Ich höre gerade … Jazz!

Ansicht von 15 Beiträgen - 63,346 bis 63,360 (von insgesamt 67,259)
  • Autor
    Beiträge
  • #12268211  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,716

    ich denke, das wird heute endlich mal wieder ein miles-tag bei mir.

    in paris festival international de jazz – may, 1949 (1977)

    hatte mir gypsy mal mitgebracht, läuft jetzt zum ersten mal bewusst. wirklich aufregende aufnahme, miles als feuriger bebopper, habe ich so auch noch nicht gehört (klingt jedenfalls selbstbewusster als auf den aufnahmen mit parker, soweit ich sie im ohr habe). toll auch die kombination mit james moody, der hier vom bebop direkt zum freien spiel abkürzt, und dem eckigen dameron, der mir noch nicht sehr vertraut ist. und das alles quasi zeitgleich zum birth of cool.

    --

    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #12268215  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    @friedrich
    Wegen Hines/Hodges: die hab ich noch nicht, und ja, auch ich hatte Phasen, in denen ich wenig Swing gehört hab… und dazwischen auch Phasen in denen es mehr war… es gibt halt so Jahre, da ist es genau die richtige Musik, wird schon nicht so bleiben… was ich bei den „Treffen“ von Hines mit anderen Grössen ziemlich auffällig finde, ist, wie entspannt es zugeht… ich denk vor allem an die Alben mit Benny Carter (ein paar posts weiter oben) und Paul Gonsalves… und was ja auch interessant ist: Hines spielte in den 50ern sehr viel altmodischere Musik, quasi Dixieland, und fing dann erst um 1960 herum wieder an, mehr Swing zu spielen… das Contemporary Album mit Benny Carter von 1958 ist quasi ein Neuanfang (und das wird auch in den Liner Notes besprochen)… note so self: hier mal nachhören, da gibt es Dixieland Broadcasts aus dem Club Hangover und dann irgendwelche von 1961… mach ich gleich

    Wegen how to buy Carter/Hawkins/Reinhardt… auf LP würd ich wahrscheinlich einfach regelmässig die einschlägigen Django Reinhardt Fächer durchsehen, bis was auftaucht… auf CD würd ich nach irgendeiner Compilation suchen, die komplette Sessions hat und thematisch Sinn macht… die Fremeaux Doppelcd ist prima, enthält allerdings alle bekannten Aufnahmen von Django von Mai 1936 bis Mai 1937… das ist super, wenn man die ganze Serie sammelt… Ich hab damals auf einen Tipp von gypsy hin die drei grossen Boxen gekauft – so weiss ich, dass ich von Django nichts mehr kaufen muss, weil ich alles hab… aber wenn man eine CD will, die halbwegs homogen durchläuft, würd ich eher zu der oben verlinkten All Star Sessions CD raten, da gibt es ein paar gute Angebote und man kriegt vier Sessions, die thematisch gut zusammenpassen…. gibt noch andere ähnliche Compilations, etwa die hier

    --

    .
    #12268233  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067


    in paris festival international de jazz – may, 1949 (1977)

    da schliess ich mich doch eben an… also: sicher nicht beim Miles Tag, aber hierbei … wollt ich mir schon ewig mal angehört haben. Miles und Moody sind schon ziemlich perfekte Solisten für diese Band… und ich würd sagen, dass ist eigentlich Damerons Musik, mehr als die von Miles, auch wenn Miles als Solist ziemlich glänzt…

    --

    .
    #12268239  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,180

    JAMES MOODY AND HANK JONES QUARTET – Our Delight

    Läuft hier via YT. Perfekt für einen Sonntagmorgen, ich bin circa in der Mitte des Albums bei „Good Bait“ und es gefällt mir. Hank Jones lief allerdings auch ziemlich oft die letzten Wochen.

    --

    #12268257  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    ich hatte auch überlegt, mit Moody weiterzumachen… aber dann fing ich an in Paul Combs Dameron Buch zu lesen… Paris 1949 war quasi der Höhepunkt von Damerons Karriere… im Sommer 1953 hatte er seine Band mit Clifford Brown und Gigi Gryce in Atlantc City… aber dann musste er vor der Polizei fliehen – oder dachte er müsse das – und verschwand zu Hause in Cleveland, wo er die Jahre 1954 und 1955 stillhielt (Brown und Gryce gingen währenddessen zu Lionel Hampton)… bis im Februar 1956 die Band von Clifford Brown und Max Roach nach Cleveland kam… Brown/Roach hatten schon damals das Problem, das für Brown im Juni 56 fatal werden sollte – Mangel an qualifizierten Autofahrern… und so bat man Dameron am 12. Februar, einfach als Gegenleistung für eine Runde am Steuer mit nach New York zu kommen… am 16/17. Februar war Dameron dann als Arrangeur bei „Clifford Brown and Max Roach at Basin Street“ beteiligt… und nahm am 9. März sein eigenes Album Fontainebleau auf

    Tadd Dameron – Fontainebleau

    --

    .
    #12268275  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,716

    redbeansandrice
    in paris festival international de jazz – may, 1949 (1977)
    da schliess ich mich doch eben an… also: sicher nicht beim Miles Tag, aber hierbei … wollt ich mir schon ewig mal angehört haben. Miles und Moody sind schon ziemlich perfekte Solisten für diese Band… und ich würd sagen, dass ist eigentlich Damerons Musik, mehr als die von Miles, auch wenn Miles als Solist ziemlich glänzt…

    über den einfluss von dameron weiß ich zu wenig – auf jeden fall fand ich sein „lady bird“ hier das highlight. und ja, miles & moody sind ein traumpaar. es wurde ja später viel erzählt über die leichtigkeit und freiheit, die die (schwarzen) us-amerikaner in paris verspürt haben, was auch einfluss auf diese konzerte hatte. ich kann mir das gut vorstellen. (btw die fast fetischistische verwendung des n-worts im text über die niederländischen jazzclubs ende der 30er fiel mir auf, aber ich wollte jetzt nicht alles deepeln, um die nötigen kontexte herauszulesen…)

    the musings of miles (1955)

    quartett mit garland, pettiford, jones. unglaubliche angebote, die garland da macht, und die miles noch nicht aufgreift, obwohl er sie abgesprochen haben muss. ich finde das für mitte der 50er sehr modern, die akkorde funktionieren ganz konventionell, haben aber immer noch eine zweite ebene, die ganz woanders hinführt. ich finde garland im hardbop und speziell bei miles schon sehr einzigartig.

    --

    #12268341  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,716

    quiet nights (1962/63)

    miles davis und die bossa nova – passt doch eigentlich, sollte man denken, aber es ist eine kurze geschichte verpasster chancen. die hochachtung vor gilberto zeigt sich allein darin, dass davis & evans mit „aos pes da cruz“ ihre session für ein neues album im juli 1962 mit einem brasilianischen song aus den 40ern starten, den gilberto erst kürzlich wieder popularisiert hatte. dazu die erste instrumentalversion von „corcovado“ außerhalb brasiliens, das sofort als single rausgehauen, die floppte. ich verstehe auch nicht, was sie daraus machen – überkomplizierte voicings, ein vages gefühl, dazu sehr viele schnitte, die keinen flow erzeugen. im november sitzt davis dann in der carnegie hall und hört sich gilberto live an, spielt aber selbst nie wieder bossa nova. hätte man davis 1962 vor eine kompetente brasilianische rhythm section gestellt, wäre wahrscheinlich was daraus geworden.

    noch was interessantes lässt sich an der missglückten herausbringungsgeschichte von QUIET NIGHTS ablesen: davis‘ inspiration durch sängerinnen, die hier von blossom dearie („once upon a summertime“, für das er gil evans zu dearie nach hause schickte, damit sie es ihm beibringt) zu shirley horn transformiert: das langsam zelebrierte „summer nights“ mit der kalifornischen übergangsband (feldman, carter, butler) steht im zusammenhang mit der horn-wiederentdeckung „baby won’t you please come home“, das es ja auf SEVEN STEPS TO HEAVEN schaffte, während „summer nights“ ja als lückenfüller von macero zu den gil-evans-stücken dazugepackt wurde – tatsächlich hätte ich genau dieses stück gerne in einem gil-evans-arrangement gehört. ich höre „time of the barracudas“ noch hinterher, das wurde auch noch aufgenommen, bevor QUIET NIGHTS erschien.

    --

    #12268385  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,343

    @vorgarten Tadd Dameron fasziniert mich schon sehr, sehr lange … da hab ich sogar ein paar dieser Boris Rose LPs. Die Doppel-CD mit den Blue Note-Aufnahmen 1995 war die Initialzündung, das Album mit Coltrane kannte ich da ev. schon, aber falls ja, brauchte es etwas länger. Schön, dass das Konzert aus Paris gefällt! Muss ich auch mal wieder einlegen.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12268423  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    @redbeansandricefriedrich
    Wegen Hines/Hodges: die hab ich noch nicht, und ja, auch ich hatte Phasen, in denen ich wenig Swing gehört hab… und dazwischen auch Phasen in denen es mehr war… es gibt halt so Jahre, da ist es genau die richtige Musik, wird schon nicht so bleiben… was ich bei den „Treffen“ von Hines mit anderen Grössen ziemlich auffällig finde, ist, wie entspannt es zugeht… ich denk vor allem an die Alben mit Benny Carter (ein paar posts weiter oben) und Paul Gonsalves… und was ja auch interessant ist: Hines spielte in den 50ern sehr viel altmodischere Musik, quasi Dixieland, und fing dann erst um 1960 herum wieder an, mehr Swing zu spielen… das Contemporary Album mit Benny Carter von 1958 ist quasi ein Neuanfang (und das wird auch in den Liner Notes besprochen)… note so self: hier mal nachhören, da gibt es Dixieland Broadcasts aus dem Club Hangover und dann irgendwelche von 1961… mach ich gleich

    Die Alben mit Benny Carter und anderen kenne ich nicht. Hier hattest du was dazu gepostet. Mindestens was das Stride Right-Album mit Johnny Hodges betrifft, kann ich das aber voll bestätigen! Auch da hört man zwischen den Noten diese Entspanntheit und Lebhaftigkeit, die mich berühren.

    Wegen how to buy Carter/Hawkins/Reinhardt… auf LP würd ich wahrscheinlich einfach regelmässig die einschlägigen Django Reinhardt Fächer durchsehen, bis was auftaucht… auf CD würd ich nach irgendeiner Compilation suchen, die komplette Sessions hat und thematisch Sinn macht… (…)

    Vielen Dank für die Tipps! Bei uns in der Wohnung wird langsam der Platz für die Tonträger knapp, so dass ich Neuanschaffungen mit Bedacht auswählen muss. Und das sollen ja auch nicht nur immer mehr alte Swing-Platten sein. ;-)

    --

    “There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)
    #12268431  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    redbeansandriceich hatte auch überlegt, mit Moody weiterzumachen… aber dann fing ich an in Paul Combs Dameron Buch zu lesen… Paris 1949 war quasi der Höhepunkt von Damerons Karriere… im Sommer 1953 hatte er seine Band mit Clifford Brown und Gigi Gryce in Atlantc City… aber dann musste er vor der Polizei fliehen – oder dachte er müsse das – und verschwand zu Hause in Cleveland, wo er die Jahre 1954 und 1955 stillhielt (Brown und Gryce gingen währenddessen zu Lionel Hampton)… bis im Februar 1956 die Band von Clifford Brown und Max Roach nach Cleveland kam… Brown/Roach hatten schon damals das Problem, das für Brown im Juni 56 fatal werden sollte – Mangel an qualifizierten Autofahrern… und so bat man Dameron am 12. Februar, einfach als Gegenleistung für eine Runde am Steuer mit nach New York zu kommen… am 16/17. Februar war Dameron dann als Arrangeur bei „Clifford Brown and Max Roach at Basin Street“ beteiligt… und nahm am 9. März sein eigenes Album Fontainebleau auf

    Tadd Dameron – Fontainebleau

    Zu diesem Album hatte ich hier was geschrieben. Konnte mich leider nicht überzeugen. Wie kommt es bei dir / euch an?

    Erstaunlich, was für Nebenwirkungen der Besitz eines gültigen Führerscheins haben kann. ;-)

    --

    “There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)
    #12268443  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    redbeansandriceich hatte auch überlegt, mit Moody weiterzumachen…

    Da habe ich nur meine Erfahrung mit dem selbstbetitelten Album von 1959 anzubieten, das ich sehr schön finde. Hatte ich weiter oben mal was zu geschrieben.

    --

    “There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)
    #12268467  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,343

    Als Damerons bestes Album @friedrich. Das sind ja allerdings auch nur drei oder – wenn man die Prestige-Session mitrechnet, die auf „Clifford Brown Memorial“ herauskam – dreinhalb… mit dem mit Miles viereinhalb, mit der späten Blue Note-Session (siehe diese CD) wären wir bei fünf, aber das ist natürlich keine sinnvolle Zählweise. Die frühen Blue Note-Sessions wurden unter Fats Navarros Namen zu LPs umverpackt, da gibt es noch tolle Live-Aufnahmen dazu – aber Alben sind das alles nicht wirklich. Ist ja leider alles recht überschaubar, selbst wenn man Arrangeur-/Sideman-Gigs miteinbezieht.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12268503  | PERMALINK

    atom
    Moderator

    Registriert seit: 10.09.2003

    Beiträge: 21,895

    GERI ALLEN – Eyes… In The Back Of Your Head (Blue Note, 1997)
    Schöner Fund am Wochenende. Ein feines Album mit 10 faszinierenden Stücken – zur Hälfte im Duo mit Wallace Rooney oder Ornette Coleman, zur anderen Hälfte im Trio oder Solo.

    --

    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    #12268533  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    gypsy-tail-windAls Damerons bestes Album friedrich. Das sind ja allerdings auch nur drei oder – wenn man die Prestige-Session mitrechnet, die auf „Clifford Brown Memorial“ herauskam – dreinhalb… (…) Ist ja leider alles recht überschaubar, selbst wenn man Arrangeur-/Sideman-Gigs miteinbezieht.

    Ja, das allgemeine Lob für dieses Albums verleitete mich auch zur Anschaffung. Kann mich der gängigen Meinung aber leider nicht anschließen. Auf dem von mir erwähnten Twofer sind außerdem noch Tracks von The Magic Touch, glaube ich, und natürlich das Gil Evans-Album. Im Vergleich Tadd Dameron vs. Gil Evans gewinnt da eindeutig letzterer. Aber ist vielleicht auch nicht ganz fair, dieser Vergleich.

    --

    “There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)
    #12268541  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    vorgarten (btw die fast fetischistische verwendung des n-worts im text über die niederländischen jazzclubs ende der 30er fiel mir auf, aber ich wollte jetzt nicht alles deepeln, um die nötigen kontexte herauszulesen…)

    eben hierzu, kein Widersprich aber… zunächst mal: der Herr, Rudie Kagie (*1950), der diesen Text 2019 geschrieben hat, ist tatsächlich nicht irgendwer, der sich kurzzeitig in das Thema verirrt hat, sondern ein Journalist, der bereits seit 70er Jahren dutzende Bücher wie „Dit is Osman Özturk“ (1979) oder „De eerste neger“ (Untertitel: Erinnerungen an die Ankunft einer neuen Bevölkerungsgruppe, 1989)… (wiki). Und was mir in den Niederlanden schon auffällt, ist, dass der Umgang mit Sprache und Alltagsrassismus hier noch sehr viel, nun, sorgloser ist, als man das aus Deutschland oder gar den USA kennt… ja, der schwarze Piet ist weitgeend verschwunden, aber das war auch ein gesellschaftlicher Kraftakt… wenn du einen gebildeten Niederländer darauf ansprichst, dass der braune Zucker im Supermarkt Bastardzucker (Basterdsuiker) heisst, wird er erwiedern, dass dort ja in der Tat verschiedene Zuckersorten vermischt also quasi bastardisiert werden… (wiki, keinerlei Hinweis, dass irgendwer das Wort problematisch finden könnte – hat ja immer so geheissen und war ja nicht bös gemeint… ) Und die Recherchen von Kagie waren definitiv wertvoll – zum Beispiel hat er Mitte der 80er noch einmal Jimmy van der Laak gefunden und interviewt, den jungen Mann von dem Gemälde, der Kellner in einem der beiden Kabarets gewesen war und nach dem Krieg in Berlin unter anderem als Cocktailshaker arbeitete…

    Was nun den Artikel über die „Negercabarets“ betrifft, so taucht das Wort ja vor allem in den Zitaten auf, da allerdings rauf und runter… und der Negro Palace und der Kit Kat Club waren halt auch keine Jazzclubs sondern „Negercabarets“, was hiess dass dort (bis auf den Besitzer, klar) keine Weissen arbeiten, von der Garderobendame bis zum Oberkellner, der gleichzeitig Stepptänzer war… und die Musiker eben auch. Dass im Negro Palace tatsächlich Coleman Hawkins ein ganzes Jahr lang reguläer spielte, während der Arbeit Abend für Abend zwei Flaschen Whisky trank, und sich trotzdem wohler fühlte als in den USA… das sagt vielleicht vor allem viel über die USA. Europa 1937 war bestimmt ganz anders als Europa 1947. Auf der Website des Stadtarchivs kann man sich hier durch hunderte von Seiten Polizeiakten rund um die beiden Klubs klicken, die frustrierten Berichte von Polizeibeamten, die diese Klubs am liebsten direkt geschlossen hätten, weil sich dort weisse Frauen mit schwarzen Männern trafen, denen aber die rechtlichen Instrumente fehlten… weil es halt einfach nicht verboten war… weswegen sich ihre Aufmerksamkeit sehr schnell auf mögliche minderjährige Besucherinnen richtete… die mehrfachen Verhöre (!) mit den Freundinnen Annie (15) und Maria (16) erlauben einen tiefen Blick in die Gesellschaft jener Zeit… wer ging eigentlich in so ein Kabarett und warum? Ich übersetze kurz aus dem Protokoll von Marias Verhör

    In der Schule hatte ich vom Bestehen des „NEGRO KIT CAT CLUB“ in der Wagenstraat gehört. Da ich scharf („dol“) auf N* bin, weil sie so eine schöne Figur und so schöne Augen haben, fasste ich den Plan, dort einmal vorbeizugehen. Meine Freundin Annie fand sich bereit mich zu begleiten. Sie ist versessen auf N*-Jazz-Musik.

    (Annie (15) bestätigte in ihrem Verhör, dass sie N* zwar auf die Entfernung „artig“ fände, von nahem aber doch gräuslich, ihr ginge es ausschliesslich um die Musik und ihre Rhythmen.)

    kurz gesagt, diese Cabarets waren so seltsame Institutionen in so einem seltsamen Umfeld, dass jeder Text über sie schwierig werden muss

    --

    .
Ansicht von 15 Beiträgen - 63,346 bis 63,360 (von insgesamt 67,259)

Schlagwörter: 

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.