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CanzioneMusik bildet doch keine Realität ab wie Literatur oder Malerei; zumindest treten ihre Bestandteile nicht noch in anderer Funktion in der Wirklichkeit auf. Empfindungsabbildung, darin ist Musik stark. Darin darf man sich von ihr auch so ergreifen und bestätigen lassen.
Dem liegt offensichtlich ein recht eindimensionaler Realitätsbegriff zugrunde. Mir erschließt sich jedenfalls nicht, warum Empfindungen nicht Teil der Wirklichkeit sein sollten. Insofern: Was ist „Realität“?
Auch Literatur und Malerei können ohne weiteres stark sein im Empfindungen „abbilden“, sie erschöpfen sich keineswegs in der „Abbildung“ von wie auch immer gearteter „Realität“ . Das scheint mir schon deshalb kein geeignetes Abgrenzungskriterium zu sein.
Zumal es auch Musik bzw. Wirkungen von Musik gibt, die als beschreibend aufgefasst werden könnten, wie etwa bei Smetanas „Die Moldau“, um mal nur ein sehr bekanntes Beispiel zu nennen – wer da keinen Fluss assoziiert, hat wohl nie einen erlebt.
Die Stimulierung von Empfindungen könnte darüberhinaus als eine – je nach Sicht vielleicht sogar wesentliche – Funktion von Musik aufgefasst werden.
Wenn man aber jede andere recht evidente Funktion – etwa die Beruhigung im Fahrstuhl – als nicht musikalisch definiert und damit die „hehre“ Musik immunisiert, gewinnt man zum Verständnis der Dinge nicht wirklich viel. Ergreifen und bestätigen ist aber sicher bequemer als dieses zu reflektieren und zu überdenken.
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Zumal es auch Musik bzw. Wirkungen von Musik gibt, die als beschreibend aufgefasst werden könnten, wie etwa bei Smetanas „Die Moldau“, um mal nur ein sehr bekanntes Beispiel zu nennen – wer da keinen Fluss assoziiert, hat wohl nie einen erlebt.
Im Laufe einer Unterhaltung mit Wagner soll Rossini gesagt haben: „Wer vermöchte denn in einem entfesselten Orchester den deskriptiven Unterschied zwischen einem Sturm, einem Aufruhr, einer Feuersbrunst festzulegen?…Immer nur die Konvention!“ Man wird einräumen, dass ein unvorgebildeter Hörer nicht zu sagen wüßte, ob es sich bei dem Stück von Debussy oder der Overtüre zum FLIEGENDEN HOLLÄNDER um „Meer“ handelt: es war ein Titel nötig. Sobald aber dieser Titel bekannt und vertraut ist, sieht man es deutlich, wenn man LA MER von Debussy, und riecht man es, wenn man den FLIEGENDEN HOLLÄNDER hört.
Die Musik hat keine Worte.
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I will hold the tea bag.1
Tom WaitsDie Leute teilen Musik immer in zwei Kategorien ein: Sind die Lieder schneller oder langsamer als dein Herzschlag? Die schnellen bringen dir Leben bei, du hörst sie morgens. Die langsamen Lieder beruhigen dich, und du hörst sie vorzugsweise abends. Da die meisten Menschen vor allem abends die Muße haben, Musik zu hören, sind die Balladen so beliebt.
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, Rameaus Onkel
“ Michel-Paul-Guy de Chabanon, Geiger und Komponist und gleichzeitig Philosoph, bestätigt in voller Übereinstimmung mit Andre Morellet , daß Musik nicht die von unseren Sinnen wahrgenommenen Effekte nachahmt und strenggenommen auch nicht unsere Gefühle zum Ausdruck bringt. Einzig allein auf die Melodie reduziert, vermöchte die Musik Zorn oder Wut nicht wiederzugeben; in der Szene des „Achills Zorn“ erstickt Gluck die Singstimme unter sechzig Instrumenten: Der Zorn ist ein Gefühl, das nicht singt. Dennoch hat das Problem der Nachahmung Morellet beunruhigt. Er willigt ein, ihr einen Platz einzuräumen, vorausgesetzt, sie ist unvollkommen; auf paradoxe Weise rührt ebendaher ihr Vorteil vor der Natur (der in der Musik übertragene Gesang der Nachtigall gefällt mehr als seine Reproduktion mit mechanischen Mitteln).
Chabanon wundert sich: ´Warum müssen Poesie, Malerei und Bildhauerei treue Bilder geben und die Musik untreue? Wenn aber die Musik keine Nachahmung der Natur ist, was ist sie dann?´“Andre Morellet“ Falsche Frage: Wie Sehvermögen und Geruchssinn fallen auch dem Ohr unvermittelte Genüsse zu, und deshalb gefällt die Musik unabhängig von jeder Nachahmung.“
Michel de Chabanon „Gleichwohl kommt es vor, daß die Musik dem Hörer einen Sinn bietet. Ein Phänomen, das ich, wiederum in Übereinstimmung mit Morellet, aus der Analogie zwischen diesen oder jenen unserer Gefühle und den von der Musik bewirkten Eindrücken erklärt. Auf unsere Sinne – und auf unsere Sinne allein – wirkt die Musik direkt ein. Aber in die Wonnen der Sinne mischt sich der Geist ein: in Tönen ohne bestimmte Bedeutung sucht er Beziehungen, Analogien zu verschiedenen Gegenständen, mit verschiedenen Auswirkungen auf die Natur. Schaut man sich die Stücke an, in denen die „guten“ Meister dasselbe physische Objekt haben darstellen wollen, wird man finden, daß sie immer oder beinahe immer ein ähnliches Verfahren und etwas Gemeinsames haben, sei es in der Bewegung, sei es im Rhythmus, sei es bei den Intervallen, sei es in der Tonart. Schwaches Trillern mit zwei Tönen, um das Gemurmel eines Rinnsals wiederzugeben; Rakete von aufwärts- nach abwärtsfahrenden Tönen zum Ausdruck des Blitzes; das Wehen des Windes oder Grollen des Donners; zahlreiche unisono-Bässe, die die Melodie rollen und wogen lassen, für das Meer usw.“
D´Alembert „Nicht für das Ohr im eigentlichen Sinne schildert man in der Musik, was die Augen beeindruckt: sondern für den Geist, der, zwischen diese beiden Sinnesorgane gestellt, ihre Sensationen vergleicht und kombiniert und die invarianten Beziehungen zwischen ihnen erfaßt. Diese Beziehungen haben es nicht nötig, daß ein Inhalt für sie gesucht wird, es sind Formen: Eine diatonische Folge von absteigenden Tönen schildert den Sturz der Gischt nicht besser als den jedes anderen Dinges. Will ein Musiker das Heraufdämmern des Tages andeuten, malt er nicht den Tag und die Nacht, sondern lediglich einen Kontrast: der erstbeste, den man sich vorstellen kann, wird sich durch dieselbe Musik ebensogut ausgedrückt sehen wie der von Licht und Schatten. Die Ausdrücke haben nicht an sich Gültigkeit; was zählt sind allein die Beziehungen.
Fazit: Die Musik besteht aus Tönen. Aber „ein musikalischer Ton hat keinerlei Bedeutung an sich. Jeder Ton ist nahezu richtig, er hat weder Sinn noch besondere Eigenart; und eben dadurch unterscheiden sich die Töne von den Elementen der Rede, die, in den Wörtern, den Silben, ja sogar den Buchstaben, als lang, kurz, liquide usw. charakterisiert werden können, während das C und das D der Tonleiter keinerlei Unterscheidungsmerkmale haben. Das musikalische Vergnügen hängt bei jedem seinem Wesen nach richtigen Ton von den Tönen, die ihm vorhergehen, und denen ab, die ihm folgen.“ (Michel de Chabanon)
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CanzioneDie Musik hat keine Worte.
Wenn man „Worte“ und (verbale) Sprache im Sinn des 18. Jahrhunderts versteht und damit die Verständnisentwicklung der folgenden 200-300 Jahre und insbesondere die sprachpragmatische Wende des 20. Jahrhunderts sowie die neueren Forschungsergebnisse über Wahrnehmung und Hirntätigkeiten ausklammert, möglicherweise.
Ansonsten bleibt die Frage: Ja und? Was hat das jetzt mit der angeblichen Funktionslosigkeit zu tun?
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The only truth is music.Daniel_BelsazarWenn man „Worte“ und (verbale) Sprache im Sinn des 18. Jahrhunderts versteht und damit die Verständnisentwicklung der folgenden 200-300 Jahre und insbesondere die sprachpragmatische Wende des 20. Jahrhunderts sowie die neueren Forschungsergebnisse über Wahrnehmung und Hirntätigkeiten ausklammert, möglicherweise.
Roman Jakobson: „Im linguistischen Sinne liegt die Besonderheit der Musik im Verhältnis zur Poesie darin, dass der Gesamtkomplex ihrer Konventionen (langue, der Terminologie von de Sassure zufolge) sich auf das phonologische System beschränkt und keine etymologische Aufteilung der Phoneme umfaßt, also kein Vokabular.“
Übersetzt: Die Musik hat keine Worte. Zwischen den Tönen, die man auch Soneme nennen kann (weil diese Töne ja, wie die Phoneme, in sich selbst keinerlei Sinn haben; der Sinn resultiert aus ihrer Kombination), und dem Satz (auf welche Weise man ihn auch definiert) gibt es nichts. Die Musik schließt das Wörterbuch aus.
Eine Paradoxie: Mitten im 18. Jahrhundert werden in Frankreich die Prinzipien zur Sprache gebracht, auf die de Saussure später seine strukturale Linguistik gründen wird. Die Modernität Chabanons tritt auch zutage, wenn man seine Ideen mit denen zweier großer Theoretiker seiner Zeit vergleicht, Rousseau und Rameau.
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Daniel_Belsazar
Ansonsten bleibt die Frage: Ja und? Was hat das jetzt mit der angeblichen Funktionslosigkeit zu tun?Von einem Soziologie-Studenten streng befragt, welche Ziele die Musik (die Kunst) verfolgen solle, antwortete Thomas Mann: „Spielen“. Und zur Funktion,die die Musik heute in der Gesellschaft erfülle, fiel ihm nichts anderes ein als: „Wie alle Kunst: Existenzerweiterung. Man wird mehr.“
Die einfachste Definition von Kunst ist: Bereicherung der Welt. Erweiterung ihres Horizonts. Dazu kann gehören, den vorhandenen Spielraum an den Rändern auszubeulen, das Spielfeld zu erweitern…
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CanzioneÜbersetzt: Die Musik hat keine Worte. Zwischen den Tönen, die man auch Soneme nennen kann (weil diese Töne ja, wie die Phoneme, in sich selbst keinerlei Sinn haben; der Sinn resultiert aus ihrer Kombination), und dem Satz (auf welche Weise man ihn auch definiert) gibt es nichts. Die Musik schließt das Wörterbuch aus.
Die sprachpragmatische Wende in Folge von Wittgenstein besteht – sehr kurz gefasst – unter anderem darin, dass es eben keine irgendwie vom gesamten Regelsystem Sprache losgelöste „Bedeutung“ von Worten gibt; sie sind nicht isolierbar und nicht isoliert zu betrachten. Wörterbücher geben entsprechend nur die derzeit geltende Bedeutungsregel verschiedener Wörter innerhalb eines höchst selbstreferenziellen Wortsystems wieder. Die kann dann auch nur der benutzen, der sich innerhalb des Regelsystems befindet und dieses immer schon versteht. Insofern wären „Wörter“ dann wieder deckungsgleich mit den regelhaft zu musikalisch sinnvollen Einheiten zusammengesetzten Sonemen.
CanzioneVon einem Soziologie-Studenten streng befragt, welche Ziele die Musik (die Kunst) verfolgen solle, antwortete Thomas Mann: „Spielen“. Und zur Funktion,die die Musik heute in der Gesellschaft erfülle, fiel ihm nichts anderes ein als: „Wie alle Kunst: Existenzerweiterung. Man wird mehr.“
Die einfachste Definition von Kunst ist: Bereicherung der Welt. Erweiterung ihres Horizonts. Dazu kann gehören, den vorhandenen Spielraum an den Rändern auszubeulen, das Spielfeld zu erweitern…
Ein strenger Soziologie-Student könnte darauf mit vollem Recht antworten, das Thomas Mann also als wesentliche Funktion der Kunst die Befriedigung des menschlichen Spieltriebes sieht. Das wär’s dann eben mit der Funktion.
Vielleicht reden wir auch aneinander vorbei, weil wir möglicherweise nicht den gleichen Begriff von Funktion haben. Dazu hatte Go1 vor vier Jahren schon mal was geschrieben.
Meine Frage von damals ist mir aber sowieso nicht mehr so wichtig. Wegen mir brauchst du hier nichts mehr aufzukochen.
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The only truth is music.Sprachpragmatischer Unsinn.
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CanzioneWas für ein Unsinn!
Jetzt wirst du aber richtig freundlich. Wo genau ist der Unsinn? Nachweis bitte von Dir in eigenen Worten und nicht von Wiki oder sonstwo her. Ansonsten: Sei einfach ruhig.
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The only truth is music.CanzioneÜbersetzt: Die Musik hat keine Worte. Zwischen den Tönen, die man auch Soneme nennen kann (weil diese Töne ja, wie die Phoneme, in sich selbst keinerlei Sinn haben; der Sinn resultiert aus ihrer Kombination), und dem Satz (auf welche Weise man ihn auch definiert) gibt es nichts. Die Musik schließt das Wörterbuch aus.
hab grad von post #50 geträumt… that said – Musik Als aneinanderreihung und Überlagerung von Tönen (im Sinne von „C“, „D“…) zu beschreiben vernachlässigt zumindest mal den Aspekt Klang… und man kann durchaus behaupten, dass die Klänge der Instrumente sich zu den Geräuschen um uns nicht sooo viel anders verhalten als die Sachen, die auf Bildern abgebildet sind, zu ihren Vorlagen… die Klänge sind in der Musik halt anders zusammengesetzt als im bürgerlichen Leben – aber das ist ja bei der Malerei auch nicht anders .
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.Abgesehen davon ist das Funktionslosigkeitspostulat ja auch komplett ahistorisch, nicht?
Und was soll denn die ganze Zitaten-Schwemme? Ein Zitat ohne Beleg ist eh sinnlos (oder funktionslos, so wie die Musik… das ist ja vielleicht der Zirkel, in der Herr Canzione sich in den eigenen Schwanz beisst, wer weiss).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaredbeansandrice… und man kann durchaus behaupten, dass die Klänge der Instrumente sich zu den Geräuschen um uns nicht sooo viel anders verhalten als die Sachen, die auf Bildern abgebildet sind, zu ihren Vorlagen… die Klänge sind in der Musik halt anders zusammengesetzt als im bürgerlichen Leben – aber das ist ja bei der Malerei auch nicht anders .
Ein letztes Mal:
Wenn es richtig ist, dass die Musik eine Sprache ist, hat diese Sprache ihre Elementarbausteine, die Töne; sie hat ihre Sätze, die beginnen, unterbrochen werden und schließen; zwischen den Tönen und den Sätzen aber ist nichts. Die Natur hätte es so einrichten können, dass die Musik unseren Bedürfnissen dient wie die artikulierte Sprache: „Damit der Gesang Ideen zum Ausdruck brachte und vermittelte, hätte die Übereinkunft sie damit verbinden müssen: nichts war leichter. Ein Akkord aus zwei Tönen im Terzabstand hätte ´Brot´bedeutet.“ (Chabanon) Aber die Musik kennt kein Wörterbuch. Und daraus erwächst die Konsequenz: Während die gesprochene Sprache dieselbe Idee durch Umstellung der Wortfolge oder mit anderen Worten zum Ausdruck bringen kann, ist das in der Musik eben gerade nicht möglich. „Die Redewendungen und die Wörter sind nur die konventionellen Zeichen der Dinge: diese Wörter, diese Redewendungen, die Synonyme, die Äquivalente haben, lassen sich durch sie ersetzen.“ (Chabanon) In der Musik dagegen „sind die Töne nicht der Ausdruck der Sache, sie sind die Sache selbst.“
Die musikalische Sprache hat keine dem Wort entsprechende Artikulationsebene. Oder: Die Musik hat keine Worte.
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Ok, aber wenn Du von Sonemen redest… solche hören wir dauernd (Ruhe ist ja etwas, was es sozusagen nicht mehr gibt… hier mehr über Muzak).
Also die Soneme – als ernstgemeinte kleinste Teile, die dann auch nicht mehr als „Musik“ erkennbar sind, bei denen ist es dann nicht mehr möglich , zu unterscheiden zwischen „zufällig“ oder „gewollt“ (aka Kunst) entstandenen.
redbeans spricht also ganz in Deinem Sinne
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