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Mit @lysol hat ein Fori den Reigen eröffnet, der nicht zu den „üblichen Verdächtigen“ unter den Frühstartern gehört (die machen hier vermutlich aber auch gar nicht mit). Nach dem Eintrag im Ranking-Thread neulich war jedoch klar, dass lysol auf die Umfrage bereits vorbereitet ist … Wenig überraschend stammt die Nummer 1 denn auch vom „roten Album“ über Liebe und (Klassen-)Kampf. Zu „Prolog“ schreibt die Band selbst:
Tocotronic: „Eines Morgens bist du in der Fremde / aufgewacht – deine Hände / zittern noch. Du hörst in dich hinein / doch das wird erst der Anfang sein.“ So begann 2015 unser rotes Album, nachdem das Album davor „unter dem Sand“ geendet hatte. Das Ende sollte ein Anfang und dieser Song ein Prolog für eine weitere Häutung unserer Band sein.
Schön auch die Einordnung von Jens Balzer in den Tocotronic-Chroniken:
Jens Balzer: Prolog heißt das erste Lied auf dem elften Album von Tocotronic, man kann es als Re-Kapitulation ihres bisherigen Schaffens betrachten, vorgetragen im Zustand der Einsamkeit und Ratlosigkeit. Und der Öffnung ins Neue: Was immer wir taten, was immer wir dachten, wie immer wir unsere Musik ersonnen haben und unsere Instrumente bedienten – waren wir auf dem richtigen Weg? War der Weg so gerade und zielstrebig, wie es im Rückblick vielleicht erscheint? Und wohin werden wir als Nächstes gehen? Es ist, wie es in den Liedern von Tocotronic immer war, wenn etwas Neues passiert, in den ersten Takten von Digital ist besser ebenso wie am Anfang (oder am Ende?) von K.O.O.K. Wenn etwas Neues passiert, klingt es erst so, als ob gar nichts mehr passieren möchte, die Kräfte scheinen zu erlahmen und die Musik zu erschlaffen. So scheint es auch am Beginn von Prolog – bis das Stück sich am Ende zu einem melodischen, mit kräftigen Gitarrenriffs bunt bepinselten Popstück entwickelt und der Zweifel darüber, worin die Welt sich wahrhaft zeigt, verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand. „Jetzt wo auch dieser Tag zu Ende geht / Bemerkst du, wie der Wind sich dreht / Du zitterst noch und hörst in dich hinein / Liebe wird das Ereignis sein.“
Interessanterweise stammt nur noch ein zweiter Track in lysols Liste vom roten Album: „Spiralen“, eines von zwei Stücken, die von Casper-Produzent Markus Ganter betreut wurden. Nochmal Balzer:
Jens Balzer: Gemeinsam mit Ganter, Schneider und Krauss haben Tocotronic auf dem Roten Album einen Sound von geschmeidiger Reifheit, von eleganter Plastizität erschaffen. (…) Die Musik, die man hier zu hören bekommt, ist so sonderbar sonnenbeschienen und heiter wie selten zuvor im Tocotronic’schen Werk. Vor allem aber ist sie so körperbewegend und perkussiv, wie man es bisher allenfalls von ihren Remixen kannte. (…) Von allen Platten, die Tocotronic bisher aufnahmen, hat diese die geringste Angst vor den musikalischen und klanglichen Standards des Radio-Pop. Lustvoll und ohne ironische Distanz eignet die Band sich dessen Mittel an, um flüchtige Momente rückhaltlos zu vergrößern und alltäglichen Gefühlen Anschein ewiger Erhabenheit zu verleihen. (…) Von allen Platten, die sie im Lauf ihrer nun über zwanzigjährigen Entwicklung aufgenommen haben, ist dies die heiterste und leichteste geworden, sie leuchtet von innen, es spricht eine Ruhe und ein großer Frieden aus ihr.
Insgesamt finden sich Tracks von neun Alben in der Liste, die meisten, nämlich vier, stammen vom Debütalbum. Mich persönlich freut die Nennung von „Free Hospital“ sehr. Und die Pizza mit Mark E. Smith (auf The Fall wird während der Umfrage wahrscheinlich auch noch zurückzukommen sein). Von dem Song gibt es eine parodistische(?), auf Tocotronic umgemünzte Adaption der österreichischen Band Heinz. Wo Erfolg ist, ist das Epigonentum oft nicht weit.
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