James Moody RIP

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    katharsis

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    gypsy tail wind
    Wenn nun bei „James Moody at the Jazz Workshop“ alle Spuren des R&B schon aus der Musik verbannt waren, so war zumindest die Form noch die alte, das Septett. Das ändert sich mit den beiden Argo-Alben, die Moody 1962 und 1963 mit Kenny Barron am Piano aufgenommen hat. Das erste der beiden, Another Bag (Argo LP695, zu finden auf der Lonehill CD „Fly Me to the Moon“), entstand in Chicago mit lokalen Musikern: Paul Serrano, John Avant, Ernest Outlaw und Marshall Thompson. Moody betritt hier Hardbop-Territorium, obgleich er sein eigenes Spiel nicht ändert und die Rhythmusgruppe steckenweise auch noch näher beim Bop als beim Hardbop ist. Tom McIntosh hat fünf der sieben Stücke komponiert und arrangiert, jeweils eines stammt von Dennis Sandole und Ken Duhon. Die Band spielt zupackend, dichter und hektischer als die Band auf den Jazz Workshop Aufnahmen, zugleich ist Moody selbst aber weniger konzentriert und dicht, wie mir scheint. Er lässt sich Zeit, findet auch im Getöse der jungen Band Momente der Ruhe und der Introspektion. Serrano und Avant sind mehr als Statisten, beide haben ihre solistischen Spotlights und machen ihre Sache ziemlich überzeugend. Unter der Originals von McIntosh ist auch seine wohl bekannteste Komposition „The Cup Bearers“, die Moody zu einem tollen Tenorsolo inspiriert. Moody spielt auch wunderbar Flöte auf dem Walzer „Minuet in G“, teilweise auf „Ally“ und auf „The Day After“, einer schönen Ballade mit Bläser-Begleitung. Gerade auf dieser Ballade glänzt auch Barron. Moody hatte ihn in New York gehört und engagiert und nahm in dann im Jahr darauf auch mit in das Quintett von Dizzy Gillespie.

    Ich kenne mich bei weitem nicht so mit Moody’s Musik aus, wie das hier bei Dir zu lesen ist, aber nachdem ich gerade „Another Bag“ gehört habe, möchte ich ein klein wenig widersprechen. Die von Dir erwähnten Jazz Workshop Aufnahmen kenne ich nicht, entsprechend kann ich nichts dazu sagen, aber gerade „Another Bag“ erscheint mir persönlich als wenig bis gar nicht hektisch. Mit Sicherheit schlängelt sich die Musik zwischen Hardbop und Bop entlang, aber ich konnte auch viele kontemplative und teilweise – gerade in den Flötenpassagen – durchaus klassizistische Elemente entdecken, die der Musik viel Ruhe geben.
    Ursprünglich habe ich mir das Album weniger wegen Moody, mehr wegen Serrano zugelegt. Daher habe ich auch versucht, primär auf ihn zu achten. Aufgefallen ist mir dabei, dass die Musik stark durch die Arrangements von McIntosh geprägt und strukturiert ist. So liegt das Spotlight klar auf Moody und die anderen Musiker scheinen mir, trotz der eingestreuten Soli ein bißchen hinten runterzufallen und im Bläsersatz zu verschwinden. Dementsprechend finde ich aber auch, dass der Musik wenig Raum bleibt, allzu hektisch zu werden.
    Gerade Stücke wie „Ally“, oder „The Day after“ sitzen strategisch gut und ankern die Musik, während andere Stücke fast klassisch hardboppig anmuten und ziemlich swingen. Lediglich „Pleyel d’Jaime“ scheint zum Schluss hin alle unterschiedlichen Strömungen des Albums in sich aufzunehmen und durch das schreierische Thema wird dann auch tatsächlich ziemliche Unruhe verbreitet. Übrigens höre ich gerade hier bereits viel von Joe Henderson in Moody’s Ton.
    Ansonsten kann ich Deinen Eindruck aber bestätigen und weise gerne noch einmal auf Kenny Barron’s wunderbaren Beitrag besonders auf „The Day after“ hin.

    Demnächst muss ich „Comin‘ on Strong“ vertiefen. Beide sind zusammen ja auf einem Lonehill-CD-Twofer zusammengefasst worden.

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    #7849877  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 3,984

    katharsisÜbrigens höre ich hier bereits viel von Joe Henderson in Moody’s Ton.

    Interessant, bei „Brass Figures“ höre ich etwas von Wayne Shorter in seinem Spiel. Aber ich finde es gut, dass er Einflüsse (s. Zitat) zugelassen hat (was sehr für ihn spricht), auch wenn man die vielleicht nicht genau zuordnen könnte. Er hat auch recht viel mit Kenny Barron und McIntosh gemacht, da mag es auch dran liegen.

    Penguin Guide: „Moody was experimenting in post-bop: limber, agile, lateral.
    Hugely underrated jazz.“

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    #7849879  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Hm, und in welche Richtung geht der Einfluss? Meinst Du, Moody habe 1962 schon viel Henderson gehört? Oder meinst Du eher, dass gewisse Eigenheiten, die Henderson (später?) gepflegt hat, hier bei Moody auch zu hören sind?
    Muss ich jedenfalls mal wieder hören, auch die Brass Figures (glaube nicht, dass ich dabei an Shorter gedacht habe, muss ich mal drauf achten).

    Was das „Hektische“ betrifft: wenn ich meinen Post im Zitat oben wiederlese, scheint mir, dass Du dem viel zu viel Bedeutung beimisst, denn wie ich meine mangelhaften Formulierungskünste kenne und einschätze, handelt es sich bei dem verwendeten Prädikat um nichts als ein Abgrenzungsmerkmal zu vorangehenden Moody-Alben – und es mag durchaus sein dass „hektisch“ allein als Prädikat für „Another Bag“ deplacirt ist.

    Das mit der Statistenrolle bei Moody hat ja auch Tradition. In der vorangegangenen langjährigen working band hört man von den anderen Bläsern tendentiell jedenfalls eher weniger, als man von Serrano und Avant zu hören kriegt. Auf dem (grossartigen) Album aus dem Jazz Workshop jedenfalls hört man, falls mein Gedächtnis mir keinen Streich spielt, von keinem anderen Bläser überhaupt ein Solo. Das ist halt auch diese alte Tradition, über die wir uns neulich anderswo schon kurz unterhalten hatten: Leader mit Begleitung… klar, manche liessen ihren Sidemen mehr Raum (Illinois Jacquet, manchmal ja auch Moody), andere hingegen hatten die Band wirklich nur zur Begleitung dabei (Earl Bostic kommt mir da grad in den Sinn, oder eben Moody im Falle des Argo-Live-Albums). Jedenfalls gab’s da stets eine klare main attraction und die anderen kamen selten über ihre Statisten-Rollen hinaus. Bei Moody war es oft so, dass sie ihre Features kriegten (zum Glück! sonst gäbe es ein paar sehr schöne Dinge, etwa von Johnny Coles, nicht), aber dass in vielen Stücken nur er solierte.

    --

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    #7849881  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

    Beiträge: 1,737

    THELONICAInteressant, bei „Brass Figures“ höre ich etwas von Wayne Shorter in seinem Spiel. Aber ich finde es gut, dass er Einflüsse zugelassen hat, auch wenn man die vielleicht nicht genau zuordnen könnte. Er hat auch recht viel mit Kenny Barron und McIntosh gemacht, da mag es auch dran liegen.

    Ja, das finde ich auch. Zumal „Another Bag“ ja 1962 und „Page One“ 1963 erschienen ist.
    Nicht nur, dass er überhaupt Einflüsse zugelassen hatte, sondern dass er diese subtil an seinen Stil angepasst hatte, der ja eigentlich noch aus einer anderen Periode stammte. Da ist wenig bis gar nichts kopiert, sondern einfach persönlich verarbeitet worden. Anders als bspw. bei Leuten wie Harold Land, die irgendwann auch einen drastischen Umbruch erlebt haben und neue Einflüsse wesentlich direkter zugelassen haben.

    --

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    #7849883  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,069

    Ok, damit ist meine Frage nach der Art des Einflusses wohl geklärt… ist das denn realistisch? War Henderson 1961/62 live zu hören? Mit wem hat der damals überhaupt gespielt? Wenn ich hier reinschaue, würde ich es spontan eher für unwahrscheinlich halten, allerdings ist natürlich nicht auszuschliessen, dass Moody mal in Detroit war und Henderson spielen gehört hat… gibt’s dann dafür irgendwelche Hinweise?

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    #7849885  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

    Beiträge: 1,737

    gypsy tail windHm, und in welche Richtung geht der Einfluss? Meinst Du, Moody habe 1962 schon viel Henderson gehört? Oder meinst Du eher, dass gewisse Eigenheiten, die Henderson (später?) gepflegt hat, hier bei Moody auch zu hören sind?
    Muss ich jedenfalls mal wieder hören, auch die Brass Figures (glaube nicht, dass ich dabei an Shorter gedacht habe, muss ich mal drauf achten).

    Ursprünglich hatte ich sofort den Eindruck, dass Moody einiges von Henderson vorwegnimmt. Henderson war diesbezüglich ja später dran. Problematisch nur wieder, dass der zeitliche Abstand wahrscheinlich marginal ist.

    gypsy tail windWas das „Hektische“ betrifft: wenn ich meinen Post im Zitat oben wiederlese, scheint mir, dass Du dem viel zu viel Bedeutung beimisst, denn wie ich meine mangelhaften Formulierungskünste kenne und einschätze, handelt es sich bei dem verwendeten Prädikat um nichts als ein Abgrenzungsmerkmal zu vorangehenden Moody-Alben – und es mag durchaus sein dass „hektisch“ allein als Prädikat für „Another Bag“ deplacirt ist.

    Okay, das erklärt den Eindruck. Wie ich gesagt habe, mir fehlt der vielfache vergleich, um das heraushören zu können, was Du möglicherweise als hektisch empfunden hast. In der Psychologie gibt es übrigens den „Recency Effect“, dass quasi das, was man zuletzt gehört hat, den Gesamteindruck überschattet. Möglicherweise war das genau hier der Fall, da der Closer ja wirklich hektisch ist?!

    gypsy tail windDas mit der Statistenrolle bei Moody hat ja auch Tradition. In der vorangegangenen langjährigen working band hört man von den anderen Bläsern tendentiell jedenfalls eher weniger, als man von Serrano und Avant zu hören kriegt. Auf dem (grossartigen) Album aus dem Jazz Workshop jedenfalls hört man, falls mein Gedächtnis mir keinen Streich spielt, von keinem anderen Bläser überhaupt ein Solo. Das ist halt auch diese alte Tradition, über die wir uns neulich anderswo schon kurz unterhalten hatten: Leader mit Begleitung… klar, manche liessen ihren Sidemen mehr Raum (Illinois Jacquet, manchmal ja auch Moody), andere hingegen hatten die Band wirklich nur zur Begleitung dabei (Earl Bostic kommt mir da grad in den Sinn, oder eben Moody im Falle des Argo-Live-Albums). Jedenfalls gab’s da stets eine klare main attraction und die anderen kamen selten über ihre Statisten-Rollen hinaus. Bei Moody war es oft so, dass sie ihre Features kriegten (zum Glück! sonst gäbe es ein paar sehr schöne Dinge, etwa von Johnny Coles, nicht), aber dass in vielen Stücken nur er solierte.

    Danke, das stimmt wohl und in anbetracht dessen bekommen beide Bläser ja wirklich genug Solo-Duties. Nichtsdestotrotz mache ich McIntosh auch für das ‚Korsett‘ verantwortlich, denn mir scheint, als würde eine Art von Konzept hinter „Another Bag“ stecken – obwohl das höchstwahrscheinlich nur ein spinnerter Eindruck von mir ist. „Comin on‘ Strong“ bspw. empfinde ich als wesentlich heterogener, obwohl hier auf weitere Bläser komplett verzichtet wird und gerade Eskrdige viel Spielraum hat.

    --

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    #7849887  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

    Beiträge: 1,737

    gypsy tail windOk, damit ist meine Frage nach der Art des Einflusses wohl geklärt…

    Eben nicht! :lol:
    Der erste Satz meines Posts ist eigentlich losgekoppelt vom zweiten Abschnitt. Wie später geschrieben, finde ich, dass Moody Henderson zuvorkommt!

    --

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    #7849889  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

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    gypsy tail wind Wenn ich hier reinschaue, würde ich es spontan eher für unwahrscheinlich halten, allerdings ist natürlich nicht auszuschliessen, dass Moody mal in Detroit war und Henderson spielen gehört hat… gibt’s dann dafür irgendwelche Hinweise?

    Diesen hier?

    Date: 3/19/1960
    Location: Gold Room, 20 Grand, Detroit, MI
    Label: [no known recording]

    Joe Henderson, Yusef Lateef, James Moody, Sonny Stitt (ts), Will Davis, Terry Pollard (p)
    a. [unknown titles]

    Billed as „The Battle of Jazz,“ tenor summit.

    The Michigan Chronicle: 19 March 1960.

    Und Henderson hat noch mit Johnny Coles aufgenommen, der eben gerade von Dir im Zusammenhang mit Moody positiv (sehe ich auch so) erwähnt wurde.

    --

    #7849891  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,069

    Ha! Ich hab Moody da übersehen, danke! Kommt davon, wenn man mit einem halben Auge hinschaut… sehr interessant!

    @katharsis: ich werd mir „Another Bag“ mal wieder anhören müssen… aber wenn ich so über ein Album schreibe, höre ich mir die Scheibe meist zwei, dreimal am Stück an, habe sie oft auch an den Tagen davor schon gehört… insofern glaube ich eher nicht, dass der Closer meinen Gesamteindruck da ungehörig geprägt hat. Aber wie gesagt: wenn ich meinen Post lese, dann lese ich das „hektisch“ nur als Distiktions-, nicht als Qualitätsmerkmal.

    --

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