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- Foto: Gloria Endres de Oliveira
Wie im Planungs-Thread vermerkt, startet heute die Umfrage zu Tocotronic. Die Spielregeln sind dieselben wie immer: Bitte postet durchnummerierte Listen mit euren 20 liebsten Tracks der Band.Der Abgabeschluss ist Sonntag, 23. Juni 2024, 23:59:59 Uhr. (für .@magicdoor!)
Tocotronic haben mittlerweile 13 Studioalben veröffentlicht: von „Digital ist besser“ (1995) bis „Nie wieder Krieg“ (2022). Hinzu kommen diverse (Split-)Singles/EPs (mit Alternativversionen/Remixes/exklusiven B-Seiten), (Best-of- und Live-)Compilations, zwei Live-Alben, ein Remix-Album, eine klingende Postkarte etc.
Für die Umfrage erlaubt sind alle Tracks, die offiziell unter dem Bandnamen Tocotronic veröffentlicht wurden. Da einige Songs in diversen Alternativversionen und Remixes erschienen sind, bitte ich im Fall einer solchen Nominierung die jeweils gemeinte Version klar anzugeben. Grundsätzlich werde ich ansonsten immer die Version von den Studioalben werten. Wer also z.B. den „Time And Tide Mix“ von der „Hi Freaks“-Single gegenüber der Albumversion bevorzugt, muss dies extra notieren.
Und auch bei dieser Umfrage gilt: Solltet ihr ein Update eurer Liste machen, bitte nicht den alten Eintrag editieren, sondern eine neue Liste posten. Ob mit Zitat der alten Liste oder ohne, ist egal. Dankeschön!
Ausgewertet wird am Ende wie immer: Es gibt 25 Punkte für Platz 1, dann pro Platz immer einen Punkt weniger, bis zu den 6 Punkten für eine Nominierung auf Platz 20. Bei Punktgleichheit zählt in der Gesamtliste die höhere Anzahl der Nennungen des jeweiligen Tracks; sollte dann immer noch kein Sieger gefunden sein, gewinnt der Track, der die höhere Einzelplatzierung erzielt hat.
Allen Teilnehmenden wünsche ich viel Spaß!
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WerbungVon der deutschsprachigen Musikpresse bis ins Feuilleton der großen Tageszeitungen: Tocotronic sind längst die deutsche Indieband, auf die sich alle einigen können. Das war nicht immer so. In der Anfangszeit, den später von der Band selbst so genannten „Hamburg Years“, galten sie zwar als furiose Liveband. Doch mit den technischen Fertigkeiten und der Theorielastigkeit der Platzhirsche der „Hamburger Schule“ konnte und wollte die Band erst einmal nicht mithalten. Stattdessen produzierten Tocotronic rumpeligen Lärm mit Schießbuden-Schlagzeug und Gitarrenverzerrern am Anschlag – aber vor allem: plakativen Texten aus dem „echten Leben“, die für das Indiepublikum breit anschlussfähig waren und deren Sloganhaftigkeit fast keine Besprechung vergaß, zu erwähnen (genauso wie den eigenwilligen Modestil der drei Musiker).
Kerstin Grether in der „Spex“ 1995 über das Debütalbum „Digital ist besser“: Die Texte sind straight und einfach gestrickt, ernst und jung und traurig, verstockt, peinlich und wütend. Drei Freunde auf Gitarrenschnitzeljagd. Mit angeödetem Klagewutgesang über unverschuldete Langeweile und ritualisierte deutsche Sonntagnachmittage. Und so ein selbstverständlich grenzziehendes „Ich verachte euch“ läuft einem nicht jeden Tag über den Weg.
Benjamin von Stuckrad-Barre, RS 4/96: Tocotronics Arbeitsprinzip erscheint so simpel wie unerklärbar. Versuchen sollte man es aber. Die Musik vermeidet Klarheit, Soli sterben schnelle Tode. Schön? Laut! Es gibt auch Melodien. Ein etwaiger Werte-Kosmos wird grinsend niedergemetzelt, alles gleichgemacht. So wichtig wie Gitarrenpreise sind per Punk-Definition auch Wochenend-Depression und Kleinkünstler oder fahrradfahrende Freiburger. Das Gästeklo im Elternhaus oder halt eine, die Frau. Der Abflughafen ist variabel, Pilot und Ziel immer: ich – ich und mein Haß. Und wehe dem, der von Peinlichkeitsgrenzen redet. Das ist peinlich.
Helmut Ziegler, Die Woche, 28.7.1997: Das Leben, wie Arne und seine Freunde Dirk und Jan es führen, ist nicht eben revolutionär. Es entspricht dem selbst gewählten Außenseitertum einer mittelständisch geprägten Subkultur, böse formuliert: Man will wie ein Obdachloser aussehen, aber nicht so riechen.
Der Auszug aus dem Text von Stuckrad-Barre deutet es schon an: Am Anfang ihrer Karriere hatten Tocotronic viele Hater – gerade unter professionellen Popkritiker*innen. Auf die oben zitierte euphorische Besprechung von Kersty Grether in der „Spex“ (und der Prämierung als „Platte des Monats“) folgte nur eine Ausgabe später eine Abrechnung nebst konfrontativem Interview. Dass die Musik der Band auch als Authentizitätsterror egozentrischer Langeweiler wahrgenommen werden konnte, brachte am schönsten wohl Martin Büsser in seinem Verriss auf den Punkt. Hier als Videoperformance – wunderbar im Stile der Musikvideo-Ästhetik von Tocotronic (ca. K.O.O.K.) – von Büssers Redakteurin Marit Hofmann inszeniert:
Das nur als kleiner Reibungspunkt zu Beginn dieser Umfrage … Denn es folgte ja noch die postmoderne Wendung des „Ich“ seit dem Album K.O.O.K., die „Berliner Trilogie“, ein adoptiertes, neues viertes Bandmitglied – und fortan ein gefeiertes Album nach dem anderen. (…)
Da ich jedoch gerade merke, dass dieser Text ausufert, breche ich hier einmal ab. Ich werde versuchen, auf das Offensichtliche und das ein oder andere Abseitige im Werk von Tocotronic während der Umfrage noch weiter einzugehen. Und zwar als Kommentar der Listen, die hoffentlich in einer ordentlichen Anzahl an dieser Stelle eintreffen werden. Angemeldet zu dieser Umfrage sind: @jesseblue, @ragged-glory, @penguincafeorchestra, @gipetto, @doc-f, @magicmatthes, @duplo, @madmartl, @yaiza und @stardog. Es dürfen sich aber natürlich auch alle anderen Foris gerne hier beteiligen.
Also, Tocotronic-Ultras: auf ans Listen-Werk!
- Tag auf dem Herrenklo im Haus der Berliner Festspiele
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Ist es schon so weit? Fein! Dann werde ich mal fleißig nachhören! Da bei mir vor allem das Frühwerk bis einschließlich Es ist mir egal, aber… und mit Einschränkungen das „Übergangswerk“ bis Pure Vernunft… relevant sind (danach wurde der Output scheußlich), bin ich wahrscheinlich heißer Anwärter auf den Horst.
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"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)Ich glaube nicht, dass du der einzige bist, der die Band so hört. Aber wir werden sehen … Ich freue mich auf deine Liste!
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@gipetto: Es ist egal, aber
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...Jawohl, ja! Hatte beim Schreiben wohl den Track im Ohr…
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"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)01.Prolog
02.Drüben Auf Dem Hügel
03.Sie Wollen Uns Erzählen
04.Freiburg
05.Der Achte Ozean
06.Kapitulation
07.Ich Bin Viel Zu Lange Mit Euch Mitgegangen
08.Meine Freundin Und Ihr Freund
09.Jackpot
10.Meine Schwester
11.Hi Freaks
12.Harmonie Ist Eine Strategie
13.Das Geschenk
14.Ich Habe Geträumt, Ich Wäre Pizza Essen Mit Mark E. Smith
15.Ich Verabscheue Euch Wegen Eurer Kleinkunst Zutiefst
16.Die Welt Kann Mich Nicht Mehr Verstehen
17.Wir Sind Hier Nicht In Seattle, Dirk
18.Spiralen
19.Free Hospital
20.Vulgäre Verse--
Ich hab‘ 27 Jahre mit Euch verbracht:
- Sie Wollen Uns Erzählen
- Jackpot
- Ich Bin Viel Zu Lange Mit Euch Mitgegangen
- Die Welt Kann Mich Nicht Mehr Verstehen
- Drüben Auf Dem Hügel
- Letztes Jahr Im Sommer
- Das Geschenk
- Jenseits Des Kanals
- Die Neue Seltsamkeit
- Schritte Auf Der Treppe
- Die Idee Ist Gut, Doch Die Welt Noch Nicht Bereit
- Gott Sei Dank Haben Wir Beide Uns Gehabt
- Nach Bahrenfeld Im Bus
- Ich Bin Ganz Sicher Schon Einmal Hiergewesen
- 17
- Der Schönste Tag In Meinem Leben
- Ich Glaube Ich Habe Meine Unschuld Verloren
- Du Bist Ganz Schön Bedient
- Ich Habe Stimmen Gehört
- Schatten Werfen Keine Schatten
Beste deutschsprachige Band neben Element Of Crime.
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01. Drüben auf dem Hügel
02. Letztes Jahr im Sommer
03. Sailorman
04. Jetzt geht wieder alle von vorne los
05. Let There Be Rock
06. Meine Freundin und ihr Freund
07. Gott sei Dank haben wir beide uns gehabt
08. Freiburg
09. Jackpot
10. Die Welt kann mich nicht mehr verstehen
11. Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein
12. Ich bin ganz sicher schon einmal hiergewesen
13. Ich mag Dich einfach nicht mehr so
14. Das Geschenk
15. Ich bin viel zu lange mit Euch mitgegangen
16. Ich möchte irgendetwas für Dich sein
17. Schritte auf der Treppe
18. Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit
19. Nach Bahrenfeld im Bus
20. Ich werde mich nie verändernErstes Konzert im Herbst ’96, noch immer das großartigste Konzerterlebnis ever. Für ca. 2- 3 Jahre die wichtigste Band, da wollte ich ‚Teil einer Jugendbewegung sein‘. Die erste Enttäuschung mit K.O.O.K., aus heutiger Sicht zu unrecht, wohl mittlerweile das Album von Tocotronic, das ich noch am regelmäßigsten auflege. Danach dann langsame Entfremdung, ich mag besonders die Texte und den Gesang von Dirk von Lowtzow einfach nicht mehr so. Und um so mehr die neuen Alben regelmäßig vom Feuilleton und der Musikpresse gefeiert werden, gerade wegen dieser Texte, desto größer meine Enttäuschung. Musikalisch ist das auch auf den neuesten Alben gar nicht so schlecht, teilweise war ich beim Wiederhören wirklich positiv überrascht, aber bei den Texten und den Versuchen von DvL, möglichst ausdrucksstark, gefühlsbetont oder was auch immer zu singen, war ich manchmal richtig peinlich berührt.
Gerne lese ich jeden Monat die Reflektor- Kolumne von Jan Müller im ME, oftmals überhaupt noch die einzige Seite im Heft, die ich wirklich gerne und mit Gewinn lese.--
What? Me Worry? // Top 20 ListenSchon die dritte Liste ohne den Trickser. Erstaunlich.
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Vielen Dank für die ersten drei Listen hier und fürs befeuern der Umfrage. Wie erwartet zeigt sich von Beginn an ein recht breites Favoriten-Spektrum. 41 Tracks mit drei verschiedenen Spitzenreitern sind nun bereits im Rennen, zwischen den Teilnehmenden gibt es zwischen 6 und 11 Überschneidungen – und nur noch vier Tracks kommen in allen Listen vor (einer davon für mich überraschenderweise).
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Mit @lysol hat ein Fori den Reigen eröffnet, der nicht zu den „üblichen Verdächtigen“ unter den Frühstartern gehört (die machen hier vermutlich aber auch gar nicht mit). Nach dem Eintrag im Ranking-Thread neulich war jedoch klar, dass lysol auf die Umfrage bereits vorbereitet ist … Wenig überraschend stammt die Nummer 1 denn auch vom „roten Album“ über Liebe und (Klassen-)Kampf. Zu „Prolog“ schreibt die Band selbst:
Tocotronic: „Eines Morgens bist du in der Fremde / aufgewacht – deine Hände / zittern noch. Du hörst in dich hinein / doch das wird erst der Anfang sein.“ So begann 2015 unser rotes Album, nachdem das Album davor „unter dem Sand“ geendet hatte. Das Ende sollte ein Anfang und dieser Song ein Prolog für eine weitere Häutung unserer Band sein.
Schön auch die Einordnung von Jens Balzer in den Tocotronic-Chroniken:
Jens Balzer: Prolog heißt das erste Lied auf dem elften Album von Tocotronic, man kann es als Re-Kapitulation ihres bisherigen Schaffens betrachten, vorgetragen im Zustand der Einsamkeit und Ratlosigkeit. Und der Öffnung ins Neue: Was immer wir taten, was immer wir dachten, wie immer wir unsere Musik ersonnen haben und unsere Instrumente bedienten – waren wir auf dem richtigen Weg? War der Weg so gerade und zielstrebig, wie es im Rückblick vielleicht erscheint? Und wohin werden wir als Nächstes gehen? Es ist, wie es in den Liedern von Tocotronic immer war, wenn etwas Neues passiert, in den ersten Takten von Digital ist besser ebenso wie am Anfang (oder am Ende?) von K.O.O.K. Wenn etwas Neues passiert, klingt es erst so, als ob gar nichts mehr passieren möchte, die Kräfte scheinen zu erlahmen und die Musik zu erschlaffen. So scheint es auch am Beginn von Prolog – bis das Stück sich am Ende zu einem melodischen, mit kräftigen Gitarrenriffs bunt bepinselten Popstück entwickelt und der Zweifel darüber, worin die Welt sich wahrhaft zeigt, verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand. „Jetzt wo auch dieser Tag zu Ende geht / Bemerkst du, wie der Wind sich dreht / Du zitterst noch und hörst in dich hinein / Liebe wird das Ereignis sein.“
Interessanterweise stammt nur noch ein zweiter Track in lysols Liste vom roten Album: „Spiralen“, eines von zwei Stücken, die von Casper-Produzent Markus Ganter betreut wurden. Nochmal Balzer:
Jens Balzer: Gemeinsam mit Ganter, Schneider und Krauss haben Tocotronic auf dem Roten Album einen Sound von geschmeidiger Reifheit, von eleganter Plastizität erschaffen. (…) Die Musik, die man hier zu hören bekommt, ist so sonderbar sonnenbeschienen und heiter wie selten zuvor im Tocotronic’schen Werk. Vor allem aber ist sie so körperbewegend und perkussiv, wie man es bisher allenfalls von ihren Remixen kannte. (…) Von allen Platten, die Tocotronic bisher aufnahmen, hat diese die geringste Angst vor den musikalischen und klanglichen Standards des Radio-Pop. Lustvoll und ohne ironische Distanz eignet die Band sich dessen Mittel an, um flüchtige Momente rückhaltlos zu vergrößern und alltäglichen Gefühlen Anschein ewiger Erhabenheit zu verleihen. (…) Von allen Platten, die sie im Lauf ihrer nun über zwanzigjährigen Entwicklung aufgenommen haben, ist dies die heiterste und leichteste geworden, sie leuchtet von innen, es spricht eine Ruhe und ein großer Frieden aus ihr.
Insgesamt finden sich Tracks von neun Alben in der Liste, die meisten, nämlich vier, stammen vom Debütalbum. Mich persönlich freut die Nennung von „Free Hospital“ sehr. Und die Pizza mit Mark E. Smith (auf The Fall wird während der Umfrage wahrscheinlich auch noch zurückzukommen sein). Von dem Song gibt es eine parodistische(?), auf Tocotronic umgemünzte Adaption der österreichischen Band Heinz. Wo Erfolg ist, ist das Epigonentum oft nicht weit.
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Liste Nr. 2 stammt von @fevers-and-mirrors. Anders als Lysols Liste drückt sie vor allem eine Wertschätzung des Frühwerks bis zum Beginn der „Berliner Trilogie“ aus. Ein Track vom weißen Album und einer von „Pure Vernunft“ von 2005 sind die spätesten Nennungen, die restlichen Tracks stammen alle aus den 1990er Jahren (wobei „K.O.O.K.“ mit 5 Nennungen das beliebteste Album ist). Platz 1 belegt mit „Sie wollen uns erzählen“ ein Protestsong, der einige Besonderheiten aufweist. Zunächst ist er bis heute der einzige Song der Band, in dem eine Mundharmonika zu hören ist. Laut Band bezieht sich der Text vage auf einen Text von Gilles Deleuze („Postskriptum über die Kontrollgesellschaften“). Auch Jens Balzer hat dazu gewohnt interessante Gedanken:
Jens Balzer: In Sie wollen uns erzählen gibt es erstmals keine fest umrissene Gruppe herablassend betrachteter Individuen mehr, sondern nur noch ein unbestimmtes „die“, in dessen ebenso unbestimmter Ablehnung sich die Angst widerspiegelt, in Wirklichkeit längst schon dazuzugehören. Vielleicht könnte man sagen: Aus dem „Ich gegen die“ ist hier einerseits ein „Wer sind die?“ geworden sowie andererseits ein „Wer bin ich?“. (…) Man soll denen nicht glauben, die ihr maschinenartiges Funktionieren als eigenen Willen ausgeben. Man soll hinter die Selbstverkennungen schauen, in denen die Untertanen im Spätkapitalismus sich über ihr Untertanendasein hinwegtäuschen. Oder anders gesagt: Sie wollen uns erzählen will ein Song mit aufklärerischer Botschaft sein. Jeder indes, der mit musikalischen Mitteln aufzuklären versucht, riskiert damit zugleich, in die lächerlich gewordene Pose des politisch engagierten Liedermachers zu verfallen. Die Angst und die Tapferkeit, mit denen Tocotronic dieses Risiko eingehen, spiegeln sich im Mundharmonikagebrauch wider. Er ist Bekräftigung und zugleich ironische Brechung; Zeichen dafür, dass die Band einem für sie neuartigen Bedürfnis folgt, dessen ästhetischer Ausdruck sie aber befremdet. Zum ersten Mal, könnte man sagen, sind Tocotronic sich fremd in einem eigenen Song.
Ich meine auch irgendwo (im Reflektor-Podcast von Jan Müller?) gehört zu haben, dass es in dem Lied konkret um die Major-Plattenfirma Motor geht, die Tocotronic nach den Anfangserfolgen von L’Age d’Or nun „drafteten“. Auf jeden Fall schaffte die Band mit dem Song ihre erste Singles-Chartplatzierung (Platz 65). Und die Lyrics haben wie bei so vielen ihrer Texte Eingang in die Popkultur gefunden:
- Banner der Fans des 1. FC Nürnberg mit Tocotronic-Zitat
Auch schön: Das Video aus dem Wildpark Schwarze Berge in Hamburg-Harburg, in dem die Jungs Esel streicheln. Auch Tiere spielen nun also eine Rolle bei Tocotronic. Mit den drei Enten waren bei „Es ist egal, aber“ erstmals nicht die Bandmitglieder Coverstars. Das Entenfoto wurde von Jan beim Black Box Studio in Frankreich aufgenommen, wo das Album entstand (kurz darauf holte der Fuchs die armen Tiere). Ursprünglich sollte das Album sogar „Auf den Hund gekommen“ heißen, was zusammen mit den Entenfoto den skurrilen Humor der Band gezeigt hätte. Der Plan scheiterte am Veto von Carol v. Rautenkranz.
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Danke für Liste Nr. 3 und deine Gedanken zur Band @magicmatthes. Du hast mir damit natürlich ein wenig Kommentierung erspart … Wenig überraschend ist die Liste noch stärker auf die 90er Jahre fixiert als die vorhergehende von Fevers and Mirrors. Mit einer Ausnahme: das Turbonegro-Cover „Sailor Man“ auf Platz 3. Damit ist nicht nur erstmals ein Song aus fremder Feder, sondern auch der erste Non-Album-Track in dieser Umfrage nominiert. Und ja, das Cover ist stärker als das Original:
Platz 1 bekleidet in dieser Liste „Drüben auf dem Hügel“, ein Lied über unschuldige Teenager-Verliebtheit, bis heute Live-Favorit der Band und auch vieler Fans. Das sagen Tocotronic:
Tocotronic: Drüben auf dem Hügel ist eines unserer ältesten, einfachsten und besten Lieder. Dirk hatte beim Schreiben ein Gitarren-Instrumental der legendären SST-Label-Musikerin Sylvia Juncosa im Ohr und die sanften Hügel und Weinberge Mittelbadens vor Augen. Man kann das Lied immer und immer wieder spielen, es wird nie langweilig. Arnes hämmernde Schlagzeugschläge in jedem vierten Takt möchten einen glauben machen, man durchstreife den Schwarzwald und wohne dort einem Konzert irr gewordener Spechte bei.
Insgesamt legt die Liste einen deutlichen Schwerpunkt auf die „Hamburg Years“ mit jeweils 6 Tracks aus dem Debütalbum und „Wir kommen um uns zu beschweren“ sowie zweien aus „Nach der verlorenen Zeit“. Es gibt eine schöne Doku über die unterschiedlichen Lebenswege von vier Protagonisten der damaligen linken Hamburger (Punk-)Szene, von denen Jan Müller einer ist. Betitelt natürlich nach einem Tocotronic-Song: „So jung kommen wir nicht mehr zusammen“:
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Schlagwörter: Tocotronic
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