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FefIch denke, man sollte die Situation von Von Freeman keineswegs verklären. Wie das mit der Familie war, wissen wir nicht. Kein Geld zu haben, ist nicht gemütlich. Und nie eine entsprechende Anerkennung außerhalb eines kleinen Kreises zu kriegen, ist es auch nicht.
Wenn Du das wenige, was es zu Vonski zu lesen gibt, gab, die Nachrufe, die paar ausführlichen Liner Notes, Chuck Nessa und anderer (die ihn kannten) Kommentare im Internet gelesen hättest, dann wüsstest Du aber auch, dass es nach bestem Wissen und Gewissen keinen Grund gibt, seine Situation als ungemütlich zu betrachten, keinen Grund, davon auszugehen, dass er kein Geld hatte (es sei denn, Du betrachtest die Situation aller normalen Leute als „kein Geld haben“) und das mit der Anerkennung, das ist ja gerade der Punkt, hat ihn nach eigener Aussage schlicht zuwenig interessiert, umd afür sein häusliches Leben aufzugeben (er hätte es ja tun können, wie gesagt, er hätte u.a. mal die Chance gehabt, mit Miles zu spielen, und wollte das nicht).
Natürlich wäre es für die Leute, die seine Musik mögen und schätzen (dass ich dazu gehöre dürfte hier im Forum hinlänglich bekannt sein) schön, wenn er allgemein bekannter wäre … ich lege ja auch unaufhörlich ein gutes Wort für seine Musik ein! Aber am Ende war das Von wohl eben ziemlich egal, weil er wohl genau wusste, was er „Wert“ war, und durchaus einen gewissen Status als lokale Legende hatte – und natürlich auch wusste, dass er zu jeder Zeit jedem Tenorsaxophonisten das Wasser hätte reichen können.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.de„Der Exorzist“: Ein Schock, von dem sich das Kino nicht erholte
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FefWie auch immer. – Wir wissen, dass Freeman ein Meister war, weil es bedeutende Insider-Musiker gab, die das weitergesagt haben. Der Musikjournalismus hat diese Botschaft zu seinen Lebzeiten nicht weitergereicht und damit versagt.
Doch, es gab sehr wohl Artikel über Freeman. Aber es ist eben auch so, dass ein Musiker der jahrzehntelang keine Platten aufnimmt und nicht auf Tour geht, kein geeigneter Gegenstand für Berichterstattung ist. Es sei denn man schreibt für die Tribune oder für die Sun-Times. „Local Jazz Musician could have been a contender“. Als er wieder spielte, gab es ja auch wieder Berichte.
Aber ohne nennenswertes Musikgeschäft läuft eben auch der Journalismus nicht. – Nun, woher stammt die Botschaft, die Davis-Fusion wäre „großartig“? Keineswegs von bedeutenden Insider-Musikern (die reagierten vielmehr äußerst kritisch; siehe Betty Carter), sondern von Musikjournalisten!
Das ist totaler Unsinn, schließlich spielten viele der besten Jazzer der damaligen Zeit mit Miles und führten dann seine Vision in ihren eigenen Bands weiter. Manche, wie Herbie Hancock, bis heute. Und es gibt auch genug Jazzer und Jazzfans, für die Fusion eine besondere Bedeutung hat bzw. ein wichtiger Einfluss war. Völlig vergessen sind hingegen die unsäglichen Soul-Jazz-bzw. Electronica-Experimente vieler großer Jazz-Künstler in den 70ern und 80ern.
Ich finde an deiner Argumentation sowieso problematisch, dass du immer in Anatgonismen denkst. Du versiehst Personen oder Gruppen mit dem Attribut „gut“ oder „schlecht“ und teilst die Welt so ein. Das mag dir irgendwie helfen, die Welt sinnvoll zu interpretieren, aber auf mich wirkt das reichlich bizarr.
Aber deshalb braucht man diese Rückeroberung des jugendlichen Publikums nicht gleich als Höhepunkt der Jazz-Geschichte verehren.
Wer macht das denn? Ich kenne niemanden.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Fef, Deine Pauschalisierungen nerven … natürlich gab es Jazzkritiker, die über Von Freeman schrieben. Aber eben nicht unbedingt oder nur unregelmässig jene, die im ganzen Geld-Zirkus drinstecken, die „das Sagen haben“ bei den Leuten, die nicht selber hören mögen (DownBeat, Lincoln Center, was weiss ich, da wo das Bisschen Kohle halt ist, die im Jazz zu holen ist).
Und Davis‘ Musik – natürlich komme ich nicht um mein schon vorhandenes Wissen herum, wenn ich Urteile bilde, aber ich bilde mir wenigstens ein, dass ich Davis‘ Musik jener Jahre deshalb so grossartig finde, weil sie mir persönlich erstens verdammt gut gefällt (aber vielleicht tut sie das ja nur wegen all der Einflüsterer, denen ich nachplappere?) und weil ich mir einbilde, sie einordnen zu können in ein grösseres Ganzes, die „black music“ im weitesten Sinne.
Den Jazzgehalt der Musik zu diskutieren interessiert mich übrigens gar nicht – denn das ist nicht der Punkt, wer so an diese Musik herantritt, hat schon verloren. Aber dennoch, wie nail schon sagte: einige der besten Leute spielten in Miles‘ Bands – auch wenn Puristen das anders sehen mögen (siehe auch monotons Post oben, auf den, entschuldige monoton, ich nicht auch noch ausführlicher eingehen mag), weil sie mit dem ganzen Sound nunmal nichts anfangen können.
Es gab ja daneben ein paar Unbeirrbare, etwa das Label Muse, in Europa Steeplechase, die weiterhin dem Bebop frönten (auch da manchmal – Sonny Stitts Aufnahmen mit Barry Harris, um ein Beispiel zu nennen – in ihrer völligen Irrelevanz für das musikalische Geschehen darum herum, mit herausragenden Resultaten).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbamir ist vollkommen unklar, in welcher Hinsicht Von Freeman gescheitert sein soll, diese ganze Maschinerie von Alben, Artikeln, Promotion haben nur Musiker nötig, die von grossen Welttourneen etc träumen – das war nicht sein Ziel und so hat er es auch nicht gemacht – Ende dieser Geschichte. Es gibt hundert Arten, Erfolg zu messen – wenn jemand das tut, was er will, ist er mE vergleichsweise nah dran – und es gab eine handvoll Labels, die seine Musik dokumentiert haben, obwohl er kaum bereit war, sie auf Touren vorzustellen, es gab zwei handvoll Journalisten, die über ihn geschrieben haben, auch wenn die meisten Leser nicht zu seinen Club-Auftritten nach Chicago kommen konnten… ist doch alles prima gelaufen?
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.Sag ich ja – die Definition von Erfolg teile ich übrigens voll und ganz (aber es gibt wohl manche, die meinen, in den Kopf anderer hereinzusehen und zu wissen, dass diese eben eigentlich doch gerne Erfolg gehabt hätten, also so weisst Du, richtig Erfolg, mit Welttourneen und so, teuren Hotels und so Escort-Service, und Austern und Kaviar und Froschschenkel und Goldketten und Stretch-Limos, Erfolg eben…)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbarührend, wie ihr dieses pauschalchaos zu differenzieren versucht… hilft vielleicht der nachwelt.
jedenfalls schön, dass von freeman nicht unter die abteilung „avantgarde-musiker, die etwas karibikflair verbreiten“ fällt, die ja bekanntlich den reinen jazz verwässern oder so (genau kann man es ja nicht mehr zitieren). behrendt gehörte zur sorte journalisten, die nichts über freeman schrieben, oder?ist alles sowas von egal… wer ordnung schafft, muss eben unordnung schaffen. ohne antagonismen geht sowas nicht. in diesem sinn: kampf dem wildkraut.
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Ich bekomme ohnehin ein Gefühl, dass Von Freeman vollkommen richtig entschieden hat und die eigene Sache somit besser weiterverfolgen konnte.
Der Mann hatte wahrscheinlich genug Selbstbewusstsein durch das Sammeln von Erfahrungen (auch Bühnenerfahrung) zu dem Zeitpunkt gemacht.
Die Anfrage von Miles Davis kann ja nur noch reine Bestätigung für Freeman gewesen sein.--
redbeansandricemir ist vollkommen unklar, in welcher Hinsicht Von Freeman gescheitert sein soll
Ist er nicht, aber er ist ganz sicher auch nicht der Maßstab des „armen Künstlers“, den man gegen Miles Davis ausspielen könnte, der mit
Welttourneen und so, teuren Hotels und so Escort-Service, und Austern und Kaviar und Froschschenkel und Goldketten und Stretch-Limos,
sehr viel anfangen konnte.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.x
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Der Punkt ist, dass es den Jazz, so wie es ihn vor den Siebzigern gab, eigentlich nicht mehr gibt. Natürlich machten Veteranen wie Stitt, Harris und viele andere weiter, es kann auch niemand von ihnen verlangen, dass sie alles über den Haufen werfen und Musik machen, die ihnen nicht zusagt (obwohl gerade Stitt ja für einige recht üble Entgleisungen gesorgt hat, die aber nicht dem „Fusion“ sondern eher dem Soul Jazz Hype der Sechziger geschuldet sind – die Zusammenhänge gibt es natürlich, aber die wären genauer zu betrachten). Und ja, klar gab es die ganzen Young Lions und ihren Museumsjazz, es gibt ihn noch immer, viele von ihnen sind hervorragende Instrumentalisten, auch Wynton ist rein technisch gesehen sicher einer der besten Trumpeter der vergangenen drei Jahrzehnte – aber ihre Musik?
Jazz lebte immer davon, anderes, neues sich einzuverleiben, er entstand ja schon als ein Gemisch aus verschiedenen Quellen. Dass er nun, wie Wynton uns weismachen will, mitte der Sechziger (eher: 1964) zu Ende ging und nur noch so gespielt werden soll, wie man das davor tat, das ist von der Einstellung her recht eigentlich: Anti-Jazz.
Abgesehen davon ist Steve Coleman ohne Jazz-Rock natürlich undenkbar, aber darauf dürftest Du auch schon gekommen sein?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaOBJEKTIVE, SUBJEKTIVE Bewertung des Jazz?
Viel Erfolg damit – und bitte die PSEUDOINTELLEKTUELLE Sichtweise dabei nicht aus den Augen verlieren!Es wird doch wieder spaßig!
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die Sache mit dem Waldheim des Jazz kam erst in den 80ern, kann man ganz sicher nicht als direkte Reaktion auf Bitches Brew lesen (da ging es eher um Time after Time) – abgesehen hat einen Dachschaden, wer so redet, hat sich in den Folgejahren ja auch durchaus noch klarer herausgeschält…
klar urteilen wir alle subjektiv, wenn du nach „verallgemeinerbarkeit“ und objektivität strebst, tust du mir ein bisschen leid und fertig; ich hab jetzt keine quellen angegegeben, aber über die jahre doch so viel über von freeman gelesen, dass ich meine meinung für fundiert halte – klar, weiss ich noch nicht mal, was es so ganz genau heisst, mein bruder zu sein, der herr, der mir meine zigaretten verkauft etc… aber wer auf diesen ebenen nach höherem strebt, spinnt… in dem rahmen, in dem ich andere begreifen kann, bin ich mir meiner sache vergleichsweise sicher, was freeman betrifft – auf der jagd nach dem welthit war der sicherlich nicht; und was ausserhalb dieses rahmens liegt, interessiert mich auch nicht besonders…
am rande, als wir mit steve lehman gesprochen haben, hat er sich sehr positiv über coleman geäußert…
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.redbeansandrice
am rande, als wir mit steve lehman gesprochen haben, hat er sich sehr positiv über coleman geäußert…darüber muss man gar nicht reden, die bands (sorey, finlayson, iyer ec.) sind seit jahren identisch, das gleiche label etc. und wenn man mal davon absähe, wie lehman aussieht (das ist mal ein ARGUMENT!) und ob er eventuell auch so spielt (ungewohnt witziger einwand), liegen die bezüge derartig auf der hand (ircam usw.). ich vermute eine notdürftigst kaschierte bildungslücke. aber ich bin ja kein kompetenz-tüv für forumsteilnehmer.
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