Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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  • #4521229  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    FifteenJugglers„Andrey Rublyov“ von Andrej Tarkowskij – die originale 205-Minuten-Fassung (Sowjetunion 1966). 9/10.

    http://people.ucalgary.ca/~tstronds/nostalghia.com/TheTopics/On_Rublov.html

    Nobody has ever cut anything from Andrei Rublov. Nobody except me. I made some cuts myself. In the first version the film was 3 hours 20 minutes long. In the second — 3 hours 15 minutes. I shortened the final version to 3 hours 6 minutes. I am convinced the latest version is the best, the most successful. And I only cut certain overly long scenes. The viewer doesn’t even notice their absence. The cuts have in no way changed neither the subject matter nor what was for us important in the film. In other words, we removed overly long scenes which had no significance.

    We shortened certain scenes of brutality in order to induce psychological shock in viewers, as opposed to a mere unpleasant impression which would only destroy our intent. All my friends and colleagues who during long discussions were advising me to make those cuts turned out right in the end. It took me some time to understand it. At first I got the impression they were attempting to pressure my creative individuality. Later I understood that this final version of the film more than fulfils my requirements for it. And I do not regret at all that the film has been shortened to its present length.

    Interview L’artiste dans l’ancienne Russe et dans l’URSS nouvelle (Entretien avec Andrei Tarkovsky) with Michel Ciment and Luda & Jean Schnitzer in Positif Oct. 1969 (109), pp. 1–13 [Pol. trans. Zygmunt Kwiatkowski and Adam Horoszczak]

    Ich wusste gar nicht, dass es da verschiedene Fassungen gibt! Wo ist denn diese 205minütige zu kriegen? (Oder gar: zu sehen – nicht, dass ich irgendwo hinfahren würde, aber beeindruckt wäre ich doch!)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #4521231  | PERMALINK

    Anonym
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    Die erste Fassung (205 Min.) ist als Criterion DVD erhältlich. Allerdings OOP und daher etwas kostspieliger. Lohnt sich aber sehr! Alles was du jetzt noch brauchst, ist ein funktionsfähiger Player, Gypsy.

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    #4521233  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    pinchDie erste Fassung (205 Min.) ist als Criterion DVD erhältlich. Allerdings OOP und daher etwas kostspieliger. Lohnt sich aber sehr! Alles was du jetzt noch brauchst, ist ein funktionsfähiger Player, Gypsy.

    Ich weiss, einen Code-freien obendrein, wie es scheint (sind denn Kombi-Geräte für DVD/BD zu empfehlen und gibt’s die Code-frei?) … die DVD von „Die endlose Nacht“ liegt ja deshalb auch noch eingeschweisst herum …

    Vergriffen allerdings scheint die Ausgabe nicht zu sein, wenigstens nicht in den USA:
    http://www.amazon.com/Andrei-Rublev-The-Criterion-Collection/dp/6305257450/

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    #4521235  | PERMALINK

    Anonym
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    The Investigator – A Nyomozó
    (Regie: Atilla Galambos – Ungarn, 2008)

    Tibor Malkav ist ein Pathologe, dessen Mutter mit Krebs im Krankenhaus liegt und ohne eine teure Behandlung, die Tibor sich nicht leisten kann, sterben wird. Eines Tages erhält er von einem Fremden das Angebot, einen Menschen zu ermorden – der Fremde würde daraufhin die Behandlung der Mutter bezahlen. Tibur willigt ein, der Mord gelingt, jedoch erhält er einen Tag später einen Brief von dem Toten.

    Atilla Galambos, verantwortlich für Drehbuch und Regie, erzählt seine Krimi-Groteske mit Ruhe und Bedacht und spiegelt damit die etwas autistische Persönlichkeit der Hauptfigur Tibor wieder, der nicht so schnell aus der Haut fährt, aber (bis auf ein verräterisches Zucken um die Augen) auch keine Gefühle zeigen kann, ja, nicht mal Humor besitzt.
    Das Schöne an dieser Figur ist, dass sie in „A Nyomozó“ (Originaltitel) die sonst übliche Besetzung eines Krimis in Personalunion innehat: Tibor ist zugleich Gerichtsmediziner, Täter, Opfer, Angehöriger und Ermittler. In seiner Rolle als Gerichtsmediziner dürfen wir ihm beim Herrichten der Leichen zusehen, außerdem gewährt uns Regisseur Galambos auch einen Blick auf die Todesursache der Verstorbenen. Und nicht nur das: Während die Körper der Toten geöffnet werden, öffnet Galambos den Schädel von Tibor für uns und zeigt das fantastische Innenleben des teilnahmslos wirkenden Pathologen, teils surreal ausgestaltet.
    Die Handlung wird mal mehr, mal weniger konsequent vorangetrieben, es finden sich jedoch immer wieder kleine Seitenhiebe und Anspielungen auf die Filmindustrie. Markantestes Beispiel sind Tibors Kinobesuche in Begleitung einer Frau, die ein Auge auf ihn geworfen hat. Die Kassiererin spricht davon, dass der Kunstfilm gerade sterbe und Tibor doch lieber ins Theater gehen solle, dies sei wenigstens schon tot. Tatsächlich sind alle Filme (die man nur als Soundkulisse mitbekommt), die sich Tibor anschaut, billigste Machwerke simpelster Machart, auch wenn sie ihm eigentlich anders und vollmundig angepriesen wurden. (Großartig, wenn man den Sound einer Kettensäge und das Schreien eines Kindes hört, während ein Pärchen den Saal verlässt und der mutmaßliche spätere Mordauftragsgeber schallend lacht.)
    Neben den üblichen Mustern des Kriminalfilms bietet „The Investigator“ hier und da einige außergewöhnliche Ideen, etwa die Zusammenkunft aller Beteiligten in Tibors Hirn, wenn er versucht die Fakten des Falls zu ordnen oder die visuelle Umsetzung des Lesens des Briefes des Toten, der ihn zu Beginn erreicht.
    Zum Schluss kommt es dann zu einer Familienzusammenführung der etwas anderen Art, die den Film tiefschwarz, aber nicht ohne Augenzwinkern und mit einem versöhnlichen Blick in die Zukunft enden lässt.
    „The Investigator“ reicht nicht an die Qualität seines ungarischen Kollegen „Kontroll“ heran, ist aber ein feiner Film, dem man eine Chance geben sollte.

    Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=9SHW7dCdt_o

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    #4521237  | PERMALINK

    jan_jan
    Chosen Undead

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    Das kommt davon, wenn man mal gutes über Sneak Preview sagt:
    The Big Wedding *gähn*

    Sonst:
    Bigelow – Near Dark
    Aronofsky – Black Swan
    Beide DVDs, die ich seit Ewigkeiten rumliegen hatte, beide sehr schön.

    --

    Arise now, ye Tarnished/Ye dead, who yet live/ The call of long-lost grace speaks to us all  
    #4521239  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

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    gypsy tail windIch weiss, einen Code-freien obendrein, wie es scheint (sind denn Kombi-Geräte für DVD/BD zu empfehlen und gibt’s die Code-frei?) […]

    Hier gibt’s Starthilfe.

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    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #4521241  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Danke! Ich muss mich wohl erst mal umschauen, was ich hier kriegen kann … Angebot wird ähnlich sein, die Preise jedoch nicht.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #4521243  | PERMALINK

    scorechaser

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    „The Descendants“ (Alexander Payne, 2011) ****1/2

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    "Film is a disease. And the only antidote to film is more film." - Frank Capra
    #4521245  | PERMALINK

    krautathaus

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    Killing Them Softly – Andrew Dominik ****

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    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #4521247  | PERMALINK

    roughale

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    gypsy tail windIch weiss, einen Code-freien obendrein, wie es scheint (sind denn Kombi-Geräte für DVD/BD zu empfehlen und gibt’s die Code-frei?) … die DVD von „Die endlose Nacht“ liegt ja deshalb auch noch eingeschweisst herum …

    Geht es auch um BD Code Free? Die andere verlinkte Seite sieht mir so aus, als ob es dort nur um DVD Player geht, da ist es deutlich einfacher… Es gibt auch BD Player, die mit Firmwareupdates per Fernbedienung umgeschaltet werden können (für BD und DVD!), allerdings sind die etwas schwieriger zu bekommen, so wurden zum Beispiel die Toshiba Player aus den meisten Läden entfernt – da war es sehr einfach, ich spreche aus Erfahrung ;-) Wenn es also auch um Code Free BDs geht, dann frag ruhig nochmal genauer nach, zur Not per PN…

    --

    living is easy with eyes closed...
    #4521249  | PERMALINK

    kingofcomedy

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    Contagion (2011) ****

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    #4521251  | PERMALINK

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    Memory – Wenn Gedanken töten
    (Regie: Bennett Davlin – USA, 2006)

    Dr. Taylor Briggs kommt auf einer Brasilienreise in Berührung mit einer bis dato noch unbekannten Droge, welche Ihn in Form von Visionen die Taten und Erinnerungen aus der Sicht eines unbekannten Serienkillers, welcher es auf junge Mädchen abgesehen hat, sehen lassen.
    Von nun an beginnt er der Sache auf den Grund zu gehen, da diese Serie möglicherweise noch kein Ende gefunden hat und stößt dabei auf so manche Geheimnisse innerhalb seines Familienkreises…

    „Mem-o-re“ (Originaltitel) könnte man einen Autorenfilm nennen, da Regisseur und Drehbuchautor Bennett Davlin auch für die Romanvorlage verantwortlich zeichnet, tatsächlich ist Davlins Debüt aber eher ein B-Thriller, der sich ein wenig aus der Flut dieses Genres durch seine Besetzung mit Billy Zane, Dennis Hopper und Ann-Margret abhebt.
    Die Geschichte klingt erstmal spannend, vor allem weil sie viele Themen berührt, die mich interessieren und in Grundzügen auch an den hervorragenden „Altered States“ erinnert. Man merkt auch, dass hier niemand Lust auf (optisch) ausgetrampelte Pfade hat, aber anstatt neue Wege zu beschreiten, beschließt man, dass es ausreicht, dem breit ausgewalzten Pfad einfach tänzelnd zu folgen. Hinzu kommt, dass ein erfahrenes Thrillerpublikum schon nach etwa 30 Minuten weiß, in welche Richtung sich der Film entwickeln wird und kurz darauf auch den Täter benennen kann, sowie eine dezidierte Vorstellung davon haben wird, welche Rolle der von Tricia Helfer gespielten Stephanie Jacobs zufällt. Das ist sehr schade, denn im Grunde lebt „Memory – Wenn Gedanken töten“ davon, den Killer ausfindig zu machen.
    Handwerklich solide, zeitweise auch spannend, aber viel verschenktes Potenzial. Eine Droge wie DMT bietet den perfekten Ansatz für eine berauschende, abseitige Bilderflut. Diese Chance wird nicht genutzt. Davlins Film will lieber ein konventioneller Thriller sein. Oder um es mit Rauschmitteln zu sagen: Zu viel Wodka, zu wenig Ayahuasca. (Der „jump scare“ am Ende des Abspanns ist ein schlechter Witz!)

    Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=P13so6N8JIs

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    #4521253  | PERMALINK

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    RIVER’S EDGE (Tim Hunter, 1986)

    „I killed a girl, it was no accident. Put a gun to the back of her head and blew her brains right out the front. I was in love.“

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    #4521255  | PERMALINK

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    Leben und Tod einer Pornobande
    (Regie: Mladen Djordjevic – Serbien, 2009)

    Der junge und dynamische Filmregisseur Marko hat sich vorgenommen, die serbische Filmwelt mit seiner Arbeit zu revolutionieren. Nur scheitert dieses Vorhaben kläglich, so dass er sich irgendwann daran macht, zumindest in der Pornoindustrie Fuß zu fassen. Doch auch dabei soll er kein Glück haben, so dass er sich, zusammen mit einer Bande junger Schauspieler, die zu allem bereit zu sein scheinen, auf eine Roadtour begibt, bei der er mit einem Porno-Carbaret die Leute in den kleinen serbischen Dörfern zu erreichen versucht. Aber auch das funktioniert nicht so wie geplant, bis ein alter Mann ihm ein genauso verlockendes, wie schockierendes Angebot macht…

    Im Stil eines Videotagebuchs beginnt „Leben und Tod einer Pornobande“ in den 90er Jahren noch recht heiter, wenn man Filmstudent Marko bei seinen ersten Schritten im Filmgeschäft zusehen darf. Er trifft dabei nicht nur auf das Unverständnis seiner gut situierten Familie und seiner Freundin, sondern auch auf einen Filmbetrieb, der keinerlei Interesse an Kunst und sich völlig dem Kommerz verschrieben hat.
    Aus Frust, Faszination und dem Fakt, dass er finanziell unabhängig von seinem Vater sein will, beginnt er Pornos für eine lokale Produzentengröße zu drehen. Doch auch hier macht er sich mit seinen außergewöhnlichen Ideen schnell unbeliebt.
    Zu diesem Zeitpunkt kreist der Film noch um das Thema der künstlerischen Selbstverwirklichung, die durch monetäre Zwänge immer in Gefahr ist und auch beim Publikum kaum ankommt. Selbstironisch nimmt Regisseur Mladen Djordjevic sich und seine Kollegen auf die Schippe, wenn er als Film im Film blutige Avantgarde-Stücke wie „Das Schreien des Schweins“ zeigt. Kurz darauf realisiert Marko seinen ersten „abendfüllenden“ Pornofilm, den er mit Geldern von Produzent Cane erstellt hat. Wieder ein groteskes, künstlerisches Stück Film inklusive Ackerbegattung, Ejakulation und Zombies. Cane is not amused und besteht auf die Rückgabe seines Geldes, wozu Marko nicht in der Lage ist. Er versteckt sich bei Freunden.
    Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2000 und Milosevic ist als jugoslawischer Staatspräsident zurückgetreten. Geschickt installiert Djordjevic im Film ein Desinteresse seiner Hauptfigur am politischen Geschehen, er lässt Marko die meisten Ereignisse im drogeninduzierten Koma verschlafen. Dies ist aber nur eine Finte, sind die Auswirkungen des Balkankrieges und die Schatten der Vergangenheit doch überall deutlich spürbar. Manchmal in der reaktionären Art der Stadt- und Dorfbewohner, manchmal auch als Poster von Milosevic in einer Polizeistation.
    Markos neustes Projekt wird ein Pornotheater, in dem er all das verbindet, was er vorher in seinen Filmen ausdrücken wollte: Seine künstlerisches Bemühen, freie Sexualität, gepaart mit Gewalt und Tod. Eros und Thanatos, mit einem kleinen Vorteil zugunsten von Thanatos.
    Wieder pfuscht ihm Cane ins Handwerk. Er lässt seinen Bruder, einen höheren Polizeibeamten von Belgrad, das Theater schließen. Cane fordert sein Geld zurück. Marko will zahlen, sobald sein Theaterstück Gewinne abwirft. Cane ist nicht überzeugt. Cane und der Polizist schlagen Marko übel zusammen.
    Marko flieht aus der Stadt, nicht jedoch ohne vorher seine Truppe zusammenzutrommeln und eine Art fahrendes Pornotheater zu gründen. Nach dem Vorbild von Ken Kesey und den Merry Pranksters bemalen sie einen Bus und beginnen ihre „Magical Mystery Tour“ durch die Dörfer Serbiens. Untermalt wird das oft von eingängiger psychedelischer Rockmusik mit kleinen Surf-Einflüssen, die extra für den Film komponiert wurde.
    Bei ihren Überlandfahrten stoßen sie zunächst nicht auf die erwartete Ablehnung, die Dorfbewohner scheinen sie als Clowns wahrzunehmen. Keine künstlerische Anerkennung, aber immerhin auch keine Repressionen wie in der Stadt, wie in Belgrad. Dies ändert sich kurz darauf. Zum Schutze der Jugend des Dorfes rottet sich eine mit Fackeln und Heugabeln bewaffnete Meute Bauernlümmel zusammen (eine herrlich komische Darstellung von Jugendschutz und Filmzensur), die Marko und seine „Pornobande“ aus dem Dorf vertreiben wollen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich mittlerweile ein Junge aus dem Dorf mit transsexuellen Neigungen und zoophilen Erfahrungen der Bande angeschlossen hat. Die Bauern überfallen schließlich das Camp und lassen ihren Zorn in einer Massenvergewaltigung freien Lauf. Männer vergewaltigen Frauen, Männer vergewaltigen Männer. Als einem Mitglied der Pornobande das Groteske an dieser Situation klar wird, beginnt es zu lachen. Nach und nach fallen seine Kumpanen ein. Eine gespenstische, bedrückende Szene.
    An dieser Stelle kippt der Film. Die Ausgelassenheit, die zwar vorher schon bedroht war, verschwindet völlig. Aus Drogenkonsum wird Drogensucht. Thanatos besiegt endgültig Eros.
    Gedemütigt und all ihres Geldes beraubt, willigt die Gruppe einstimmig in ein Angebot ein, das Marko von einem ehemaligen deutschen Kriegsberichterstatter der Zeitung „Die Welt“ erhält: Anstatt Tod und Zerstörung auf der Theaterbühne nur zu simulieren, sollen sie echte Snuff-Filme drehen. Der Deutsche handelt mit diesen seit dem Balkankrieg, damals waren sie aber wesentlich einfacher herzustellen, da es ein Gesetzesvakuum gab. Er versichert Marko, dass er sich um die Opfer kümmern werde, die ausschließlich aus Lebensmüden bestehen sollen, die mit ihrer „Gage“ ihre verarmten Familien unterstützen.
    Ein weiterer politischer Bezug zum Krieg: Westeuropa und die USA schauen sich das Grauen von außen an, tun aber nichts, um zu helfen. Manche versuchen aus den Kriegsgräuel auch noch Kapital zu schlagen. In den Geschichten der Snuff-Opfer, die nun vor der Kamera sterben, bekommt man die Kriegsereignisse erzählt, die Marko im Schoße seines gut situierten Zuhauses und seiner ersten Drogenphase einfach ausgeblendet hatte.
    Die Mordtaten werden ausgelost, durchgeführt und aufgezeichnet. Die Gruppe spielt weiterhin ihre Stücke auf der Bühne, zerfällt aber zusehends geistig wie auch körperlich.
    In „Leben und Tod einer Pornobande“ mehren sich zum Ende hin die schockierenden und harten Momente, die durch den semi-dokumentarischen Stil des Films erschreckend nah am Zuschauer sind. Man bekommt schon früh pornografische Szenen und Blutiges zu Gesicht, meistens aber in der Gewissheit, dass es nur ein Spiel ist, dass es Kunst ist. Die Snuff-Hinrichtungen sind grausam, emotional auslaugend und für einen Teil des Publikums vielleicht unerträglich. In einem Interview merkte Regisseur Djordjevic an, dass sowohl die Hinrichtung eines Soldaten, als auch die vermeintliche Schächtung einer Ziege gestellt seien und keineswegs echtes Material darstellen (was einige Kinogänger befürchteten) – wie auch der Rest der Gewalttaten in „Leben und Tod einer Pornobande“.
    Ab diesem Zeitpunkt wird der Film auch ein wenig vorhersehbar, denn mit welchem Ende, außer dem folgenden, soll man diesen Abstieg in die Niederungen der Barbarei beschließen?
    „Leben und Tod einer Pornobande“ ist ein provokanter Film über die serbischen Verhältnisse in Kunst, Kultur und Politik, die der Balkankrieg und Schlächter wie Milosevic hinterlassen haben. Er beschäftigt sich ebenso mit heteronormativer Sexualität, deren Verankerung in der Gesellschaft und einem noch immer schwierigen Thema wie AIDS. Dabei entbehrt er keineswegs Humor und man spürt die Verbundenheit des Filmemachers mit seinen Figuren, die trotz all des Schreckens nicht ausgebeutet werden. Vermutlich sah dies auch die FSK so, anders kann man sich die Freigabe der ungekürzten Fassung des Films nicht erklären. „Wir sind auf diese Tour gegangen, um zu ficken, nicht um zu töten.“ Tipp.

    Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=nvWIUP2Py1g

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    #4521257  | PERMALINK

    Anonym
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    The Horseman
    (Regie: Steven Kastrissios – Australien, 2008)

    Christian (Peter Marshall) ist Vater einer jugendlichen Tochter. Diese wird eines Tages tot aufgefunden, was Christian völlig aus der Bahn wirft. Als er ein Video erhält, indem er sieht, wie seine Tochter unter Drogen gesetzt, misshandelt und vergewaltigt wird, macht er sich auf die Suche nach den Urhebern des Videos und zieht eine gewaltige Blutspur hinter sich her.

    Hin und wieder hört man, dass Gewalt in den Medien keinen Platz haben sollte. Weder im Film, noch im Fernsehen, noch in Musik, Literatur, Theater oder bildender Kunst. Wo soll Gewalt denn sonst stattfinden? Zuhause? Am Arbeitsplatz? Im Fußballstadion? Die verarbeitete und sublimierte Form ist weit weniger hässlich als die ursprüngliche des Alltags. Soll heißen: Ich habe nichts gegen Gewalt im Film, sogar wenn sie selbstzweckhaft und exploitativ daherkommt.
    Ein Problem habe ich dagegen mit verlogener Moral und Heuchelei. Würde der Protagonist in „The Horseman“ einfach aus Lust an der Gewalt töten, wäre dies weniger ätzend, als dieser Rache-Humbug, der darauf beruht, dass sein „reines“ Töchterlein mit Drogen in Berührung kommt, in diesem Zustand für einen Pornofilm ausgenutzt wird und schließlich an einer Überdosis stirbt, weil die Produzenten und Schauspieler des Films zu feige sind, sich um sie zu kümmern.
    Vater Christian sucht die Beteiligten nun sukzessive auf, um sie zu verprügeln, zu bedrohen, zu foltern und zu töten. Zum Schluss stehen dem eher unfreiwilligen Tod seiner Tochter (die man in Rückblenden nur als kleines, glückliches, strahlendes Mädchen sieht…) eine Lynchleistung von etwa zehn Männern gegenüber, zumeist brutal erschlagen. Damit der widerlichen Moral noch nicht genug: Christian errettet auch noch ein schwangeres Mädchen aus den Fängen dieser Männer, das mit ihm eine „Leidenschaft“ teilt: Das Ritzen, um mit dem Schmerz besser umzugehen. Himmel hilf! Was für ein ausgemachter Quark!
    Ich will natürlich nicht unterschlagen, dass „The Horseman“ ein handwerklich gut gemachter, auch atmosphärischer und spannender Rachethriller ist und in der Gewaltdarstellung nicht gerade zimperlich. Ein paar schöne Einfälle hält er auch parat, etwa wenn der Vater angeekelt die Asche seiner Tochter in den Mülleimer kippt, nur um den Abfall kurz darauf auf den Küchenboden zu entleeren und die Asche (gesäubert von Müllstückchen) wieder in die Urne zu füllen.
    Das Selbstjustizmotiv, das hier mal wieder mit einem hysterischen „Kinderschänder“-Fall unterfüttert wird, wirkt auf mich jedoch absolut abstoßend. Volker Pispers bemerkte dazu: „Wenn man weiß, wer der Feind ist, dann hat der Tach Struktur!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=CIp7Mh8cPpA

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