Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung?
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AutorBeiträge
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bullschuetzAber vielleicht haben wir hier erinnerungsmächtige Zeitzeugen aus der BRD der 70er- und 80er-Jahre, die darüber Auskunft geben können, ob „handgemachte Musik“ im Westen schon damals verbreitet war oder womöglich tatsächlich erst mit der Wende einsickerte.
Ich muss Dich – trotz meines Alters und meiner Zeitzeugenschaft – leider zunächst enttäuschen. Der Begriff „handgemachte Musik“ gehörte weder in den frühen Siebzigern noch später zu meinem Wortschatz. Ich weiß nicht mal, wann ich diesen Begriff erstmals gehört oder gelesen habe. Aber was ich weiß, obwohl ich kein Ossi war oder bin, und was sich mit sorbistans Einlassung in etwa deckt, in der DDR spielte solche „ehrliche, handgemachte Musik“ eine große Rolle. Sie war identifikationsstiftend und zum Teil auch eine Art Schutz gegen staatliche Bevormundung und Einflussnahme. Je „volksnäher“ Musiker auftraten, je mehr sie womöglich selbst Probleme mit staatlichen Eingriffen und Bevormundung hatten, desto glaubwürdiger und vertrauter erschienen sie ihren Fans. Inwieweit da das „handgemachte“ eine wirklich sinnvolle Rolle spielt, müsste dann vielleicht doch sorbistan sagen. Ich vermute, es waren eben vor allem Liedermacher und Blues Musiker, die zu den von mir beschriebenen Kreisen zählten. Gegen Ende der DDR dann auch Punks und andere unangepasste Rockmusiker. Und das „handgemachte“ spielte womöglich allein deshalb eine größere Rolle, weil die technischen Möglichkeiten für diese Musiker aufgrund knapper finanzieller Mittel und staatlicher Bevormundung recht bescheiden waren.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Highlights von Rolling-Stone.deXavier Naidoo: Das „Ich bin Rassist“-Interview in voller Länge
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WerbungAlles klar, dann ist „handgemachte Musik“ dieselbe Preislage wie „Zellstoff“.
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How does it feel to be one of the beautiful people?ClauAlles klar, dann ist „handgemachte Musik“ dieselbe Preislage wie „Zellstoff“.
Oder Edelstoff?
http://www.augustiner-braeu.de/augustiners/html/pics/edelstoff.jpg
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l'enfer c'est les autres...Also, wenn diese DDR-Etymologie richtig ist, dann hat sich der Begriff ja sowas von erledigt. Der macht ja auch in dieser durchaus dann respektablen Weise heute überhaupt keinen Sinn mehr – bzw. wäre nun nur noch ein nostalgisches Relikt ohne zeitgemäße Aussagekraft.
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grünschnabelAlso, wenn diese DDR-Etymologie richtig ist, dann hat sich der Begriff ja sowas von erledigt. Der macht ja auch in dieser durchaus dann respektablen Weise heute überhaupt keinen Sinn mehr – bzw. wäre nun nur noch ein nostalgisches Relikt ohne zeitgemäße Aussagekraft.
Naja, so ganz kann ich da nicht zustimmen. Wenn „handgemacht“ einen Anklang an Konsumverweigerung und bewusste Einfachheit der Mittel bzw. Instrumente implizieren soll, gäbe es durchaus auch heute noch die eine oder andere affine Szene dafür.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=grünschnabelAlso, wenn diese DDR-Etymologie richtig ist, dann hat sich der Begriff ja sowas von erledigt. Der macht ja auch in dieser durchaus dann respektablen Weise heute überhaupt keinen Sinn mehr – bzw. wäre nun nur noch ein nostalgisches Relikt ohne zeitgemäße Aussagekraft.
Schon richtig. Allerdings gibt es auch heute noch in den neuen Bundesländern eine solche wenn man so will nostalgische Rockszene, zu der durchaus auich jüngere Bands und Musiker gehören, und die untereinander und mit Gleichgesinnten in den alten Bundesländern gut vernetzt ist. Das spielt sich unter dem Radar von überregionalen Medien oder gar Musikzeitschriften ab.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Hal CrovesNaja, so ganz kann ich da nicht zustimmen. Wenn „handgemacht“ einen Anklang an Konsumverweigerung und bewusste Einfachheit der Mittel bzw. Instrumente implizieren soll, gäbe es durchaus auch heute noch die eine oder andere affine Szene dafür.
So wie es zuletzt auch von Mikko geschildert wurde, bringe ich das mit „Konsumverweigerung“ nicht in Verbindung. Eher mit einem Stück Identifikation und Freiheitsdenken innerhalb eines repressiven Staates.
Und ich habe das auch nicht so verstanden, als sei die „Einfachheit“ ein künstlerischer Selbstzweck, sondern vor allem der konkreten gesellschaftlichen Situation geschuldet.--
genosse schulzKönnte so ins Pop-Lexikon.
Yep. Der wahre intelektuelle Leitwolf des Forums: doug!
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.grünschnabelSo wie es zuletzt auch von Mikko geschildert wurde, bringe ich das mit „Konsumverweigerung“ nicht in Verbindung. Eher mit einem Stück Identifikation und Freiheitsdenken innerhalb eines repressiven Staates.
Und ich habe das auch nicht so verstanden, als sei die „Einfachheit“ ein künstlerischer Selbstzweck, sondern vor allem der konkreten gesellschaftlichen Situation geschuldet.Na ja, das war ambivalent. Einerseits blieb man unter sich und grenzte sich zum Teil sogar bewusst von den staatlich geförderten und erfolgreichen DDR Musikern ab. Andererseits wurde aber auch die erzwungene Einfachheit zum Stilmittel erklärt.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Spannende Ausführungen und Spekulationen! Beim Mitlesen bin ich ins Assoziieren gekommen: handgemacht – hand made – Handarbeit – da schwingt auch das Gegenteil von industrieller Fertigung, Ware von der Stange, gesichtsloser Massenproduktion mit. Gutes altes Handwerk gegen Hi-Tech-Moderne.
Aber auch ich hätte hier gerne nochmal sorbistan mit dabei: Was genau verbandet Ihr in der DDR mit dem Etikett „handgemachte Musik“, was schwang da für Euch mit?
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bullschuetz… Gegenteil von industrieller Fertigung, Ware von der Stange, gesichtsloser Massenproduktion …
Das würde dann aber den grössten Teil von Musik, die mit Gitarren gespielt wird, ausschliessen, oder nicht?
Aber über die Unstimmigkeiten der Argumentation derjenigen mit der moralischen Überheblichkeit gibt der Thread hier ja wortreich Auskunft.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail windDas würde dann aber den grössten Teil von Musik, die mit Gitarren gespielt wird, ausschliessen, oder nicht?
Synthies finde ich diesbezüglich noch verdächtiger…;-)
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Ein Freund von mir hat ein mildes Spottwort in petto, das da lautet: „Rockmusik mit Gitarren“.
(Sein Stil ist übrigens Minimal und Elektro.)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=redbeansandrice10% von was, also, wie zählst du Zeitströmungen etc etc etc
Diese „10% der aktuellen Zeitströmungen“ kam von dougsahm, da musst du schon ihn fragen, was genau er darunter versteht.
redbeansandrice
das versteh ich besser, aber: Wenn jemand sagt, er hört nur dänischen Ska, dann versteh ich das – und find es total ok (also: echt). Wenn aber jemand sagt, er hört am liebsten Musik, die mundgeblasen ist, und damit meint, dass ihm alles außer dänischem Ska unheimlich ist, dann kommt es zu Missverständnissen. Das heisst nicht, dass jemand, der ausschließlich mundgeblasene Musik hört, einen minderwertigen Musikgeschmack hat (oder so), es heisst bloß, dass der Name „mundgeblasene Musik“ ziemlich irreführend ist, weil es doch eigentlich um dänische Ska-Bands geht. (Und weil es – ganz wertfrei – andere Musik gibt, die sehr viel mundgeblasener ist als dänischer Ska.)Dein Beispiel mit „mundgeblasener Musik“ ist irreführend, zumald diese Begrifflichkeit als Musikbezeichnung wohl nicht existiert, trotzdem meine ich zu verstehen, was du aussagen möchtest. Und ich kann mich nur wiederholen: Bei der Benutzung dieser Edikette geht es um eine persönlich (das entscheidende Wort!) gewählte Vorliebe oder Ausdrucksform, welche sich auf klasssiche Arrangements der frühen Rock-/Popgeschichte bezieht. Es ist somit als Synonym/Anlehnung zu verstehen und nicht als Definition, welche Musik insgesamt mit Menschenhand erschaffen werden kann. Und solang dies für den Benutzer sinnergebend ist, finde ich das okay. Ganz egal, wie dämlich und unschlüssig es klingen mag.
nail75
Es geht wie gesagt nicht um Geschmacksfragen, sondern um die Wertung, die im Begriffspaar „ehrlich und handgemacht“ immer mitschwingt.Was stört dich denn an dieser Wertung? Die Beurteilung von Musik endet immer in einer Wertigkeit. Warum wird also in diesem Forum „handgemachte Musik“ als negativ wahrgenommen und beispielsweise „verschwitzter, breitbeiniger Rock“ nickend zugestimmt? Es geht doch lediglich um die persönlichen Preferenzen und ob eine Begrifflichkeit dumm gewählt ist, entscheidet doch nicht der Wortbenutzer, sondern der Kritiker (auf welchen es letzendlich doch gar nicht ankommt).
Aber diese Diskussion zeigt mir, dass „handgemachte Musik“ persönlich genommen wird, denn anders kann ich mir viele Beiträge nicht erklären. Als ob das eigene musikalische Weltbild zusammenfallen würde, nur weil jemand „handgemachte Musik“ schreibt/sagt. Vielleicht sollte eine gegensätzliche Begrifflichkeit wie „handgesteurte Musik“ erfunden werden, um etwas Gleichgewicht herzustellen.Und ich möchte nicht als Verteidiger der handgemachten Musik dastehen (übrigens, hatten wir schon geklärt, was das überhaupt ist? ), ich versuche nur zu akzeptieren, dass Hörer/Musiker dies zur Beschreibung von Musik benutzen.
Ohne diesen Thread würde ich vielleicht anders argumentieren und dem Ausdruck „handgemachte Musik“ kritischer gegenüberstehen, aber nachdem wohl absichtlich (zumindest kommt es mir so vor) versucht wird, diesen Beriff nicht verstehen zu wollen, konnte ich nicht anders, als auch kritisch auf Kritik zu reagieren.
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gypsy tail windDas würde dann aber den grössten Teil von Musik, die mit Gitarren gespielt wird, ausschliessen, oder nicht?
Was Du auf dem Töpfermarkt kriegst, nennt sich auch Kunsthandwerk und hat mit Kunst in der Regel eher wenig zu tun. Mich interessiert weniger die sachliche Korrektheit des Begriffs „handgemacht“, sondern eher seine Herkunft und der Grund, warum ausgerechnet er empirisch nachweisbar für viele Menschen so attraktiv ist, dass sie ihn gerne verwenden, wenn sie das Wesen von Musik auf den Punkt bringen wollen.
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Schlagwörter: Deutsche Kulturarbeit, Ehrlich währt am längsten, entweder - oder, Handwerk, led zeppelin
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