Re: Die "IMHO"-Diskussion – Meinungsstärke contra Zurückhaltung

Startseite Foren Kulturgut Das musikalische Philosophicum Die "IMHO"-Diskussion – Meinungsstärke contra Zurückhaltung Re: Die "IMHO"-Diskussion – Meinungsstärke contra Zurückhaltung

#6791875  | PERMALINK

go1
Gang of One

Registriert seit: 03.11.2004

Beiträge: 5,645

Nochmal zum Vergleich von „Ich finde die Musik von Joe Cocker schlecht“ und „Joe Cockers Musik ist schlecht“. Es kommt natürlich vor, dass man mit dem einen Satz dasselbe meint wie mit dem anderen, aber wenn man genau hinschaut, sind die Formulierungen nicht gleichbedeutend. „Die Musik ist schlecht“ schließt die Konsequenz ein: „Diejenigen, die sie mögen, mögen schlechte Musik“. „Ich finde die Musik schlecht (d.h. sie gefällt mir nicht)“ schließt diese Konsequenz nicht ein, denn was ich finde und empfinde, das muss die anderen nicht betreffen.

Im Satz „Ich finde die Musik von Joe Cocker schlecht“ ist von einem Ich die Rede, das von seiner Reaktion auf Joe Cockers Musik berichtet. Gleichbedeutend ist der Satz: „Mein Verhältnis zu Joe Cockers Musik ist eines der allgemeinen Abneigung“ (nichts, was ich von ihm gehört habe, gefällt mir). Im Satz „Joe Cockers Musik ist schlecht“ kommt dagegen nirgendwo ein Ich vor: Das Subjekt des Satzes ist „Joe Cockers Musik“, das Prädikat ist „schlecht“. In Sätzen dieser Form werden Gegenstände beurteilt. Mit dem Satz wird also eine Behauptung über Joe Cockers Musik in die Welt gesetzt. Gleichbedeutend ist der Satz: „Die Musik von Joe Cocker entspricht nicht dem Begriff von guter Musik“. Es geht jetzt nicht darum, ob und wie man eine solche Behauptung begründen kann. Der Punkt ist nur: Ihrer Form nach sind die beiden Aussagen nicht gleichwertig; mit der einen sagt man etwas über sein Verhältnis zu einem Gegenstand, mit der anderen etwas über den Gegenstand an sich. Dieser Unterschied in der Form wird von vielen nicht berücksichtigt. Der Grund ist wohl, dass sie stillschweigend unterstellen: „Wenn die Musik von Joe Cocker mir missfällt, liegt das daran, dass sie schlecht ist.“ Aber bekanntlich werden wir uns nie darüber einig, was „gute Musik“ ist; es geht immer nur um die jeweils eigenen Vorstellungen und Bewertungskriterien. (Und weil das allgemein bekannt ist, sagen einige: „Es ist egal, wie die Leute formulieren, ich denke mir das Nötige schon dazu.“)

@krautathaus:
In dem Zitat oben ging es nicht um „unumstößliche“ Aussagen, sondern um Urteile, Behauptungen über einen Gegenstand. Die halte ich eben für mangelhaft, wenn sie so unbegründet nackt dastehen. Klar, bei Leuten, die man kennt, kann man sich eventuell denken, wie die Begründung ausfallen würde, wenn man sie danach fragte. (Die Terminologie mit „assertorisch“ und „apodiktisch“ habe ich von Hegel, das ist vielleicht nicht so gängig. Ich wollte damit aber nicht verwirren. Hegels Beispiel für ein apodiktisches Urteil: „Dies Haus, so und so beschaffen, ist gut“ – seine Beschaffenheit entspricht also dem, was allgemein ein gutes Haus ausmacht.)

--

To Hell with Poverty