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AutorBeiträge
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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observerIn der Colorline Arena. Und ich kann den Eindruck noch nicht mal auf die Halle schieben. Ich war durch einen glücklichen Zufall direkt vor der Bühne, Sound und Sicht waren also sehr gut.
Ich habe sie auch schon in schlechter Form erlebt (auf der Be here now-Tour), mittlerweile weiss ich aber, wie ich die Konzerte von Oasis nehmen muss.
Das nächste mal gehen wir zusammen hin, observer!;-)--
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Werbungsongbird…. mittlerweile weiss ich aber, wie ich die Konzerte von Oasis nehmen muss.
Genauso gelangweilt herumstehen wie die Band?
songbird
Das nächste mal gehen wir zusammen hin, observer!;-)Dann nehme ich mir aber was zu lesen mit.
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Wake up! It`s t-shirt weather.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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observerGenauso gelangweilt herumstehen wie die Band?
Dann nehme ich mir aber was zu lesen mit.
Vor allem gehen wir vorher ordentlich einen trinken. Ich will die Band nicht anders haben, wenn sich Liam mit seiner Bier-Wampe plötzlich bewegen würde, ich wäre ernsthaft besorgt. Oasis-Konzerte sind eben Messen mit festen Regularien. Wenigstens wird da Spontanität – wie bei anderen Konzerten – erst gar nicht geheuchelt.
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songbirdVor allem gehen wir vorher ordentlich einen trinken.
Richtige Einstellung! Bei Oasis-Konzerten sollte das Saufen obligatorisch sein.
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How does it feel to be one of the beautiful people?Soeben (endlich!) aus dem dreiwöchigen militärischen Wiederholungskurs (ja, sowas müssen wir Schweizer jedes Jahr machen…:haue:) zurückgekehrt, und was darf ich sehen? Tina hat WTSMG besprochen! Ganz toll! Jetzt muss ich den Text nur noch lesen…
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Yep! Spitzen-Album, sehr gute Besprechung!
Natürlich könnte man an der Platte das eine oder andere zu Recht kritisieren. Aber es macht mehr Spaß, sich einfach wegblasen zu lassen von den vielen großartigen Momenten.
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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)Ich wollte ja noch etwas zu Tinas schönem Morning Glory-Text schreiben.
Stilsicher und mit viel Hintergrundwissen gibt Tina ihrer eingangs geschilderten persönlichen Beziehung zu Morning Glory ein «objektives» (sofern der Begriff bei Musik überhaupt eine Berechtigung hat) Fundament. Zu einer solchen «objektiven» Annäherung an Morning Glory wäre ich nicht fähig – es fehlt mir jegliche kritische Distanz. Zu stark ist die emotionale Bindung, zu viele Erinnerungen hängen an dem Album.
Dabei war es Liebe auf den zweiten Blick. Morning Glory liess ich 1995 erst mal lange Zeit im Regal stehen und kaufte es erst im Sonderangebot – mangels Alternativen! (Definitely Maybe hatte ich mir 1994 als 14-Jähriger mehr aus Zufall gekauft – die als Bonus beigelegte Whatever-CD wurde aber deutlich öfter gespielt als das eigentliche Album.) An einen Schlüsselmoment, in dem sich mir die «Magie» von Morning Glory schlagartig entfaltet hätte, kann ich mich nicht erinnern: Anders als Tina weiss ich also nicht von einem «einschneidenden Hörerlebnis», welches man «nie mehr vergisst», zu berichten. Es muss irgendwann Ende 1995, vielleicht auch erst Anfang 1996 gewesen sein – eines Tages war es jedenfalls um mich geschehen und Oasis bedeuteten mir die Welt. Sehr gut erinnern kann ich mich an den 21. August 1997: In einer Schulpause rannte ich zum nahe gelegenen Plattenladen und kaufte mir mit vor Aufregung zittriger Hand Be Here Now – länger konnte ich nicht mehr warten (anhören konnte ich mir das Album freilich erst nach Schulschluss).
Es gibt durchaus Momente, da frage ich mich, ob Morning Glory, würde es heute erscheinen, noch immer eine solch überwältigende Wirkung auf mich entfalten würde. Obwohl ich überzeugt bin, dass Morning Glory auch «objektiv betrachtet» ein brillantes Album ist, sind Zweifel angebracht: Eine dermassen intensive emotionale Bindung baut man nur zu Alben auf, die in der eigenen Jugendzeit veröffentlicht werden oder die man in dieser Zeit für sich entdeckt. (Allenfalls noch Alben, welche einem durch Krisenzeiten begleitet haben, können eine ähnliche Wirkung entfalten.) Bei heutigem Erscheinen wäre Morning Glory für mich wohl einfach ein sehr schönes Album – unter vielen. So aber ist Morning Glory mein Wohnzimmer: Ich werde mich immer zuhause fühlen, wenn die vertrauten Wonderwall-Akkorde ertönen, wenn Noel sein nervendes «Sooooooo» trällert, wenn Liam mal wieder fragt, wo man denn gewesen sei, «while we were getting high».
P.S. Ich hoffe, es geht hier bald weiter.
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Exzellente „Morning Glory“-Besprechung, Tina!
(Bei den ganzen Favoriten-Threads kommt man mit dem Lesen kaum nach …)--
"Don't reach out for me," she said "Can't you see I'm drownin' too?"Danke für deinen ausführlichen Text, Faspotun!
FaspotunEs gibt durchaus Momente, da frage ich mich, ob Morning Glory, würde es heute erscheinen, noch immer eine solch überwältigende Wirkung auf mich entfalten würde. Obwohl ich überzeugt bin, dass Morning Glory auch «objektiv betrachtet» ein brillantes Album ist, sind Zweifel angebracht: Eine dermassen intensive emotionale Bindung baut man nur zu Alben auf, die in der eigenen Jugendzeit veröffentlicht werden oder die man in dieser Zeit für sich entdeckt hat.
Ja, das ist wohl wahr. Außerdem behaupte ich einfach mal, dass eine derart starke Bindung zu, und Identifizierung mit einer Band sich zumeist in der Jugend entwickelt, während man sich später tendenziell eher Solokünstler als Identifikationsfiguren sucht. Was nicht heißen soll, dass die emotionale Bindung zur Band mit dem Eintritt ins Erwachsensein reißt, aber das jugendliche Potential zur bedingungslosen Verehrung und Glorifizierung einer Band ist in der Regel doch deutlich größer als das eines Erwachsenen.
Faspotun(Allenfalls noch Alben, welche einem durch Krisenzeiten begleitet haben, können eine ähnliche Wirkung entfalten.)
Den Satz solltest du allerdings aus der Klammer befreien, fett drucken, und das „allenfalls“ streichen.;-)
(s. z.B. „Love Is Hell“)@fifteenjugglers: Nach Nikos Thread kam aber kein neuer Faves-Thread mehr, oder? Hab ich irgendwas übersehen? Anyway, danke auch dir!
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Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!Tina ist blöde. Ein faves-thread mit nur zwei rezensionen und schon zwölf seiten lob. ich will meeeehr:zensur:
gruß- belle:liebe:
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Und ich liege im Bett und ich muss gestehen ich habe große Lust mich noch mal umzudrehn@belle: Qualität vor Quantität.;-)
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Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!Wilco – Yankee Hotel Foxtrot
(Nonesuch Records – 2002)Die zwei sonderbaren, beige-grauen Türme, die Anfang 2002 ihren Weg in meinen Plattenschrank fanden, waren nach Ryan Adams‘ „Gold“ bereits die zweite musikalische Offenbarung meiner Jugend innerhalb weniger Monate. Meine Bestimmung als ewig Entdeckender unter dem Kopfhörer schien nun definitiv und gefunden. Wie konnte man jemals etwas Anderes tun wollen, als jede Ecke, jeden Winkel jedes Tracks zu durchstreifen und durchstöbern, um bei jedem einzelnen Durchgang etwas Neues zu entdecken? Eine kleine Windung im Song, ein abhanden gekommener Takt, fast täglich ein neues Instrument, ein neuer Klang. Becirct vom Harmonischen, sonderbar angezogen vom Wunderlichen, Dunklen der Platte – so begann mein bis heute andauernder Streifzug durch „YHF“.
Das Album beginnt mit wirrem Rauschen, Fiepen und Klirren, bevor nach einer knappen Minute dröhnende Synthesizer, marschartige Drumsounds, ein verstimmtes Klavier und verhaltene Akustikgitarren erstmals Struktur und Melodieführung vorzeichnen. Es folgt Jeff Tweedys grummelnde Offenbarung: „I am an American aquarium drinker/I assassin down the avenue“. Klanghölzer, Xylophone und nach Schmiedeeisen und Sägen Klingendes stolpern wild übereinander. Langsam verläuft sich alles, bis es schließlich von einem dunklen, alles beherrschenden Dröhnen geschluckt wird.
„Kamera“ ist dann fast erfrischend – wenn auch mit düsterem Unterton, und ebenfalls mit gelegentlichen Störgeräuschen bespickt – entspannt hoppelnder Akustik-Folkpop mit wunderbaren harmony vocals, der elegant die Brücke zum melodieverliebt-powerpoppigen Vorgängeralbum „Summerteeth“ schlägt.
Auf dem blassen „Radio Cure“ findet man sich dann wieder inmitten der verschrobenen Soundlandschaften des Openers wieder, nur dass hier sonderbare Klanggewitter und konstante dumpfe Trommelschläge eine noch weitaus trostlosere, fast verstörende Grundstimmung erzeugen. Die Lyrics nicht minder wunderlich: „My mind is filled with silvery stuff/Honey kisses, clouds of fluff/Shoulders shrugging off/Picking apples for the kings and queens of things I’ve never seen“. Tweedys Stimme, wie auf einem Großteil der Tracks auf „YHF“ weit in den Vordergrund gemischt, schleppt sich scheinbar ausgelaugt und resignierend durch die Strophen, bis der Song im zweiten Refrain schließlich seinen schwermütigen Höhepunkt erreicht: „Oh, distance has no way of making love understandable“ – es rauscht und hämmert, die Stimme wimmert, stauchelt, und bricht schließlich. Auf „A Ghost Is Born“ sollte die Band später die schrulligen, düsteren Elemente noch weiterspinnen, doch bis dato war dies definitiv der sperrigste und radikalste Wilco-Track, der jemals Tageslicht erblickte. Textlich greift er erstmals das Thema Liebe und räumliche und emotionale Distanz auf, welches sich als roter Faden durch das gesamte Album zieht.
Das erhebende „War On War“ funktioniert ähnlich wie „Kamera“ als hymnenartige Country-Psychedelia, und kommt damit dem volleren Wilco-Band-Sound der „Being There“-Phase („I Got You“, „Monday“) noch am Nähesten. Doch löst auch dieser Song seine Struktur gen Ende immer mehr auf, und mündet schließlich in tumultigem Lärm-Chaos, gefolgt von finalem Feedback-Gequietsche.
Mit „Jesus Etc.“ folgt das wunderbar warme, erhaben-erhebende Herzstück der Platte. Sanfte Streicherlinien ergänzen den erstaunlich smoothen Bandsound zu einem jazzig-folkigen, organisch-warmen Ganzen. Seele und Ruhepol des Albums, und fraglos eins der großartigsten Wilco-Stücke überhaupt.
Bereits die ersten trüben Gitarrenakkorde des folgenden Tracks verraten, dass nun Düsternis und Schwermut ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen werden: „Ashes Of American Flags“ ist entrücktes Highlight des Albums; dunkle, musikgewordene Schönheit. „All my lies are always wishes/I know I would die if I could come back new” versichert Tweedy mit gebrochener Stimme. “I want a good life with a nose for things/fresh wind and bright skies to enjoy my suffering/A hole without a key, if I break my tongue/Speaking of tomorrow/When will it ever come? “ Vielleicht die schönsten je Tweedys Feder entsprungenen Zeilen.
„Heavy Metal Drummer“ ist dann völlig unvermittelt der simple, gloriose Popsong inmitten beklemmender Sperrigkeit und wundersamer Soundexperimente – und doch irgendwie verschroben und eigen genug, um im Kontext des Albums wunderbar zu funktionieren. Energische Drumschleifen, dichte Gitarren, die obligatorischen „Uu-uh“-Background-Vocals, das Ganze bespickt mit diversen zerstreuten Effekten. Dazu nostalgisch-humoristische Lyrics – die Erinnerung an Unschuld, sorglose Sommer und bedröhnte Kiss-Cover-Sessions.
Das berückend schöne „Poor Places“ bildet gewissermaßen das schwermütige zweite Herzstück des Albums. Selten wirkte Jeff Tweedy derart sehnsüchtig verlangend und verwundbar. Eine Minute und vierzig Sekunden lang wird sein wehmütiger Gesang von nichts als Feedback-Fiepen und -Dröhnen begleitet – alles gleichförmig auf einen einzigen Akkord aufbauend -, bis einen erst ein leichtgewichtig-hoppelndes Schlagzeug und dann nach knappen drei Minuten vollkommen unvermittelt die wundervollste Melodie des Albums aus Düsternis und Lethargie reißen: „And it makes no difference to me/How they cried all over overseas/When it’s hot in the poor places tonight/I’m not going outside“ triumphiert es in Moll. Erneut dreht und windet sich der Song, und im Outro schließlich ertrinken Gesang, Schlagzeug und Piano erneut in grenzwertig-lärmendem Dröhnen, während eine undeutliche, nebelhafte Frauenstimme immer wieder die Worte „Yankee. Hotel. Foxtrot.“ wiederholt. Wundersame, gespenstische Untergangstimmung.
Thematisch beschreibt der Song auf gewohnt verschwommen-skurrile Weise Gedanken zur Trennung von Familie und Partner, zu welchen Tweedy von sich selbst in der dritten Person spricht: „There’s bourbon on the breath of the singer you love so much/He takes all his words from the books that you don’t read anyway/His jaw’s been broken, his bandage is wrapped too tight/His fangs have been pulled, and I really wanna see you tonight”. Der Kiefer gebrochen, das Herz in Eis gehüllt. Die dunklen Seiten des Tourlebens, weit, weit entfernt von Zuhause; das rastlose Herz, und dazu der Wille, die Beziehung am Leben zu halten.
Ein Thema, das auf dem finalen Track „Reservations“ konkreter weitergesponnen wird. Verworrenheiten einer schwierigen, komplexen Beziehung: „How can I convince you it’s me I don’t like/And not be so indifferent to the look in your eyes?/When I’ve always been distant and I’ve always told lies for love“ singt Tweedy herzzerreißend schön zu atmosphärischem Wummern und spärlichen Pianonoten. Eine thematische Schlüsselzeile des Albums.
Schlussendlich siegt die Sehnsucht und Track und Album enden mit der unkitschigsten und damit schönsten erdenklichen Liebeserklärung: „I’ve got reservations/About so many things, but not about you/Not about you“. Er glaubt an die Liebe – er muss an sie glauben, da ihn sonst Lärm und Schmerz überwältigen. Und so wie am Ende die Liebe siegt, lässt einen das Album – zu leisem Wummern und diskreten Percussions ausklingend – mit einem blassen Gefühl von Hoffnung und vorsichtiger Zuversicht zurück. Wie der Anblick des Sonnenaufgangs am Morgen nach einer schlaflosen Nacht.Um kaum eine Veröffentlichung des angebrochenen Jahrzehnts ist bereits im Vorfeld so viel Wind gemacht worden wie um „Yankee Hotel Foxtrot“. Hinter dem Album-Release im April 2002 steht eine Back Story, die in punkto Labelpolitik im 21. Jahrhundert Bände spricht.
Nach mehrmonatiger Studioarbeit, an dessen Ende u.a. der Rausschmiss des Tweedy-Kollaborateurs Jay Bennett stand (dessen Vorstellungen von Sound und Charakter des Albums nicht mit denen von Tweedy und Produzent Jim O’Rourke in Einklang zu bringen waren), wurde das Werk im Juni 2001 bei der Plattenfirma Reprise Records eingereicht. Auf wochenlanges Schweigen seitens des Labels folgte schließlich die ausdrückliche Bitte nach umfassender Überarbeitung. Man sehe in dem Album „in der jetzigen Form kaum kommerzielles Potential“. Eine Forderung, auf die die Band nicht bereit war einzugehen – zumal von Reprise nicht lediglich ein paar kleine Veränderungen, sondern eine Rundum-Überarbeitung verlangt wurde. Das neue Werk sprenge den konventionellen Americana/Alt.Country-Rahmen so deutlich, dass es für das Label – welches mit den ersten drei Wilco-Werken konstant ordentliche, wenn auch insgesamt eher unbedeutende Albumverkäufe zu verbuchen gehabt hatte – ein unkalkulierbares Risiko darstellte. Das mochte man nicht eingehen, und da die Band für das Label insgesamt keinen übermäßigen kommerziellen Wert darstellte, und darüber hinaus mit Howie Klein ausgerechnet am Tage vor Einreichung des Albums der letzte große Wilco-Fürsprecher bei Reprise sein Amt als Präsident niedergelegt hatte, wurde die Band spontan vor die Tür gesetzt.
Woraufhin sich Wilco entschieden, plattenfirmenlos immerhin die Rechte an „YHF“ besitzend, das komplette Album auf ihrer Homepage als Stream zur Verfügung zu stellen, bevor sie Ende 2001 beim Mini-Label Nonesuch Records (ironischerweise wie Reprise im Besitz der Warner Music Group) unterkamen.
„Yankee Hotel Foxtrot“ erschien dort schließlich am 23. April 2002, unter tosendem Beifall der internationalen Musikpresse.Auffällig – und für Warner sicher ein Hauptaspekt, der zum Rausschmiss der Band führte – ist zunächst einmal die künstlerische Selbstständigkeit, und damit verbunden das Fehlen einer genauer zu bestimmenden Zielgruppe, an die sich das Werk richtet. Die Alt.Country-Wurzeln scheinen weiterhin an vielen Stellen durch, doch zeigen sich auch die im Kern immer noch Americana-verwurzelten Kompositionen Tweedys und Bennetts mittels allerhand unkonventioneller Elemente und Strukturen aus gänzlich neuen Blickwinkeln. In seiner kühlen, oft entrückten Stimmung erinnert „YHF“ nicht selten an „Love Is Hell“ von Ryan Adams (die Labelgeschichte ist eine traurige weitere Parallele), welcher mit jenem Album ja eine ähnlich radikale Wegentwicklung von den Alt.Country/Americana-Wurzeln vollzog wie es Wilco mit „YHF“ taten. Was die Band mit diesem Album erschuf, ist eindeutig ihr facettenreichstes und innovativstes Werk to date. In den leiseren Momenten wirkt Einiges auf den ersten Blick zerfahren und zerfranst, doch erst in den mal feineren, mal gröberen Fasern verstecken sich bei genauerem Hinsehen die funkelndsten Diamanten. Bizarre Klanggewitter, Synthesizer, Geigen, Bläser, Xylophone, und unkonventionelle Percussioneinsätze setzen über das gesamte Album verstreut mal blassere, kleine, und mal kräftigere, dominierende Akzente in insgesamt kühlen, transzendenten Soundscapes. Der Einsatz der verschrobenen, sperrigen Soundelemente ist jedoch stets an den richtigen Stellen maßvoll genug, um den zarteren Melodien nichts anhaben zu können.
Entgegen der landläufigen Meinung, Jim O’Rourke sei für den Großteil der neuartigen Elemente verantwortlich, kam Wille und Drang zu Innovation und Perspektivenwechsel in erster Linie von Tweedy und dem Rest der Band – mit ausdrücklicher Ausklammerung Jay Bennetts, welcher schlussendlich aufgrund eben dieser Differenzen aus der Band geworfen wurde.
Einige der von Bennett eingebrachten Ideen blieben allerdings, so zum Beispiel die Pianoelemente. Während das Klavier bis dato im Bandsound eine eher untergeordnete Rolle gespielt hatte, fügt es den Songs auf „YHF“ (und später in noch stärkerem Maße „A Ghost Is Born“) mit mal in den Vordergrund gemischten, luftigen Melodielinien, und mal dümpelden, plätschernden Pinselstrichen und -Tupfern entscheidende Klangfarben hinzu.
Ein weiterer die gesamtheitliche Stimmigkeit und Größe des Albums fördernder Aspekt ist die thematische Kohärenz. In fast allen Songs geht Tweedy – mal direkter, mal metaphorisch-verschwommener – den Verworrenheiten einer komplizierten Beziehung, und dem Überleben einer dunklen Seele im Hier und Jetzt auf den Grund. So wie die Musik sich mal seltsam atonal windet, mal bricht und mal wieder alles harmoniert, reflektieren auch die Lyrics das Auseinanderbrechen und das Wiedervereinigen und Verheilen von Dingen.Was in punkto Plattenfirmenstreit bleibt, ist selige künstlerische und kommerzielle Genugtuung angesichts dreier Tatsachen: allein in den USA konnten über eine halbe Million Exemplare von „YHF“ abgesetzt werden, womit es sich als das mit Abstand erfolgreichste Wilco-Album to date entpuppte; in Musikkritikerkreisen gilt das Album als eins der innovativsten und größten Werke des bisherigen Jahrzehnts ;Und im Übrigen hatte Warner Music für „YHF“ im Endeffekt auch noch doppelt gezahlt, da Wilco die Rechte am Album von Reprise umsonst bekommen, und dann das Album an eine andere Warner-Tochter verkauft hatten. Was „YHF“ zu nichts Geringerem als zum strahlenden Triumphsymbol für Überlegenheit und Sieg künstlerischer Integrität über Großkonzern-charakteristische Geldgier macht.
Vor allem aber steht das Album im 21. Jahrhundert für freie künstlerische Entfaltung in der Musik, die Verquickung von Traditionellem und Modernem zu etwas Eigenständigem, Lebendigem und Haltbarem. Wie kaum ein anderes zeitgenössisches Werk verbindet „Yankee Hotel Foxtrot“ aufs Eindrucksvollste Harmonie und Sperrigkeit, Leichtigkeit und Abgründigkeit, Pop und Anspruch. Und ist darüber hinaus einer der raren Fälle, in denen ein Album gleichzeitig tieftraurig und hoffnungsvoll-erhebend sein kann.
Das Artwork des Albums zeigt Photographien von Sam Jones – kalte, entrückte Aufnahmen der Chicagoer Skyline und der „Great Lakes“. Bilder, die die ruhige Seele tief im Kern des Albums reflektieren. Ein kleiner Mond scheint eine übergroße Sonne zu bestrahlen. Keine Menschen, keine Autos – jegliche Bewegung, jegliches Geräusch scheint abwesend in diesen Bildern, der Blick stets gen Himmel gerichtet, auf Abendröte, Silhouetten, triste, seelenlose Wolkenkratzer. Wer ganz genau hinschaut, sieht in einem der Fenster Jeff Tweedy einsam auf seiner Wandergitarre klimpern…--
Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!Eindrucksvolle Würdigung! Ich hab das Album recht schnell beiseite gelegt, zu schnell vermutlich. Noch mal hervorholen.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Herr RossiNoch mal hervorholen.
geht nicht, ist verkauft!
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ein sehr langer und schöner text. es freut mich das du dich fast jedem song dieses meilenstein gewidmet hast. aber verbrate nicht all deine lieblingsalben direkt:wave:
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Und ich liege im Bett und ich muss gestehen ich habe große Lust mich noch mal umzudrehn -
Schlagwörter: Faves, User Reviews
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