Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Die "IMHO"-Diskussion – Meinungsstärke contra Zurückhaltung
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Nochmal zum Vergleich von „Ich finde die Musik von Joe Cocker schlecht“ und „Joe Cockers Musik ist schlecht“. Es kommt natürlich vor, dass man mit dem einen Satz dasselbe meint wie mit dem anderen, aber wenn man genau hinschaut, sind die Formulierungen nicht gleichbedeutend. „Die Musik ist schlecht“ schließt die Konsequenz ein: „Diejenigen, die sie mögen, mögen schlechte Musik“. „Ich finde die Musik schlecht (d.h. sie gefällt mir nicht)“ schließt diese Konsequenz nicht ein, denn was ich finde und empfinde, das muss die anderen nicht betreffen.
Im Satz „Ich finde die Musik von Joe Cocker schlecht“ ist von einem Ich die Rede, das von seiner Reaktion auf Joe Cockers Musik berichtet. Gleichbedeutend ist der Satz: „Mein Verhältnis zu Joe Cockers Musik ist eines der allgemeinen Abneigung“ (nichts, was ich von ihm gehört habe, gefällt mir). Im Satz „Joe Cockers Musik ist schlecht“ kommt dagegen nirgendwo ein Ich vor: Das Subjekt des Satzes ist „Joe Cockers Musik“, das Prädikat ist „schlecht“. In Sätzen dieser Form werden Gegenstände beurteilt. Mit dem Satz wird also eine Behauptung über Joe Cockers Musik in die Welt gesetzt. Gleichbedeutend ist der Satz: „Die Musik von Joe Cocker entspricht nicht dem Begriff von guter Musik“. Es geht jetzt nicht darum, ob und wie man eine solche Behauptung begründen kann. Der Punkt ist nur: Ihrer Form nach sind die beiden Aussagen nicht gleichwertig; mit der einen sagt man etwas über sein Verhältnis zu einem Gegenstand, mit der anderen etwas über den Gegenstand an sich. Dieser Unterschied in der Form wird von vielen nicht berücksichtigt. Der Grund ist wohl, dass sie stillschweigend unterstellen: „Wenn die Musik von Joe Cocker mir missfällt, liegt das daran, dass sie schlecht ist.“ Aber bekanntlich werden wir uns nie darüber einig, was „gute Musik“ ist; es geht immer nur um die jeweils eigenen Vorstellungen und Bewertungskriterien. (Und weil das allgemein bekannt ist, sagen einige: „Es ist egal, wie die Leute formulieren, ich denke mir das Nötige schon dazu.“)
@krautathaus:
In dem Zitat oben ging es nicht um „unumstößliche“ Aussagen, sondern um Urteile, Behauptungen über einen Gegenstand. Die halte ich eben für mangelhaft, wenn sie so unbegründet nackt dastehen. Klar, bei Leuten, die man kennt, kann man sich eventuell denken, wie die Begründung ausfallen würde, wenn man sie danach fragte. (Die Terminologie mit „assertorisch“ und „apodiktisch“ habe ich von Hegel, das ist vielleicht nicht so gängig. Ich wollte damit aber nicht verwirren. Hegels Beispiel für ein apodiktisches Urteil: „Dies Haus, so und so beschaffen, ist gut“ – seine Beschaffenheit entspricht also dem, was allgemein ein gutes Haus ausmacht.)--
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WerbungWichtig in diesem Zusammenhang ist auch zumindest die Kenntnis des Unterschieds zwischen Geschmacksurteil und ästhetischem Urteil.
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Tout en haut d'une forteresse, offerte aux vents les plus clairs, totalement soumise au soleil, aveuglée par la lumière et jamais dans les coins d'ombre, j'écoute.ursa minorEs hat wohl mal im englischen Radiohead-Forum Diskussionen über diesen Punkt gegeben. Hinterher wurde jeder angehalten, ein „IMO“ oder „IMHO“ unter (oder vor) alles zu setzen, was er schrieb. Das ist doch nicht praktikabel! Und meiner Meinung nach überflüssig.
Genau. Nehmen wir mal einen typischen Dialog aus einem Musikforum:
A: „Joe Cockers Musik ist Mist.“
B: „Ich mag seine Musik!“
A: „Dann magst du also Mist.“
B: „Du bist doof!“Macht es wirklich einen Unterschied, wenn man überall „in my humble opinion“ (IMHO) einsetzt?
A: „IMHO ist Joe Cockers Musik Mist.“
B: „Ich mag seine Musik!“
A: „IMHO magst du also Mist.“
B: „IMHO bist du doof!“--
To Hell with PovertykingberzerkWichtig in diesem Zusammenhang ist auch zumindest die Kenntnis des Unterschieds zwischen Geschmacksurteil und ästhetischem Urteil.
Erklär ihn doch mal kurz, wenn Du die Zeit dazu hast.
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To Hell with PovertyDas Geheimnis und der große Unterschied zwischen Ich-Sätzen und Du-Sätzen. Wenn ich in meinem Studium eines gelernt habe, dann ist es, diesen mythischen Regeln ein Stück weit zu folgen. Macht das Leben einfacher und manch eine Diskussion erträglicher (im Sinne von Ertrag).
„IMHO“ ist natürlich Quatsch, wenn gleich dahinter wieder ein fettes, vorwurfsvolles „Du“ folgt.--
detours elsewhereGo1Macht es wirklich einen Unterschied, wenn man überall „in my humble opinion“ (IMHO) einsetzt?
A: „IMHO ist Joe Cockers Musik Mist.“
B: „Ich mag seine Musik!“
A: „IMHO magst du also Mist.“
B: „IMHO bist du doof!“Man hat mehr Zeit zum Nachdenken, da man ja mehr tippen muß.;-)
Außerdem klingt „Sie A…loch!“ immer noch besser als „Du A…loch!“. (Dies ist nur ein Beispiel – Ich möchte nicht gesperrt werden! – Dies ist nur ein Beispiel!)--
Je suis Charlie Sometimes it is better to light a flamethrower than curse the darkness. T.P.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
tugboat captainDas Geheimnis und der große Unterschied zwischen Ich-Sätzen und Du-Sätzen.
ich hab immer Recht und du IMHO keine Ahnung?!
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Dick Laurentich hab immer Recht und du IMHO keine Ahnung?!
tugboat captain
„IMHO“ ist natürlich Quatsch, wenn gleich dahinter wieder ein fettes, vorwurfsvolles „Du“ folgt.Yeah!
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detours elsewhereGo1Erklär ihn doch mal kurz, wenn Du die Zeit dazu hast.
Zwischen Tür und Angel: Im Grunde genommen bezieht sich das ästhetische Urteil auf allgemeine Kategorien, das Geschmacksurteil hingegen auf den eigenen Geschmack: Ich finde Travis Panne, also ist das schlechte Musik. Prominenter Vertreter: Marcel Reich-Ranicki. Unterhaltsam, aber endlich und ungefähr so tiefreichend wie die Person, die sich bei öffentlichen Kritiken damit in die Waagschale wirft und sich damit inszeniert. Noch extremer: diese Musik ist langweilig. Nik Cohn verwendete das Geschmacksurteil-Argument „langweilig“ häufig in „AWoopBopAloobop…“, doch er versäumte nicht, weitere Kriterien anzufügen, die sein Urteil für andere nachvollziehbar und bewertbar machten. Zuerst kam der Holzhammer Langeweile, dann aber führte er aus: Janis Joplin konnte zwar ausdrucksstark wie keine Zweite singen, allerdings verpasste sie immer häufiger ihre Einsätze und trat besoffen auf und dergleichen. Sie brachte viel Seele in ihre Songs und konnte sie zerhauen wie nichts Gutes, später gingen die Songs nur noch auseinander wie Brei. In der Summe wurde es dann – langweilig. Ein ästhetisches Urteil bewegt sich im Rahmen von Kategorien, ähnlich wie Rossi einen Begriffsrahmen für den Pop aufzieht und dann checkt er etwa einen Metallica-Song danach ab, ob das guter oder schlechter Pop sei. (Update – Korrektur: ob das überhaupt Pop ist).
Für ein ästhetisches Urteil ist es aber nicht notgedrungen Bedingung, ständig ein „IMHO“ voranzuschieben oder ein „aus meiner Sicht“. Schon ein Verzicht auf übermäßige Geschmacksurteile – also Urteile, die nur auf dem eigenen Gefühl basieren („Johnny Cash ist niemals Pop!“ „Wieso?“ „Papperlapapp! Niemals!“) kann schon in der Unterscheidung helfen. Außerdem lassen sich ja sehr gut die Kriterien benennen und beurteilen („‚Oh, Sister‘ ist Bob Dylan textlich ja total entgleist. Sprach er zuvor den Frauen die Eigenständigkeit zu, gingen ihm in diesem Fall ja offenbar die Gäule durch und wenn die Frauen seinen Text hören, bleibt ihnen ja nichts anderes übrig als davonzurennen.“)
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Vor zwei Jahren gab es einen Kritiker-Streit zwischen Gnostikern und Emphatikern. Das war ein ähnlicher Fall. Die Gnostiker (ästhetisches Urteil) wurden von den Emphatikern (Geschmacksurteil, die mit der heiligen Empfindung als Kriteriumskompass) bezichtigt, nichts zu empfinden. Gnostiker: Ulrich Greiner. Emphatiker: Volker Weidermann (hüstel).
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Tout en haut d'une forteresse, offerte aux vents les plus clairs, totalement soumise au soleil, aveuglée par la lumière et jamais dans les coins d'ombre, j'écoute.Kingberzerkähnlich wie Rossis Begriffsrahmen für den Pop und checkt dann etwa einen Metallica-Song nachach ab, ob das guter oder schlechter Pop sei.
Nein, mir ging es um ein Beispiel, wann ein Rocksong, in diesem Fall „One“, kein Pop ist, im Unterschied zu anderen (z.B. „Satisfaction“). Da ist von mir keine Wertung intendiert, ich versuche nur, meine Kriterien zu erläutern (und selbst zu erkennen).
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Herr RossiNein, mir ging es um ein Beispiel, wann ein Rocksong, in diesem Fall „One“, kein Pop ist, im Unterschied zu anderen (z.B. „Satisfaction“). Da ist von mir keine Wertung intendiert, ich versuche nur, meine Kriterien zu erläutern (und selbst zu erkennen).
Okay, ein Versuch der Korrektur: ob es überhaupt Pop ist oder nicht (wäre ja auch ein Urteil).
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Tout en haut d'une forteresse, offerte aux vents les plus clairs, totalement soumise au soleil, aveuglée par la lumière et jamais dans les coins d'ombre, j'écoute.@kingberzerk:
Danke, das ist doch erhellend. Im Geschmacksurteil beruft man sich nur auf das eigene Gefühl, im ästhetischen Urteil dagegen auf nachvollziehbare Kriterien, an denen man die Beschaffenheit der Musik gemessen hat.Nachtrag:
Wenn man sich z.B. überlegt hat, warum einen manche Rock ’n‘ Roll-Platten begeistern und andere nicht, ist man irgendwann auf allgemeine Prinzipien gestoßen; etwa: „Rock ’n‘ Roll muss wild und ungezügelt sein, sonst ist er nicht gut“. Damit hat man seine eigene Vorstellung davon formuliert, was „guter Rock ’n‘ Roll“ ist, an der man die Platten unterscheidet. Das wäre so ein prinzipiell nachvollziehbares Kriterium, wie es hier gemeint ist (auch wenn es für „wild und ungezügelt“ natürlich einen subjektiven Spielraum gibt und nicht jeder dieselbe Musik gleich empfindet).(Wir haben die Reederei vorübergehend zu einer Außenstelle des Philosophicums gemacht. Die Diskussion ab Post #3034 hätte schon einen ordentlichen Thread ergeben.)
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To Hell with PovertyGo1Im Geschmacksurteil beruft man sich nur auf das eigene Gefühl, im ästhetischen Urteil dagegen auf nachvollziehbare Kriterien, an denen man die Beschaffenheit der Musik gemessen hat.
Äh ja genau, hätte ich auch ein bisschen kürzer fassen können. Hatte nur nebenbei zu tun
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Tout en haut d'une forteresse, offerte aux vents les plus clairs, totalement soumise au soleil, aveuglée par la lumière et jamais dans les coins d'ombre, j'écoute.Go1(Wir haben die Reederei vorübergehend zu einer Außenstelle des Philosophicums gemacht. Die Diskussion ab Post #3034 hätte schon einen ordentlichen Thread ergeben.)
Da gab es mal so einen Geschmacks-Thread, vielleicht passt die Diskussion da rein.
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?motörwolf“Meine Musik“ hat noch niemand scheiße genannt, ich mache keine.
Du Glücklicher.
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