Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › David Murray › Antwort auf: David Murray
vorgarten
d.d. jackson, peace-song (1994)
jacksons debüt und ein gastspiel von murray, der zu der zeit mit dem kanadischen label justin time anbändelt. auch die beiden weiteren musiker, john geggie (b) und jean martin (dm) sind aus kanada und gut auf jackson eingestellt. die musik ist recht einfach zu beschreiben, die grundlagen sind klassischer hardbop, woraus sich die soli von jackson und murray eine freie bahn brechen. die reibung ist einkalkuliert und meist reizvoll, jacksons lehrer don pullen hat klare spuren hinterlassen: rhythmisch explodierende cluster, spielerische blues-referenzen, außerdem höre ich noch einen jarrett-einfluss in bestimmten gospel-arpeggien, warum auch nicht. mit mitmusikern, die einem in all dem folgen können, macht das spaß und verblüfft auch immer wieder, und murray passt da natürlich perfekt hinein. tatsächlich scheint er mir sogar ziemlich inspiriert. und das alles ist dann vielleicht doch zu einfach beschrieben, denn gerade die ruhigen passagen haben eine schöne tiefe und sinnlichkeit, die gar nicht den verdacht aufkommen lassen, dass sich jemand hier aus einer trickkiste bedient. und sinnlich sind die forcierten eruptionen ja auch. und „seasons“ ist in seiner einfachheit ein solch fantastischer song, dass ich – nicht nur in den emotionalen soli – wirklich höre, wie hier die fackel des pullen-adams-quartetts weitergetragen wird. warum ist d.d.jackson danach kein star geworden?
Ich war von D.D. Jackson mal wegen irgendeiner Aufnahme total begeistert, so Ende der Neunziger. Aber was ich da hörte, weiss ich nicht mehr … jedenfalls fand ich dann damals keine Aufnahmen, mit denen ich diese Begeisterung weiter am Leben halten konnte. „Sigame“ (2001) ist noch irgendwo, aber es zündete damals nicht. Müsste es mal suchen, lief vermutlich 20 Jahre nicht mehr. Nach der obigen Beschreibung war mir allerdings klar, dass ich Jackson mit diesem Album – seinem Debüt – eine erneute Chance geben will (und zufällig kam vor ein paar Jahren auch noch „The Calling“ dazu, ein Trio mit Hamiet Bluiett und Kahil El’Zabar). Das bereue ich nun ganz und gar nicht, denn vom allerersten Eindruck ist das wirklich ein schönes Album. Das einzige, was mich manchmal etwas stört ist, dass ich die Eruptionen nicht immer (meistens schon!) aus dem Geschehen herleiten kann, dass sie mir manchmal etwas angeklebt, affektiert vorkommen. Howard Mandel zitiert in den Liner Notes Jackson: „I like to see how far I can take a piece emotionally, […] then defy expectations and take it even higher.“ Völlig klar, dass Murray zu dem Konzept passt wie die Faust aufs Auge. Er lässt sein Tenorsaxophon schnauben, singen, kreischen, fauchen und jubilieren … der Titelsong ist eine Art Motown-Gospel-Backbeat und nach dem ersten Hören eins meiner Highlights, neben „Seasons“, das als Powerballade in ähnlich ekstatische Fahrwasser findet. Im Booklet gibt es auch ein kurzes Zitat von Murray, der Jackson „a spectacular career […] as a dynamic international pianist“ voraussagt. Murray erwähnt neben der Zusammenarbeit in seinem Quartett und Oktett auch, dass er mit Jackson im Duo gespielt habe – dafür bietet „Wisps of Thought“ eine ziemlich feine Kostprobe (die mich aber auch zum Gedanken führt, wie wohl ein Duo-Album mit Don Pullen herausgekommen wäre). In „For Monk-Sake“ oder im Intro von „Tunnel Vision“ erinnert mich Pullens Eklektizismus auch ein wenig an den gerade verstorbenen Martial Solal. Sein Solo „Funerals (for Chris)“, mit dem das Album endet, wirkt dann fast wieder wie ein instrumental dargebotener Pop-Song, bis das Stück nach drei Minuten dunkler wird – aber ohne zu kippen. Zehn Minuten mit einer Idee und zwei oder drei Akkorden, die Spannung wunderbar und ganz allmählich aufgebaut – hier ist nichts forciert, Jackson klingt ganz bei sich – toll! Irgendwo zwischen all dem – den irren Ausbrüchen und dem alles verschlingenden Eklektizismus – vermute ich den Grund, warum das mit dem Star nicht geklappt hat: irgendwie wirkt Jackson auf mich im besten Sinn aus der Zeit gefallen.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba