein YT-Stream.

    --

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    #12345065  | PERMALINK

    vorgarten

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    mit TONE DIALING konnte ich auch am wenigsten anfangen.

    erst beim lesen deiner texte habe ich mich übrigens wieder daran erinnert, dass ich SKIES OF AMERICA mal live gesehen habe, im audimax der uni bochum, bevor ich da studiert habe. ich war davon offenbar so überfordert, dass ich das wieder vergessen habe, aber tatsächlich habe ich coleman also mal live gesehen. im netz habe ich die infos gefunden:

    Coleman meets Classic

    Ort: Bochum, Audimax der Ruhr-Universität
    Zeit: 12. Dezember 1992

    Programm:

    John Cage: 101
    Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 5 B-Dur
    Morton Feldman: Neither
    Ornette Coleman: Skies over America

    Akteure:

    Bochumer Symphoniker
    Sinfonieorchester des Polnischen National-Radios Kattowitz
    Ornette Coleman & Prime Time
    Musikalische Leitung: Eberhard Kloke

    ich glaube, ich war nur zur zweiten hälfte da.

    --

    #12345073  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Oh, krass! Vermutlich dann mit der Orchestrierung von John Giordano (1983) … aber das Programm scheint mit etwas zu krass (Cage 10 Minuten, Bruckner 1:10 Stunden, Feldman 50 Minuten, Coleman … ungekürzt auch 50 oder 55? Gab’s vielleicht nur einen Satz von Bruckner? Der sieht da eh wie ein krasser Fremdkörper aus).

    --

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    #12345077  | PERMALINK

    vorgarten

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    wenn ich mich richtig erinnere, hatte kloke damals einen brucknerzyklus gemacht, das war also der kern. aber ich glaube, sie haben zwei tickets für den abend verkauft, also getrennte konzerte, ich war nur beim zweiten, kann mich aber an feldman gar nicht mehr erinnern… schräg, ich war da noch schüler, und was ich überhaupt von coleman, feldman usw. wusste, kann ich nicht mehr nachvollziehen. ich weiß nur, dass diese atlantic-resterampe THE ART OF THE IMPROVISORS bei mir geklickt hat, was c.oleman anging, das war aber ca. 2 jahre später…

    vielleicht habe ich das auch nur geträumt. ich hatte aber einen älteren freund, der kloke-fan war und mich wahrscheinlich mitgenommen hat.

    --

    #12345095  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Zwei Konzerte ergibt in dem Fall natürlich sehr viel Sinn! Ob wirklich Prime Time und nicht nur Ornette involviert war, weisst Du wohl auch nicht mehr? Wie es scheint hat Giordano Prime Time „eingebaut“, so wie ursprünglich ja das Quartett hätte mitwirken sollen (mit Redman eher als Cherry, vermute ich … das steht in den Liner Notes meiner Ausgabe, vielleicht schreib ich’s sogar oben, aber Multitasking ist grad pure Überforderung).

    Es gab ja danach noch zwei solche Atlantic-Compilations … aber ich bin nach Secondhand-Exemplaren von „The Shape of Jazz to Come“ und „Change of the Century“ direkt zur Coffeetable-Box gesprungen und hab das von da an eher im Session- als Albumkontext gehört. Da fällt nun wirklich kaum was ab, finde ich … man kann über die Bassistenwechsel reden und natürlich über Blackwell vs. Higgins, oder über Ornette am Tenorsax … für mich ist das aber alles irgendwie eine Werkgruppe oder sogar eine Einheit.

    Was ich ja interessant finde: das Trio vom Golden Circle (rec. 1965) ist schon beim Town Hall-Konzert dabei (rec. 1962) – aber danach ist erstmal Pause (ich glaub in der Zeit lernte er, Trompete und Violine zu spielen?). Vom Croydon-Konzert 1965 hab ich jetzt noch die alte Doppel-CD bestellt, um die Live-Version von „Sounds and Forms“ hoffentlich doch noch in der kompletten (25minütigen) Version zu kriegen. (Die Info zur – ansonsten sehr schmucken – mini-LP von 2010 sind bei Discogs leider falsch, dort ist das Stück – wie vermutlich auf allen anderen CD-Ausgaben ausser der ersten und dem Bootleg – 10 Minuten kürzer. Das sind genau solche Dinge, wegen derer Schreibende seriöser Diskographien all die Ausgaben selbst kennen müssen, sonst sind sie halt nicht so ganz seriös.)

    --

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    #12345129  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windZwei Konzerte ergibt in dem Fall natürlich sehr viel Sinn! Ob wirklich Prime Time und nicht nur Ornette involviert war, weisst Du wohl auch nicht mehr? Wie es scheint hat Giordano Prime Time „eingebaut“, so wie ursprünglich ja das Quartett hätte mitwirken sollen (mit Redman eher als Cherry, vermute ich … das steht in den Liner Notes meiner Ausgabe, vielleicht schreib ich’s sogar oben, aber Multitasking ist grad pure Überforderung).

    ich bin mir sicher, dass das mit prime time war. kann mich dunkel an denardo erinnern, auch an zwei gitarristen.

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