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Carlos Wesley „Don“ Byas (12. Oktober 1912, Muskogee, Oklahoma – 24. August 1972, Amsterdam)
„I don’t play saxophone,“ Don Byas used to say, „I play the sexophone,“ stressing the first syllable in his emphatic way. And he was right. The sound he got from the horn was one of the most beautiful, sensuous, voluptous sounds in jazz, warm, full, and erotic. Don Byas was one of the giants of the tenor, and of jazz. „There was never anything but tenderness in his playing,“ said Teddy Reig […], „and when he played a ballad, it all came pouring out.“
Byas machte erste Gehversuche auf der Violine, dann auf der Klarinette, spielte klassische Musik. Bis zum Ende der Zwanzigerjahre spielte er dann vor allem Altsaxophon, sein Vorbild war Benny Carter. Früh schon spielte er mit Bands aus der Gegend, etwa mit Benny Moten oder Walter Page. Seine College Band in Oklahoma nannte er „Don Carlos and His Collegiate Ramblers“.
Er zog dann weiter an die Westküste, wechselte aufs Tenor, und von da an ging es schnell: Lionel Hampton, Eddie Barefield, Buck Clayton waren Bandleader, für die er in Los Angeles spielte – Aufnahmen existieren leider nicht, aber die Bands wurden hoch geschätzt. Im Frühling 1937 folgte der Umzug nach New York, wo im Mai 1938 unter Timme Rosenkrantz eine erste Session für Victor entstand (Byas soliert in „Is This to Be My Souvenir“, ich kenne die Nummer nicht).
In New York spielte Byas in den Bands von Don Redman und Lucky Millinder (wieder ohne aufzunehmen), dann ein knappes Jahre mit Andy Kirk (ein paar Takte auf „You Set Me On Fire“ sind das einzige Zeugnis), Edgar Hayes und seinem alten Vorbild Benny Carter. Byas nahm ebenfalls mit Billie Holiday oder Hot Lips Page auf und 1941 tauchte er in den legendären Jam Sessions auf, die im Minton’s stattfanden. Andere beteiligte Musiker waren Thelonious Monk, Charlie Christian und Kenny Clarke.
Den Durchbruch schaffte Byas im gleichen Jahr, im Januar hatte er in der Band von Count Basie den Platz von Lester Young eingenommen (der unmittelbare Nachfolger Pres‘ war Paul Bascomb, der allerdings nur kurz bei Basie blieb). Der entscheidende Moment folgte zehn Monate später mit dem grossartigen Solo, das Byas in „Harvard Blues“ spielte – Dan Morgenstern: „That beautifully structured, perfectly poised opening statement was not to be denied, and there wasn’t a tenor player worth his salt who didn’t soon know it by heart.“
Byas blieb bis im November 1943 bei Basie und die drei darauf folgenden Jahre wurden zu den fruchtbarsten seiner ganzen Karriere. Rhythmisch blieb Byas der Tradition Hawkins‘ verpflichtet, harmonisch entwickelte er sich später sehr viel weiter, griff auch auf Coltranes Vokabular zurück – und ist so ein schönes Beispiel für die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (oder auch die Ungleichzeitgkeit des Gleichzeitigen) im Jazz. Byas war noch vor Dexter Gordon – der wohl als erster die Charakteristika des Bop aufs Tenor übertragen hat – auf der 52nd Street unterwegs. Dexter Gordon wird von Ira Gitler (The Masters of Bebop, p. 208) wie folgt zitiert: „Unquestionably, it was the mot exciting half a block in the world. Everything was going on–music, chicks, connections . . . so many musicians working down there, side by side.“
Don Byas fand sich mittendrin in dieser lebendigen Szene, in der sich viele grosse Stars der Swing-Ära sich einfanden – viele hatten ihre Jobs bei Big Bands verloren oder sich neu orientiert und spielten mittlerweile mit kleinen Combos – und dort auf die jungen Bopper trafen.
„I used to call him ‚Spots‘,“ Reig recalled, „because whatever the situation, if you needed a guy who could play, Don was ready and could fill the spot.“
Byas spielte unter anderem mit Coleman Hawkins, Dizzy Gillespie, Oscar Pettiford, George Wallington, Max Roach und begann als Leader für eine ganze Reihe kleiner Label aufzunehmen: American, National, Jamboree, Super Disc, Hub, Savoy, Comet und Gotham. Mit dem Stück „Laura“ hatte er 1944 einen Hit. Die Komposition von David Raksin war das Titelstück von Otto Premingers gleichnamigem Film.
Byas, who’d been in on the jamming in Harlem that is considered the incubation of bop, could hold his own with the yount Turks, as this story told by Teddy Reig illustrates:
„When Allen Eager was red hot on 52nd Street, Don came into the club where he was playing, and Allen made the mistake of challenging him. When Don got up on the stand, he asked Allen what he wanted to play. ‚Anything you like,‘ was the response, so Don called Cherokee at a nice brisk tempo. Allen played two choruses, and then Don took over. Ater Don had played one, Allen went to the back bar to get a drink, and he didn’t return.“Als Sideman nahm Byas 1944 an der Keynote-Session von Coleman Hawkins‘ Sax Ensemble teil, spielte auch Stücke mit Dizzy Gillespie ein, trat am berühmten Town Hall Concert 1945 im Duo mit Bassist Slam Stewart auf und wurde 1946 von Esquire zum zweitbesten Tenorsaxophonisten gewählt.
As Reig points out, „Don came from the school where you had to know all the tunes, and then learn to play them in the oriental keys. He was a fantastic player – in my opinion, he was teh heir to that Chu Berry running thing (Berry, who died in a car crash at 31 in 1941, was a master at fast, harmonically fluent, big-toned playing, with a locomotive drive). And in those days, he was a headhunter. He and (pianist) Clyde Hart used to walk up and down 7th Avenue looking for action, and whoever was playing anywhere, Don would run them out. He never wanted to go home. He never carried his horn in a soft bag, always in a heavy case, and in the early morning hours, he’d be draggin‘ that box along the ground like a trunk. He’d be loaded by then, but still ready for action . . .“
Byas war in diesen legendären Zeiten einer der ganz grossen Heroen der 52nd Street – aber 1946 verliess er die USA in Richtung Europa, ging auf Tournee mit der Band von Don Redman… und kehrte die nächsten 24 Jahre nicht mehr zurück. Er verbrachte ein Jahr dort, reiste mit Art Blakeys Jazz Messengers nach Japan, konnte immer noch mit den besten mithalten, war aber in der Zwischenzeit längst in Vergessenheit geraten, auch weil nur wenige seiner europäischen Aufnahmen in den USA erschienen waren. Byas lehnte Angebote für Aufnahmen und Konzerte ab, weil ihm die Gagen zu niedrig waren, trat in Newport am Jazz Festival auf, spielte eine Woche im Blues Alley in Washington, ein paar Gigs in Chicago (auch eine TV-Show, die Dan Morgenstern produzierte), sass einige Male als Gast bei der Thad Jones-Mel Lewis Big Band im Village Vanguard rein, das niederländische Fernsehen produzierte eine Dokumentation über Byas‘ Heimkehr… aber dieser starb schliesslich weniger als ein Jahr nach seiner Rückkehr in seine Adoptivheimat, die Niedelande, an Lungenkrebs.
Dan Morgenstern schreibt über Byas‘ Musik:
There are a few great players whose very sound is sufficient to enrapture the ear; Byas is one of them. And with the sound come other, more enticing qualities – perfect time (call it swing, even at the slowest tempo); the ability to make melody his own while retaining the integrity of the piece; a sense of structure (he always builds to a climax), and that all-important essence, good taste. Byas is an unashamed, openly emotional romantic, but he never becomes treacly or sentimental. He makes the instrument and the melody sing.
Byas ging 1946 mit Don Redman nach Europa und nahm weiterhin oft auf, in Frankreich vor allem für die Label Blue Star, Vogue, Swing und Pathé. Bernard Peiffer, Maurice Vander, Jack Diéval oder Martial Solal begleiteten ihn, er traf hie und da auch auf andere Amerikaner wie Billy Taylor, Bill Coleman oder Art Simmons, in den frühen Fünfzigerjahren begegnete er auch Dizzy Gillespie wieder und spielte mit Mary Lou Williams und Beryl Booker Vogue-Sessions ein.
Zwischendurch ging Byas nach Spanien – soweit ich weiss als einer der allerersten amerikanischen Jazzmusiker, der dort mit lokalen Leuten gespielt hat (Aufnahmen entstanden u.a. mit Bernard Hilda und Luis Rovira). Das gehört zwar nicht hierhin, aber 1968 hat er auch mit der portugiesischen Sängerin Amália Rodrigues ein Album eingespielt.Auf dem obigen Bild sehen wir Dizzy (ganz links mit Brille und abgedrehtem Kopf), Byas (thumbs up) und Sarah Vaughan nach einem Konzert, das 1953 in der Pariser Salle Pleyel stattfand. Wenn ich die klitzekleine Bildunterschrift richtig deute, ist der sich vom Photographen wegdrehende Herr zwischen Byas und Vaughan der französische Drummer und Bandleader Gérard „Dave“ Pochonet, der ein paar Jahre später auch mit Lucky Thompson aufgenommen hat.
Einen perfekten Einstieg in Byas‘ Werk bildet wohl die Doppel-LP „Savoy Jam Party“, auf der die kompletten Sessions für das Label Savoy zusammengestellt sind (auf der CD-Version fehlen einige Stücke). Wir hören Byas hier mit seinen Freunden Charlie Shavers und Clyde Hart, als Sideman mit Emmett Berry, in Quartetten mit den Pianisten Teddy Brannon und Sanford Gold, sowie mitten drin – und wohl das Highlight – im Quintett mit dem legendären Trompeter „Little“ Benny Harris und dem Pianisten Jimmy Jones („How High the Moon“ aus der Session war ein kleiner Hit damals).
Aus Frankreich bieten sich wohl – schon der Auffindbarkeit wegen, die „Jazz in Paris“-CDs „Laura“ und „En ce temps-là“ an, zwei Sessions mit Tyree Glenn sind auf der Compilation „Bebop“ (mit je einer Session von Howard McGhee und James Moody, bei letzterem spielt Byas auch wieder mit).
Aus den frühen Jahren in Europa sind zudem Radio-Aufnahmen mit Don Redman („Geneva 1946“ aus der Swiss Radio Days-Reihe) und Duke Ellington („Zürich 1950“) bei TCB erschienen. Neben Gillespie (Blue Star, Barclay, Vogue und Boots von 1952) hat Byas in Frankreich auch mit Roy Eldridge und Nelson Williams (beide Vogue 1951), Johnny Hodges (Vogue 1950) und André Hodeir (Vogue 1949) aufgenommen.Wie man Byas‘ frühe Aufnahmen heutzutage am besten umfassend finden kann, weiss ich leider auch nicht… die Chronological Classics sind alle längst vergriffen, ebenso die (vermutlich sowieso schlecht-klingenden) beiden Boxen von Definitive (eine mit den American, eine mit den European Recordings).
Vom späteren Byas gibt’s viel, aber ich habe keinen Überblick. Schön ist das Bud Powell-Album „A Tribute to Cannonball“ (Columbia 1961), auf dem mit Idrees Sulieman ein weiterer Gefährte von der 52nd Street und den frühen Bop-Sessions zu hören ist.
1960 hörte man Byas mit Jazz at the Philharmonic in bester Form neben Roy Eldridge, Stan Getz und Coleman Hawkins. Aufnahmen sind auf der LP „JATP in Europe“ (Verve) zu hören, weitere (mit Hawkins, Eldridge und Benny Carter) auf Hawkins‘ Pablo-Album „Bean Stalkin'“.
Besonders interessant – auch im Hinblick auf den Coltrane-Einfluss – ist ein Mitschnitt aus dem Ronnie Scott’s in London. Begleitet von Stan Tracey, Rick Laird und Tony Crombie ist Byas auf „Autumn Leaves“ (Ronnie Scott’s Jazz House) im Herbst 1965 in diversen Standards und Blues zu hören und scheint sich hier richtiggehend zu öffnen – ohne dabei jedoch seine Wurzeln in Hawkins und dem Swing zu verleugnen.Was die frühen Bebop-Aufnahmen betrifft, so ist auf HighNote eine CD unter Byas‘ Namen greifbar, „Midnight at Minton’s“. Alternativ gibt’s auch die Gillespie/Christian zugeschriebene „After Hours“ (Fantasy/Esoteric) und diverse Christian Compilations – ich habe mir bisher nie die Mühe gemacht, die verschiedenen Sessions und Ausgaben auszusortieren.
______Anmerkung: Die Zitate stammen aus Dan Morgensterns Liner Notes zu: „Don Byas – Savoy Jam Party: The Savoy Sessions“ (Savoy WL 70512(2))
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deOh, du Hässliche! Die 25 schrecklichsten Weihnachtsalben-Cover
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WerbungDon Byas‘ Dolnet-Tenorsax (Rutgers University, Institute of Jazz Studies – weitere Bilder)
Oscar Pettiford und Don Byas im Montmartre in Copenhagen (Photo (c) Jan Persson), vermutlich späte 50er Jahre (Pettiford verstarb im Herbst 1960).
Wann Byas genau in die Niederlande zog, weiss ich nicht, aber irgendwann nach den vielen Aufnahmen in Paris. Hier das Cover einer Philips-EP von 1962:
Blues by Byas (Philips 433.183PE, 7″-EP, 1962)Und hier noch das tolle Cover einer 1962er Scheibe mit einem Orchester unter Leitung von Jacques Denjean:
(Battle 12″ LP BM 6121 [mono], BS 96121 [stereo], Original: Polydor [F] 12″ LP 46125)--
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Photo: Neal Graham
(von Peter Arthur Loebs Website)
Don Byas (Savoy XP-8036 Vol. 2)
Musique de Films Vol. 1 (Vogue EPL 7142)--
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Warum auch nicht?
Die Bertelsmann-EP beinhaltet 4 Titel vom 19. April 1951. Die Aufnahmen wurden auf Blue Star, Barclay und Atlantic veröffentlicht.
Die Vogue-10′-LP ist zusammengewürfelt. CHLOE, C’EST VOUS CHERIE und TENDERLY sind am 9.11. 1951 aufgenomme, ROSE DE PICARDIE, PLEURS und L’ENFANT ET LA ROSE stammen vom 21.05.1952 und NICE WORK… und I’M IN THE MOOD… vom 18. Juli 1952.--
Die Berthelsmänner sind natürlich voll reingefallen… aber das Vogue-Cover ist klasse, danke Dir!
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Die Prestige „Streifen-LP“ ist ja nicht so hübsch, die JAZZ … FREE AND EASY habe ich nur als Savoy-Nachauflage (im Original auf Regent, einem sublabel – das cover ist statt in grün eher in hellblau gehalten und wirkt auf mich nicht sehr) und die DON BYAS MEETS BEN WEBSTER (im Original auf MPS) habe ich auch nur als Prestige-Nachauflage.
Die VERVE-LP ist aus zwei 10′-LPs zusammengesetzt. Auf einer Seite ist Bernard Peiffer solo bzw. im Trio zu hören (ex Norgran MGN 11, ex Blue Star), aufgenommen 1952. Vier sessions wurden dafür „geplündert“.
Die Don Byas-Seite beinhaltet die 10′-LP DON BYAS ET SES RYTHMES (Norgran MGN 12, ex Blue Star). Zwei Titel stammen vom 4. Juli 1950, sechs weitere Titel wurden am 10. April 1952 aufgenommen.
Das cover der Verve-LP wurde von meinem Leib-und-Magen-Zeichner David Stone-Martin gezeichnet.Die Savoy-Aufnahmen gefallen mir am meisten, aber die Lücken sind bei mir einfach zu groß. Aber auch die Paris-Aufnahmen sind großartig.
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Wow, ganz tolles Cover! Danke!
Die Savoy-Sessions stechen unter den US-Aufnahmen wirklich heraus – teils sind wohl einfach die Bands etwas besser (oder besser geeignet), Byas klingt jedenfalls freier irgendwie. Von den Aufnahmen aus Europa kenne ich auch nur einzelne – die Vogues hätte ich gerne gesammelt an einer Stelle, aber leider wurde Byas abgesehen von einer CD, auf der sich die Aufnahmen mit den Trios von Mary Lou Williams bzw. Beryl Booker finden, damals übergangen, als BMG und RCA die „Original Vogue Masters“-Reihe auf CD herausgaben. In wenigen Fällen gab’s in den 90ern noch andere gute Vogue-CDs, die nicht (meist umgestellt) in den „Original Vogue Masters“ wieder erschienen, aber bei Byas gab’s meines Wissens nur Compilations (oder gar nur eine, sie hiess „Tenderly“). Aber irgendwie bezweifle ich bei aller Liebe für Byas, dass man aus den 40ern und 50ern jeden Ton von ihm haben muss.
Aufgrund der Aufnahmen mit Bud Powell und aus dem Ronnie Scott’s bin ich allerdings an späteren Aufnahmen durchaus interessiert… falls da jemand weitere Hinweise hat!
Ich muss auch mal meine ROIOs zusammensuchen… da haben sich inzwischen einige angesammelt, mit Brew Moore, mit Ben Webster (oder mit beiden), mit einer JATP-Packung, der auch Stuff Smith, Earl Hines und Webster angehörten, mit Clifford Jordan, aber auch mit irgendwelchen Rhythmusgruppen (Pim Jacobs in Holland, Jodie Christian in der oben erwähnten TV-Show aus Chicago).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaAuf Don Byas bin ich durch James Carter gekommen, von dem ich hier was erzählt hatte. Der nennt Don Byas immer wieder mal gerne als Vorbild – und wenn man das weiß, hört man das auch. Beide haben einen vollen und warmen Ton auf dem Tenorsax, sehr geschmeidig und auch keine Scheu vor Sentimentalität und etwas Show.
Jazz In Paris : Don Byas – Laura (Aufnahmen 1950-52, Compilation 2000)
Diese Compilation ist meine Erstbegegnung mit Don Byas. Enthält die Aufnahmen dreier Sessions von 1950-52, die ursprünglich auf zwei 25 cm-Alben veröffentlicht wurden. Eine runde Sache also. Fast ausschließlich Standards, vor allem, aber nicht nur Balladen, darunter solch alte Schlachtrösser wie Summertime, Georgia On My Mind und Over The Rainbow, aber auch seltener gespieltes wie Laura, die Titelmelodie aus dem gleichnamigen Film aus den 40ern.
Aber egal, was Don Byas spielt, wichtig ist, dass Don Byas es spielt und wie er es spielt. Das ist so schmusig, so charmant und verführerisch, dass man gar nicht widerstehen kann. Seine meist französischen Begleiter machen ihre Sache sehr gut, sind aber eigentlich nicht viel mehr als Statisten, vielleicht mit Ausnahme von Pianist Art Simmons. Aber das ist hier auch völlig okay, denn Don Byas hat hier eine so lässige und selbstverständlich wirkende Autorität, dass man sich gar nichts anderes wünscht.
Die ersten paar Töne von Don Byas reichen schon, damit hat er mich:
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Ich bekenne, dass ich die sicher sehr lobenswerten Ausführungen von @gypsy-tail-wind zu Don Byas immer noch nicht aufmerksam – äh … – durchgearbeitet habe. Aber ich habe da auch bei oberflächlicher Lektüre schon rauslesen können, dass die Diskografie von Don Byas recht zersplittert und unübersichtlich ist. Sicher nicht zuletzt, weil er nach dem Krieg von den USA nach Europa (zunächst Frankreich und später die Niederlande) ging und dort mal hier, mal da spielte und auch mal hier und mal da aufnahm. Wie nähere ich mich da an?
Heute habe ich diese 2 CD-Compi von Don Byas aus dem Briefkasten gefischt:
The Don Byas Collection 1938-61 (Compilation 2014)
Mit 47 Stücken auf 2 CDs ganz schön viel Material, das in den nächsten Tagen – wohl eher Wochen! – erstmal gehört und verdaut werden muss. Erster Eindruck ist aber schon mal sehr vielversprechend. Ganz nebenbei bekommt man damit auch eine Lektion in Jazzgeschichte, denn – das Cover sagt’s – hier hangeln wir uns durch fast ein Vierteljahrhundert mit Swing, Bop und klassizistischer Balladenkunst und treffen dabei diverse mehr oder weniger bekannte Jazzgrößen wie Timme Rosenkrantz And His Barrelhouse Barons (sowas gab es echt!), Billie Holiday, Count Basie, Albert Ammons, Diz, Bird, Mary Lou Williams, Bud Powell und unter den Sideman finden sich auch Coleman Hawkins, Johnny Hodges, Billy Strayhorn und Stan Getz sowie natürlich auch viele Franzosen wie Pierre Michelot oder Martial Solal.
Verbindend bei all diesen Aufnahmen ist der samtige Ton – oder die Stimme? – von Don Byas auf dem Tenorsaxofon, in die ich mich richtig verliebt habe. Später hoffentlich mehr dazu.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Der Timme war halt ein Adliger … faszinierende Figur. Bei Storyville ist vor ein paar Jahren eine CD mit mehr oder weniger unveröffentlichten privaten Aufnahmen von 1944/45 erschienen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Timme_Rosenkrantz
https://www.discogs.com/release/12607266-Timme-Rosenkrantz-Timmes-Treasures--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-windDer Timme war halt ein Adliger … faszinierende Figur. Bei Storyville ist vor ein paar Jahren eine CD mit mehr oder weniger unveröffentlichten privaten Aufnahmen von 1944/45 erschienen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Timme_Rosenkrantz
https://www.discogs.com/release/12607266-Timme-Rosenkrantz-Timmes-TreasuresWas für eine Biografie: Der Vater des Dänen Niels Otte Timme Baron Rosenkrantz war Krimi-Autor, er selbst produzierte Plattenaufnahmen in seinem Apartement in New York, arbeitete als „ausleihbarer Tänzer“ und Radiomoderator, organisierte internationale Tourneen, die aber auch mal finanziell nach hinten losgingen, so dass die Heimreise der Musiker nicht mehr bezahlt werden konnte, eröffnete in Paris und Kopenhagen Jazz Clubs und starb 58-jährig den Trinkertod. Hinterließ 1679 Schellackplatten, 1055 LPs, 411 Acetat-Mitschnitte, 923 Tonbänder sowie über 2000 Jazz-Fotos. Mannomann!
Sein credit in der Don Byas-Compi bezieht sich nur auf den Namen einer Band, der er wohl gemanaget, produzuiert oder was-auch-immer hat. Selbst mitgespielt hat er gar nicht. Auf dem Foto in der Wikipedia sieht man nur seinen Hinterkopf. Aber Diz und vor allem Ella sehen atemberaubend aus!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Noch ein paar Worte zur Doppel-CD The Don Byas Collection 1938–61.
CD Nummer 1 mit Aufnahmen von 1938–45 fängt mit ein paar aus heutiger Sicht archaisch wirkenden Stücken an. Don Byas unter der leadership von Rex Stewart am Cornett (veröffentlicht unter dem Namen des oben erwähnten Timme Rosenkrantz), der leadership von einem Andy Kirk und 1940 als Begleiter von Billie Holiday, die da noch mädchenhaft und naiv klingt.
Interessanter wird es 41/42 mit zwei Stücken von Count Basie, bei dem Don Byas die Nachfolge von Lester Young angetreten hatte. Schön die zurückhaltende Ballade Sugar Blues (im Sextett), wo Byas’ zarter Ton auf dem Tenor sehr schön ist. Danach packt es wieder zu mit einem Boogie von Albert Ammons – und auch Byas haut hier ordentlich rein. On The Sunny Side Of The Street mit Coleman Hawkins swingt gelassen, der 1944 Stomp (von – ach was: 1944!) mit Byas als leader ist ein toller basie-esquer Swinger, den James Carter Jahrzehnte später wieder hervorgekramt hat – dadurch kam ich ja überhaupt erst auf Don Byas. Dann 1945 zwei Aufnahmen mit Dizzy Gillerspie (Salt Peanuts und Be Bop).
Ein breites Spektrum also. Lehr- und Wanderjahre eines Musikers, der Swing, Boogie, Blues und Bop erlernt und dabei sein eigenes Profil findet. Zum Ende der CD vor allem Aufnahmen von Don Byas als leader. Da hört man, dass er im Kern ein Swinger ist, dessen Stärken vor allem sein sinnlicher und eleganter Ton und sein Sinn für Melodik mit einer gewissen Sentimentalität sind, was bei Balladen natürlich besonders gut zur Geltung kommt.
Now’s The Time. Nomineller leader ist ein Cozy Cole an den drums, aber Hauptsolist ist Don Byas:
Zu CD Nummer 2 später.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)CD Nummer 2. Nochmal 22 Aufnahmen von 1945 – 61, wobei davon nur 3 aus der Zeit nach 1952 stammen. Ab 1946 lebte Don Byas in Europa (vor allem Paris) und nahm dort für diverse Labels auf, meist mit örtlichen Musikern oder anderen Expats und mit in Europa gastierenden Amerikanern.
Ein Musiker in der Blüte seines Schaffens. Das ist also sehr viel sehr gute Musik, hat in der Darreichungsform einer Compilation mit knapp 75 min Laufzeit aber auch den Nachteil, dass das zwar in die Gehörgänge dringt, aber in den Gehirnwindungen irgendwann zu Brei zermatscht und man sich am Ende der CD nicht mehr erinnert wie sie angefangen hat. Ursprünglich sind die Aufnahmen auf Singles oder 10 Zoll Vinyl veröffentlicht worden, und das ist wohl auch die empfehlenswerte Dosis dieser Musik. Don Byas hat zwar durchaus eine gewisse stilistische Breite, von Swing über Be Bop bis zu seinem Markenkern, den Balladen. Er ist hier auch in vielen verschiedenen Besetzungen zu hören. Aber große Entwicklungen gibt es da nicht mehr. Er weiß, was er kann und womit er gut ankommt und macht das auf höchstem Niveau.
Zum Glück gibt es die Programmierfunktion des CD-Spielers und die Playlist-Funktion von iTunes. Damit lässt sich das gut dosieren.
Stormy Wheather
Don Byas (ts), Jacques Dieval (p), Lucien Simoens (b), Armand Molinetti (d). Paris, 1947.Wenn ich weiter oben geschrieben habe, es kommt nicht darauf an, was Don Byas spielt, sondern wie er es spielt, ist das eigentlich eine banale Feststellung. Denn was Byas besonders auszeichnet, ist wie er jeden einzelnen Ton individuell modelliert, voller Geschmeidigkeit und Dynamik. Das geht natürlich am besten bei langsamen Balladen mit lang gezogenen Tönen, die vom Hörer auch die entsprechende Aufmerksamkeit verlangen. Im persönlichen Gespräch mit @vorgarten fielen letztens nach dem gemeinsamen Konzertbesuch die Namen Coleman Hawkins und Ben Webster, zwei andere Alte Meister der feinen Tonbildung. Sicher nicht zufällig gehörten alle drei ungefähr der gleichen Musikergeneration an, in der genau das wohl als die hohe Kunst galt.
Ich habe anlässlich meines Don Byas-Hörens mal die Begriffe „Phrasierung“ und „Artikulation“ gegoogelt. Das erklärt mir auf theoretisch-abstrakte Art ein bisschen, was Don Byas, Hawkins, Webster … da machen. Was damit aber nicht beschrieben werden kann, ist, was für eine besondere Ästhetik das in diesem Fall hat und wie sich das anfühlt. Für mich gerade eine sehr schöne Erfahrung.
Es ist bei mir noch etwas Musik von Don Byas in der Warteschleife. Und gestern Nacht habe ich Ben Webster gehört. Vielleicht ein guter Anlass, mal etwas über die Sinnlichkeit des Klanges zu philosophieren.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Aus der Don Byas 2 CD-Compilation lässt sich eine prima Playlist mit den Top 20 basteln. So ist die Dosis gehör- und gehirngerecht.
Hier noch etwas mehr Vintage Jazz von Don Byas in leichter verdaulicher Form.
Don Byas – En ce temps-là (Enregistré en Paris 1947 et 1952, Compilation 2002)
13 Aufnahmen die urspünglich auf dem Blue Star-Label als des single disques vinyle 78 tours veröffentlicht worden waren und wohl auch in den Jukeboxes der Pariser Bars steckten. Wenn ich es richtig erkenne, nur eine einzige Doppelung mit der 2 CD-Compi – das ergreifende Stormy Wheater von 1947. Neben Balladen auch ein paar uptempo-Nummern, die etwas Schwung in die Sache bringen. Don Byas in den Balladen geschmeidig wie gewohnt, in den schnellen Stücken tänzerisch, aber immer elegant.
Ben Websters Ton habe ich im Tenor Giants-Thread zu beschreiben versucht. Don Byas Stimme ist da ganz anders, auch wenn beide in ihrem Spiel immer seeehr viel Gefühl zeigen. Aber dahinter steckt doch jeweils ein anderer Mensch. Zum Ton von Don Byas vielleicht später noch mehr.
Ich kann die beiden Compilations aus der Jazz in Paris-Reihe übrigens wärmstens empfehlen. Enthalten immer komplette Sessions und sind damit eine runde Sache. Auch von der Menge des Materials und dem Abwechslungsreichtum her gut anhörbar. Tonqualität ist der Zeit entsprechend gut restauriert und Aufmachung ist schön. So wie auf den Coverfotos hat Paris in den 40ern und 50ern ausgesehen, als Don Byas dort lebte.
Humoresque (1947), übrigens eine Komposition von Antonin Dvorak
Là-bas (1952). Die kecken kleinen Akzente bei 2:10!Kleine Randnotiz: Ich habe diese CD für eine handvoll Euro gebraucht bei einem Händler aus Fronkreisch gekauft. Auf dem Cover klebt noch die Inventarnummer einer Bibliothek in einem Randbezirk von Paris. „Médiatheque Bonneuil – Image & Son“. Das passt doch gut.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme) -
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