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So, ist leider eine halbe Bruchlandung geworden – hier kommt das Titelalbum des Threads:
Wilbur Ware – The Chicago Sound
Riverside (16 October 1957)
John Jenkins (as)
Johnny Griffin (ts)
Junior Mance (p)
Wilbur Ware (b)
Wilbur Campbell (d)
Frankie Dunlop (d, statt Campbell auf Body and Soul und The Man I Love)Die Zeit um 1957 war so etwas wie das internationale (also New Yorker) Debut des Chicagoer Hard Bop: Blue Note produzierte Alben der Tenoristen Johnny Griffin, Clifford Jordan (eins mit John Gilmore) und des Altsaxophonisten John Jenkins. Wilbur Ware, der 1956 zusammen mit Ira Sullivan mit einer kurzlebigen Besetzung von Art Blakeys Jazz Messengers nach New York gekommen war, war von Sommer 1956 bis Sommer 1958 einer der meistbeschäftigten Bassisten des Jazz, er war an fast 40 Alben beteiligt (über die Hälfte seiner Diskografie), darunter Klassiker wie Monk’s Music und Rollins at the Village Vanguard. Rückblickend sieht das ganze ein bißchen wie ein Schuss in den Ofen aus, nur Griffin konnte hierauf eine langfristigere Karriere aufbauen (zunächst mit einer grandiosen Serie von Alben für Riverside, eins hat Thelonica oben schon vorgstellt). John Jenkins etwa, war in diesem Jahr an 10 Alben für alle vier großen Labels des Hard Bop beteiligt (Prestige, Savoy, Riverside, Blue Note). Erst 1990 trat er noch einmal auf einem Album von Clifford Jordan in Erscheinung, nachdem er jahrelang Schmuck auf Flohmärkten verkauft hatte (oder so ähnlich). (Jordan hatte Anfang der sechziger Jahre nochmal einen zweiten Karrierestart, der erflogreicher verlief…) Was hier im einzelnen schief gelaufen ist, ist mir nicht ganz klar – Tatsache ist, das hier eine gradiose Serie von Alben entstanden ist.
The Chicago Sound ist eins der wenigen dieser Alben, das mit einer reinen Chicagoer Band aufgenommen ist. Neben den oben erwähnten Jenkins, Ware und Griffin sind der Pianist Junior Mance und abwechselnd die Schlagzeuger Wilbur Campbell und Frank Dunlop (kein Chicagoer) beteiligt. Viel Debütalbum Stimmung will hier nicht aufkommen, man spürt, dass die Musiker sich seit Jahren kennen, die meisten, insbesondere Griffin und Mance, blicken bereits auf über zehnjährige Karrieren als Profimusiker zurück. Was man – und das weiß ich sehr zu schätzen – fast gar nicht spürt, ist, dass es sich um das Album eines Bassisten handelt, Ware ist große Klasse, aber den Vordergrund überlässt er vor allem den beiden Saxophonisten. Griffin, einer meiner absoluten Lieblingssaxophonisten, präsentiert die ganze Bandbreite seines Könnens: warum er als der schnellste Saxophonist seiner Generation galt, kann man etwa auf Mamma-Daddy hören; auf der grandiosen Ballade Body and Soul erinnert mich die Linienführung, dieses rhapsodische, fast ein bißchen an Coleman Hawkins (etwa Picasso, hier, vielleicht weit hergeholt); Jenkins ist ein etwas subtilerer Musiker, aber definitiv hörenswert, irgendwo zwischen Charlie Parker und Jackie McLean… Auch Mance spielt ein paar schöne Soli, etwa auf Desert Sands, ein typischer Pianist aus der Schule von Bud Powell, ein bißchen rhythmischer und sicherlich auch mit einer Spur Thelonious Monk…
An sich sollte hier jetzt die Essenz des Chicagoer Hard Bop zu hören sein, und, naja, so hör ich das eigentlich auch, Gene Ammons ist nicht allzu fern, und genauso, grad im Ensembleklang der Saxophone, kann man an Sun Ras Chicagoer Band der fünfziger Jahre denken. Ich krieg das mal wieder nicht gescheit formuliert, aber, wenn man Hard Bop definiert als Bebop mit R&B Elementen, verstärkter Bluesigkeit, wie auch immer… dann hört es sich für mich an, als wäre diese Fusion hier viel organischer und natürlicher gelungen ist, als vielleicht in der Musik von Horace Silver; andersrum, wenn man sich die R&B Aufnahmen von Griffin anhört, und dann vergleicht, dann merkt man ganz klar die Wurzeln, aber auf The Chicago Sound kann die Musik atmen, alles zickige ist verschwunden ohne dass es deshalb künstlich wirkt, trotzdem hat die Musik ihren Drang nach vorne nicht verloren, mehr Reste von Bebop Charme sind geblieben als auf vielen der großen Hard Bop Alben auf Blue Note, es gibt eine ausgewachsene Ästhetik und dass ich die nicht auf den Punkt gebracht krieg, kotzt mich an – schaut euch das fabelhafte Coverfoto an – genau so ist die Musik…
ein Stück vom Album auf Youtube, Latin Quarter, das Griffin eine Woche später nocheinmal auf seinem letzten Blue Note Album „The Congregation“ aufgenommen hat (und wenn man die Versionen vergleicht, merkt man vielleicht, was ich mit Drang nach vorne sagen wollte…)
hier eine Mini-Compilation von Stücken von Joe Morris R&B Band der späten vierziger Jahre auf denen Griffin halbwegs prominent zu hören ist. Die interessanten Gitarrensoli sind von Von Freemans Bruder George Freeman, Posaune spielt Matthew Gee, auf manchen der Stücke sind Leute wie Elmo Hope, Percy Heath, Philly Joe Jones zu hören, für Details siehe die Griffin Diskografie.
Andere Alben in diesem Zusammenhang: die gleiche Band ohne Jenkins und mit einem anderen Schlagzeuger hat noch in Chicago Griffins Debütalbum JG aufgenommen, sehr zu empfehlen, vielleicht in einem späteren Post, noch mehr Bebop und ein klarerer Monkeinfluss – kein Wunder, dass sowohl Griffin als auch Ware später wichtige Aufnahmen mit Monk gemacht haben… Ein weiteres tolles Album mit Ware und Griffin ist Johnny Griffins Way Out, auch ein Quartet Album, diesmal mit Kenny Drew am Klavier; mit Jenkins bin ich noch nicht so weit, Jenkins/Jordan/Timmons auf Prestige mit Clifford Jordan gehört sicherlich auch in den Kreis der Alben, um die es hier geht; das Paul Quinichette Album On the sunnny side mit Jenkins ist jedenfalls prima…
Was ich noch ganz interessant finde… irgendwie fällt es ja schon auf, dass ein guter Teil der Alben aus dieser Richtung (Chicago Sound, Jenkins Jordan Timmons, Jordans Alben mit Charles McPherson und Sonny Red), in der vergleichsweise seltenen Quintetbesetzung mit Alt/Tenorsaxophon aufgenommen sind – und zwar nicht direkt in so einer Battle Tradition, sondern eher kameradschaftlich das scheint auch irgendwie ein Chocagoer Ding gewesen zu sein [die Brücke zum AEC verkneif ich mir jetzt aber im wesentlichen…]
Diskografien:
Wilbur Ware
John Jenkins
Johnny Griffin--
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WerbungDave Young
ein kürzerer Post zwischendurch… im Moment scheint es mir hochplausibel, zu sagen, dass sich diese Chicago-Tenor-Schule im wesentlichen aus den Einflüssen von Von Freeman und Gene Ammons speist… insofern fand ich folgendes kürzlich sehr interessant:
Von Freeman: Now, a lot of people say that I have an original sound, but that’s not true at all. Where I got that sound and that conception of playing was from a saxophone player named Dave Young. [From Chicago?] Yes. Dave Young used to play with Roy Eldridge and quite a few other guys. To me he was one of the greatest saxophone players I’d ever heard, bar none. He took me under his wing when I was in the Navy, when we were stationed in Hawaii. I said, „Man, how are you getting that tone you get? You have so much projection.“ And I started using his mouthpiece and his reeds, and he corrected my embrochure a lot. In fact, I would say that most of my formative training on a saxophone was from Dave Young. I had been trying my best to play like Prez and Hawk and whatnot, and his style was what I’d say I was looking for between those two great saxophone players, Prez and Hawk, but it was his own thing and his own way of executing it, and I tried to copy it. I don’t think Dave Young plays any more. I think he’s still around Chicago, but I don’t think he plays any more. He was a few years older than I am. So the sound that I am getting I think is primarily the sound that he was getting. Maybe I’ve refined it a little bit more in all these years I’ve been doing it. But the idea for getting that sound came from Dave Young. Great saxophone player.
Ich hab mich dann mal ein wenig auf die Suche gemacht, wenig überaschend war die Red Saunders Foundation Webpage sehr hilfreich, dort gibt es folgende Biografie von Young und auch ein Foto
David A. Young was born on January 14, 1912 in Nashville, Tennessee. His family moved to Chicago when he was a boy; he was a member of the Chicago Defender Newsboy Band under the direction of Major N. Clark-Smith. He began working professionally in 1932. Among the bands he played in were Frankie „Half Pint“ Jaxon’s, with which he made his first recordings (1933), and Carroll Dickerson’s (1936). From 1936 to 1938 he was a member of Roy Eldridge’s combo, moving on to the big bands of Fletcher Henderson (1938-1939) and Horace Henderson (1939-1940). Subsequently he worked with Walter Fuller, returned to Eldridge for a time, and recorded in 1942 with Lucky Millinder and Sammy Price. During the first half of 1942 he also spent some time in King Kolax’s band. In 1943 he got a significant gig as a leader, taking charge of the off-night band at the Rhumboogie Café on August 2 (the contract was filed on August 19). His contract was renewed on October 21. In November, however, he went back on the road with King Kolax, while Charles Stewart took over the Monday night slot at the Rhumboogie (contract filed November 18).
Young served in the Navy in 1944 and 1945; on returning to Chicago he vowed never to go on the road again (not even to Gary, Indiana, or so he told Charles Walton). He found work as a leader at the Entertainers Cafe (indefinite contract filed on March 21, 1946; another indefinite contract for 4 days a week followed on April 18) before landing the Ritz Lounge gig; in an interview with Dempsey Travis, Young also mentioned working at the Cabin in the Sky during that period. He may have appeared on a January 1946 session backing Dinah Washington under Gus Chappelle’s direction; the personnel is still not known with certainty. Young was definitely on two sessions that trumpeter and singer Bill Martin did with a studio band for Hy-Tone; these were recorded around May and September of 1946.
[..]
Dave Young continued in the music business for another four years, but as a Swing saxophonist who neither made the transition to bebop nor adopted the honk, he must have found the changing musical environment less and less congenial. His gig at the Ritz ended in January 1949 (the last Defender ad mentioning his band ran on January 15); his sextet gave way to a quintet led by King Kolax. According to Young’s interview with Charles Walton […, s. den Link unten]), by 1950 he was working primarily in the strip joints of Calumet City. Young made a couple of appearances on Al Benson’s TV show (which ran from April through July 1950; see our Sax Mallard page for details), but quit after Benson got into a fistfight with Stuff Smith. In November 1951 Young became an advertising salesman for the Chicago Defender; he was promoted to assistant advertising manager in February 1970, and retired from his job with the newspaper in May 1990. Dave Young died in Chicago on December 25, 1992. (He should not be confused with a much younger musician who played trumpet in Sun Ra’s Arkestra in 1955 and 1956, and is said to have left music to become a car salesman.)[und genauso wenig mit dem Tenorsaxophonisten, der bei George Russell spielte, mit dem Bassisten von Element of Crime, einem Bassisten der zB bei Oscar Peterson zu hören ist und ziemlich vielen anderen Leuten ]
Young ist rechts im Bild, neben Pee Wee Jackson (Trompete) und Goon Gardner (Altsaxophon).
Hier hab ich alle Aufnahmen mit Soli von Young gesammelt, die ich finden konnte… Bei den Henderson und Millinder Stücken findet man in der einschlägigen Literatur Unklarheit, ob Young der Solist ist. (Ich persönlich tendier zu Henderson nein, Millinder vielleicht schon). Das zweite Stück von Roy Eldridge hab ich nur dringelassen, weil ich das erste Altsaxophonsolo so toll fand, Young spielt nur im Ensemble. Das Solo ist von Scoops Carey, auch einem Chicagoer… Ob das jetzt Wurzeln des Modern Jazz sind, sei mal dahingestellt, jedenfalls find ich es für 1937 ein absolut bemerkenswertes Solo… Ob Young jetzt den Chicago Sound vorwegnimmt – ich weiß es nicht, aber dass er ein prima Tenorsaxophonist war, das kann man schon hören… (Dass Von Freeman ein bißchen bescheiden ist, kann ja eigentlich keinen überraschen.) Das erste Stück ist von 1933, da ist er offensichtlich noch ein bißchen zickig, sein Stil noch nicht ganz ausgereift… Die als Sammy Price Aufnahmen deklarierten Stücke sind ursprünglich unter dem Namen der Sängerin Mabel Robinson erschienen… das Millinder Stück (Little John Special) ist vor allem deshalb bekannt, weil es eines der ersten „wichtigen“ Soli von Dizzy Gillespie enthält…
Das tolle Von Freeman Interview, aus dem ich oben zitiert hab, findet man hier. Und diesen Aufsatz von John Litweiler über “Tenor Madness: Chicago Style“ kann ich sehr empfehlen…
So… Nachtrag zum Joe Daley Post, hier findet man noch einiges mehr über ihn. Wenn man auf der Seite rechts auf „Bronzeville“ klickt geht es weiter zu Charles Waltons langem Interview mit Dave Young…
Ein Foto von Joe Daley gibt es dort auch…
(Wie man den Links schon entnehmen kann, hat das Jazz Institute of Chicago mittlerweile eine neue Webpage, auf die sie nur einen Bruchteil ihrer alten Artikel mitgenommen haben…)
Und eine letzte Randbemerkung, kommt in der Young Biografie oben ja schon ein bißchen raus – die Macht dieser Musikergewerkschaften in der damaligen Zeit war mir lange nicht bewusst… wenn man sich zum Beispiel den Abschnitt über den legendären Schlagzeuger Ike Day („A word seems called for about Ike Day…“) auf der oben verlinkten Red Saunders Foundation Seite durchliest, kann man sich eigentlich zunächst mal ziemlich wundern, wie autoritär das alle offenbar ablief, etwa
Assistant Cohn informed the Board that Mr. Hughes had called at his office and complained about Jesse Miller walking off the bandstand while a show was in progress because of an argument with one of the performers. In addition to this, Mr. Hughes complained of Ike Day getting drunk and other members reporting for work late.
Member Miller admitted walking off the stand because he was angry, but stated that he realized he did wrong. He explained that there was no set routine for the show and no music. He stated that Ike Day did get drunk and that he had no show experience, which was the root of all the trouble that they were having.[….] informed him that Ike Day and Kermit Scott had been unruly all evening. The musicians were outside as well as some of the entertainers. Atkinson, who was in charge of the orchestra during Miller’s illness, apparently had no control over Day and Scott, and could not make them play. When he talked to Day, he replied in vulgar and profane language that he didn’t care anything about him or Local 208 [die Gewerkschaft]. Scott was drunk and replied in a like manner
(kann man so bruchstückhaft nicht richtig verstehen, but you get the idea… dass es eine Institution gibt, wo man anruft, wenn Musiker besoffen oder mit dreckigen Klamotten auf der Arbeit erscheinen…)
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.______DUETS 2001
Robert Barry and Fred AndersonA1. Bouncing A2. Speed Way A3. We
B1. Taps B2. Off Blue B3. Dark DayFred Anderson tenor saxophone / Robert Barry drums
Recorded on 5/22/99 at the Empty Bottle, Chicago
Thrill Jockey
Wahrscheinlich werden einige Leute vermuten können, wie es zu diesem Thread gekommen ist. Dabei spielte die Nennung von Fred Anderson’s Namen eine wesentliche Rolle. Sein Name ist an diversen Stellen im Forum zu lesen und einige Forumianer schätzen seine Musik außerordentlich. [Nebenbei bin ich etwas verwundert, daß er noch nicht in Roots gespielt wurde.]. Daß der Mann als Person höchst interessant ist, kann man durch das Lesen diverser Interviews leicht herausfinden. Besonders hervorzuheben ist sicherlich sein langjähriges Management der Velvet Lounge, die schon viele Jahre existiert. Anderson’s Konzept der Velvet Lounge scheint überhaupt gut zu funktionieren und hat sicherlich auch mit dem tollen Nachwuchs, der Medienpräsenz vor Ort, dem Support der Nachbarschaft und den (vielen) großartigen Musiker_innen zu tun. Eine ganze Menge Erfahrung von Anderson spielt auch eine Rolle. Mit Hilfe der Interviews kann man sich ein besseres Bild von der Person Fred Anderson machen. Was noch wichtig ist: Viele der älteren Musiker aus Chicago haben ein hervorragendes historisches Gedächtnis und ein Bewußtsein für Traditionen, zudem reichen sie ihr Wissen gerne an eine jüngere Generation weiter. Das scheint auch innerhalb der AACM ein ganz natürlicher Verlauf der Dinge zu sein, der sich über Jahrzehnte entwickelt hat.
[Die Anfänge dieser Entwicklung kann man bis weit in die 40er Jahre zurückverfolgen. George Lewis beschreibt diese Zeit auch in seinem Buch] Fred Anderson ist in diesen Dingen schon lange weit vorne und wahrscheinlich wird sein gesamtes, sowie kreatives Engagement stark unterschätzt.
Anderson Zitat:
“I don’t look at [my role] as being a club owner,” Anderson attests. „My main thing is thinking about the music, and making sure the musicians are happy and enjoy playing. If they enjoy playing, they can make the people come in and enjoy them. I’m running this as a musician and a person who loves music. I just sit back and let ‚em do what they do, and treat ‚em with respect. They know they can be here and play and express themselves. They don’t have to worry about somebody telling them how to play. This is the freedom that people have here. We come here, we don’t judge. This is what this place is for.”Bescheidene und einfache Worte, hinter denen wirklich viel mehr steckt, von einem Mann, der es jedoch genauso gemeint hat. Als Beispiel würde ich auf die exzellente Zusammenarbeit mit Matana Roberts verweisen – parallel zu seiner eigenen Kunst finden diverse Entwicklungen beim Nachwuchs statt, der ihm vermutlich immens wichtig ist. Einiges hat damit zu tun, daß Anderson ein Gründungsmitglied der AACM ist. Fred Anderson wird im Forum noch fast als Geheimtipp gehandelt, während andere Künstler (2009) immer etwas mehr Beachtung bekommen haben, wurde hier bisher noch nichts in größerer Form über seine Musik oder sein Schaffen geschrieben – vielleicht könnte dies eine Art Anfang werden.
Zuerst wollte ich eigentlich nur mal nachhaken, was an Musik aus Chicago aus den letzten Jahren noch auf Vinyl zu bekommen ist. Das Angebot ist leider klein, aber ich bin auf „Duets 2001″ von Fred Anderson & Robert Barry und „The Chicago Project“ gestoßen, die mir vorher schon von redbeansandrice empfohlen wurde. „Duets 2001″ war für mich attraktiv, weil ich mir einen Kurzfilm mit Anderson und dem Drummer Tim Daisy angesehen habe – unheimlich faszinierend was beide dort machen. Den Kurzfilm habe ich durchaus als bewegend empfunden, allerdings hatte ich vorweg noch gar nicht Musik von ihm gehört und war deshalb etwas skeptisch.
Beim Anhören dieser Aufnahmen fühlte ich mich dann automatisch an die „Freedom Suite“ von Sonny Rollins erinnert, weil der Sound vom Schlagzeug für mich anfangs irgendwie ähnlich klang. Robert Barry macht aber sein eigenes Ding, wobei Max Roach ganz sicherlich einen großen Einfluß auf Robert Barry hatte. Robert Barry ist ein Chicagoer Musiker aus dem unmittelbaren Umfeld von Sun Ra und hat mit ihm seit den 50er Jahren öfters aufgenommen. R. Barry u. Sun Ra hatten eigentlich mit der AACM eher wenig zu tun, obwohl Sun Ra wiederum massiv die AACM beeinflußt hat, was im Interview mit Fred Anderson auf der Innenhülle schön nachzulesen ist. Barry scheint ansonsten eher ein „klassischer“ Drummer zu sein, dem ein kleineres Schlagzeug völlig ausreicht, der gar keine weiteren Percussion Instrumente benötigt, oder haben will. Ein idealer Partner für Anderson, weil beide sich gut kennen und es eine Vorgeschichte gibt.
Josh Abrams im Interview mit Robert Barry
Das musikalische Niveau ist hier extrem hoch, denn beiden Musikern fällt es leicht gewisse Stimmungen zu erzeugen und natürlich reagieren sie aufeinander; dazu handelt es sich noch um eine Liveaufnahme mit kaum hörbarem Publikum, wodurch die Intimität bzw. Intensität noch verstärkt wird. Die Intensität dieser Aufnahme, die sehr entspannt wirkt, summiert sich aus Leidenschaft, Spielfreude, Wärme und Soul.
Das Spiel von Fred Anderson (LP „Duets 2001″) läßt sich leider nicht so einfach analysieren, weil da einfach vieles zusammen kommt. Er spielt zwar keine überflüssigen Noten, läßt sich aber ab und zu vom Rhythmus souverän treiben und kann, das ist abhängig von den Kompositionen, auch druckvoll und schnell spielen. Komposition, Improvisation, Ausdruck und Stimmungen scheinen Anderson gleich wichtig zu sein, jedoch geht das bei ihm stark ineinander über, was schon mit der Vorstellung des Themas beginnen kann. Auf der 2. Seite (Taps, Dark Day) spielt er sogar um einiges sanfter, ohne daß dadurch ein harter Stilbruch entstehen würde. Sicherlich gibt es viel Blues (der Verbindungsaufbau zum Publikum) in der Musik von Anderson, der Gene Ammons für seinen Sound u. das entsprechende Feeling verehrt, nur spielt Anderson Blues natürlich auf eine ganz eigene Art.
Fred Anderson on Gene Ammons:
„He always played these notes, that was….. it was some simple stuff, but it was….the way he would do it, you know, was very incredible, you know. Especially on the blues. I never heard anybody play the blues like Gene Ammons.“Fred Anderson scheint sich außerdem mit Eric Dolphy beschäftigt zu haben, vermute ich. Fred Anderson spielt zwar ausschließlich Tenor, wurde aber auch von Altsaxophonisten beeinflußt (Charlie Parker u. Ornette Coleman sind ihm wichtig), was man am ehesten an seinem Drive/Timing/Feeling (Aufbau) bemerkt. Von Eric Dolphy gibt es jedenfalls ausreichend gute Hörbeispiele in ähnlichen Livesituationen (z.B. Laura).
http://www.jazzinchicago.org/educates/journal/interviews/conversation-fred-anderson
http://www.jazzweekly.com/interviews/fanderson2.htm--
nochmal ein kurzer Post, bevor es wieder richtig losgeht… manchmal geht es nicht anders, da muss man Musik vorstellen, die es nur als mp3 download gibt ist aber bei der Klangqualität der Aufnahmen vielleicht verschmerzbar…
The Ronnie Singer Tape
es gibt, grad in diesen regionalen Jazzszenen wie Chicago, immer wieder Künstler, die von ihren Mitmusikern aufs höchste gelobt werden, von denen aber fast keine Spuren erhalten sind… Andrew Hill hat betont, seine drei größten Einflüsse seien Charlie Parker, Thelonious Monk und Ike Day gewesen, von Day sind wohl mehr Aktenvermerke als Aufnahmen erhalten (s. das Ende des Dave Young Posts)… Charles Davis hat kürzlich als einen seiner drei wesentlichen Einflüsse den ziemlich obskuren Chicagoer Saxophonisten Swing Lee O’Neil herausgestrichen, einen frühen Sideman von Sun Ra, dessen wenige Aufnahmen wohl nur mit größter Mühe zu finden sein dürften… und dann gibt es Ronnie Singer, einen Gitarristen, der von den wenigen, die ihn Ende der vierziger Jahre in Chicago oder Anfang der fünfziger Jahre in New York gehört haben, immer wieder in höchsten Tönen gelobt wurde. Singer (ca 1927 – ca 1951), war im Chicago der vierziger Jahre ein Weggefährte von Jimmy Raney und Jimmy Gourley. Gourley hat immer wieder betont wie stark sie sich gegenseitig beeinflusst haben, und welche Vorreiterrolle Singer dabei hatte… In Ira Gitlers Swing to Bop sind eine Reihe weitere Lobeshymnen auf Singer abgedruckt, Lee Konitz, Lou Levy, auch beide mit Wurzeln in Chicago und der Kritiker Dan Morgenstern beschwören Singers verlorenes Potential, ich zitier mal nur Gitler selbst, „He had a spirit, a sound that reminded me of Charlie Christian, that kind of raw sound and power.“
Bis vor kurzem endete die Geschichte damit, dass Singer seinen Kopf Anfang der fünfziger Jahre zu lange in ein Ofenrohr gesteckt hatte (absichtlich) und der Nachwelt keine Aufnahmen hinterlassen hatte, auf denen man etwas von seinem Talent hätte hören können (auch keine anderen Aufnahmen, ein Foto war bisher auch nicht zu finden, für mich jedenfalls…). Seit einigen Tagen kann man sich nun die Inhalte eines Tapes, das in den fünfziger Jahren mit Gourley nach Frankreich ausgewandert war, anhören und herunterladen. Vorhin erst habe ich den „Flair“ von Tony Fruscellas Open Door Aufnahmen gelobt. Hier ist diese besondere Stimmung des New York der frühen fünfziger Jahre vielleicht noch deutlicher zu spüren; die Jazzwelt blickte an die Westküste, Billie Holiday, Lester Young, Charlie Parker waren scheinbar nur noch Schatten ihrer selbst, aber sie sollten noch für Jahre durch die Stadt schleichen und immer wieder punktuell zu ihrer alten Größe zurückfinden… irgendwie so, Robert Reisner’s „Bird: The Legend of Charlie Parker“ beschreibt eindrucksvoll diese Szene rund um das Open Door, auch Singer wird irgendwo kurz erwähnt (das Open Door selbst hat er aber, glaub ich, nicht mehr erlebt). Es gibt so eine Konvention, weiße Musiker aus Singers Altersgruppe dem Cool Jazz zuzuordnen, Jimmy Raney hat sich öfters dagegen gewehrt und betont, dass er sich selbst als Bop Musiker sieht; soweit ich das hören kann, allein schon von dem enormen Biss her, mit dem er spielt, bin ich geneigt, auch Ronnie Singer eher im Bebop als im Cool Jazz anzusiedeln…(mehr noch als Raney, die Frage, was Cool Jazz eigentlich ist, ist allerdings eine schwierige, insofern ist das vergleichsweise schwer wasserdicht zu machen…). Die Band auf dem zwanzigminütigen Tape ist ein Quintet, Rhythmusgruppe mit Klavier, Bass, Schlagzeug, ein Trompeter und Singer. Leider sind alle drei Stücke stark editiert, die Mitschnitte von Tea for Two und Donna Lee beschränken sich weitestgehend auf Singers Solo, nur auf Shine, dem Herzstück des Tapes, ist das Thema zu hören dort sind auch vor und nach Singers Solo zwei kurze Trompetensoli (teilweise) übriggegblieben. Der größte Teil von Shine besteht aus Fours, also einem Frage- und Antwort-Spiel zwischen Singer und dem (nicht identifizierten) Trompeter. Der Trompeter spielt in einem interessanten Stil, der Swing- und Bop-Elemente verbindet, für meine Begriffe wiederholt er sich ein bißchen. Das führt einem aber umso eindrucksvoller den grandiosen melodischen Erfindungsreichtum von Singer vor Augen, und eine Zielstrebigkeit, die nicht so recht zu seinem tragischen Ende passen will… „that kind of raw sound and power“ trifft es schon ziemlich gut.
Bleibt zu sagen, schade dass es nicht mehr gibt, schade, dass es Singer nicht besser ergangen ist, hier geht es zu den Aufnahmen.
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.Mike Reed
Hier geht es weiter mit dem Drummer, Komponisten und Bandleader Mike Reed, der bei redbeansandrice (muchas gracias) und mir schon für einige inoffizielle Begeisterung gesorgt hat. Ein weiterer engagierter Musiker aus Chicago, obwohl 1974 in Bielefeld geboren, ist Reed schon seit ein paar Jahren in Chicago für vielseitige Impulse zuständig, die er vermitteln kann und dem Chicagoland sehr am Herzen liegt.
Reed: „When I moved back to Chicago after college I really just wanted to play like Philly Joe Jones. I still try to do that, although musically my path has gone quite different.”
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Hinter Mike Reed’s Projekten befindet sich meist auch ein Anliegen, aber vor allem geht es ihm um kreative (musikalische) Aspekte, wobei er historische und kulturelle miteinbezieht. Mike Reed’s Ensemble „People, Places & Things“ liegt z.B. eine ganze Menge Researcharbeit zu Grunde, mit einigen Parallelen zu unseren bisherigen Erkundigungen. Der Name des Ensembles deutet es eigentlich schon an: Es geht auch um die Zeit und die Musik, die einige Jahre vor der Entstehung der AACM gespielt wurde. P,P&T ist auch eine Hommage an die größtenteils vergessenen Musiker (John Jenkins, Wilbur Campbell, Walter Perkins, Wilbur Ware, MJT+3, John Neely u.a.) dieser Ära (1954-1960). Mike Reed selber gibt auf seiner Seite etwas Auskunft über seine eigenen Nachforschungen. (Unter media können da noch viele Aufnahmen angehört werden.)
Kompositionsbeispiele
„People“: For Frank Strozier, Nicky Hill and King Fleming
„Places“: For The Pershing Hotel and Sutherland Lounge
„Things“: For Jodie Christian, John Young and Willie JonesReed: „It’s so untalked about (1954-1960). It’s so important to the developements that happened after.“
Reed über das Album Proliferation: „We tried to reinvent the music we were covering. In order for it to be as current as it was back then, we had to find ways to incorporate styles and influences of improvising that pertain to us.“
Er hat schon ein paar nicht so einfache Konzepte entwickelt, die erstmal unterschiedlich sind, jedoch gut abgestimmt in der Umsetzung auf der Bühne sowie als Aufnahme funktionieren. Mike Reed scheint jedenfalls mit 482Music das passende Label zu haben, auf dem er eigene Projekte verwirklichen kann.
Julian Priester, Art Hoyle, Ira Sullivan, Tomeka Reid, Josh Abrams, Nicole Mitchell, Jeff Parker und Jason Adasiewicz sind nur ein paar der Musiker, die Reed für 2 verschiedene Ensembles gewinnen konnte und mit denen er schon aufgenommen hat. David Boykin sollte ich noch erwähnen.
Reed über J. Priester, Hoyle u. Sullivan: „I want to put these guys in a new context,“ Reed says, „to show that they’re still viable, exciting players trying to do new things.“
Reed: „Since there’s no piano player, if one of the horn players is soloing, the other one acts as the piano player and comps behind him. If the guy who’s comping gets excited, he can take it, and they’ll switch back and forth like that. I always hate it when a horn player takes a solo and then he steps aside. And this way, people have to be engaged all the time.“
Mike Reed’s People, Places & Things feat. Art Hoyle, Julian Priester & Ari Brown
Tour: 27.04.2010, 20:30
Stadtgarten, Musik Triennale KölnUm nicht weiter zu verwirren, würde ich zum erstmaligen Hören das feine Loose Assembly empfehlen, welches stark von der Kombination Cello/Vibes/Alto Sax profitiert: Last Year’s Ghost (482 Music)
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Höre grad das Konzert, das Reed mit „People, Places & Things“ letzten Sommer in Sant’Anna Arresi in Sardinien gab. Sehr schön! Danke für den Hinweis!
Allerdings ist das ziemliche Retro-Musik, nicht? Ich hätte jetzt irgendwie etwas ein klein weniger abenteuerliches erwartet, zum Beispiel im Sinne von Von Freeman, dessen Musik an der Oberfläche oft auch sehr nach Mainstream klingt (der allerdings damals schon dabei war, von Retro kann da also keine Rede sein), jedoch beim genaueren Hinhören äusserst facettenreich und faszinierend wird. Greg Ward und Tim Haldeman klingen da im Vergleich ziemlich brav – wenn auch solide und gut!--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbain Sachen Retro… da ich das Konzert (noch) nicht gehört hab, tu ich jetzt mal so, als hättest du dich auf das erste People, Places and Things Album Proliferation bezogen, das mir am präsentesten ist… hier also ein plädoyer für
Mike Reed’s People Places and Things – Proliferation
482 Music, 2008
Tim Haldeman (tenor sax, percussion, piano), Mike Reed (drums, piano), Jason Roebke (bass, percussion, piano), Greg Ward (alto saxophone, percussion, piano)Aus meiner Sicht greift der Retro-Vorwurf nur dann, wenn ein Album auch schon in irgendeinem früheren Jahrzehnt hätte erscheinen können, und so richtig schlimm nur dann, wenn es genau solche Alben damals auch wirklich gegeben hat… Selbst wenn ich ganz fest an Pithecatropus Erectus von Mingus denke, kann ich das bei Proliferation nicht hören. Klar, der Bezugspunkt liegt – wie sie selbst sagen – in Chicago 1954-1960… aber die Musik hört sich für mich nicht an, als käme sie aus dieser Zeit… mal ganz vordergründig, die Saxophonisten, halten ihre Ayler Einflüsse dezent (es gibt sie – etwa Teile der Tenorbegleitung im Altsaxophonsolo bei Sleepy…), aber schon die Tatsache, dass die meisten Soli der beiden Saxophonisten parallel stattfinden hebt die Musik ein gutes Stück vom Hard Bop Mainstream ab… Ist wohl auch das Konzept, siehe das Zitat, das Thelonica oben schon gegeben hat: „Since there’s no piano player, if one of the horn players is soloing, the other one acts as the piano player and comps behind him. If the guy who’s comping gets excited, he can take it, and they’ll switch back and forth like that. I always hate it when a horn player takes a solo and then he steps aside. And this way, people have to be engaged all the time.“
Jetzt kann man sagen, der Hard Bop ist doch uralt – aber das ist der Free Jazz letztlich auch, fünfziger oder sechziger Jahre, das macht nicht mehr so viel aus, find ich…, neues zum Free Jazz beizutragen ist nicht weniger retro als neues zum Hard Bop beizutragen. Irgendwie hab ich das Gefühl es geht hier darum, sich eine neue Nische im progressiven Hard Bop zu erspielen, ähnlich den Nischen, die sich Jackie McLean, Andrew Hill, John Patton damals mit ihren progressiveren Blue Note Alben erspielt haben… Eine ähnliche Agenda könnte man auch anderen Alben aus dem Umfeld der „New Austin High School Gang“ zu der Haldeman gehört unterstellen, Jason Ajemian’s sehr schönem The Art of Dying etwa. Den Chicagoer Hard Bop als Grundlage hierfür zu nehmen, mit seiner Saxophonseligkeit, seinen Dissonanzen, den bluesigen und doch raffinierten Themen, seiner vergleichsweise großen „street credibility“, die sich in Leuten wie Von Freeman oder Fred Anderson durch die Jahrzehnte gerettet hat… das sieht mir wie eine sehr gute Idee aus… klar, solche Alben hätte es vielleicht in den sechziger Jahren geben können – aber de facto hat es sie soweit ich weiß nicht gegeben… wie du (ich leg es dir halb in den Mund) richtig sagst, steht dieser Behauptung im wesentlichen das Werk von Von Freeman entgegen, das hier auf jeden Fall noch den einen oder anderen Post verdient hat… Die Art wie hier mit Saxophonklangfarben, Intonation gearbeitet wird, grad auch von Haldeman, erinnert sicherlich an Von Freeman… aber soweit ich das Überblicke hat Freeman nie in so einem Kontext gearbeitet, mit mehreren verwobenen Saxophonstimmen, Wechseln zwischen arrangierten und improvisierten Passagen… ich find das hier ist sehr schöne Musik und sie hat definitiv ihren Platz verdient… Eine Aufforderung an alle, mal die Version von Sleepy auf Proliferation kritisch gegen das Original zu hören… Das Original war das Signature Stück der MJT+3 (siehe Frank Strozier Post), es ist eine bemerkenswert komplexe, abstrakte Komposition – jedenfalls gemessen daran, dass es quasi ein Konkurrenzbeitrag zu Sachen wie Dis Here von Cannonball Adderley war… das Altsaxophonsolo von Frank Strozier ist wunderbar bluesig mit kleinen Raffinessen, die anderen Soli fallen vielleicht ein bißchen ab… die Mike Reed Version spielt für meine Begriffe vielleicht zunächst mal ein bißchen viel von der Eleganz zu Gunsten von erhöhter Bluesigkeit kaputt… aber das ist mehr eine subtile Frage der Leichtfüßig-Schwerfüßig-Balance, die in dem Stück eine große Rolle spielt… das hier ist insgesamt schwerfüßiger, Reeds Schlagzeug illustriert und (vor allem) betont viel mehr, als dass es einen stetigen Puls gibt, das Duett der Saxophone braucht eine Weile bis es mich erreicht, aber wenn es erstmal da ist, ist es mächtig überzeugend, eine viel unmittelbarere Bluesigkeit als im Original, und der Mut zur Hässlichkeit, der mir im Hard Bop jenseits von Mingus und Freeman viel zu oft fehlt… für meine Begriffe ist noch Platz in der Welt für diese Musik…
Streams des Albums gibt es (mit kleinen Lücken) auf Reeds Homepage und (komplett) bei lastfm. Das Original von Sleepy kann man hier hören.
Auf der oben schon verlinkten Labelseite von 482 music kann man noch einiges mehr erfahren, überhaupt ein tolles Label, wenn man sich für den Jazz aus Chicago interessiert…
Mittlerweile gibt es noch zwei weitere Alben von People Places and Things, About Us und (noch nicht erschienen aber auf Reeds Homepage schon zu hören) Stories & Negotiations. Auf letzterem wird die Band hochkarätig erweitert um Ira Sullivan, Art Hoyle, Julian Priester und Jeb Bishop. Wie Thelonica oben schon angekündigt hat, ist die Band im April in Europa (leider mit Ari Brown statt Sullivan…)
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.Wir haben ein paar mal kurz Henry Threadgill erwähnt… ich bin nicht in der Lage, viel schlaues über ihn zu posten, habe erst kürzlich seine pi-CDs und das BlackSaint/SoulNote Box-Set gekauft und noch nicht richtig mit hören angefangen… wollte euch nur darauf hinweisen, dass es hier eine kleine Aktion von pi-Titeln gibt (weiss allerdings nicht, ob’s noch billigere Möglichkeite gäbe, z.B. direkt beim Label).
Diese pi-CDs sind weder im SoulNote Set noch im geplanten Mosaic Set.
Zudem gibt’s drei Threadgills bei About Time Records (von denen ich bisher nur die zwei habe, die auch auf CD greifbar sind – beide sind super!).--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaaus Jazz Review Vol. 2, No. 9, Oct. 1959
CHICAGO SCENE by
Bob KoesterThe active jazz clubs include the Blue Note, the London House and the Sutherland Hotel Lounge, all presenting touring groups, and the C&C Lounge with the NORMAN SIMMONS septet, the Bambu with AL BELLETO, the French Poodle with the JOHN YOUNG t r i o , and the Avenue Lounge with the WALTER PERKINS MJT+3.
Joe Segal holds off-night sessions on Sunday evenings at the French Poodle, on Mondays at the Gate of Horn, and Tuesdays at the Sutherland Hotel, and among the regulars are trumpeter IRA SULLIVAN, tenorist JOHNNY GRIFFIN, and the SUN RA Arkestra (sic) ; the Jodie Christian trio, Richard Evans trio , Chris Anderson and other Chicago musicians frequently appear. Visiting musicians Sonny Stitt, Rolf Erickson, Lee Morgan, Les Spann, Philly Joe and Elvin Jones, Junior Mance and Tommy Flannigan all sat in during recent weeks.
Traditional and revivalist groups based in around Chicago include the Franz Jackson band and LIL ARMSTRONG’S quartet at the Red Arrow, the Charleston Chasers at the Lincoln Lounge in Joliet. Little Brother Montgomery is also working, with a quartet, in Joliet.
Clarinetist ALBERT NICHOLAS recorded two lps for Delmar, one with a septet including FLOYD O’BRIEN, and the other with the ART HODES trio. Argo has signed the RICHARD EVANS trio. Veejay, moving into the jazz field, signed ART BLAKEY, and tenor player WAYNE SHORTER under a separate contract, and recently recorded Walter Perkins with his MJT+3. Tempus recorded another Dave Remington lp, and Albert Nicholas recorded another side for Audiophile with a group including trumpeter Doc Evans.Da war schon verdammt viel spannendes am Kochen!
MJT+3 muss ich bald mal wiederhören – Strozier vor allem, aber auch Mabern (von dem hab ich die beiden Fantasy Twofers – aber das wär ja dann mehr für den Memphis-Thread…), aber eben auch der wunderbare Walter Perkins.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDanke fürs finden! niedlich das „sic“ hinter Arkestra… das war die Zeit als „Delmark“ noch „Delmar“ hieß…
hier ist mal die Besetzung des 1963er Charlie Parker Memorial Concerts, Joe Segals Serie, ist wirklich schade, dass nur von einem (?) Aufnahmen erhältlich sind, das hier war garantiert der Wahnsinn:
Gene Shaw Quintet: Shaw, trumpet; John Tinsey, tenor saxophone; Jim Taylor, piano; Sidney Robinson, bass; Denny Cook, drums.
Joe Daley Trio: Daley, tenor saxophone; Russell Thorne, bass; Hal Russell, drums.
Dodo Marmarosa Trio: Marmarosa, piano; Thorne; Russell.
Roland Kirk Quartet: Kirk, tenor saxophone, strich, manzello, flute; Richard Abrams, piano; Robinson; Gerald Donovan, drums.
tolle Szene, nochmal Danke an Thelonica, dass er meine Augen mal etwas konzentrierter in diese Richtung gelenkt hat…!
jetzt am Dienstag ist im übrigen Mike Reed im Stadgarten in Köln, zwei Konzerte, mittags für umsonst in der Quartett-Besetzung der ersten beiden Alben [werd hier wohl nicht wegkommen, grrr], abends dann mit der erweiterten Band… wird auch im WDR ausgestrahlt (samstag?)
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.Ein sehr spannender Post von Lazaro Vega (der für Blue Lake Public Radio arbeitet), den ich hier fand:
There came a time where the notion of ‚the tradition‘ changed. And I remember it well, the day it dawned on me that something wasn’t the same any more. I was working at WKAR radio in East Lansing as a board operator (student job) around 1980, and Ken Beechler, the head honcho for cultural programming at the Wharton Center, and long before that the primary, go-to cultural programmer of performing arts at MSU, who knew I loved jazz, took a long pull on his cigarette, looked me in the eye and said, „So you support the „tradition“ of jazz.“ The way he said it, obviously after having gotten wind of something in the air, was not what Arthur Blythe, or Bluiett, or the World Saxophone Quartet, or Muhal, or the Art Ensemble meant when they said the same thing. There was the ’spirit‘ of tradition, sanctified in recordings, and then there was this new thing, as it turns out, the codification of tradition for polemic reasons.
I don’t think the Chicago guys bought that. Von’s example of the tradition was one incorporating Bird, Ammons AND Sun Ra, so it was mutable, not in the fickle sense, but just that is wasn’t over yet.
And the Chicagoans were living the echoes of their own revolutions in jazz, the 1920’s and the 1960’s, with the great consolidations of the swing era were a central part of the city. To say noting of the blues.
So in a sense the mathematical implications of Trane’s music were heard and felt in Chicago, it’s just that they resulted in Anthony Braxton.
Bebop was more of a New York based „movement,“ while Chicago wasn’t as likely to get bogged down in harmonic labyrinths that bop eventually led to (which „caused“ the whole hard bop reaction, etc.). Maybe it’s the same with ‚Trane: there are so many implications to ‚Trane’s ENTIRE output, why get stuck in a perpetual search for the tonic?
It’s almost as if the New York guys you’re talking about are like the West Coast guys of the 1950’s: that bop was something to revere and tinker with.
Es geht dort noch weiter um Chicago (u.a. Joe Farrell, Wilbur Campbell etc), auch wenn das dort off-topic ist (darum erwähn ich’s auch hier, sonst finden wir’s nie wieder :lol: )
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbasehr schöner Fund!
das Interview mit Art Hoyle und Julian Priester, das vor dem Reed Konzert in Köln stattfand war auch sehr interessant in Sachen acceptance von Experimenten auf der Chicagoer Szene… beide waren sich einig, dass diese Akzeptanz vor allem Sun Ra in die Schuhe zu schieben ist, der ja damals die Hausband in Chicagos größtem Nachtklub leitete (dem Club deLisa)… hoffe die Interviews finden ihren Weg ins Internet, gab ja noch bei zwei weiteren Konzerten welche, und die waren echt interessant…
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.redbeansandricesehr schöner Fund!
das Interview mit Art Hoyle und Julian Priester, das vor dem Reed Konzert in Köln stattfand war auch sehr interessant in Sachen acceptance von Experimenten auf der Chicagoer Szene… beide waren sich einig, dass diese Akzeptanz vor allem Sun Ra in die Schuhe zu schieben ist, der ja damals die Hausband in Chicagos größtem Nachtklub leitete (dem Club deLisa)… hoffe die Interviews finden ihren Weg ins Internet, gab ja noch bei zwei weiteren Konzerten welche, und die waren echt interessant…
Ich werd mir Mühe geben, so es der Taper denn erlaubt (sonst halt unter uns, per PN )
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http://www.chicagotribune.com/entertainment/chi-100618-fred-anderson-dead,0,1363912.column
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Schlagwörter: AACM, Avantgarde, Fred Anderson, Free Jazz, Johnny Griffin, Kahil El'Zabar, Matana Roberts, Sonny Stitt, Von Freeman, Wilbur Ware
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