Cecil Taylor

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    gypsy-tail-wind
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    Oje, traurig. Hatte es noch gar nicht mitgekriegt.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #10446655  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Richard Williams
    I remember two things from later in the evening. The first followed my remark that such performances must be physically draining. No, Cecil said. “You don’t notice it. Let’s go and find a discothèque — it’s good for the feet.” The second, not unrelated, came when I accompanied him to his room at the Strand Palace Hotel for a short interview. On a table was a small record player, with a Stevie Wonder album on the deck. I was surprised — maybe I’d been expecting Bartók. “Stevie Wonder is tremendous — he reminds me of a preacher,” he said. “The arrangements have the excitement of Dizzy’s old band.” He meant Dizzy Gillespie’s incendiary big band of 1947; it was a strikingly unexpected comparison.

    aus dem lesenswerten Nachruf von Richard Williams

    Danke auch @vorgarten für die guten Zeilen!

    Stephan Hentz hat für die NZZ auch schon im Verlauf des Tages einen Nachruf verfasst:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/musik-ist-freiheit-ohne-grenzen-ld.1374892

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    #10446677  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind

    Richard Williams
    I remember two things from later in the evening. The first followed my remark that such performances must be physically draining. No, Cecil said. “You don’t notice it. Let’s go and find a discothèque — it’s good for the feet.” The second, not unrelated, came when I accompanied him to his room at the Strand Palace Hotel for a short interview. On a table was a small record player, with a Stevie Wonder album on the deck. I was surprised — maybe I’d been expecting Bartók. “Stevie Wonder is tremendous — he reminds me of a preacher,” he said. “The arrangements have the excitement of Dizzy’s old band.” He meant Dizzy Gillespie’s incendiary big band of 1947; it was a strikingly unexpected comparison.

    aus dem lesenswerten Nachruf von Richard Williams

    sehr schön, danke! stevie wonder als eine der vielen überraschenden cecil-taylor-referenzen. habe gerade erst DARK TO THEMSELVES gehört, danach ella fitzgerald, die er auch immer genannt hat, wenn es um vorbilder ging. passt schon irgendwie (die verletzlichkeit unter der perfektion und dem sho[wo]menship). eigenartig, wie nahe einem jemand rückt, wenn man den ganzen tag über ihn recherchiert. dabei ist taylor ja für mich seit jeher ein schwarzes loch, das eine immense ausstrahlung ausübt. eines meiner ersten jazzkonzerte überhaupt (mit 17) war ein festival in lünen, wo er am ende, ca. halb eins in der nacht, solo auftrat – mit grauen dreadlocks, nur in einer weißen langen unterhose. ich war produktiv verstört, konnte nirgendwo einhaken und bin vor ende gegangen. und trotzdem war klar: das bleibt eine immerwährende präsenz.

    was DARK TO THEMSELVES angeht: was für ein brett. man könnte sich einhalbes jahr nur damit beschäftigen. auf jeden fall wird klar: so toll malik und ware sich da abmühen, der einzige, der in dieser musik wirklich mitschwingt und sich sogar absetzen kann, ist lyons. und dann kommt am ende das taylor-solo, und er spielt irgendwelche popakkorde, ohne dass ich wüsste, woraus die sind. von stevie wonder vielleicht.

    --

    #10446699  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Die weisse Unterhose hatte er auch an, als ich ihn 2006 in Strasbourg sah, leider zum einzigen Mal (der Willisau-Auftritt vor ein paar Jahren wurde ja abgesagt bzw. Braxton als Ersatz angekarrt) – das war auch für mich, nach damals schon einem Dutzend Jahren des Jazzhörens und vertraut mit wenigstens zahlreichen älteren Aufnahmen (und wenigen jüngeren wie dem „Willisau Concert“) noch ordentlich schwierig und verstörend … dieser gnomenhafte alte Mann – immer noch mit Dreadlocks – der sich zu bewegen schien als gäbe es keine Linien und keine rechten Winkel, kein Aufrecht (aber geradesowenig ein Waagrecht, eine Ebene), der sich dem Flügel näherte fast wie ein Torero dem Stier … unverständlichen Sätze murmelte er dabei, während seine Tanzschritte allmählich zusammenfielen. Tony Oxley war damals am Schlagzeug dabei und das Team eines französischen Pay-TV-Senders (mezzo?) filmte das ganze, die grosse leere Bühne im Betonbunker des Rundfunks wurde dazu komplett in blaues Licht getaucht – was mich damals total ärgerte: ein Konzert ist doch primär für die Leute da, die da sind, nicht für die kommerzielle Zweit- und Drittverwertung … aber was wohl auch noch zur Absurdität des ganzen beitrug. Doch absurd war das am Ende dann natürlich überhaupt nicht, im Gegenteil, musikalisch war das sehr toll.

    Schade, dass es keine weitere Chance gab, Cecil Taylor im Konzert zu erleben.

    Seine Musik hören mag ich heute nicht, das geht irgendwie nicht – ich bin stattdessen bei Mozart, Mozart hören und an Taylor denken geht irgendwie gut.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10447137  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich höre die Aufnahmen aus Cecil Taylors frühen Jahren … dass da auch Buell Neidlinger am Bass dabei ist, macht die Sache nicht weniger traurig … doch verdammt, wie toll ist das alles, wie offen in alle Richtungen – man kann durchaus Herbie Nichols oder Duke Ellington heraushören, sein „Azure“ auf dem Debut-Album Jazz Advance (Transition, rec. 1956) ist schon ziemlich toll. Die beiden Stücke mit Steve Lacy gewinnen jedoch wenig, die wirken auf mich recht unfertig, wohingegen das Trio (mit Neidlinger und dem Drummer Dennis Charles) völlig fertig wirkt, ausgereift, mit einem Konzept, das irgendwo aus dem Nichts zu kommen scheint und wie ein Blitz einschlägt, auch heute noch.

    Herbie Nichols statt Bartók, der halt aus der falschen Community kam? Leuchtet mir jedenfalls irgendwie ein … aber in den Liner Notes zu „Hard Driving Jazz“ bzw. meiner „Coltrane Time“-CD (Robert Levin – die sind von damals, nehme ich an, aber es steht nichts dazu) heisst es dennoch: «“Bartók,“ says Taylor, „showed me what you can do with folk material“» – Levin zitiert Taylor dann auch noch zu Stravinsky, und natürlich erwähnt er später nicht nur Ellington sondern auch Monk: „he is a kind of successor to Ellington. His pressure and intensity is so great and he is able to derive so much out of an economy of material.“ (Cecil Taylor, zit. nach Levins Liner Notes). Ökonomie ist bei Taylor gerade in den frühen Jahren durchaus ein Konzept, er spielt oft wenige Akkorde, repetiert, rifft (da kommt dann auch der Einfluss von Dave Brubeck rein … der gehörte so halbwegs zur richtigen Community, ich weiss gar nicht, wie Taylor in späteren Jahren dazu stand), aber auch der Rhythmus, das Insistieren, Repetieren, Drehen, Verschieben … Musik im Krebsgang, die einen Sog entwickelt, dem man sich nach wenigen Takten kaum noch entziehen kann (darin höre ich die wohl offensichtlichste Parallele zu Herbie Nichols‘ Blue Note-Aufnahmen von 1955/56 – immerhin fällt das noch in die selbe Zeit, in der Taylor gerade anfängt).


    (Photo: Charles Rotmil, ca. mid 60s – Quelle)

    In Sachen Lacy höre ich später noch in den Live-Mitschnitt von Newport 1957 herein (Cecil Taylor auf dem Label von Norman Granz – das ist wiederum auch ziemlich irr, und dass es nur eine halbe LP ist, macht auch nichts), da waren ja wieder ein paar Monaten vergangen. Gerade bin ich aber beim UA-Album Love for Sale (rec. 1959) und da ist schon der Opener, „Get Out of Town“ von Cole Porter, so grossartig, dass ich gar nicht weiter hören sondern nur immer wieder Repeat drücken will – wieder Neidlinger/Charles, auf der zweiten Hälfte dann noch Ted Curson und Bill Barron dazu und damit die ersten guten Aufnahmen mit Bläsern … zeitlich fallen noch die missglückte Session mit John Coltrane, Kenny Dorham, Chuck Israels und Louis Hayes (was ist das denn für eine bekloppt zusammengestellte Band?) und das feine Quartett mit dem leider ziemlich unbekannt gebliebenen Vibraphonisten Earl Griffith für Contemporary – aufgenommen aber unter Nat Hentoff im Nola’s Penthouse Studio in New York – ein erster Anlauf für Candid?

    Inzwischen bin ich bei den Quintettt-Tracks von „Love for Sale“ (der Titeltrack, mit dem die erste Seite endet, ist natürlich auch wieder grossartig dazwischen gibt es den dritten Porter-Song des Albums, „I Love Paris“) und wenn Bill Barron am Tenorsaxophon loslegt, ebnet sich schon einiges ein, zumal in „Little Lees (Louise)“, dem ersten der Quintettstücke – trotz dem sperrigen Ton und den kantigen Linien Barrons. Taylor spielt dagegen an, setzt aber auch mal länger aus, lässt Raum, dann schiebt er Welle um Welle an, das geht dann hinter Ted Curson weiter, der verspielter wirkt, sich wie sein Leader an wenigen Ideen fest beisst, sie dreht und wendet, während das Piano drunter manchmal fast schon kinderliedartig hin und her schwenkt. Im folgenden Blues „Matie’s Trophies (Motystrophe)“ funktioniert das dann besser, Barron blässt einfache Linien, Neidlinger beweist mit seinen Walking-Linien sein gutes Bluesgefühl, Taylor wirft Tremoli ein, die mit der Bluestradition ein munteres Spiel treiben und dabei doch immer auf den Punkt gespielt sind, nie ins Beiläufige, Belanglose oder einfach nur Verspielte gehen. Der damals aus Platzgründen wohl weggelassene dritte Track in Quintett-Besetzung („Carol/Three Points“) kommt mit Latin-Rumpelbeat daher, irgendwie unpassend für Taylor, der damit im Thema aber recht gut umzugehen weiss, für die 4/4-Soli wird dann aber alles irgendwie zu konventionell und das bockige Piano allein reicht nicht ganz, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

    Im Juli 1957 trat auch das Cecil Taylor Quartett beim grossen Sommerfestival auf – weisse Anzüge, Hüte, Sandalen mit Sand zwischen den Zehen, Klappstühle auf der Wiese … aber da gab es ja auch einmal fast Tumulte (Ellington 1956) und immer wieder tolle Musik, 1957 z.B. von Dizzy Gillespies neuer Big Band, vom Gigi Gryce/Donald Byrd Jazzlab, mit dem Taylors Gruppe sich das Album At Newport (Verve, rec. 1957) teilte … auch Bill Evans war dort, ein anderer Nachwuchspianist, von dem man noch einiges hören sollte. Er spielte als Sideman ein paar Stücke mit dem kuriosen Multiinstrumentalisten Bill Elliott (Mellophon, Vibraphon, Bongos) (auf der LP ist auf Seite 1 Eddie Costa im Trio und mit Rolf Kühn an der Klarinette sowie Dick Johnson am Altsax zu hören – kenne ich leider nicht; Seite 2 ist dann ein Kuriositätenkabinett: erst drei Stücke vom Akkordeonisten Mat Matthews mit Hank Jones, dann die Elliott-Band mit Evans – beides Quartette). Los geht es mit einer kurzen Ansage und dann einer Version von „Johnny Come Lately“, in der Lacys Linie sich schon mal deutlich besser ins Geschehen (Neidlinger/Charles sind wieder dabei einfügt als Barron/Curson knapp zwei Jahre später auf der zweiten Hälfte von „Love for Sale“. Lacy hat aber – auch so früh schon – ein Temperament, das irgendwie in diese sperrige und doch der Tradition verbundene Musik passt, er ist überhaupt nicht im Weg, spielt mit und fügt sich ein, geht mit dem Fluss … wie Taylor und er manchmal zusammenfinden, ist eine Freude. Der folgende Blues gelingt deutlich besser als der Blues auf „Jazz Advance“ (eins der zwei dort enthaltenen Stücke mit Lacy), am besten ist dann wohl das ziemlich gradlinige „Tune 2“ aus Taylors Feder zum Abschluss, die mit über 10 Minuten längste Nummer des kurzen Sets … das kann man so machen, aber bis hierhin sind mir die Trio-Sessions – und das grossartige Solo über Cole Porters „You’d Be So Nice to Come Home To“, auch von „Jazz Advance“ – eindeutig am liebsten.

    In den Liner Notes zum tollen Quartett-Album Looking Ahead! (Contemporary, rec. 1958) mit Earl Griffith am Vibraphon, von Nat Hentoff produziert und auch gleich mit einem sehr ausführlichen Text versehen, gibt Taylor ein wenig Auskunft. Am Bass bzw. Schlagzeug sind einmal mehr Neidlinger/Charles zu hören, die wirklich grossartig sind zusammen – leicht und doch niemals leichtgewichtig, ganz im Gegenteil, eine Art zarte Wucht legen sie an den Tag, einen harten Swing, der sehr tänzerisch daherkommt, oft fast schwebend.

    Dieser erste Satz, was für ein Statement:

    „Everything I’ve lived, I am,“ he says of how his music is created. „I am not afraid of European influences. The point is to use them – as Ellington did – as part of my life as an American Negro. Some people say I’m atonal. It depends, for one thing, on your definition of the term. In any case, I have not yet been atonal on records, including this one, but have been on occasion in live performances. It depends on the musicians I come up with. Basically, it’s not important whether a certain chord happens to fit some student’s definition of atonality. A man like Monk, for example, is concerned with growing and enriching his musical conception, and whet he does comes as a living idea out of his life’s experience, not from a theory. It may or may not turn out to be atonal. Similarly, as Miles Davis‘ European technical facility becomes sparser, his comment from the Negro folk tradition becomes more incisive. He’s been an important innovator in form in jazz, but again, not out of theory, but out of what the hears and lives.“

    […]

    Cecil is usually reluctant to discuss the specifics of his evolving style, preferring that the music be heard and reacted to on what it says emotionally. But his comments on others often reveal in part what he is working at and he is occasionally explicit about his own approach. the importance of exploiting timbres, for instance. „One of the things I learned from Ellington and others is that you can make the group you play with sing if you realize that each instrument has a distinctive personality, and you can bring out the singing aspect of that personality if you use the right timbre for that instrument.“

    About rhythm: „Monk knows how to place his chords in relation to the bass and drums, especially the bass, the steady element. He subdivides very subtly, more subtly than the eighth notes of the boogie-woogie pianists and the eighth note strings of some contemporary players. As a result, he also jars you harmonically. A horn player with Monk must think faster, must think instantly. And Monk also does not overblow.

    „Miles Davis‘ conception of time has also led to greater rhythmic freedom. His feeling, for another thing, is so intense that he catapults the drummer, bassist and pianist together, forcing them to play at the top of their technical ability and forcing them with his own emotional strength to be as emotional as possible. Miles‘ concept of syncopation in general is larger than that of many other musicians and leads to greater variety of musical expression.“

    Cecil also tries to fuse his own groups into uninhibited collective improvisation. „He puts himself into the music,“ says Earl Griffith, „with such a beautiful drive and so fully that he makes me get that way.“

    ~ Nat Hentoff, Liner Notes zu Cecil Taylor Quartet, Looking Ahead! (LP, Contemporary, 1959)

    Das Album hat in mancher Hinsicht etwas Weicheres, dünkt mich, verglichen mit „Jazz Advance“ und „Love for Sale“ – es ist vielleicht, so unsinnig das in der Chronologie der Dinge ist, etwas ausgereifter, es ruht etwas mehr in sich, als hätte Taylor hier etwas gefunden, wo er sich wenigstens für einen Augenblick, ausruhen konnte. Es gibt Freies von der ruhigen Sorte („African Violets“ aus Griffiths Feder), Hommagen („Wallering“) und vor allem einen beeindruckenden Closer, mit 9 Minuten das längste Stück des Albums, „Excursion on a Wobbly Rail“. Das Material stammt vom einen Stück von Griffith abgesehen hier zum ersten Mal komplett von Taylor – was wiederum an Hentoff liegen mag, der wohl bereit war, diese Freiheit zu gewähren, was wiederum bei Tom Wilson (der sowohl „Jazz Advance“ für sein Transition-Label wie auch die zwei UA-Alben produziert hat) nicht ging.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    gypsy-tail-wind In Sachen Lacy höre ich später noch in den Live-Mitschnitt von Newport 1957 herein (Cecil Taylor auf dem Label von Norman Granz – das ist wiederum auch ziemlich irr, und dass es nur eine halbe LP ist, macht auch nichts) …

    Das werde ich wohl erst später tun; mir lagen  zuerst für heute Abend dieser und „Conquistador!“ in den Händen oder auf der Zunge, auch noch ein paar andere. Mir ist es fast gleich, in welche Welt Taylor führt – aus den früheren Jahren sind es aber eher die etwas späteren Aufnahmen. Es ist für den Moment aber doch ein Mitschnitt eines Solokonzerts (es hätte natürlich auch „Willisau“ sein können):

    Ein Mitschnitt vom August 1976, hier aber mit damals weggelassenen Partien („excised to fit the LP format“) aus November 1992 bei enja. Man kann das – hier in der Vielheit fast melodische (ich vermisse Melodien bei Taylor allerdings selten) Expressbahnen auf Rhythmuszügen – für unglaubliche Anstrengungen halten, aber äußerste Konzentration kennt womöglich wenig Anstrengung. Außer, man wird abgelenkt …

    Im Booklet gibt es nur einen unkommentierten Text: „Aqoueh R-Oyo“. Da gibt es ein paar einfache Sätze:

    „One sound begins the process / becoming then a part of / individual language ’struct (means, technique) / a part of organism evolving (structure composition) / talking to one’s self, a ‚becoming‘ knowledgeable / able of one’s special placement / to translate these abilities […]“ Es geht weiter, natürlich zum Universum, das ich persönlich oft etwas heikel finde, aber diese „Anmerkungen“ finde ich für den Taylorpräzisionsrausch sehr nachvollziehbar.

    vorgarten mit bitte um nachsicht, wenn der hinweis etwas eitel wirkt, aber mir war wichtig, dass überhaupt etwas erscheint: http://www.spiegel.de/kultur/musik/cecil-taylor-gestorben-nachruf-zum-tode-des-free-jazz-pianisten-a-1201559.html

    Vielen Dank! Was soll eitel daran sein, darauf hinzuweisen, wenn man etwas sagen möchte und dabei auch noch zu sagen hat? Bei Deinen Artikeln – ich kenne nur die von Spiegel online – spürt man doch sehr, wie Du dort noch viel mehr sagen könntest, wenn sie mehr Platz zumessen würden. Und trotzdem fehlt für den Moment nichts.

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    #10447629  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    The World of Cecil Taylor – im oben auszugsweise zitierten Text zum Album „Looking Ahead!“ schrieb Nat Hentoff noch, Taylors Konzept sei noch nicht fertig entwickelt … war es das in seinen Augen zweieinhalb Jahre später, als er im November für sein eigenes Label Candid Records mit Taylor, Neidlinger und Charles sowie dem Gast Archie Shepp am Tenorsaxophon ins Studio ging, wirklich? Oder war der Titel zusammen mit dem tollen Photo einfach nur ein gutes Verkaufsargument? Im Rückblick kann man wohl sagen, dass noch nichts fertig war, die Musik unterscheidet sich nicht grundsätzlich von jener, die das Trio im April 1959 für United Artists eingespielt hatte – auch wenn hier nicht Cole Porter als Vorlage dient sondern Taylors eigene Musik zum Zuge kommt.

    Der Opener, „Air“, setzt jedenfalls nahtlos an – bietet aber durch das tolle Saxophon von Archie Shepp etwas, was es bei Taylor zuvor noch nicht gab: einen Bläser, der wirklich zu verstehen scheint, wohin die Reise geht, sich mit Haut und Haaren auf die Musik einlässt und mit einem starken Statement hervortritt. Es folgt eine fast 11 Minuten lange Meditation über den Standard „This Nearly Was Mine“, in dem Neidlingers Bass bedrohlich grummelt, während Charles mit zickigen Einwürfen auf Taylors liebevolle Demontage reagiert. Mit „Port of Call“ und „E.B.“ folgen zwei weitere Trios, dichter, schneller, zerklüfteter – und da ist Taylor dann wohl doch ein paar Schritte weiter als auf den Alben zuvor, auch weil die eigenen musikalischen Vorlagen weiter blicken als die Standards, die er sich zuvor einverleibt hatte. Gerade „E.B.“ entwickelt einen unglaublichen Sog, in dem allerdings Neidlinger/Charles zum ersten Mal etwas abgehängt wirken – sie kommen nicht mehr mit, steuern daher einfach mal in einem 4/4 durch … nur da und dort traut Charles sich, aus dem ziemlich monotonen Beat auszubrechen und ein paar deftige Akzente zu platzieren, die dann aber auch sitzen. Das wirft daher eher die Frage auf, warum er nicht mehr wagte, als ob er es wirklich nicht gekonnt hätte. Am Ende, für „Lazy Afternoon“, eine Art freie Walking-Ballade, stösst Shepp wieder dazu – das Stück dauert fast eine Viertelstunde, ist irgendwie völlig unspektakulär und dennoch grossartig und beeindruckend. Die ganze Zeit bleibt das Thema an der Oberfläche hörbar, egal ob Taylor einen der Sidemen in einen Dialog verstrickt oder ob Shepp in seinem tollen Solo den Preacher gibt – das hat eine Zurückhaltung in der Intensität, die es umso stärker wirken lässt.

    Die Liner Notes, die Hentoff in Auftrag gab, sind interessant: er liess einen Kritiker (Martin Williams) wie auch einen Musiker (Buell Neidlinger) über die Aufnahmen schreiben. Williams steigt wieder damit ein, dass Taylor es an sich ablehne, über seine Musik zu reden (oder andere schreiben zu lassen), da sie für sich selbst sprechen könne. Er trägt dann ein paar Zitate zusammen, etwa dass Taylors Musik „the same revolutionary impact upon modern jazz as the recordings of Charlie Parker“ haben könne (Whitney Balliett im New Yorker über das Debut-Album), dass er „almost an avant-garde by himself“ sei (Williams im American Record Guide zum zweiten Album) usw. Über die Musik schreibt Williams denn auch recht wenig, er erwähnt Biographisches, musikalische Stationen, berichtet über die Sidemen.

    Neidlinger berichtet dann über seine Erfahrungen mit Taylor. Seit 1956 hat immer wieder mal mit ihm gespielt – dass die Band nicht dauernd auftreten konnte, überrascht ja leider nicht.

    Buell Neidlinger
    Cecil Taylor, like his music, is dynamic and aggressive – in subtle ways. He moves over the piano like an acrobatic dancer, he employs the entire keyboard. His technique of playing is a result of intensive practice of his own musical ideas. This has gone on over a period of almost twelve years – eight hours each day, at the least. He feels and means each note he plays. It is not uncommon for him to solfege (or sing) the music as he plays. He knows how to pull a singing tone from the piano – his is very vocal music indeed.

    Cecil is highly conscious of the theatre. His compositions are organized by juxtaposing elements of different moods against each other like actors on a stage. Moreover, he has the ability to order these elements so that the entire piece moves from the first note to the last in an inevitable way. PORT OF CALL is a good example of this. It is a little journey through another world. The colors are orange and brown. The mood (mode) is set by the first chord, and is dissipated by the last chord.

    ~ Buell Neidlinger, Liner Notes zu „The World of Cecil Taylor“ (Candid, LP, 1961)

    Mosaic Records hat 1989 – sind das wirklich schon fast 30 Jahre? – die Candid-Aufnahmen von Cecil Taylor gesammelt und in einer Box mit sechs LPs bzw. vier CDs vollständig vorgelegt (Cover ganz unten) – restlos alle Takes kenne ich leider nicht, da ich die Musik verstreut auf fünf Candid-CDs unterschiedlicher Provenienz habe („The World of“ von ZYX, zwei weitere von da Music/Black Lion, zwei von Candid UK). Die CD „Air“ enthält jedenfalls über eine Stunde weiteres Material von den ersten Candid-Sessions im Oktober 1960. Los geht es mit zwei Takes von „Number One“, in dem etwas sofort auffällt: am Schlagzeug sitzt nicht der tänzerisch-elegante Dennis Charles sondern Sunny Murray, der deutlich heftiger zulangt – und für „E.B.“ vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre. Allerdings beschloss Hentoff damals, den Track mit Murray nicht zu veröffentlichen (es gibt, vermute ich, zwei Takes, auch wenn beim Link unten von drei die Rede ist, die Angaben sind höchst inkonsistent, aber die Zeitangaben auf CCD 79046 und dem Discogs-Eintrag zur Mosaic-Box passen).

    Dass Barry McRae seine Liner Notes zur CD Air (das Photo auf dem Cover ist natürlich aus einer viel späteren Zeit) mit Erroll Garner öffnet (und im gleichen Atemzug auch Monk wieder als Referenz nennt), ist vielleicht auf den ersten Blick überraschend, aber wenn man sich Neidlingers Statement über Taylors Klavierspiel vor Augen hält, die Virtuosität höchsten Grades, die er zu diesem Zeitpunkt schon erreicht hat, und wenn man sich den „lockeren“ Umgang mit Time vor Augen hält, dann ist das gar nicht so abwegig. Garner spielte gern weit hinter dem Beat, Taylor geht natürlich weiter, spielt hinter und unter und vor und über dem Beat, umkreist ihn, lässt ihn unscharf werden, verschwimmen, dabei munter weiter swingend und seine Mitmusiker vor sich her treibend, bis sie völlig ausser Atem sein müssen. In Murray hat er in den beiden Takes von „Number One“ einen weiteren Bruder im Geiste gefunden, das wird schon bei dieser ersten auf Tonträger dokumentierten Begegnung klar. Dass die erste gemeinsame Combo dann ohne Kontrabass auskommt, soll aber kein Zeichen dafür sein, dass Neidlinger sich hätte abhängen lassen – er tut hier munter mit und sein Beitrag fällt viel beweglicher aus als auf „E.B.“. Der zweite Take ist wohl noch besser, das Trio entwickelt einen äusserst lebendigen Groove, in dem Murray immer wieder kommentiert, Taylor störrische Akkorde einwirft, während die Rechte im Diskant fast pausenlose Linien spielt.

    Die CD heisst „Air“ – und nach den zwei Takes von „Port of Call“ folgen gleich drei von „Air“. Sie sind bei mir als Takes 9, 21 und 24 angegeben, wobei Take 24 wohl Take 29 ist, der letzte, der nach dem Master (Take 28, auf „The World of Cecil Taylor“) entstand. Die Mosaic-Box, oder eher: die Candid-Sessions von Taylor, öffneten auch mit „Air“, doch dieser erste veröffentlichte Take (Nr. 5), fehlt leider auf den CDs, die mir vorliegen. Nach Take 5 von „Air“ wurden wohl die zwei von „Number One“ eingespielt, dann folgte der einzige und damit Master-Take von „This Nearly Was Mine“ und dann Take 9 von „Air“, mit 17:30 der längste Take der ganzen Candid-Sessions (es folgten im Januar weitere, dazu im nächsten Post).

    Die drei Takes von „Air“ – Take 9 (17:30), Take 21 (11:24) und Take 24 bzw. wohl 29 (10:20) – am Stück zu hören bietet reichlich Gelegenheit, den frühen Archie Shepp zu hören, der stellenweise stark nach John Coltrane klingt, sich aber immer wieder frei spielt, den Ton aufrauht, kantige Linien spielt, die an Monk erinnern mögen (mit dem Coltrane allerdings, und das war im Herbst 1960 noch gar nicht so lange her, auch längere Zeit gespielt hat … wäre ja mal interessant, mehr darüber zu hören, welche Auftritte in der ganzen Entwicklung wichtig waren, ob z.B. Shepp damals im Five Spot war und Monk mit seinem mutmasslich besten Saxophonisten live hörte). Aber auch von Taylor und dem Trio hört man so einiges, wobei Neidlinger/Charles hier wieder ziemlich gut funktionieren, auch wenn sie von der Wucht von Shepp/Taylor in den langen Quartettpassagen jeweils am Anfang der Takes von „Air“ schon ziemlich an den Rand gedrängt und so phasenweise zu Statisten werden, die nicht viel mehr als Öl im Getriebe sind (wo aber manchmal etwas Sand ganz schön wäre). Konzise sind Shepps Soli nicht gerade, aber dass man davon einen Take auswählte und auf die LP packte, kann ich schon gut verstehen, denn attraktiv ist das schon – und wird immer dichter und intensiver. Neidlinger zitiert in seinen Liner Notes zu „The World of Cecil Taylor“ einen Freund, der zu „Air“ gesagt habe, das sei „controlled chaos“; aus der Zeit heraus passt das schon, ist aber auch ein deutliches Zeichen dafür, wie rasant die (Jazz-)Avantgarde sich in den unmittelbar folgenden Jahren entwickelt hat – mit Taylor als einer ihrer schärfsten Spitzen. Es wäre interessant gewesen, wenn die Zusammenarbeit sich noch etwas länger hingezogen hätte – man spielte zwar damals in „The Connection“ und die Musik kommt ja auch von dort – aber so eine Bühnengeschichte ist nicht mit einer längeren Konzerttätigkeit zu vergleichen, denke ich, man ist ja schon sehr viel vorgespurter in dem, was man zu tun hat, was man spielen soll).

    Den Abschluss macht dann Take 3 von „Port of Call“ – wie der als Take 2 angegebene Master Take sehr konzis und kompakt – und einmal mehr eine tolle Trio-Performance. Mich dünkt, wenn es weitschweifig wird und dabei auch etwas weiter ausgreifen darf, sind Charles und Neidlinger schon hier nicht mehr die idealen Partner … dass Taylor später öfter ohne Bass auftrat, zeigt aber vielleicht ein grundsätzliches Problem: Welcher Bassist kann schon mit dieser geballten Kraft mithalten? Und was soll der Bassist machen neben einem Pianisten, der das Klavier so vollständig spielt? Das mit dem durchgehenden Beat, dem „Stabilisator“ – was mehr oder minder die Rolle ist, die Neidlinger hier ausfüllt – wurde später ja sowieso hinfällig und wird da und dort schon hier fast hemmend, dünkt mich. Alan Silva und Henry Grimes (auf den Blue Note-Alben von 1966 gleich gemeinsam) in den Sechzigern sowie Sirone in den Siebzigern sind die nächsten Bassisten, die bei Taylor auftauchen, doch schon 1962 auf den bahnbrechenden Live-Aufnahmen aus Kopenhagen, tritt Taylor ohne Bass auf. Später gab es noch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit William Parker, doch auch da: das Duo mit Tony Oxley, ohne Bass, funktioniert wiederum mindestens so gut wie das Trio (und das sage ich jetzt ohne – oder mit stark geminderter – Abneigung gegen Parker, denn in diesem Trio schätze ich ihn so sehr wie nirgends sonst).

    Details zu den Sessions findet man hier (12. und 13. Oktober 1960):
    https://www.jazzdisco.org/candid-records/discography-1960/

    Weiter morgen mit den 1961er Candid- Sessions …

    --

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    Am 9. und 10. Januar fand Cecil Taylors Gruppe sich erneut im Studio in New York ein. Am ersten Tag war wieder die Kerngruppe dabei, also Buell Neidlinger am Bass, Dennis Charles und Billy Higgins am Schlagzeug sowie Archie Shepp am Tenorsaxophon. Nominell war damals wohl Buell Neidlinger der Bandleader, das Material erschien dann aber unter beider Namen, also Taylor/Neidlinger als Co-Leader, die zweite und dritte Lieferung später nur noch unter Taylors Namen. Ich bin auch nicht sicher, wie das Material erschienen ist, das erste von drei Alben mit Aufnahmen von den beiden Tagen ist New York City R & B – es kam möglicherweise vermutlich nicht 1961 heraus, bevor Nat Hentoff sein Label Candid wieder dichtmachte, sondern erst ein Jahrzehnt später (Wiki sagt 1961, RYM sagt 1961 aber bildet das Barnaby-Cover von 1972 dazu ab, bei Discogs gibt es erst einen Eintrag für die Barnaby-Ausgabe von 1972 …). Hentoff schreibt seine Liner Notes jedenfalls einerseits so, als sei er ganz nah an den Sessions dran, erwähnt aber auch, dass sie für Candid eingespielt wurden, aber noch nie zuvor veröffentlicht wurden (was für ein anderes Label, also Barnaby, spricht) und erwähnt am Ende auch, dass Taylor seither nicht mehr habe aufnehmen können (was bitte ist denn mit den beiden Blue Note-Alben?). Neidlinger, so berichtet Hentoff, spielte 1960-63 mit dem Houston Symphony Orchestra, stiess dann zum Center for Creatitve and Performing Arts an der Universität in Buffalo, kehrte als Free-Lancer nach New York zurück und spielte danach für drei Jahre beim Boston Symphony Orchestra. In Boston lehrte er auch am New England Conservatory of Music und spielte in einer Rock’n’Roll-Band (mit dem Namen „Luny Toons“)

    „O.P.“ öffnet mit einem feinen Bass-Intro, das allerdings wie der Rest von Neidlingers Spiel für meine Ohren nicht sehr viel mit Pettifords wunderbar melodiösem und agilem Spiel zu tun hat. Wenn ich für Neidlinger Vorbilder suchen muss, sind das eher Mingus und vielleicht Musiker wie George Tucker oder auch Wilbur Ware. Aber gut, Neidlinger wird in den Liner Notes auch zitiert, dass er das Stück in erster Linie geschrieben habe, damit Taylor mal einen zwölftaktigen Blues aufnimmt. Das Klavier ist zwar auf den einen Kanal verbannt, aber was Taylor hier spielt ist schon ziemlich phantastisch! Das Schlagzeug bleibt recht unaufdringlich, ist aber gut – die erwähnten Kesselpauken, die Higgins wohl im Studio vorfand und einsetzte, sind auch mal kurz zu hören.

    Von dieser ersten Session stammt auch das nächste Stück, „Cell Walk for Celeste“, das mit Shepp aufgenommen wurde, hier sitzt wieder Dennis Charles am Schlagzeug. Das Stück, so Hentoff in seinen Liner Notes, „represents, as Buell observes, the creative peak of that particular Cecil Taylor Quartet. They’d had a long run in the play, The Connection, and were accordingly very much ‚together‘. The piece itself, Buell goes on to emphasize, is an especially clear illustration of Cecil’s compositional abilities. ‚Listen,‘ he advises, ‚to how Cecil has actually orchestrated the work for piano, bass, drums, and tenor. This is not just a regular jazz chart. There are real parts for everyone. Cecil, as a matter of fact, taught the drum part by rote to Dennis Charles. They play in unison a lot on this piece, and at the time, Dennis didn’t read music.“

    Dass hier etwas besonderes geschieht, hört man vor allem in den ersten Minuten – da setzt sich die Musik tatsächlich erst aus dem Zusammenspiel der vier allmählich zusammen, baut sich auf. Irgendwann fällt die Gruppe dann in einen swingenden 4/4 und ab da sind es vor allem das Piano aber auch – grad im Zusammenspiel mit Taylor – das Schlagzeug von Charles, die für etwas Besonderes sorgen, einen Groove, Punktierungen, Akzente, wie man sie so noch nicht gehört hat. Shepps Solo ist ziemlich kohärent, er fällt da und dort in Klischees, zitiert fast mal einen Standard … das passt gut, ist dann aber doch wieder der konventionellste Teil des Ganzen. Im folgenden Klaviersolo wird die Form wieder stärker aufgebrochen, Taylor schleicht sich quasi von hinten an, leise, mit ein paar Kürzeln, die er zu repetieren und aufzuschichten beginnt, rasante Läufe, Stakkato-Riffs, auf die Charles anspringt, darunter ein konstantes Grummeln, stets in Bewegung, angetrieben auch vom Bass Neidlingers, der aber auch hier wieder die altbekannte Stabilisierungsrolle übernimmt, 4 to the bar fast ohne Ausnahme.

    „Cindy’s Main Mood“ ist das dritte Stück, wieder im Trio, wieder mit Higgins – die zwei Stücke mit Higgins, Remakes von Stücken, die schon mit Charles eingespielt wurden, entstanden wohl am zweiten Tag, während der All Star Session, von der dann das letzte Stück auf dem Album stammt. Neidlinger wird von Hentoff dahingehend zitiert, dass das Stück bei den Sessions improvisiert worden sei, eine Hommage an die Tänzerin Cynthia Clark. Das klingt jedenfalls – auch wenn es ein Remake einer Idee vom Vortag sein mag – tatsächlich ziemlich frei … und Higgins, den man hier unschwer erkennt, demonstriert auch sein Händchen für unkonventionelle Lösungen, sein Spiel passt wesentlich besser in den freieren Kontext, als es bei Charles der Fall ist (ich betreibe hier übrigens kein Charles-Bashing, nichts läge mir ferner, ich mag seine späteren Sachen enorm gerne, aber hier ist diese Musik ja erst im Entstehen und er war nun mal nicht der grosse Free Jazz-Schlagzeug-Pionier, da kursieren wohl nicht ganz ohne Grund andere Namen, z.B. der seines Nachfolgers bei Taylor, Sunny Murray, der ja ziemlich sicher bei den Oktober-Sessions schon dabei war, s.o.).

    Den Ausklang macht dann eine erste Kostprobe der All Stars, und zwar Mercer Ellingtons „Things Ain’t What They Used to Be“. Die Kerngruppe (Shepp, Neidlinger) mit Higgins am Schlagzeug wird erweitert um die Bläser Clark Terry (t), Roswell Rudd (tb), Steve Lacy (ss) und Charles Davis (bari). Im Thema spielt Shepp mit seinem ruppigen Tenor über die anderen – man denkt sofort an Ben Webster … dann folgt Taylor mit einem etwas ereignisarmen Solo, das aber die Stimmung recht gut einfängt. Shepp folgt dann wieder, Taylor wacht unter ihm immer mehr auf, spielt die seltsam geschichteten Akkorde, die man von ihm inzwischen kennt, die mich wie ich gestern schon schrieb mehr an Herbie Nichols denn an Monk erinnern … und ja, natürlich auch an Duke Ellington. Es gibt dann einen Solo-Reigen mit hübschen Beiträgen von Lacy, Rudd etc., doch das alles wirkt für meine Ohren ziemlich träge, der kollektiv improvisierte Abschluss soll wohl nochmal die Bezüge zum alten Jazz betonen (die Taylor beim Konzert in Newport selbst herausstreicht, in der Ansage, die zwischen dem Opener von Billy Strayhorn und dem folgenden Blues steht). Am Ende darf Shepp wieder über das Thema improvisieren, während Taylor es von unten mit gegenläufigen Rhythmen torpediert … die beiden Themendarbietungen sind hier wohl das beste.

    Mehr Material von den Candid-Sessions im Januar 1961 erschien in den Siebzigern und Achtzigern auf zwei weiteren Alben. Hier fehlt im Vergleich zur Mosaic-Box nichts, es gibt insgesamt 15 Takes von beiden Sessions. Jumpin‘ Punkins erschien zunächst in Japan und in den späten 80ern auch sonstwo und auf CD. Zu hören gibt es von den All Stars zum Auftakt Mercer Ellingtons Titelstück sowie zum Ausklang einen zweiten wohl späteren Take von „Things Ain’t What They Used to Be“. Dazwischen findet sich der erste Take von „O.P.“ (Trio mit Dennis Charls) und „I Forgot“ (Quartett mit Shepp) (und um die dokumentarische Misere zu verbessern, steht auf meiner UK-CD von 1989 „6. Januar“ … auf der ZYX-CD von „World of“ steht auch was von November statt Oktober 1960 – da haben sich eine Menge Leute wirklich Mühe gegeben, nichts richtig hinzubekommen und es hat geklappt).

    In „Jumpin‘ Punkins“ kriegt die Band den Ellington-Sound ziemlich gut hin, wobei Lacys Sopransax für eine spezielle Note sorgt (Johnny Hodges weigerte sich ja leider – anscheinend wegen ausbleibender Lohnerhöhung als „doubler“ – schon früh, bei Ellington auch Sopransax zu spielen) … Neidlinger sorgt mit einem Orgelpunkt für Spannung im Thema, der Groove ist lebendiger als in „Things“, Higgins wirkt animierter. Lacy spielt das erste Solo, die anderen Bläser begleiten ein wenig, die Rhythmusgruppe ist astrein hier – und gerade Neidlinger finde ich hier mal wieder richtig gut. Der Soloreigen geht weiter: Clark Terry (klar, der kommt auch hier bestens zurecht, er hatte ja auch ein feines Album mit Monk eingespielt) ist der nächste, sein Ton ist berührend, das Zusammenspiel mit den riffenden Bläsern besonders schön. Dann ist Higgins an der Reihe, auch bei ihm riffen die Bläser, was natürlich eine schöne Idee ist – und obendrein für eine Kohärenz sorgt, die bei „Things“ einfach nicht gegeben ist. Es folgt Taylor am Klavier, kurz und knackig, eigentlich mit einer einzigen Idee, aus der er ein tolles Solo macht. Davis folgt, leider nicht so schön aufgenommen; er ist bei mir irgendwie einer jener Musiker, bei dem ich mir – von den Ansätzen, die ich höre, vom Sound her – stets mehr erhoffe, als er dann liefert. Vermutlich habe ich ihn einfach noch nicht wirklich verstanden. Fein ist dann Roswell Rudds vokalisierendes Solo zum Abschluss, dem eine arrangierte Passage mit Drum-Breaks folgt, ein Choo-Choo-Shout-Chorus, die mit wilden Läufen Taylors über dem Ensemble zum Thema zurück führt. Schön.

    Ob man hier auch an die Mingus-Sessions dachte, das Zusammentreffen mit Roy Eldridge und Jo Jones? Dort finde ich die Ergebnisse wesentlich überzeugender, weil alle die Ärmel nach hinten rollen und loslegen, während bei dieser Taylor-Session vieles doch etwas zögerlich und verhalten wirkt. Besser ist dann „O.P.“ mit einem weiteren schönen Intro von Neidlinger. Dieser erste Take ist etwas kürzer und mit Charles vom Temperament her etwas anders, da rollt weniger, es wird fein punktiert, aber auch mal eine Bombe fallen gelassen mit der Bass-Drum, oder eine Salve trockener Snare-Schläge eingestreut. Da ist jedenfalls wieder das Trio, das zu diesem Zeitpunkt schon über vier Jahre immer wieder zusammengespielt hat, der Zauber der frühen Sessions ist hier nicht mehr da ist, die Musik der drei hat sich weiterentwickelt, war vielleicht allmählich am Ende angekommen – doch das ist toll!

    Das zweite neue Stück hier ist „I Forgot“, das mit einem schönen Solo Archie Shepps beginnt, nachdenklich und sehr getragen. Taylor begleitet frei, Neidlinger streicht den Bass, ein festes Metrum gibt es hier nicht, eine Rubato-Ballade von betörender Schönheit. Nach knapp vier Minuten Charles, alleine, ein paar leise Beckenschläge, dann nach einer halben Minute Taylor, grummelnd, auch ganz leise und behutsam, an die Stimmung anknüpfend, die Shepp aufgebaut hat. Dann wieder Charles und die Becken und schliesslich ein Ausklang mit zunächst gestrichenem, dann gezupftem Bass im Quartett. Ein bezaubernder Ausklang der langen ersten Session (von der die Trio- und Quartettstücke mit Charles sowie die zwei Shepp/Neidlinger-Duos – s.u. – stammen).

    Danach nochmal „Things Ain’t What They Used to Be“ hören, hm … doch an der Stelle passt das gar nicht so schlecht, dieser ebenfalls etwas kürzere Take wirkt auf mich auch fast etwas lebendiger. Terry zitiert „It Ain’t Necessarily So“, Taylor sorgt für eine tolle Begleitung, Neidlinger ist in seinem Solo leider nicht laut genug aufgenommen (aber Candid war ja nie für besonders guten Klang bekannt … oder war das einst bei den Original-LPs noch anders?), Rudd ist toll, eigentlich schade, dass Taylor kaum je mit Posaunisten gespielt hat.

    Die letzten Ladung Musik, die Taylor für Candid eingespielt hat, erschien auf dem Album Cell Walk for Celeste, benannt nach dem Stück, das Neidlinger oben als den Höhepunkt der Gruppe beschreibt. Zwei frühe Takes umrahmen zwei weitere von „Jumpin‘ Punkins“, zwei Takes vom Duo „Davis“ von Shepp/Neidlinger sowie ein letztes Stück des Quartetts, „Section C“.

    Los geht es mit dem ersten langen Take von „Cell Walk“, Shepp wirkt hier etwas unsicher, das ganze hat noch längst nicht die Präzision des Takes, der auf „NY City R & B“ erschien, doch ist es natürlich faszinierend, diesen Musikern zu lauschen, auch wenn sie – vom Leader abgesehen – streckenweise selbst noch nicht zu wissen scheinen, wohin die Reise gehen soll.

    Die Duos von Archie Shepp und Buell Neidlinger gefallen mir sehr gut, sie wirken entspannt und Shepp scheint weniger auf der Suche, er spielt einfach, seine Linien wachsen organisch, sein toller Ton kommt schön zur Geltung – welchem „Davis“ sie gewidmet sind, weiss man wohl nicht. „Section C“ ist die eine Quartett-Nummer vom zweiten Tag (Shepp, Neidlinger, Charles), rasches Tempo, dichte Akkorde, tolle, sehr strukturiert wirkende Begleitung von Charles … und auch hier scheint Shepp einfach mit dem Flow zu gehen und das kommt gut. Taylor spielt danach ein grossartiges Solo – wie übrigens auch schon auf dem ersten Take von „Cell Walk“ am Anfang der CD – seine Soli sind oft wirklich fast nicht zu fassen!

    Es folgen die zwei weiteren Takes von „Jumpin‘ Punkins“ – entweder fehlt einer in der Mosaic-Box (Takes 4 & 6) oder bei den Candid-CDs hat sich noch ein Fehler eingeschlichen (Takes 4, 5 & 6). Da sie alle zwischen 8:10 und 8:15 sind, ist das nicht so leicht zu sagen, am Computer vergleichen mag ich gerade nicht, aber gemäss der unten verlinkten Diskographie auf der EFI-Seite fehlt bei Mosaic der mittlere Take. Lacy ist im Solo in Take 4 humorvoll drauf, das ganze wirkt aber noch etwas rauher als später, die Takes halfen wohl für die Feinabstimmung der Gruppe. Am besten gefällt mir hier neben dem Trio in beiden Takes Roswell Rudd mit seinen Soli – das Fazit zu dieser All Star-Session ist denn auch kein wahnsinnig positives.

    Toll ist dann aber der weitere Take (Nr. 3) von „Cell Walk for Celeste“, mit dem die CD schliesst. Shepp spielt ein ziemlich tolles Solo, diskursiv, gut aufgebaut und schön mit der Begleitung sich verzahnend.

    CODA: Into the Hot, Impulse A-9, das zweite Album, zu dem Gil Evans sich bei Bob Thieles neuem Label verpflichtet hatte, das er aber nicht liefern wollte. Er gab sein Gesicht und seinen Namen, der durch die Alben mit Miles Davis inzwischen ziemlich bekannt war. Für Impulse hatte er davor das Meisterwerk „Out of the Cool“ eingespielt. Die eine Hälfte des Albums präsentiert drei Arrangements für grosse Besetzung von Johnny Carisi, der einst für „Birth of the Cool“ das Stück „Israel“ beigetragen hatte aber keine grosse Bekanntheit erlangen sollte, die andere Hälfte – die Stücke wechseln sich ab – ein Sextett von Cecil Taylor. Evans gab seinen Namen damit für eine gute Sache, aber das sollte für fünf Jahre Taylors letzte Studiosession bleiben, die wenigen Aufnahmen aus der Zwischenzeit entstanden bei Konzerten in Europa.

    Im Oktober 1961 fand Taylor sich also noch einmal in einem Studio in New York ein, mit ihm sein neuer Saxophonist Jimmy Lyons, der
    über Jahrzehnte zu seinem treuesten Begleiter und kongenialen Partner werden sollte, Archie Shepp am Tenor, Henry Grimes am Bass und Sunny Murray am Schlagzeug. Grimes sorgt für ein lebendigeres, druckvolleres Fundament als Neidlinger, was mit Murray sehr gut passt, der ja auf den beiden Stücken vom Vorjahr Neidlinger ziemlich an den Rand drängte. Wie die beiden hinter Taylor powern, wenn der im ersten Stück, „Bulbs“, sein Solo öffnet, ist klasse! Dann stossen die Saxophone dazu – und bald hören wir zum ersten Mal Jimmy Lyons, mit grossartigem, klarem Ton und rasanten, überraschenden Linien, die zu diesem Zeitpunkt noch tief im Bebop, tief in Charlie Parker verwurzelt waren. Wie Taylor ihn begleitet und Lyons in den Dialog mit dem Klavier tritt, ist aber hier schon klasse – auch wenn er direkt danach wieder ein paar Bebop-Klischees raushaut.

    Schon nach wenigen Minuten tritt hier eine Erkenntnis zutage: das ist die erste Session, bei der Taylor von Musikern umgeben ist, die sich völlig auf seine Musik einlassen können – das übertrifft alles, was er bis hierhin gemacht hat. Auch Archie Shepp wirkt gereift, wenn er seine Linien bellt, die Töne mal streichelt, dann wieder ruppig, fast holzschnittartig loslegt. Das alles hat eine Schärfe, die es zuvor nur im Klavierspiel des Leaders gab, ohne dass sie sich vollends auf die Band übertrage hätte. Auch Ideen wie die Bläser-Fanfaren im Thema von „Bulbs“ sind neu, das Kontinuum wird weiter aufgebrochen, die einzelnen Teile werden neu zusammengesetzt und zu etwas völlig eigenem umgeformt – und da ist, gerade in „Bulbs“, auch reichlich Platz für den geliebten R & B (siehe Stevie Wonder oben – das alles darf eigentlich nicht weiter überraschen, auch wenn es doch nur selten auf der Hand liegt).

    „Pots“ ist ein rasantes Stück, das etwas konventionell beginnt, aber schon im Thema wieder aufgebrochen wird: Rubato, Arco-Bass, kein festes Metrum, wechselnde Tempi … Lyons ist einmal mehr der erste Solist, Murray legt einen zickigen, asymmetrischen Swing drunter, Grimes grummelt herum, baut ein solides Fundament, das aber nie ganz fassbar wird, sich immer wieder entzieht und dadurch etwas rätselhaft wirkt. Taylor folgt mit einem tollen Solo, das vor der neuen Rhythmusgruppe nochmal an Dringlichkeit gewinnt, den Abschluss macht dann Archie Shepp.

    Das längste Stück der Session ist das zehnminütige „Mixed“, auf dem die Grupp eum Ted Curson (t) und Roswell Rudd (tb) erweitert wird – auch sie hatten schon mit Taylor aufgenommen, neu sind hier nur Lyons und Grimes – und doch ist alles anders. Das lange Stück ist eine bittersüsse Mediation über die Liebe, ein Versuch, Gefühle einzufangen, die Taylor damals im Rahmen einer Beziehung durchlebte. Curson tritt als erster in den Vordergrund, sein Ton geschärft und spitzer als zwei Jahre zuvor. Es folgt eine Art Choral mit den Saxophonen, dem Klavier und gestrichenem Bass, und nach nicht ganz drei Minuten taucht ein kreisendes Motiv auf, das zum Thema wird, die Bläser und der Bass repetieren es gemeinsam immer wieder, von der Taylor und Murray angetrieben. Daraus entwickeln sich dann die Soli. Hinter Lyons begleitet auch Rudd, Grimes bleibt am Bogen und oft in höheren Lagen, denn Taylors Linke und Murrays Bass-Drum decken die tiefen Frequenzen schon ganz gut ab. Dann Curson mit Dämpfer über Shepp und Taylor, ein dichtes Gewebe ist das, in dem die Stimmen kommen und gehen und tatsächlich etwas Gemeinsames geschaffen wird, das über das Nebeneinanderherspielen des traditionellen Jazz weit hinausgeht. Die Musik kommt in Schüben, Murray scheint dauernd zu beschleunigen und zu verlangsamen, hinter Taylor repetieren die Bläser wieder das Themen-Motiv. Zurück ins langsame Tempo – wobei das alles wirklich nahtlos übergeht, ohne Bruch. Klagendes Altsax, sirrender Bass, dann noch einmal Shepp und zum Ausklang schliesslich wieder Cursons Trompete. Toll.

    In den späten 90ern erschien die Taylor-Session zusammen mit dem Impulse-Album von Roswell Rudd auf der CD Mixed (GRP/Universal, 1998), da hörte ich sie erstmals, eine meiner ersten Aufnahmen von Taylor, neben dem Blue Note Twofer mit „Jazz Advance“ und „Love for Sale“, den ich mir damals von einem Bekannten auf Kassette überspielen durfte.

    Diskographisches:
    http://www.efi.group.shef.ac.uk/mtaylors.html
    https://www.jazzdisco.org/candid-records/discography-1961/
    https://www.discogs.com/Cecil-Taylor-And-Buell-Neidlinger-The-Complete-Candid-Recordings-Of-Cecil-Taylor-And-Buell-Neidlinge/release/2955016

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    Am 23. Oktober 1962 wurde Cecil Taylor im Rahmen seines längeren Engagement im Jazzhus Montmartre in Kopenhagen live mitgeschnitten. Vier Stücke erschienen im folgenden Jahr auf der (dänischen) Debut-LP Live at the Cafe Montmartre, in den USA brachte Fantasy die Platte 1964 ebenfalls heraus. 1965 folgte ein Nachschlag, Nefertiti, the Beautiful One Has Come, erneut in Dänemark bei Debut erschienen (später international auch unter dem Titel „What’s New“ auf Freedom). 1976 brachte Freedom das Material auf einer Doppel-LP heraus und wählte den Titel Nefertiti, the Beautiful One Has Come. 1994 wuchs die Aufnahme um zwei weitere Stücke an, als sie in Japan auf zwei CDs erneut herauskam (in Deutschland gab es 1996 eine Black Lion-CD, „Trance“, mit den vier LP-Tracks sowie einem alternate Take von „Call“ als Bonus).

    Die zehn Tracks erschienen 1997 in den USA auf einer Doppel-CD, wieder mit dem „Nefertiti“-Titel, bei John Faheys Label Revenant (wobei nur die 8 Tracks, die auf der Freedom Doppel-LP waren auf der Hülle angegeben werden, die zwei Bonustracks wurden mit jeweils einer Minute Stille abgetrennt, keine Ahnung warum – der auf CD 1 ist der, den man bei Black Lion auch kriegte). Die steht hier seit knapp 15 Jahren im Regal und ist wohl die Taylor-Scheibe, die ich auf die Insel mitnehmen würde.

    Jimmy Lyons – as; Cecil Taylor – p; Sunny Murray – d

    1. Trance 9:12
    2. Call 9:00
    3. Lena 6:58
    4. D Trad That’s What 21:26
    5. (Unrecorded Silence) 1:02
    6. Call (Second Version) 6:37

    1. What’s New (Haggart-Burke) 12:10
    2. Nefertiti, The Beautiful One Has Come 9:10
    3. Lena (Second Version) 14:22
    4. Nefertiti, The Beautiful One Has Come (Second Version) 8:00
    5. (Unrecorded Silence) 1:02
    6. D Trad That’s What (Second Version) 20:08

    Alle Stücke stammen von Cecil Taylor, ausser der einer Standard, „What’s New“ – schon in „Trance“ wird klar, dass hier ein neues Kapitel des Jazz beginnt. Lyons hat sich von Parker inzwischen entfernt, seine Linien sind immer noch von grösster Klarheit, da sitzt jeder Ton, jede Phrasierung, jeder Hook. Taylors Spiel kennt man inzwischen schon, er kann von ganz zart („Call“) bis zu fuchsteufelswild alles, er kann Cluster und Akkorde, er kann losstürmen, dass alle Extremitäten sich mitbewegen wollen, er kann vor den Kopf stossen, dann wieder die unglaublichsten Linien hinaushauen (und sich darin mit Lyons finden). Murray löst das feste Metrum auf, wie es bis dahin kein Drummer getan hat – und doch swingt sein Spiel oft hart, es hat einen inneren Drive, der dann über sich selber zu stolpern scheint, sich – und die beiden Mitmusiker – unterbricht, als solle es nicht zu behaglich werden. Doch in der Hinsicht braucht man gar nichts zu befürchten, das ist Musik, bei der ich auch nach all den Jahren noch auf der Stuhlkante sitze, Musik, bei der mir öfter der Mund offen stehen bleibt. Vergleichen kann man das vielleicht mit den allerersten Bebop-Sessions von Parker und Gillespie (zum Beispiel dem Town Hall-Konzert von 1945 auf Uptown) – es liegt etwas in der Luft, die Spannung ist gigantisch, und sie entlädt sich fortwährend in einer Kreativität, die in alle Richtungen drängt und alles elektrisch aufzuladen scheint. Es wirkt, als werde hier etwas entfesselt, das davor zwar irgendwie da war, aber sich nie wirklich frei bewegen konnte – Musik der Katharsis.

    2002 brachte Revenant „Nefertiti, the Beautiful One Has Come“, auch auf Vinyl heraus, seither (CD 1997, LP 2002) gab es die Aufnahmen vollständig nur noch in Piraten-Ausgaben (bei Doxy auf Vinyl ist man wieder auf 8 Tracks zurück, bei Solar hat man dafür noch das Bootleg aus dem Gyllen Cirkeln in Stockholm im Quartett mit dem Bassisten Kurt Lindgren draufgepackt, inklusive eines Bonustracks … die zwei knapp viertelstündigen Tracks gab es davor schon auf einem italienischen Bootleg, ich kenne sie bisher nicht).

    Revenant brachte im Rahmen der grossen, Albert Ayler gewidmeten Box Holy Ghost noch einen dreiundzwanzigminütigen Track aus dem Montmartre heraus, ein paar Tage früher aufgenommen mit Ayler am Tenorsaxophon – das „missing link“, wie Mats Gustafsson anscheinend sagte – ich hole das hier mal aus dem Ayler-Thread rüber:

    Historically speaking, this 23-minute performance is the first recording from anywhere in the jazz spectrum of a long-form improvisation with no overt synchronization – of time, structural harmony, or song. That may seem merely statistical, but while the fact is an important milestone, the real story is that Taylor-Lyons-Murray + Ayler could play in an artistically meaningful free space with such balance and fluidity. „Four“ is, as tenor saxophonist Mats Gustafsson has put it, the missing link.

    ~ Ben Young, The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 140

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    Ich kann gerade nicht mit Taylor aufhören, obwohl die Montmartre-Aufnahmen mich gerade ordentlich durchgeschüttelt haben … als Kontrast jetzt auch wieder solo … nach „Praxis“ gestern nun Indent, live am Antioch College in Yellow Springs, Ohio, im März 1973. Hier spielt Taylor vier Stücke bzw. Teile, sie sind zwischen vier und 17 Minuten lang, im Booklet der CD-Ausgabe gibt es einige Zeilen rätselhafter Lyrik, sonst nichts – keine Ahnung, ob hier auch kürzend eingegriffen werden musste, um die Musik ins Format zu pressen.

    Das Konzert vom Open Air Festival auf Schloss Moosham im Sommer 1976 liegt dann auch noch bereit, Air Above Mountains – hier dauert der erste Teil 44 Minuten, der zweite knapp 32, zumal auf der CD von 2002, die den Auftritt komplett dokumentiert.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10449673  | PERMALINK

    vorgarten

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    ich weiß, sowas liest hier keiner, aber ich fand diese verbindung dann doch recht interessant:

    kaja drekslers master-arbeit über cecil taylor (2013), betreut von vijay iyer. sie verwendet den begriff „behaviors“ für verschiedene spielansätze in taylors improvisationen.

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    #10449729  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Draksler … seit Monaten gespeichert aber noch nicht gelesen.

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    #10449805  | PERMALINK

    Anonym
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    Doch, ich lese so etwas – danke für den Link! „Diedere“ von Purcell, das ist fast schon lieb in seiner Aufregung. Und Ligeti, klar, da sind die Zusammenschiebungen.

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    #10449847  | PERMALINK

    soulpope
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    vorgartenich weiß, sowas liest hier keiner, aber ich fand diese verbindung dann doch recht interessant: kaja drekslers master-arbeit über cecil taylor (2013), betreut von vijay iyer. sie verwendet den begriff „behaviors“ für verschiedene spielansätze in taylors improvisationen.

    Dank für den Lesehinweis … „“Measurement of sound is its silences. Acknowledging silence is definition in absence.” …. das sitzt ….

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    #10453239  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Steve Lacy

    „Really though, there wasn’t much goin‘ on last night that Cecil Taylor wasn’t into fifteen years ago. He’s really been the secret leader of the whole New York jazz scene for fifteen years – the unacknowledged shaper of where it goes and what it does. Long before Coleman hit town. Powerful as Ornette was, Cecil was already making earthquakes and tornadoes and cyclones, but there were only a few people who listened to it, much less dare to play that adventurously. There were a very few who, like myself, were innocent enough to play that way without being self-conscious about it. […]“
    „What specifically was Cecil Taylor doing that far back that is happening collectively now?“
    „He was doing far more than is happening now, to my taste. He did it as an entity, and the elements are hard to discuss apart from the whole thing. He was way ahead – his music was more of everything than I find now – it was more dolorous and more frantic, and more beautiful and more ugly, and it was more alive – that’s what it was, really – more alive. That music was really supercharged. Of course what he’s playing now is wonderful too – he’s just, you know, a ‚champ.‘ That record he did with Gil Evans is something special: Into the Hot. The three pieces by Cecil, Pots, Bulbs, and Mixed, are the best examples of his writing on record, and he’s a great composer like Monk and some others.

    (April 12, 1965)

    (aus: Garth W. Caylor Jr., Nineteen+. Conversations with Jazz Musicians, New York City 1964 1965, kein Verlag, New York, 2014, S. 122f.)

    Lacy erzählt dann noch vom Konzert in der Town Hall, wohl im März 1965, und dass er mit der Fantasy-Platte („At Café Montmartre“, die zweite kannte er wohl noch nicht, ich weiss nicht, wann genau 1965 sie in den USA erschien) weniger gut klar komme, dass er Sunny Murray’s Schlagzeug nicht verstehe. Interessant wäre es natürlich, zu hören, ob er die 1966er-Alben auch nicht als wesentlichen Fortschritt nach der Impulse-Session erkennt oder schon …
     

    Archie Shepp

    „What happened to Earl Griffith since he made the record with Cecil Taylor?“
    „He died. The American disease, man.“
    „Is that it, is that what all these people die of?“
    „America. Yeah. America, that’s what they die of. All right, so maybe it’s mistreatment by America, or maybe you call it dope or getting shot in a room with a whore, yeah. It’s all a part of the American scene. I don’t think it’s accidental, I mean I think it has to do with classes, classes of people suffering.“

    […]

    „And I know very few real sentimentalists who are not in love, I mean who are nostalgic and shed tears – you’re in love when you do that. That’s not the only kind of love however, because you can be in love and be like Cecil – much of Cecil’s statement is a harsh one, no – Cecil’s not a good example because he’s too complete. He’s the giant of American music and contemporary music – forget Stockhausen an Lukas Foss, forget them cats.
    „Jazz is a title which has been used to keep music in a category which calls to mind a whole station of life and race of people. Cecil is the cat who – well, I think of Cecil as the exact opposite of Ornette – he knows and understands the middle class ethic, and in that sense is close to LeRoi Jones; and Ornette doesn’t understand that experience, so it is not as valuable to him. All of which is a statement of where they’re both at. Either music is valid, and I must be closer to Ornette in form, I’m probably an extension of Ornette. Cecil is the most profound musician today, I have to talk about him without reservation.“

    (June 25, 1965)

    (aus: Garth W. Caylor Jr., Nineteen+. Conversations with Jazz Musicians, New York City 1964 1965, kein Verlag, New York, 2014, S. 122f.)
     

    Chris White

    Cecil was forced to work in places where he should’t have had to work. And it wasn’t because nobody recognised his genius, it was because Black genius isn’t recognised – period, in this country. I hate to break it down that simple, but I played a lot of gigs with Cecil where then I know Cecil didn’t belong. I knew that then and Cecil knew it, and that’s what got Cecil. And he wasn’t making any money, either. So when he stopped playing those places, he was forced to take other jobs to survive.

    (aus: Val Wilmer, As Serious as Your Life. John Coltrane and Beyond, London, 1977, S. 46; White spielte zwischen 1954 und 1960 öfter mit Taylor – auf dem 1975er Blue Note-Reissue der Alben „Jazz Advance“ und „Love for Sale“ wurde er als Bassist des zweiten Albums angegeben, keine Ahnung, woher der Fehler rührte, Wilmer folgt dieser Angabe in der Fussnote)
     

    Sunny Murray

    ‚Working with Cecil Taylor was the worst thing that ever happened to me,‘ declared Sunny Murray, standing outside the packed Five Spot [bei den Auftritten des Taylor Trios 1975 wohl, die Wilmer auf der Seite davor erwähnt]. Murray’s free approach to percussion blossomed in the Taylor trio of the early ’sixties when they shared the Five Spot bandstand on several occasions, but now, unable to find work with his own group, he could hardly conceal his bitterness. The coupling of his name with someone as ‚far-out‘ as Taylor was somehow, he reasoned, responsible for his own unjust neglect. ‚I became stereotyped in that role and no one wanted to hear me play. I was a good bebop drummer before Cecil. Really – I should have stayed with that.‘

    (aus: Val Wilmer, As Serious as Your Life. John Coltrane and Beyond, London, 1977, S. 47)
     

    Dennis Charles

    What turned me on to Cecil at first was that he had so much energy. After playing with him for a while I was sort of in a fog. It was so much, it was too much. I never heard anything like that before, and after a while I didn’t like it no more. I wouldn’t know what to do, it was just over my head. The first couple of weeks, I thought Cecil was really crazy. After I started going to his house, we played a few places and I’d listen to what he was doing or some tunes he would write, and, and I would say to myself, „This cat’s got to be crazy.“ I mean it was so much.

    (aus: Val Wilmer, As Serious as Your Life. John Coltrane and Beyond, London, 1977, S. 54)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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