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Sonic Juice@Friedrich: Dass Du in Deiner ausführlichen Kritik „nur“ auf die Story, aber mit keinem Wort auf Ästhetik, Kameraführung, Schnitt und Komposition des Films eingehst, die im Film ja durchaus dominante gestalterische Mittel sind, legt nahe, dass Du da offenbar einen ganz anderen Fokus und andere Erwartungen hattest. Auch die Charakterisierung der beiden Protagonistinnen sah ich anders, für mich waren beide durchaus auf Augenhöhe mit ihren Stärken, Schwächen und Neurosen und schenkten sich gegenseitig im Wechselbad zwischen agressiven Sticheleien und ehrlich empfundener Zuneigung nichts. Nur ist mal – durch äußere Umstände – die eine in der souveräneren Position, mal die andere, verstärkt durch den jeweiligen männlichen Störfaktor an der Seite, der die Balance in der Beziehung der beiden Frauen ins Wackeln bringt. Und da rächt sich dann halt mehr oder weniger ungewollt das egozentrische Verhalten der Vergangenheit. Das halte ich für brillant austariert in der Komposition des Films, auch durch die unvermittelten Sprünge zwischen den Zeitebenen. Im Übrigen hatte der Film viele Momente, die die Tragik durch bittersüße Komik, Zärtlichkeit und visuelle Schönheit konterkariert haben. Wie Alex Ross Perry die Stimmung des Films mit Einsatz aller zur Verfügung stehender erzählerischer und gestalterischer Mittel so in Schwebe hält, fand ich durchweg faszinierend. Wir haben jedenfalls alle mit glühenden Augen und vollgetankten Sinnen das Kino verlassen.
Ich kann nicht ausschließen, dass wir einen anderen Fokus haben, halte das sogar für wahrscheinlich. Für mich waren Ästhetik, Kameraführung, Schnitt und Komposition von QoE jedoch nicht so ausgeprägt charakteristisch für den Film, als dass diese für mich im Vordergrund stehen würden. Ich weiß nicht, ob das vielleicht zu subtil für mich war, es wirkte aber bei mir nicht. Die schauspielerische Leistung von Elisabeth Moss fand ich beeindruckend. Das muss man sich erst mal trauen, sich bzw. seine Figur vor der Kamera selbst so zu zerlegen. Ihr Gegenüber, das Hübschchen Ginny, blieb für mich aber blass und glatt. Die gegensätzlichen Charaktere der beiden Frauen waren für mich von Anfang an so offensichtlich, dass es für mich keinerlei Überraschungen gab. Allein schon äußerlich war das ja schon fast klischeehaft. Ich fand Catherine überhaupt nicht souverän, im Gegenteil, sie wirkte hilflos und lastete ihr eigenes Elend durchgehend anderen Menschen an. Das erklärt sie am Ende ja auch noch in einem langen Monolog, der das offensichtliche noch mal ausspricht. Was soll das? Wie interessant und subversiv wäre es gewiesen, wenn sich eine Figur, die ich als Zuschauer anfangs sympathisch und attraktiv finde, am Ende als ebenso selbstzerstörerischer wie misanthropischer Charakter entpuppt! Aber das neurotische Gezicke geht ja schon von Anfang an los und steigert sich eigentlich bloß noch. Erzählerisch finde ich das etwas dünn. Die Komik ist mir komplett entgangen. Dem Rest des Publikums übrigens auch. Sprechkino. Außer die Mimik von Elisabeth Moss.
Meine bescheidene exotische Außenseitermeinung.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Highlights von Rolling-Stone.deOh, du Hässliche! Die 25 schrecklichsten Weihnachtsalben-Cover
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WerbungFriedrichIch kann nicht ausschließen, dass wir einen anderen Fokus haben, halte das sogar für wahrscheinlich. Für mich waren Ästhetik, Kameraführung, Schnitt und Komposition von QoE jedoch nicht so ausgeprägt charakteristisch für den Film, als dass diese für mich im Vordergrund stehen würden. Ich weiß nicht, ob das vielleicht zu subtil für mich war, es wirkte aber bei mir nicht.
Erstaunlich, wie unterschiedlich man das wahrnehmen kann. Bei kaum einem zweiten Berlinale-Film stand die Ästhetik für mich so offensichtlich im Vordergrund wie bei diesem.
Ihr Gegenüber, das Hübschchen Ginny, blieb für mich aber blass und glatt.
Diese Wahrnehmung kommt mir geradezu absurd vor. Sie spuckt doch ständig aufs Gemeinste Gift und Galle. Und vom Funkeln in ihren Augen träume ich heute noch.
Die gegensätzlichen Charaktere der beiden Frauen waren für mich vzon Anfang an so offensichtlich, dass es für mich keinerlei Überraschungen gab.
Ich dagegen wusste am Ende nicht mehr, wo mir der Kopf stand, und war sehr glücklich darüber.
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Witek DlugoszErstaunlich, wie unterschiedlich man das wahrnehmen kann. Bei kaum einem zweiten Berlinale-Film stand die Ästhetik für mich so offensichtlich im Vordergrund wie bei diesem.
Ja, erstaunlich. Ich kann Eure Wahrnehmung aber nicht nachvollziehen.
Diese Wahrnehmung kommt mir geradezu absurd vor. Sie spuckt doch ständig aufs Gemeinste Gift und Galle. Und vom Funkeln in ihren Augen träume ich heute noch.
Ich habe nach dem Film auch schlecht geschlafen, aber nicht wegen Ginny.
Ich dagegen wusste am Ende nicht mehr, wo mir der Kopf stand, und war sehr glücklich darüber.
Vielleicht gibt es in meinem Alltag zu viele Irre, als dass mich sowas noch überraschen kann. Ich glaube wir können uns darauf einigen, dass wir uneinig sind.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)FriedrichEin anderes Thema ist, dass der Film echt schlechte Laune macht. Man kann wohl nicht erwarten, das Neurosen und Depressionen Spaß machen. Dennoch oder gerade deswegen hatte ich danach den Impuls, mir erst mal einen lustigen Trickfilm anzusehen. Leider war es dafür aber schon zu spät.
Neurosenschwanger oder gar deprimierend fand ich den Film nicht, dazu markiert er zu offen, dass die Art, wie die beiden Frauen miteinander umgehen, bei allem Konfliktpotenzial eben auch ein Spiel ist, das zwei spielen, die sich sehr lange und sehr intim kennen: Elisabeth Moss‘ melodramatische Überhöhungen von nichtigen Neckereien, die sie als weltumstürzerlische Kränkungen wahrnimmt oder reinszeniert, die durchlaufenden Akzentuierungen und Sinnverschiebungen durch Flashbacks, die man im ersten Moment nicht unbedingt immer als solche erkennt und die mal trockenhumoriger Kommentar sind, mal unterschiedliche Situationen miteinander vertrauter Personen zeitentbunden ineinander legen (wie man eben alles, was man erlebt, unterbewusst auch immer mit Erinnerungen an Ähnliches vermischt). Nach der Vorführung sprach Ross Perry über den Einfluss, den „Interiors“ und „Images“ auf seinen Film hatten – aber auch wenn die Bezüge in der Szenerie und Farbgebung sofort erkennbar sind, das Besondere an „Queen Of Earth“ ist doch, dass es im Gegensatz zu den beiden Filmen nicht um konkret benannte klinische Depression geht, sondern um ungemein kleinere, alltägliche Probleme: Warum ist man selbst seinen engsten Freunden gegenüber noch jemand wesentlich Anderes, als bei der Person, die man liebt? Und warum benimmt man sich so lächerlich und absurd, wenn dies mal offensichtlich wird?
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A Kiss in the DreamhouseNapoleon DynamiteNeurosenschwanger oder gar deprimierend fand ich den Film nicht, dazu markiert er zu offen, dass die Art, wie die beiden Frauen miteinander umgehen, bei allem Konfliktpotenzial eben auch ein Spiel ist, das zwei spielen, die sich sehr lange und sehr intim kennen: Elisabeth Moss‘ melodramatische Überhöhungen von nichtigen Neckereien, die sie als weltumstürzerlische Kränkungen wahrnimmt oder reinszeniert, die durchlaufenden Akzentuierungen und Sinnverschiebungen durch Flashbacks, die man im ersten Moment nicht unbedingt immer als solche erkennt und die mal trockenhumoriger Kommentar sind, mal unterschiedliche Situationen miteinander vertrauter Personen zeitentbunden ineinander legen (wie man eben alles, was man erlebt, unterbewusst auch immer mit Erinnerungen an Ähnliches vermischt). Nach der Vorführung sprach Ross Perry über den Einfluss, den „Interiors“ und „Images“ auf seinen Film hatten – aber auch wenn die Bezüge in der Szenerie und Farbgebung sofort erkennbar sind, das Besondere an „Queen Of Earth“ ist doch, dass es im Gegensatz zu den beiden Filmen nicht um konkret benannte klinische Depression geht, sondern um ungemein kleinere, alltägliche Probleme: Warum ist man selbst seinen engsten Freunden gegenüber noch jemand wesentlich Anderes, als bei der Person, die man liebt? Und warum benimmt man sich so lächerlich und absurd, wenn dies mal offensichtlich wird?
Wir werden uns da nicht einig. Ich habe den Film einfach anders gesehen. Bin völlig unvorbelastet ins Kino gegangen und habe mich danach auch nicht vom Regisseur aufklären lassen.
Ich hab nicht behauptet, dass es um klinische Depression geht. In meiner Wahrnehmung ging es bei Catherine um chronische Miesepeterei und darum, sich selber immer wieder ein Bein zu stellen, sich im eigenen Elend zu suhlen aber andere dafür verantwortlich zu machen und sie mit runterzuziehen. Das ist bei C. ja schon vorsätzlich.
Es wundert mich übrigens nicht, dass man engen Freunden, der eigenen Familie und auch dem oder der, den oder die man liebt, gegenüber ein jeweils „Anderer“ ist – ob jetzt ein „wesentlich Anderer“ weiß ich nicht, aber auch das kommt vor. Man hat ja auch ein jeweils anderes Verhältnis zueinander. Wenn ich mich mit meinem alten Freund R. freitagabends zum Bier treffe, ist er ein Anderer als seiner Familie gegenüber. Genau deswegen trinkt er ja mit mir ein Bier!
Aber das geht off topic. Ich mache Euch Eure Wahrnehmung von QoE nicht streitig. Und ich glaube ich werde auch weiterhin meiner Wahrnehmung des Filmes trauen – auch wenn ich damit riskiere, mich hier als Ignoranten zu outen.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme) -
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