David Murray

Ansicht von 9 Beiträgen - 451 bis 459 (von insgesamt 459)
  • Autor
    Beiträge
  • #12432373  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Donal Fox ist auszugsweise auf YT, oder?* Da wollte ich auch mal noch reinhören … und klar, „Flowers Around Cleveland“ hätte ich auch super gerne, das Line-Up ist schon vielversprechend!

    *) EDIT: Ja, steht auch hier … hier alle vier Stücke (#1-4 der CD, wie es scheint bzw. wenn die Infos bei YT und Discogs korrekt sind):




    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #12438123  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Jack DeJohnette Special Edition | Das ist ja eigentlich eine Band wie geschaffen für mich – aber es dauerte bis zum Touchstones-Reissue dieses Albums (2008) und der 4-CD-Box (2012), bis ich die Alben wirklich kennenlernen konnte. David Murray spielt im ersten und vierten der vier für ECM aufgenommenen Alben der Gruppe mit, zum Einstieg an der Seite von Arthur Blythe und Peter Warren (eine Enja-Entdeckung!). Warren blieb für das erste der zwei folgenden Alben mit Chico Freeman und John Purcell als neuen Bläsern, Rufus Reid und Baikida Carroll sind auf dem dritten dabei, bei der letzten Runde ist Murray zurück, neben Purcell, Reid und Howard Johnson.

    Was @vorgarten schreibt, nämlich dass die zwei Bläser ihr Spiel nicht etwa glätten oder weniger krawallig als üblich aufspielen, das Ergebnis aber dennoch runder, eleganter ist, passt auch für mich. Der andere Kontext, das andere Material (bis auf die Coltrane-Stücke alles vom Leader), die anders agierende Rhythmusgruppe, macht einen entscheidenden Unterschied. Besonders Warren ist verspielter, lyrischer, weicher, obertonreicher als die wichtigen Murray-Bassisten, und DeJohnette hat auch eine andere Vorstellung von Time, die ich vielleicht als flüssiger bezeichnen möchte? Im Opener „One for Eric“ ist Murray an der Bassklarinette unfassbar toll. Blythe klingt in dem Kontext danach wirklich fast etwas konventionell (und Dolphy als Bezugspunkt für sein Altsax ergibt schon auch irgendwie Sinn). Dann die ellingtoneske „Zoot Suite“, wo Blythe den Lead hat und Murray aus dem Untergrund – er spielt ungezähmte Begleitungen hinter Blythe – auftaucht, während der Groove so quasi „Rockin‘ in Rhythm“-mässig zugleich ständig ruckelt (das Bass-Lick) und total smooth durchläuft (die Drums, die aber auch durchaus zickig sind). Dass Warren hier am Ende ein Solo kriegt – aus dem er eine Art ganz tolles Nicht-Solo macht – ist hochverdient. Eigentlich könnte das Stück auch mit dem letzten, verklingenden Basston kurz vor der Neun-Minuten-Marke enden. Dann folgt das Coltrane-Segment, statt eines Zehn-Minuten-Tracks zwei kürzere: „Central Park West“ als Durchspiel mit Blythe im Lead, Arco-Bass, der Leader an der Melodica, Murrays Tenor hinter dem Vorhang als Wildcard – was für ein tolles Stück das doch ist! „India“ ist die zweite Coltrane-Komposition – DeJohnette zunächst am frei mäandernden Klavier, später an durchaus an Elvin Jones erinnernd flächig am Schlagzeug, Warren mit Orgelpunkt für den Groove zuständig, Murray an der Bassklarinette, Blythe singend und strahlend –, die die zehn Minuten voll macht, bevor „Journey to the Twin Planet“ das Album beschliesst. Nach einem frei-schwebenden Intro werden die Ärmel hochgekrempelt und alle stellen sich breitbeinig hin, damit die kollektive Wucht sie nicht von den Füssen haut. Blythe ist wieder im Lead und Murray grummelt, brummt und faucht im Untergrund, und mit dem rasenden Bass von Warren wird das zu einem dichten Geflecht, das dann in der Mitte wieder aufgebrochen wird: die Bläser spielen allein einfache Linien und Figuren, DeJohnette an der Melodica und gestrichener Bass gesellen sich dazu. Darüber erhebt sich dann Blythe wieder – und obwohl Murray superb aufspielt, ist Blythe hier schon die Stimme, die am meisten Raum zu glänzen kriegt. Tolles Album, exzellente Band … Als Gedankenspiel würde mich die Enja-Version dieses Albums interessieren … weniger aufgeräumt im Klangbild, „grittier“, vielleicht noch mit ein paar Outtakes, die damals aus Platzgründen weggefallen sind, zum Beispiel das lockere Stück, mit dem die Session begonnen hat. Aufgenommen wurde das Album im März 1979 in den Generation Sound Studios in NYC von Tony May und später von Martin Wieland und Manfred Eicher im Tonstudio Bauer abgemischt.

    Jack DeJohnette’s Special Edition – Album Album | Freie Grooves, elaborierte Arrangements (inkl. Remake der „Zoot Suite“), Cover mit Melodica (hier „Monk’s Mood“, Coltrane ist da quasi mitberücksichtigt – superbes Arrangement von Johnson, der am Barisax das Fundament legt), Piano-Overdubs von DeJohnette – das Album hat der Leader selbst produziert (Juni 1984 in der Power Station mit David Baker, gemischt wieder von Wieland/Eicher im Tonstudio Bauer), und er denkt offensichtlich in enger gefassten, elaborierteren Konzepten als Murray (bei dem ich bis dahin nicht denke, dass er an Produktion viel Gedanken verschwendet hatte, auch an Arrangements nicht halb so viele wie DeJohnette). Der tolle Opener „Ahmad the Terrible“ ist Jamal gewidmet, zwar einer der Pittsburgher-Pianisten (ich glaub es war Erroll Garner, der auf die Frage, warum die Stadt so viele herausragende Pianisten hervorgebracht habe, geantwortet hat, es müsse dort „gute Mütter“ gegeben haben?), der aber 1950 nach Chicago zog, in die Stadt DeJohnettes also, auch wenn man das bei ihm gerne mal vergisst (sein späteres ECM-Album „Made in Chicago“ hat es wieder in Erinnerung gerufen). Die Musik dieses Quintetts wirkt alles in allem fröhlich und bunt, aufgeräumt und doch ziemlich frei – innerhalb des Rahmens, den die Arrangements stecken. In „Festival“ gibt es eine Kollektiv-Impro der drei Saxophone (Purcell spielt Alt und Sopran, Murray nur Tenor, Johnson neben dem Bari auch mal Tuba), während DeJohnette eine Art Calypso-Beat spielt, sich dabei sehr viele Freiheiten herausnimmt. Mit dem „New Orleans Strut“ – ein endlos kreisender Shuffle-Groove wie von den JB’s aber mit New Orleans-Einschlag wie von The Meters, sattes Barisax, DeJohnette mit overdubbten Keyboards, die stellenweise wie Steeldrums klingen, Reid an der Bassgitarre, Purcell am singenden Alt und danach Murray in der Stratosphäre, aus der er ab und zu hinabsteigt – ist die Band dann wirklich in der Community angekommen … passend zum Cover des Albums. „Third World Anthem“ blickt dann nach Südafrika – ein Gedanke, auf den man hier aber auch anderswo kommen könnte. Johnson spielt hier vermutlich eine Tenortuba oder sowas (aber auch kein Euphonium, dafür ist der Sound doch zu gross und zu brüchig) … wie eine normale klingt das jedenfalls nicht, so unfassbar seine Technik auch war – ein erstes kurzes Solo, das mit der Band verschmilzt, und so ist das irgendwie auf dem ganzen Album: Es geht wirklich um die Band als Ganzes, weniger um die einzelnen Beiträge, so gut manche von ihnen auch sein mögen. Auch Murray fügt sich ein – und das gelingt ihm auch da, wo er zu Höhenflügen abhebt, wie in seinem phantastischen Solo in „Third World Anthem“. Auf diesen Höhenflug folgt dann noch einmal Johnson mit einem längeren Beitrag. Die neue „Zoot Suite“ ist nicht mal halb so lang wie die erste Aufnahme, es geht schneller zur Sache, Johnson ist hier am Barisax die Wildcard, der hier im ersten Teil über und unter den anderen hindurchspielt. Murray hebt später zu einem kurzen Solo ab, das in wenigen Sekunden sein ganzes Können auffächert: der tolle Ton, die Höhenflüge, der Punch, die verqueren Einfälle, der Flow, die Brüche … und Purcell glänzt dann auch nochmal – ein Musiker, der sich echt vor niemand zu verstecken braucht! Johnson schliesst vor der kurzen Wiederholung des Riffs den Solo-Reigen am ganz am Boden seines Baritonsaxophons, funky, funky, funky … und das perfekt passt zu dem Album. Das ist wirklich super – ich muss die 4-CD-Box mal in Griffweite behalten und öfter was daraus anhören!

    David Murray & Jack DeJohnette – In Our Style | Fürs gemeinsame Album bei Murrays Label DIW bringt DeJohnette zwei Stücke vom zweiten Special Edition-Album (ohne Murray) mit, „Tin Can Alley“ und „Pastel Rhapsody“. Auch der Closer „Kalimba“ stammt von ihm. Murray bringt das tolle Titelstück sowie „The Dice“ von Butch Morris mit, und auf den beiden Stücke stösst Fred Hopkins am Bass zum Duo. „Both Feet on the Ground“ (auch auf „Solo Live Vol. 1) und „Great Place“ (auch auf „David Murray Big Band Live at Sweet Basil Vol. 2“) sind die zwei Murray-Originals, die zudem am 3. und 4. September 1986 im Sound Ideas aufgenommen wurden (David Baker/Kazunori Sugiyama). Ich bin froh, dass ich dieses Album nach mehreren missglückten Anläufen inzwischen doch hier habe. Es lief die letzten Wochen schon ein paar Male und gehört zu den Aufnahmen, auf denen Murray geradezu atemberaubend souverän unterwegs ist – allerdings auf recht stille Art und Weise, ohne die grossen Gesten, ohne Rampensau-Mackertum, sondern tief im Dialog mit DeJohnette, dessen tolles Spiel gerade in den Duo-Stücken sehr schön zur Geltung kommt und auch hervorragend klingt. Noch dichter wird der Dialog nach „Tin Can Alley“ auf dem dritten Stück, „Both Feet on the Ground“, mit Murray an der Bassklarinette – stellenweise in Dolphy-Stimmung. DeJohnette klingt dabei stets sehr transparent, auch die Beckenschläge decken selten etwas zu. Das zweite Trio-Stück von Morris steht in der Mitte des sehr gut programmierten Albums – quasi eine Rückkehr zum Einstieg. Danach setzt DeJohnette sich für seine „Pastel Rhapsody“ an den Flügel – und diese ruhige Performance dient vielleicht auch etwas der Besinnung, bevor mit „Great Peace“ noch ein dichtes ts/d-Duo folgt. Im Closer „Kalimba“ gibt es synthetische (?) Kalimba und einen Drum-Computer mit ziemlich tollen, äusserst artizifiellen Sounds … und darüber zum zweiten Mal die Bassklarinette von Murray. Das geht in so viele Richtungen, ist vielleicht auch eine Art Fortschreibung von manchen Ansätzen, die DeJohnette auf „Album Album“ umgesetzt hat. Musik von grösster Wärme und erstaunlichem Reichtum nach den Duos, die äusserlich eher karg und sehr konzentriert daherkommen.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12438137  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    sehr schön, danke! IN OUR STYLE ist für mich auch ein großes album, die zusammenarbeit geht tiefer als z.b. mit milford graves, vielleicht, weil murray und dejohnette mit der special edition auch viel zusammen unterwegs waren, das hatte weniger einen projektcharakter. ich habe jetzt endlich mal GOLDEN SEA mit el’zabar nachkaufen können, obwohl ich das schon lange kenne, da finde ich die zusammenarbeit ähnlich symbiotisch, bei ungebrochener neugier aufeinander.

    --

    #12441297  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    vorgarten

    d.d. jackson, peace-song (1994)

    jacksons debüt und ein gastspiel von murray, der zu der zeit mit dem kanadischen label justin time anbändelt. auch die beiden weiteren musiker, john geggie (b) und jean martin (dm) sind aus kanada und gut auf jackson eingestellt. die musik ist recht einfach zu beschreiben, die grundlagen sind klassischer hardbop, woraus sich die soli von jackson und murray eine freie bahn brechen. die reibung ist einkalkuliert und meist reizvoll, jacksons lehrer don pullen hat klare spuren hinterlassen: rhythmisch explodierende cluster, spielerische blues-referenzen, außerdem höre ich noch einen jarrett-einfluss in bestimmten gospel-arpeggien, warum auch nicht. mit mitmusikern, die einem in all dem folgen können, macht das spaß und verblüfft auch immer wieder, und murray passt da natürlich perfekt hinein. tatsächlich scheint er mir sogar ziemlich inspiriert. und das alles ist dann vielleicht doch zu einfach beschrieben, denn gerade die ruhigen passagen haben eine schöne tiefe und sinnlichkeit, die gar nicht den verdacht aufkommen lassen, dass sich jemand hier aus einer trickkiste bedient. und sinnlich sind die forcierten eruptionen ja auch. und „seasons“ ist in seiner einfachheit ein solch fantastischer song, dass ich – nicht nur in den emotionalen soli – wirklich höre, wie hier die fackel des pullen-adams-quartetts weitergetragen wird. warum ist d.d.jackson danach kein star geworden?

    Ich war von D.D. Jackson mal wegen irgendeiner Aufnahme total begeistert, so Ende der Neunziger. Aber was ich da hörte, weiss ich nicht mehr … jedenfalls fand ich dann damals keine Aufnahmen, mit denen ich diese Begeisterung weiter am Leben halten konnte. „Sigame“ (2001) ist noch irgendwo, aber es zündete damals nicht. Müsste es mal suchen, lief vermutlich 20 Jahre nicht mehr. Nach der obigen Beschreibung war mir allerdings klar, dass ich Jackson mit diesem Album – seinem Debüt – eine erneute Chance geben will (und zufällig kam vor ein paar Jahren auch noch „The Calling“ dazu, ein Trio mit Hamiet Bluiett und Kahil El’Zabar). Das bereue ich nun ganz und gar nicht, denn vom allerersten Eindruck ist das wirklich ein schönes Album. Das einzige, was mich manchmal etwas stört ist, dass ich die Eruptionen nicht immer (meistens schon!) aus dem Geschehen herleiten kann, dass sie mir manchmal etwas angeklebt, affektiert vorkommen. Howard Mandel zitiert in den Liner Notes Jackson: „I like to see how far I can take a piece emotionally, […] then defy expectations and take it even higher.“ Völlig klar, dass Murray zu dem Konzept passt wie die Faust aufs Auge. Er lässt sein Tenorsaxophon schnauben, singen, kreischen, fauchen und jubilieren … der Titelsong ist eine Art Motown-Gospel-Backbeat und nach dem ersten Hören eins meiner Highlights, neben „Seasons“, das als Powerballade in ähnlich ekstatische Fahrwasser findet. Im Booklet gibt es auch ein kurzes Zitat von Murray, der Jackson „a spectacular career […] as a dynamic international pianist“ voraussagt. Murray erwähnt neben der Zusammenarbeit in seinem Quartett und Oktett auch, dass er mit Jackson im Duo gespielt habe – dafür bietet „Wisps of Thought“ eine ziemlich feine Kostprobe (die mich aber auch zum Gedanken führt, wie wohl ein Duo-Album mit Don Pullen herausgekommen wäre). In „For Monk-Sake“ oder im Intro von „Tunnel Vision“ erinnert mich Pullens Eklektizismus auch ein wenig an den gerade verstorbenen Martial Solal. Sein Solo „Funerals (for Chris)“, mit dem das Album endet, wirkt dann fast wieder wie ein instrumental dargebotener Pop-Song, bis das Stück nach drei Minuten dunkler wird – aber ohne zu kippen. Zehn Minuten mit einer Idee und zwei oder drei Akkorden, die Spannung wunderbar und ganz allmählich aufgebaut – hier ist nichts forciert, Jackson klingt ganz bei sich – toll! Irgendwo zwischen all dem – den irren Ausbrüchen und dem alles verschlingenden Eklektizismus – vermute ich den Grund, warum das mit dem Star nicht geklappt hat: irgendwie wirkt Jackson auf mich im besten Sinn aus der Zeit gefallen.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12441437  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    gypsy-tail-wind
    denn vom allerersten Eindruck ist das wirklich ein schönes Album. Das einzige, was mich manchmal etwas stört ist, dass ich die Eruptionen nicht immer (meistens schon!) aus dem Geschehen herleiten kann, dass sie mir manchmal etwas angeklebt, affektiert vorkommen. Howard Mandel zitiert in den Liner Notes Jackson: „I like to see how far I can take a piece emotionally, […] then defy expectations and take it even higher.“ Völlig klar, dass Murray zu dem Konzept passt wie die Faust aufs Auge. Er lässt sein Tenorsaxophon schnauben, singen, kreischen, fauchen und jubilieren … der Titelsong ist eine Art Motown-Gospel-Backbeat und nach dem ersten Hören eins meiner Highlights, neben „Seasons“, das als Powerballade in ähnlich ekstatische Fahrwasser findet.

    interessant, dass du dir gerade dieses album jetzt angehört hast. ich bin in den letzten wochen nochmal durch den ganzen murray-output gegangen und habe einzelne stücken nachgehört, die mir aufgefallen waren – und da bin ich bei „seasons“ von diesem album hängengeblieben. ich finde das überiridisch schön, ich würde das auf keinem murray-sampler auslassen. tatsächlich verblasste daneben einiges, von dem ich als teil eines albums einen besseren eindruck hatte. und es formuliert in komprimierter form, warum ich überhaupt jazz höre. dass einem jacksons eruptionen manchmal losgelöst, affektiert, vorkommen, kann ich in teilen nachvollziehen, aber das hat man pullen auch immer vorgeworfen. jackson hatte halt nicht mehr das glück, von einem der kanonisierten „großen“ des jazz direkt protegiert worden zu sein. war halt einfach schon eine andere zeit.

    --

    #12441619  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Wie meinst Du das @vorgarten? So viele Lücken habe ich das ja nicht, und eben: die einstige Begeisterung für D.D. Jackson hat sich trotz vieler Jahre Distanz eingeprägt … die drei langen Stücke – „Seasons“, „Peace-Song“ und das Solo am Ende – finde ich wirklich phantastisch! Ich fand das jetzt z.B. eine viel naheliegendere und attraktivere Wahl zur Ergänzung meiner Bestände, als irgendwas mehr aus Thiele Küche. Eine andere Lücke, die ich um den Dreh rum auch noch füllen möchte, ist „David Murray Quintet with Ray Anderson and Anthony Davis“ … und etwas mehr Hugh Ragin (ich hab annähernd null) würde auch nicht schaden, von Özay reichte mir das Hören in der Tube, sonst ist in den Neunzigern nicht mehr viel dabei, was ich überhaut nicht kenne (Oktett mit Dead, Dennerlein, die zwei Duo-Alben von Jackson, Jeri Brown … und das Love Supreme-Album von Cyrille, das ich natürlich auch gerne hören würde. Nebst unserer gemeinsamen grossen Lücke „Flower Around Cleveland“. (Trivia: die Jackson-CD – und ein paar jazzwerkstatt Nachkäufe, zu denen ich bald kommen werde – kamen vom Walter Benjamin-Platz, von Old School, wo wir ja zusammen kurz drin waren.)

    Statt gestern noch das hier nachzulegen merkte ich zum Glück noch rechtzeitig, dass ich vor dem Abendkonzert in der Tonhalle auch noch eine Karte für eine Aufführung von „Palais de Mari“ von Morton Feldman hatte … und brach dann mittendrin ab. Jetzt also nochmal von vorn:

    vorgarten

    live at the village vanguard (1995/2000)

    murray in new york mit hilton ruiz, kelly roberty und pheeroan aklaff. standardausstattung von murray live, der normalfall: ein tenorsax (und eine bassklarinette), ein klavier, ein bass, ein schlagzeug. genauso habe ich ihn damals auch gesehen (mit anderen musikern). das material wird vom geglätteten elektrofunk wieder ins akustische zurückübersetzt („the desegregation of our children“, „acoustic octofunk“ von JUG-A-LUG), dazu kommt zwei klassiker aus dem murray-buch, „red car“ (ein blues) und „hope/scope“. das ist so genau mein ding: klare verabredungen und freigeistige abwege, die band hat den sound und den club im griff und gleichzeitig machen vier individualisten ihr ding und lassen sich endlos und für sich studieren. ein großes glück, murray mal mit ruiz zusammen zu hören, der von gospel bis cecil taylor alles abrufen kann, was das instrument bis dato hergibt, und damit so eigenwillige plateaus und spitzen baut, dass die anderen völlig anders auf ihn reagieren wie auf den leader, und dabei in seine latin-trademarks nur dann fällt, wenn es den zusätzlichen kick braucht. blues, ballade, funk, free – das kommt aus einer quelle, changiert die ganze zeit zwischen in und out, und lässt noch die stimmung des abends hinein. für mich eine ganz große kulturleistung. und das meisterwerk ist die ballade.

    Da brauch ich wirklich nichts zu ergänzen – das ist eine umwerfende Aufnahme! Die Ballade wirklich ein ganz grosses Highlight! DIe Band klingt super, der Bass trocken, die Drums konzise und doch all over the place, das Klavier saftig und knackig und so gut für Murray geeignet wie Dave Burrell oder John Hicks … das geht wie @vorgarten schreibt in alle Richtungen und ist doch total stimmig. Dem Quartett gehen auch bei den beiden über 20minütigen Performances (die Ballade und der „Acoustic Octofunk“) nie die Ideen aus, ganz im Gegenteil, es geht immer weiter, wird immer toller … eine echte Entdeckung, diese Aufnahme!

    Kleine Frage zur Tracklist: #4 ist „Hope/Scope“ und „Obe“ (Butch Morris), das auch noch auf dem CD-Rückcover steht, ist gar nicht dabei, ja?

    Der Sound der Aufnahme ist nicht wirklich optimal, Ruiz ist etwas leise im Mix, was gerade im langen Trio-Intro zu „Acoustic Octofunk“ echt schade ist. Die Drums klingen allerdings recht gut und Bass sogar ziemlich phantastisch – und Kelly Roberti, der unbekannte Mann hier, spielt hervorragend (keine Überraschung, mir ist der Name dank Dime seit 25 Jahren geläufig, bin mir ziemlich sicher, dass es auch schon dank Aufnahmen mit Murray dazu kam – er wurde leider nicht alt: 1954-2016). Für einen Live-Mitschnitt ist der Sound aber schon okay, zumal das Gesamtpaket wie ein Bootleg aussieht (ich kann das hier nicht einschätzen, Sound Hills hat alles im Angebot, von seriösen Eigenproduktionen über Lizenz-Ausgaben bis zu ziemlich klaren Bootlegs).

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12441651  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    gypsy-tail-windWie meinst Du das @.vorgarten? So viele Lücken habe ich das ja nicht, und eben: die einstige Begeisterung für D.D. Jackson hat sich trotz vieler Jahre Distanz eingeprägt … die drei langen Stücke – „Seasons“, „Peace-Song“ und das Solo am Ende – finde ich wirklich phantastisch!

    mmhh, wie meinte ich das… ich wollte einen euphorie-moment der letzten tage wiedergeben, den ich in deinem text trotz warmer worte nicht widergespiegelt fand ;-) und natürlich denkt man (nicht: du) kollektiv wohl etwas weniger über jemanden wie jackson nach als über pullen mit seiner mingus-vergangenheit, vielleicht ja auch zu recht.

    gypsy-tail-wind

    live at the village vanguard (1995/2000)

    Kleine Frage zur Tracklist: #4 ist „Hope/Scope“ und „Obe“ (Butch Morris), das auch noch auf dem CD-Rückcover steht, ist gar nicht dabei, ja?

    genau, „obe“ scheint zu fehlen. das ist wirklich eine eigenartige ausgabe, der stream, den es davon gab, ist gerade auch nicht mehr verfügbar, ich überlege also wieder, das anzuschaffen, aber es kommt mir auch ein wenig shady vor.

    --

    #12441669  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Ach, ich kann hier halt nicht nur schreiben, wenn ich generell in euphorischer Stimmung bin – die sonstigen Umstände drücken vielleicht etwas durch – und auch nicht nur, wenn ich richtig viel Zeit habe, sonst geht es nur mit Prokrastinieren weiter, statt mit weitermachen ;-)

    Ich finde „Peace-Song“ wie „Live at the Village Vanguard“ grosse Entdeckungen und freue mich sehr darüber!

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12451085  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Heute wird David Murray 70 – aus dem Anlass hier ein jüngerer Auftritt des aktuellen Quartetts im Bimhuis.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
Ansicht von 9 Beiträgen - 451 bis 459 (von insgesamt 459)

Schlagwörter: ,

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.