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Der 28. Blindfoldtest möge starten!
Durch @vorgarten angeregt, habe ich einen BFT zusammengestellt, der ganz dem Hard Bop gewidmet ist. Statistisch gesehen ist die meiste Musik, die zusammengekommen ist, aus den frühen Sechzigern, doch los geht es schon fast ein Jahrzehnt davor, und der späteste Track entstand 14 Jahre nach dem frühesten. Die Musik umspannt damit die grosse, die grösste Zeit des sogenannten Modern Jazz. Diese Musik begleitet mich seit 25 Jahren und ist mir über all die Jahre immer wichtig geblieben, sie ist so etwas wie das Zentrum meiner Hörbiographie und wird es auch bleiben, obwohl es Phasen gab, in denen ich den klassischen Hard Bop fast schon verschmähte – ich tentiere inzwischen zu einem freieren Umgang mit dem Begriff, also ungefähr von der Bud Powell’s Modernist Session von 1949 auf Blue Note als Beginn bis hin zum frühen Cecil Taylor, zu Eric Dolphy, zu Coltrane bis Mitte 1965 … hier geht es aber orthodoxer zu, das half bei der Auswahl und soll dem ganzen auch einen einheitlichen Flow geben.
Bläser sind in der Überzahl, denn Klaviertrios sind im Hard Bop nicht weit verbreitet und die entsprechenden Alben wären zu einfach herauszukriegen, befürchtete ich. Ein paar Piano-Tracks und auch etwas Orgel Jazz gibt es aber zwischendurch, auch einige Balladen. Die grossen Namen des Hard Bop – Horace Silver, Art Blakey usw. – und die grossen Blue Note-Platten werdet ihr hier aber nicht finden.
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Es gibt 19 Tracks, knapp 95 Minuten.
Man kann die letzten vier als Bonustracks betrachten und kommentieren oder auch nicht – sie sind alle viel zu einfach herauszukriegen, befürchte ich, aber ich wollte sie doch noch beigeben, um das Bild abzurunden, ein paar Leute mehr drin zu haben …
Der Link ging vorhin raus, falls ich jemanden vergessen habe oder sonst jemand Lust hat, mitzumachen, bitte per PN bei mir melden!
Ich freue mich über jede Rückmeldung und werde ab Freitag versuchen, hier auch zeitnah zu antworten, wenn ich von meiner kleinen Reise nach Willisau und Luzern zurück bin.Ich freue mich auf Eure Kommentare!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deZum 60. Geburtstag von Eddie Vedder: Sänger für die Verlorenen
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WerbungHallo gypsy,
ich habe den BFT jetzt ein-zwei mal gehört, wenn auch zugegeben nicht besonders konzentriert. Ging mit gut ins Ohr. Das Konzept des thematischen BFT gefällt mir sowieso. Ich finde aber auch, dass Du Hard Bop hier durchaus etwas locker auslegst, einiges scheint mir zu beboppen, anders zu swingen, ist cool oder bewegt sich in anderen Grenzbereichen. Und das von @vorgarten provokant behauptete Muster Thema-Solo-Solo-Solo-etc.ff-Thema wird hier auch nicht stur angewendet. Höre hier teils raffinierte Arrangements, spannende Wendungen – und natürlich auch individuelle Stimmen. Das gefällt mir gut!
Habe aber nichts erkannt und werde mich damit auch schwer tun aber in den nächsten Tagen ausführlichere Kommentare schreiben.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)friedrichHallo gypsy,
das von vorgarten provokant behauptete Muster Thema-Solo-Solo-Solo-etc.ff-Thema wird hier auch nicht stur angewendet.moooment – die these „jazz heißt: jeder spielt sein solo und das ist langweilig“ stammt von dir. ich zitiere mal schnell aus einem kommentar von dir zu einem stück aus dem letzten bft:
dafür ist es zur sehr „Jazz“. Und das ist auch gleichzeitig mein Problem mit diesem Track: Jeder kriegt sein obligatorisches Solo – ach ja, natürlich auch der drummer und der Bass. Ich mag diesen Ablauf einfach nicht mehr hören, schon gar nicht, wenn sich die Soli so weit vom Ursprung / dem Thema entfernen. Ich höre einzelne Teile diese Stücks gerne, aber in meinen Ohren zerfällt das mehr und mehr und ergibt für mich weniger als die Summe seiner Teile. Sorry, das ist wohl mein eigenes Problem, aber es ist so.
ich habe den aktuellen bft schon zweimal durchgehört, komme aber erst anfang nächster woche zum ausführlichen kommentieren. ich bin sehr froh, @gypsy-tail-wind auf die idee gebracht zu haben. ich erkenne nichts, habe 2,5 stücke vielleicht schon mal gehört, eine melodie hier, ein thema dort, vielleicht einen ton. in den engen gerüsten ein großer reichtum von variationen, spannungen, frequenzen, haltungen. da will ganz viel vertieft werden, und manches will wohl auch gar nicht viel. aber wie höre ich das jetzt? achte ich auf schlüssigkeit des spiels, auf dramaturgie, auf strahlkraft, auf virtuosität, auf die spannung zwischen thema und soloteilen? manches swingt ungeheuerlich, manches eher auf kantige weise, manches kaum. nichts ist wirklich schlecht oder so richtig langweilig, auch nicht in dieser ballung. verrückt, wie sehr das alles schon abstrakte musik ist, weit weg vom blues, von call & response, obwohl das immer wieder durchscheint und angespielt wird. das schluchzen, der schrei, das luftholen, übers-ziel-hinaus-schießen und im zu-viel-wagen-eingehen ist hier (noch) nicht so angesagt. eine erste idee habe ich, worauf ich achten könnte: den überschuss, das, was über das funktionale hinausgeht. irgendwie arbeitet jede einzelne aufnahme sich anders daran ab, etwas zu produzieren, was über das einlösen von erwartungen und die wiederholung von formeln hinausgeht. und ganz besonders dankbar bin ich für #13 – allein, um das zu entdecken, hat sich die teilnahme hier schon gelohnt.
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vorgarten
friedrichHallo gypsy,
das von vorgarten provokant behauptete Muster Thema-Solo-Solo-Solo-etc.ff-Thema wird hier auch nicht stur angewendet.moooment – die these „jazz heißt: jeder spielt sein solo und das ist langweilig“ stammt von dir. ich zitiere mal schnell aus einem kommentar von dir zu einem stück aus dem letzten bft:
dafür ist es zur sehr „Jazz“. Und das ist auch gleichzeitig mein Problem mit diesem Track: Jeder kriegt sein obligatorisches Solo – ach ja, natürlich auch der drummer und der Bass. Ich mag diesen Ablauf einfach nicht mehr hören, schon gar nicht, wenn sich die Soli so weit vom Ursprung / dem Thema entfernen. Ich höre einzelne Teile diese Stücks gerne, aber in meinen Ohren zerfällt das mehr und mehr und ergibt für mich weniger als die Summe seiner Teile. Sorry, das ist wohl mein eigenes Problem, aber es ist so.
Dieses „Moooment“ spiele ich hier gerne an Dich zurück, @vorgarten, und trete auch umgehend die Gegenargumentation an.
Aus dem BFT Planung Thread:
vorgarten
gypsy-tail-windich hab schon ein halbes Dutzend mögliche Tracks beisammen
dachte ich mir denk aber bitte an friedrich und mach keine 3×100 minuten daraus. falls er überhaupt lust darauf hat: hardbop ist ja thema-solo-solo-solo-thema, davon hat er sich ja letztens deutlich distanziert (wenn johnny hodges das wüsste…)
Ich musste selbst erstmal nachdenken, wer das so gesagt hatte. Ich selbst hatte mich mit meiner Aussage ursprünglich auf ein ganz spezielles Stück bezogen, gegen den in meinen Ohren dort stereotypen Ablauf gestänkert und ähnliche Muster bei anderen Stücken behauptet. Aber keineswegs habe ich eine ganze Stilrichtung in Sippenhaft genommen, auch nicht Hard Bop. Die vereinfachende Zuspitzung kam in diesem Falle von Dir. Ich wage, Dir die Absicht einer gezielten polemischen Provokation zu unterstellen. Und hat ja auch funktioniert.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)@vorgarten Oh, Nr. 13 … ist leider wohl doe einzige derart bezaubernde auf dem Album. Ich schreibe noch besser nicht mehr dazu bis Deine ausführlichen Kommentare da sind – freu mich darauf!
@friedrich Swing (Stil) und Swing (rhythmisches Charakteristikum) ist ja nicht dasselbe … Jazz beginnt teils ja schon ein Jahrzehnt vor der Swing-Ära ziemlich zu swingend (Louis Armstrongs Soli … aber die Bands eher nicht, da würde ich eher von Rumpeln sprechen ) und teils finde ich kanm man durchaus auch im Free Jazz noch Reste oder Ableitungen/Fortführungen des rhythmischen Kozepts des Swing hören – und spüren. Und um dieses Spüren geht es ja auch vor allem, denn notieren lässt sich das nicht (und Erklärungen in Worten würden rasch Rufe von „Akademikerkacke“ und „Intelelloscheisse“ einbringen )
Aber bitte schreib dazu, welche Tracks Dir nach Swing (Ära/Stil) bzw. Bebop klingen. Das ist ja alles ein Kontinuum, und wie erwähnt bin ich für eine inklusive, d.h. umfassende, breite Definition von Hard Bop: los geht es eigentlich 1949 mit einer Bud Powell-Session, der ganze Monk ist für mich Hard Bop, er kam quasi vom Seing in den Hard Bop – und prägte dabei den Bebop, ohne ihn selber wirklich zu spielen (steile These, ich weiss, aber er ist eh ein Monolith). „Out to Lunch“ und „A Love Supreme“ sind dann auch Hard Bop, Andrew Hill sowieso … wenn man z.B. mit „Kind of Blue“ eine Epochenwende konstruieren will, führt das rasch zu einer unsinnigen Zerstückelung.
Zudem hast Du den Soul Jazz vergessen … die Abgrenzung ist irgendwie sinnvoll: weil der Soul Jazz (auch) aus dem Rhythm and Blues kommt und damit parallel zum Bebop entwickelte Wurzeln hat … aber die Abgrenzung ist natürlich noch vertrackter: Jimmy Smith=Bebop bzw. Hard Bop, Jimmy McGriff=Soul Jazz? Gene Ammons=Soul Jazz, aber was mit Griffin /Ammons? Wss mit Sonny Stitt(=Bebop)/Ammons?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbafriedrichAber keineswegs habe ich eine ganze Stilrichtung in Sippenhaft genommen, auch nicht Hard Bop.
aber dann „jazz“, in anführungsstrichen? da haben wir wohl beide etwas unproduktiv zugespitzt
tatsächlich geht es mir bei diesem bft manchmal so, dass ich auf ein solo (des pianisten z.b.) warte, und das kommt dann gar nicht…--
Ist schon klar, dass Swing als Stil und Swing als Eigenschaft etwa unterschiedliches sind und die Übergänge von Swing to Bebop to Hard Bop to Soul Jazz fließend. Beim Querhören des BFTs ging es mir so, dass ich ohne die vorherige thematische Ansage „Hard Bop“, das aber von mir aus nicht immer zwingend dort einsortiert hätte, dazu ist es in meinen Ohren formal zu weit gespreizt. Ich sehe das aber auch durchaus positiv.
Einzelheiten später.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)vorgarten
friedrichAber keineswegs habe ich eine ganze Stilrichtung in Sippenhaft genommen, auch nicht Hard Bop.
aber dann „jazz“, in anführungsstrichen? da haben wir wohl beide etwas unproduktiv zugespitzt
tatsächlich geht es mir bei diesem bft manchmal so, dass ich auf ein solo (des pianisten z.b.) warte, und das kommt dann gar nicht…Ja, der „Jazz“ in Anführungsstrichen, der war natürlich ein Rundumschlag der gröbsten Kategorie. Aber immerhin habe ich die Anführungsstriche gesetzt … Und so eine Aussage kann ich aus meinem Munde ja nicht mal selber ernst nehmen. Immerhin höre ich Johnny Hodges! Und gehe zu Sun Ra!
Die Zuspitzungen fand ich aber durchaus produktiv.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Was heisst denn „“Jazz““ überhaupt? Das, was die Leute so für Jazz halten (Kenny G – der spielt ja nie ein Solo), das was Friedrich nicht für Jazz hält? Anführungszeichen und Ironie sind einer ernsthaften Diskussion nicht sehr dienlich – es sei denn, es folgt dann wirklich noch etwas Substantielles, auf dessen Basis man überhaupt diskutieren kann. Ich verstehe nicht ganz (bwz. schon, es ging ja schon vorher um Hard Bop, aber unten steht auch gleich noch einmal, warum das auch schon vorher alles nicht stimmte), warum das alles jetzt wieder kommt, wo wir uns am Schluss eh wieder einigen werden? Schnelldenken und damit die ganze Diskussion finde ich persönlich nach wie vor unergiebig und nicht konstruktiv.
Es ist nicht einfach so, dass die Dinge zusammenhängen, sondern es ist ganz spezifisch so, dass der Hard Bop sich aus dem Bebop entwickelte, dass er sich gerade dadurch abgrenzt, dass dem Arrangement und dem Gruppensound mehr Gewicht gegeben wurde (im Vergleich mit Big Band-Arrangements oder manchen ausgeklügelten West Coast- und/oder Cool Jazz [1]-Stück natürlich immer noch recht wenig). Beim Bebop ist es das Unisono-Spiel der Frontline (in der Regel t/sax), das das „Zusammen“ signalisiert, die Abgrenzung zwischen drin und draussen, dabei und nicht dabei zieht, sehr demonstrativ und mit den verkapselten komplexen Linien, die dann auch noch eng mit den Drums verzahnt werden (man achte bei beliebigen Parker Quintett-Sessions mit Roach darauf, wie dieser die Phrasen Parkers beendet, die Pausen füllt, in denen dieser atmet) und natürlich vom Klavier gefüttert werden, während der Bass eigentlich auch draussen bleibt und für den steady beat sorgt, den die Drums schon mal etwas aus dem Fokus verlieren ob all der bombs, die sie zu droppen haben.
Im Hard Bop nun geht es weniger um die Enge der Bläser (die auch wieder öfter zu dritt antreten – gab es im Bebop fast nur J.J. Johnson an der Posaune, sind es jetzt wieder mehrere Musiker, die prominent auftauchen, Johnson ist immer noch dabei, aber auch Curtis Fuller, Julian Priester, der Swing/R&B-geprägte Bennie Green und andere gewinnen ein wenig Prominenz), dafür wird das dichte Zusammenspiel der ganzen Band umso wichtiger. Man nehme die Jazz Messengers von 1954, da hat jeder seinen Platz gefunden, auch der Bass ist jetzt stärker eingebunden (Doug Watkins ist vielleicht der grösste der Hard Bop-Bassisten, auch wenn er in Paul Chambers‘ Schatten stand, sein Time, sein Ton, seine Phrasierung – eigentlich alles eine Spur oder zwei besser als bei Chambers, der natürlich auch sehr toll ist). Jetzt geht es um die Pose, die Haltung – und im „Zusammen“ des Hard Bop, so dünkt mich, ist eben, und das ist ganz zentral, auch Platz für das Publikum. Hard Bop ist in diesem Sinn eine nach aussen greifende, inklusive Musik, die sich öffnet, die auch die letzte Phase startet, in der der Jazz noch so etwas wie Mainstream-Musik war (was er wohl erstmals in der Swing-Ära geworden war, als dann auch irgendwann die Grenzen zwischen Sweet und Hot etwas verschwammen, Benny Goodman und Artie Shaw die Rassengrenzen zu ignorieren begannen und Musiker sowie Arrangeure an Bord holten, die „schwarze“ Elemente in die Musik der grossen Bands brachten … nebenher machten natürlich Basie, Ellington, Lunceford, Chick Webb, Benny Carter und diverse andere ihr Ding, das in aller Regel weiterhin deutlich besser war, als was die weissen Bands zustanden brachten).
Im Hard Bop also gab es Platz für Bebopper wie Barry Harris (der auf Riverside eine ganze Reihe von Alben einspielte), es gab Platz für die Orgel, für Gospel- und Spiritual-Einflüsse, der Blues war weiterhin (wie im Bebop, wo er aber oft etwas verschleierter daher kam, wobei Charlie Parker natürlich ein grossartiger Blues-Musiker war, ganz wie John Coltrane) wichtig, drang auch mehr in den Vordergrund, mit Horace Silver und den Messengers wurde ein erdiger, bluesiger Sound prominent, der das „Zusammen“ des älteren Jazz mit der Abstraktion des Bop verband („The Preacher“) … die Trennlinie verlief jetzt aber eben nicht mehr am Bühnenrand sondern viel weiter aussen. Hard Bop fand den Weg in die Jukeboxen, Blue Note und andere stellten bis in die Sechzigerjahre hinein Singles her. Kommerziell war das alles sicherlich nicht mehr annähernd so lukrativ wie bis zum Kriegseintritt der USA, die Zeiten hatten sich halt geändert, die Musik damit, auch der Jazz …
Viele der Hard Bop-Musiker verdienten ihre Sporen (das tat man damals noch, einige belegten dann zudem auch noch Kurse an renommierten Musikschulen oder studierten gar ordentlich Musiktheorie oder sonstwas) in Rhythm & Blues-Bands, die in den Vierzigern durch die Lande tingelten. Die bekannteste von ihnen ist wohl die von Lionel Hampton (der von Armstrong zu Goodman und später mit seiner eigenen Musik einen verdammt weiten Weg gegangen ist!), aber es gab unzählige kleinere Bands, in denen auch gute Jazzmusiker spielten, die in den grossen Zeit des Hard Bop auf klassischen Alben und in wichtigen Gruppen auftauchten. Das, was man in diesen Bands lernen konnte, beeinflusste den Hard Bop ziemlich sicher stark: Zusammenspiel, ein guter Groove (Swing, wie auch immer – an den Worten kleben nützt auch nicht weiter), der den Leuten in die Beine geht, der richtige Mix aus Unterhaltung und Musik, das Auftreten (das ja heutige Jazzmusiker leider oft überhaupt nicht mehr beherrschen – klar soll es nicht wichtig sein oder gar vor der Musik stehen, aber man geht ja immerhin auf die Bühne und führt was auf, und das ist nicht wie Tante Emma, die der Hochzeit ihrer vierte Nichte einen Witz erzählt oder so – nichts gegen Tante Emma versteht sich, aber …)
Und zuletzt: der einzige, der starr am Schema festhielt, in das man sich anscheinend so langfristig und hartnäckig verbeissen kann, obwohl es eigentlich doch nur eine fixe Idee ist: Thelonious Monk, Columbia, 1962-1968. Und das ist ja wiederum ein Sonderfall. Die Alben sind durchaus „quintessential Hard Bop“, es gibt ja gewissermassen sogar einen Saxophonisten, der seine Persönlichkeit an der Garderobe ablegt, bevor er mit der Band auf die Bühne oder ins Studio geht, der tighte Swing der Rhythmusgruppen, die nicht mit Virtuosität glänzen (ausser Frankie Dunlop, den ich sehr gerne mag, der aber auch nicht bei allen gut ankommt) sondern damit, einen hippen „in the pocket“ Groove hinzuknallen, und das mit einer formidablen Nonchalance … das knüpft wiederum am selben Punkt an wie einst die Messengers oder das Quintett von Cannonball Adderley, der mit Sam Jones/Louis Hayes eine Rhythmusgruppe dabei hatte, die genau diese hohe Kunst perfekt beherrschte. Wenig am Hard Bop ist so straight und einfach, wie es scheint – vieles ist Pose, Haltung, es gibt ein Dahinter, und es gibt Abgründe en masse, eigentlich in gerade schon beängstigendem Ausmass. Die Musiker starben ja auch wie die Fliegen. Am einen Tag noch ein sublim-schönes Album gemacht, das vielleicht obendrein noch die Drogenabhängigkeit in der Szene kommentiert, am nächsten tot. Hard Bop ist wohl keine gesündere Musik als der Bebop es war, wenn man das aus der Perspektive anschaut. Dass er straight und eingängig ist, ist halt wirklich nur die eine Seite.
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[1] Wobei Cool Jazz ja nur eine Spielart des Bebop ist, da bleibe ich dabei, und West Coast Jazz quasi Swing cum Bop ist, also die dunklen und schwierigen Aspekte des Bebop weitgehend ausblendet, selbst der junge Art Pepper klingt meist noch ganz unbeschwert – aber klar, auch da müsste man weiter differenzieren und würde Ausnahmen finden (vermutlich aber erst in den frühen Fünfzigern und v.a. bei den Pianisten, die an die „bekloppte“ zweite Garde der Bebopper und Swing-to-Bopper anknüpft (Joe Albany, Dodo Marmarosa …), also bei Leuten Russ Freeman, Hampton Hawes, Claude Williamson, Pete Jolly. Bei Giuffre oder Baker oder Shank oder Cooper oder Pepper oder Perkins oder Kamuca tauchen die Schatten erst später und bei manchen auch da nur punktuell auf (bei Giuffre werden sie wohl sublimiert, in seiner eigenen Musik sind sie für mein Empfinden oft da, ohne dass sie gespielt werden müssen – der Ton der Klarinette kann schon reichen, warm und mit schönen Linien, hinter denen der Abgrund aber lauert … bei Pepper ist der Abgrund in den späten Fünfzigern und zuletzt auf dem passend betitelten „Intensity“, eigentlich seinem Schwanengesang für die nächsten 15 Jahre, völlig offen da – aber auch er bedeckt ihn meist noch mit einem Vorhang, und sei der auch nur aus Gaze)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaWundervolle Ausführungen, gypsie! Und ich wollte schon fragen, was der Unterschied zwischen Bebop und Hard Bop ist. Jetzt bin ich ein bisschen schlauer. :)
Ein bisschen Geknuffe zwischen @vorgarten und mir. Mehr nicht.
Auch von mir Dank und Respekt für die Ausführungen zum Thema Hard Bop!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)friedrich
Auch von mir Dank und Respekt für die Ausführungen zum Thema Hard Bop!ja, toll! und jetzt werde ich nicht nur auf den überschuss, sondern auch auf die abgründe hören!
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vorgarten
friedrich
Auch von mir Dank und Respekt für die Ausführungen zum Thema Hard Bop!ja, toll! und jetzt werde ich nicht nur auf den überschuss, sondern auch auf die abgründe hören!
Erwarte dann einfach nicht von mir, dass ich sie am Schluss einzeln auflöse … so, wie hier pauschalisiert wird, darf ich das dann auch mal
(Und vieles, was mir sehr lieb ist, fehlt hier ja wie erwähnt, weil es einfach zu offensichtlich gewesen wäre … keine grossen Blue Note-Klassiker, kein Johnny Griffin, kein Horace Silver, kein Blakey, kein Jimmy Smith, kein John Patton, kein Grant Green …)
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Ich habe bisher flüchtig einmal bis etwa zur 10 durch gehört. Erkannt habe ich dahin nichts, beim Trio auf #3 meine ich Titel und Pianist zu kennen und im Regal zu haben, aber ob es der BeboPper ist? (Bin das erste Mal dabei, darf man überhaupt schon Vermutungen äußern?)
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das Alto auf #1 kenne ich.
bei #7 mit der Orgel hätte ich mir Herrn Grün vorstellen können, aber der ist ja nicht …
#9 Bari + … Montgomery?
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gypsy-tail-wind
vorgarten
friedrich
Auch von mir Dank und Respekt für die Ausführungen zum Thema Hard Bop!ja, toll! und jetzt werde ich nicht nur auf den überschuss, sondern auch auf die abgründe hören!
Erwarte dann einfach nicht von mir, dass ich sie am Schluss einzeln auflöse … so, wie hier pauschalisiert wird, darf ich das dann auch mal
(Und vieles, was mir sehr lieb ist, fehlt hier ja wie erwähnt, weil es einfach zu offensichtlich gewesen wäre … keine grossen Blue Note-Klassiker, kein Johnny Griffin, kein Horace Silver, kein Blakey, kein Jimmy Smith, kein John Patton, kein Grant Green …)Wie, Herr Schmidt und Herr Grün sind gar nicht vertreten? Ich war mir so sicher, dass zumindest ein Track …
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Schlagwörter: blindfoldtest, Jazz
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