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The Investigator – A Nyomozó
(Regie: Atilla Galambos – Ungarn, 2008)
Tibor Malkav ist ein Pathologe, dessen Mutter mit Krebs im Krankenhaus liegt und ohne eine teure Behandlung, die Tibor sich nicht leisten kann, sterben wird. Eines Tages erhält er von einem Fremden das Angebot, einen Menschen zu ermorden – der Fremde würde daraufhin die Behandlung der Mutter bezahlen. Tibur willigt ein, der Mord gelingt, jedoch erhält er einen Tag später einen Brief von dem Toten.
Atilla Galambos, verantwortlich für Drehbuch und Regie, erzählt seine Krimi-Groteske mit Ruhe und Bedacht und spiegelt damit die etwas autistische Persönlichkeit der Hauptfigur Tibor wieder, der nicht so schnell aus der Haut fährt, aber (bis auf ein verräterisches Zucken um die Augen) auch keine Gefühle zeigen kann, ja, nicht mal Humor besitzt.
Das Schöne an dieser Figur ist, dass sie in „A Nyomozó“ (Originaltitel) die sonst übliche Besetzung eines Krimis in Personalunion innehat: Tibor ist zugleich Gerichtsmediziner, Täter, Opfer, Angehöriger und Ermittler. In seiner Rolle als Gerichtsmediziner dürfen wir ihm beim Herrichten der Leichen zusehen, außerdem gewährt uns Regisseur Galambos auch einen Blick auf die Todesursache der Verstorbenen. Und nicht nur das: Während die Körper der Toten geöffnet werden, öffnet Galambos den Schädel von Tibor für uns und zeigt das fantastische Innenleben des teilnahmslos wirkenden Pathologen, teils surreal ausgestaltet.
Die Handlung wird mal mehr, mal weniger konsequent vorangetrieben, es finden sich jedoch immer wieder kleine Seitenhiebe und Anspielungen auf die Filmindustrie. Markantestes Beispiel sind Tibors Kinobesuche in Begleitung einer Frau, die ein Auge auf ihn geworfen hat. Die Kassiererin spricht davon, dass der Kunstfilm gerade sterbe und Tibor doch lieber ins Theater gehen solle, dies sei wenigstens schon tot. Tatsächlich sind alle Filme (die man nur als Soundkulisse mitbekommt), die sich Tibor anschaut, billigste Machwerke simpelster Machart, auch wenn sie ihm eigentlich anders und vollmundig angepriesen wurden. (Großartig, wenn man den Sound einer Kettensäge und das Schreien eines Kindes hört, während ein Pärchen den Saal verlässt und der mutmaßliche spätere Mordauftragsgeber schallend lacht.)
Neben den üblichen Mustern des Kriminalfilms bietet „The Investigator“ hier und da einige außergewöhnliche Ideen, etwa die Zusammenkunft aller Beteiligten in Tibors Hirn, wenn er versucht die Fakten des Falls zu ordnen oder die visuelle Umsetzung des Lesens des Briefes des Toten, der ihn zu Beginn erreicht.
Zum Schluss kommt es dann zu einer Familienzusammenführung der etwas anderen Art, die den Film tiefschwarz, aber nicht ohne Augenzwinkern und mit einem versöhnlichen Blick in die Zukunft enden lässt.
„The Investigator“ reicht nicht an die Qualität seines ungarischen Kollegen „Kontroll“ heran, ist aber ein feiner Film, dem man eine Chance geben sollte.
Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=9SHW7dCdt_o
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