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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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„Spiel einfach, was immer du willst, aber es muss natürlich supergut sein!“ (Ornette Coleman zu Jimmy Garrison)
Freejazz ist: Energie, Dynamik, Unmittelbarkeit, Drive, Katharsis, Spirit, Offenbarung, Interaktion, Kontext, souveräne Non-Linearität u.a.
Freejazz ist nicht: Mittel zum Zweck, totale Selbstverweigerung, dilettantische Einfachheit noch völlig nutz- und konzeptloser Lärmbrei u.a.Der Verlauf der Jazzgeschichte wurde durch eben jene Erweiterung der vorhandenen Mittel, durch die improvisatorische Freiheit, dem immer freieren formalen Umgang mit Harmonien und Rhythmen, schon sehr bald in einen grenzenlosen Zustand kreativen und inspirierten Gestaltens und Experimentierens transferiert, welcher alle möglichen künstlerischen und musikalischen Einflüsse in sich aufzunehmen im Stande ist. Der urplötzliche Reichtum an Möglichkeiten, einfach mal alles auszuprobieren.
Dennoch ist der freie Jazz als Konzept kulturell eher marginal verortet, weniger in der Kulturindustrie bewusst etabliert (obschon u.a. Freejazzer wie Peter Brötzmann z.B. mit Tangerine Dream, AMM mit Pink Floyd, Jonas Hellborg mit Bill Laswell, William Parker und Matthew Shipp mit diversen HipHop-Formationen, Susie Ibarra mit Yo La Tengo musiziert haben), als vielmehr zu weiten Teilen verschmäht, verdrängt und bisweilen gar ad acta gelegt.
Aber die Bedeutung dieser freien Spielart auch außerhalb des Jazzrahmens ist ungeachtet dessen von grundlegender, grenzüberschreitender und musikgeschichtlicher Wichtigkeit. So hätte bspw. ohne diesem freien Spiel, diesem Aufbrechen von Grenzen und dem Zerstören und Neuordnen von Traditionen und Konventionen, ein Großteil der Rock- und Popgeschichte, von den Stooges bis hin zu den Liars, so mit Sicherheit niemals stattgefunden.Aber nun ist es ja leider eher so, dass „Freejazz“, ganz vorsichtig ausgedrückt, einen ähh… doch immer noch leicht ungesunden Ruf bei den meisten Musikfreunden genießt. Die beliebten Vorurteile speisen sich dabei in der Regel aus schnell hergeleiteten und schulterzuckend-gleichgültigen Argumentationen: das sei ja gar keine Musik, das klinge ja nun weissgott scheußlich, Katzenmusik im äußersten Falle, etwas, was man ganz automatisch nicht mögen kann und womit man höchstens jemanden fürchterlich erschreckt. Musik für Stubenhocker, Außenseiter, Pausenclowns, Gestörte…
Hat man sich als (Jazz-)hörer aber erstmal von allem unnützen Ballast befreit, sich hingehockt und sich diese Musik losgelöst angehört bzw. Live angesehen, steht man im besten Falle recht schnell in Flammen.
Wieauchimmer: Meinungen, Diskussionen, Zustimmungen oder Beschimpfungen jeglicher Art zum Thema Freejazz bitte in diesen Thread.
Evtl. als kleiner Appetizer schonmal meine persönlichen 10 Lieblings-Freejazzplatten:
Alexander von Schlippenbach Trio – Pakistani Pomade
Peter Brötzmann/Peter Kowald/Sven-Ake Johansson – For Adolphe Sax
Don Cherry – Eternal Rhythm
Roscoe Mitchell – Sound
Rashied Ali & Frank Lowe – Duo Exchange
Andrew Cyrille/Jeanne Lee/Jimmy Lyons – Nuba
Cecil Taylor – Unit Structures
Marion Brown – Porto Novo
Dave Holland Quartet – Conference of the Birds
Albert Ayler – Nuits de la Fondation Maeght Vol. 1 & 2ebenfalls noch von großem Interesse:
Anthony Braxton – For Alto
John Coltrane – Ascension
John Coltrane – Meditations
John Coltrane – Interstellar Space
William Parker – The Peach Orchard
Ornette Coleman – Science Fiction
Ornette Coleman – Change of the Century
Ornette Coleman – Freejazz
Sam Rivers – Streams
Charles Gayle – Repent
Archie Shepp – Mama too tight
Globe Unity Orchestra – Rumbling
Alice Coltrane – Universal Consciousness
Evan Parker/Electro Acoustic Ensemble – Towards the Marginetc.
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WerbungpinchMusik für Stubenhocker, Außenseiter, Pausenclowns, Gestörte…
Dann müsste doch in diesem Forum eigentlich für überwältigende Resonanz gesorgt sein.;-)
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I like to move it, move it Ya like to (move it)pinch
Aber nun ist es ja leider eher so, dass „Freejazz“, ganz vorsichtig ausgedrückt, einen ähh… doch immer noch leicht ungesunden Ruf bei den meisten Musikfreunden genießt. Die beliebten Vorurteile speisen sich dabei in der Regel aus schnell hergeleiteten und schulterzuckend-gleichgültigen Argumentationen: das sei ja gar keine Musik, das klinge ja nun weissgott scheußlich, Katzenmusik im äußersten Falle, etwas, was man ganz automatisch nicht mögen kann und womit man höchstens jemanden fürchterlich erschreckt. Musik für Stubenhocker, Außenseiter, Pausenclowns, Gestörte…Hat man sich als (Jazz-)hörer aber erstmal von allem unnützen Ballast befreit, sich hingehockt und sich diese Musik losgelöst angehört bzw. Live angesehen, steht man im besten Falle recht schnell in Flammen.
Tja, was soll ich nach diesem umfassenden Beitrag noch viel schreiben? Vielleicht das: Wer nicht von frühster Kindheit an in einem musikalisch außerordentlich innovativen Elternhaus aufwuchs, wird sich Freejazz (oder avantgarde jazz) erarbeiten müssen. Ich bin so eine Person.
Heutzutage stößt ja schon Jazz auf vehemente Ablehnung bei bestimmten Personen und Freejazz wird oft als Paradebeispiel der Musik verkauft, die man nicht ertragen bzw. hören könne. Insbesondere der Freejazz der 1950er und 1960er ist lange nicht so extrem, das man ihn nicht nach einiger Zeit genießen könnte. Außerdem bietet er Klangerfahrungen in Bezug auf Dynamik, Energie und schiere Exstase, die andere Musik nicht bieten kann. Wer einsteigen will, sollte vielleicht sich chronologisch durch das Werk von Ornette Coleman, John Coltrane oder Albert Ayler arbeiten. Am Anfang ist alles noch vergleichsweise konventionell und später wird es dann abgefahrener und wilder!--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Zählen „Ascension“ von John Coltrane und „Karma“ von Pharoa Sanders schon zum Freejazz ?
@nail: Welches sind denn Deine liebsten Freejazz-Alben ?
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Schöner Beitrag, Nail. Es stimmt natürlich schon, dass man, um die Sache in vollstem Umfang genießen zu können, erstmal die Grundpfeiler des Jazz-Genres abklappern sollte. Allein schon bei John Coltrane ist da ja bereits eine ungeheuer vielseitige und permanent fließende Entwicklung innerhalb seines eigenen Werks zu verfolgen (von den frühen Atlantic Sachen bis zu den sehr spirituellen, freien Impulse! Aufnahmen ist es dann ja doch eine ganz erhebliche Grätsche), die sich einem beim eventuell willkürlichen Herauspicken irgendeines seiner Alben sicherlich weit weniger erschließen und weit weniger Freude und Genuss bereiten, als wenn man sich bspw. chronologisch vorwärtshört (man muss sich nur mal die zahlreichen Live-Improvisationen des Klassikers „My favourite Things“ anhören und wie Coltrane dieses Stück im Laufe seiner Karriere immer weiter ausbaute, immer weiter verfeinerte und in immer höhere spirituelle Bahnen lenkte). Wobei diese Alben selbstredend natürlich auch für sich ganz alleine bestehen, keine Frage.
@Keksofen: „Ascension“ darf unbedingt zum Freejazz gezählt werden. Wie so vieles andere vom späten „kosmischen“ Coltrane, dessen Aufnahmen für Impulse! ganz entschieden von den radikalen und innovativen Freejazz Aufbrüchen eines Ornette Coleman oder Albert Ayler beeinflusst und geprägt waren.
Sanders selber hat immer mal wieder sehr freie Improvisationen auf seinen Alben ein- und untergebracht (auf „Thembi“ bspw. das spirituelle „Red, Black and Green“, auf „Karma“ vor allem das frenetische „Colors“). Sein bestes und vermutlich am ehesten komplett dem Freejazz verpflichtetes Album bleibt für mich allerdings „Black Unity“. Ein ca. 38 minütiges Stück mit sehr unkonventionellem Line-up eingespielt: 3 (!) Schlagzeuger, 2 gleichberechtigte Tenor-Saxophonisten, 2 gleichberechtigte Bassisten (u.a. Stanley Clarke), verschiedene Congaspieler etc. Beginnt recht verhalten, steigert sich dann aber alsbald in einen völlig ekstatischen Taumel aus freiem Spiel mit Worldmusik-Anleihen, Gospel usw. usf. Irre!--
keksofenZählen „Ascension“ von John Coltrane und „Karma“ von Pharoa Sanders schon zum Freejazz ?
@nail: Welches sind denn Deine liebsten Freejazz-Alben ?
Ascension ist ein so extremes, überwältigendes Werk, das sowohl konzeptuell wie auch in der Umsetzung auf jeden Fall zum Free Jazz zählt, wie der späte Coltrane ja sowieso. Das Beispiel Meditations steht ja genau an der Grenze zur Avantgarde, First Meditations ist noch „traditioneller“, Meditations extremer. Aber inzwischen habe ich mich an den späten Coltrane (Live At the VV again, Interstellar Space) so sehr gewöhnt, dass es mir fast milde erscheint.
Deine Frage kann ich kaum beantworten. Ich bin jedenfalls ein großer Fan von Ornette Coleman und John Coltrane, besitze von ihnen die wichtigsten Werke (also von Coleman nichts mehr nach dem Golden Circle *hüstel*). Von allen anderen Künstlern besitze ich eine oder zwei oder auch keine CD. Wie soll ich eine solche Liste erstellen, wenn ich nicht einmal 1/30 des Werks von Evan Parker und gar nichts von Anthony Braxton kenne? Gerade diese Alben sind aber auch so teuer und häufig schwer erhältlich, dass ich auch nicht glaube, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird. Du hast ja meine CD-Datenbank, zu einzelnen Künstlern kannst Du mich gerne etwas fragen, aber generell sind wohl Pinch oder ein Nachschlagewerk die bessere Wahl.
@Pinch: Das Gute am Jazz ist eben, es gibt massenhaft Einspielungen von wirklich berühmten Künstlern wie Coltrane oder Ornette. Allerdings ist das der Nachteil: Man braucht Zeit und Geld, um sich irgendwie einen Überblick zu verschaffen. Das ist mir bislang hauptsächlich bei den wirklichen Legenden gelungen, aber auch da klaffen noch große Lücken.
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edit
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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nail75@Pinch: Das Gute am Jazz ist eben, es gibt massenhaft Einspielungen von wirklich berühmten Künstlern wie Coltrane oder Ornette. Allerdings ist das der Nachteil: Man braucht Zeit und Geld, um sich irgendwie einen Überblick zu verschaffen. Das ist mir bislang hauptsächlich bei den wirklichen Legenden gelungen, aber auch da klaffen noch große Lücken.
Richtig. Aber bei Coltrane und Coleman fällt es da ein kleines bisschen leichter, da sind verschiedene bedeutende Aufnahmen etwas gebündelter (wenngleich nicht unbedingt kostengünstiger) zu haben. Die „Live Train“ Box von Coltrane z.B. bietet, gerade was „My favourite Things“ angeht, schon einen sehr deutlichen Überblick über die diversen Live Perfomances dieses Stücks aus diversen Stadien.
Bei Coleman empfiehlt sich die „Beauty is a rare Thing“ Box, die seine gesamten Atlantic Aufnahmen umfasst und, zumindest was Studioaufnahmen angeht, eine tolle Gesamtschau (incl. verschiedener Outtakes, 2nd Takes, 3rd Takes, Studiosessions usw.) über die musikalische Entwicklung dieses Herrn aus jener Zeit, vom ersten Freejazz Aufschrei bis zu späteren, üppig arrangierten Sessions bspw. mit Gunther Schuller, parat hält.--
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@Keksofen: Als Ersatz für Nails noch ausstehende Liste kannst du ja inzwischen Vorliebe mit der Top 10 von Thurston Moore nehmen.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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pinch@Keksofen: Als Ersatz für Nails noch ausstehende Liste kannst du ja inzwischen Vorliebe mit der Top 10 von Thurston Moore nehmen.
ja danke.
Nail muss aber auch nicht (wenn er nicht will).
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Übrigens Pinch: Wie steht es mit Sun Ra? Nicht Dein liebster Freejazzer?
Ein Problem, das ich habe, betrifft die Abgrenzung. Ich spreche lieber von Avantgarde-Jazz, weil das die Frage vermeidet, wie „free“ der Freejazz sein soll. „Unity“ von Larry Young ist sicherlich kein Freejazz aber ziemlich avantgardistisch, ebenso die Plugged Nickel Aufnahmen von Miles Davis oder viele Aufnahmen von Charles Mingus.
Edit: Und diese Underground-Musiker, die Moore beschreibt, kenne ich nur oberflächlich oder gar nicht.
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keksofenja danke.
Bitte sehr. Und Moores Kommentare zu den einzelnen Platten, wie auch zum Genre selbst, sind vermutlich das bisher Beste und Treffsicherste, was ich diesbezüglich kenne.
nail75Übrigens Pinch: Wie steht es mit Sun Ra? Nicht Dein liebster Freejazzer?
Doch, unbedingt! Sogar einer meiner liebsten Musiker überhaupt. Ras Welt sehe ich allerdings als eine vollkommen eigenständige und singuläre Sache. Weder Freejazz noch Far out Space Jazz oder sonstige Bezeichnungen scheinen mir da irgendwie wirklich passend oder befriedigend. Der Knabe bewegte sich tatsächlich in einer komplett eigenen Sphäre. Fast schon ein Genre für sich. Das fing ja schon beim Aussehen an, das mich mehr an einen grobschlächtigen Bierkutscher aus Brooklyn denken liess, denn an einen gestrandeten Marsianer.
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pinchDoch, unbedingt! Sogar einer meiner liebsten Musiker überhaupt. Ras Welt sehe ich allerdings als eine vollkommen eigenständige und singuläre Sache. Weder Freejazz noch Far out Space Jazz oder sonstige Bezeichnungen scheinen mir da irgendwie wirklich passend oder befriedigend. Der Knabe bewegte sich tatsächlich in einer komplett eigenen Sphäre. Fast schon ein Genre für sich. Das fing ja schon beim Aussehen an, das mich mehr an einen grobschlächtigen Bierkutscher aus Brooklyn denken liess, denn an einen gestrandeten Marsianer.
Saturn!
Ein eigenes Universum für Sun Ra sozusagen. Ich bin mir sicher, der Vorschlage würde ihm gefallen.Ok, Versuch einer Liste – rein impressionistisch:
John Coltrane – Ascension
John Coltrane – Interstellar Space
Evan Parker – After Appleby
Sun Ra – The Magic City
Ornette Coleman – Atlantic Recordings (Pinch hat dazu alles Nötige gesagt, absolut essentielles Set, wenn man sich nicht auf die Suche nach Original Vinyl begeben will)--
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Ein paar von pinch empfohlene Alben habe ich mir ausgeliehen und „kämpfe“ mich die nächsten Tage mal durch.
Die erste, „Universal Consciousness“ von Alice Coltrane, ist erheblich leichter zu hören, als ich erwartet hatte. „Hare Krishna“ und „Oh Allah“ sind wunderbare Stücke.:liebe:
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Vieles von Impulse! gibt es übrigens momentan günstig bei Zweitausendeins!
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Schlagwörter: AACM, Art Ensemble Of Chicago, Avantgarde, Black Artists Group, Free Jazz, Freejazz, Jazz, Nessa Records
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