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An alle: Es freut mich, dass mein kleiner Weniger-ist-mehr-BFT so gut angekommen ist und bedanke mich für die angeregte/anregende Diskussion!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Highlights von Rolling-Stone.deOh, du Hässliche! Die 25 schrecklichsten Weihnachtsalben-Cover
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Was aber ist eine kulturelle Atempause? Warum sollte die Kultur, die Musik, Zeit zum Luftholen brauchen? Ich meine die Kultur als Abstraktum, von der Du sprichst mit dem „kulturell“, obwohl Du sicher die einzelnen Menschen meinst. Das ist vielleicht die Aporie von Leben und Destruktion durch Macht, oder auch einfach nur Dummheit. Das scheint mir mehr und mehr der oberste Dachdeckelbegriff für Zerstörung zu sein, ob fröhlich oder geifernd.du hast recht, „kulturelle atempause“ ist schon ziemlicher blödsinn. was ich meinte, war, dass einerseits ein vergleichsweise freies denken und sprechen möglich war, andererseits aber eben auch neue produktions- und zirkulationsmöglichkeiten dafür. und ein kulturpolitisches projekt. kubitscheks öffnung des landes für die internationalen märkte holte geld ins land, und wahrscheinlich wurde die abkehr von sozialistischen ideen mit der rhetorik einer „brasilianischen moderne“ kompensiert, die so tat, als würde sie allen menschen etwas gutes tun wollen. aber es gab eben plötzlich plattenfirmen, fernsehsender, große theaterproduktionen und eine avantgardistische archtektur, eine neue hauptstadt wird in den dschungel gebaut und ein paar intellektuelle sitzen in rio in ihren wohnzimmern, die aufs meer hinausgehen, und singen und dichten für ein paar andere intellektuelle (so hat es nara leão später gesagt, die sich dafür stark machte, dass die musik wieder „mit der stimme des volkes“ spricht, welches von den vielen völkern sie da auch immer gemeint hat) – und die (nicht unangenehmen und nicht blöden) ergebnisse zirkulieren plötzlich weltweit und sie andererseits auch wieder identifikatorisch (meine eigene beobachtung des dorffestes, wo plötzlich all „a felicidade“ mitsingen). bossa-nova-brasilien als eine phase der programme und pläne, in der er einzelne für alle sprechen, neue ordnungen errichten und damit neue unordnung schaffen, ein klassisches modernes projekt also. ich mag auch das nicht schön reden. aber was da entstand, ist ja in mehrerer hinsicht bemerkenswert.
clasjazWas Fichte betrifft, nun gut, nichts gegen ihn von hierorts. Aber Folterschreie zu hören und sie poetisch zu verdichten (wie bitte soll das dann gehen, vorgarten?) ist etwas anderes, als gefoltert zu werden. Und den Schrei aufzuzeichnen. (So kann man es auch nicht nennen.) Verhallen wird er ohnehin.
das sind sicherlich unterschiedliche dinge. außerdem hat fichte die schreie nicht selbst gehört, er hat sich von ihnen erzählen lassen. aber auf seine poetische methode lasse ich nichts kommen, sie hier zu beschreiben, würde nur zu weit führen. mir ging es nur darum, dass er mit seinen manieristischen texten, die mit recherchiertem material, mit eigenen und fremden aussagen, eine wiederverzauberung der welt anstrebten, ein ambivalentes, komplexes bild zeichnen konnte, in denen das alles spürbar ist und rätselhaft bleiben darf: erotik und gewalt, religion und pop, leichtigkeit und traurigkeit. ruy castro, dessen dampfplaudernd charmante bossa-nova-geschichte ich ja immer wieder lese, hat die schreie jedenfalls ziemlich effizient überhört und springt 1966 einfach mit jobim, bonfa und gilberto in die usa, anstatt nachzuschauen, was z.b. den tropicália-vordichter torquato neto, der u.a. die texte für „pra dizer adeus“ und „vento de maio“ schrieb, in den selbstmord getrieben hat.
führt hier alles zu weit und bleibt viel zu sehr an der oberfläche. aber ich finde es schon wichtig, zwischen dem schwarzen orpheus und brazilectro daran zu denken, dass wir hier von einem staat reden, der über 20 jahre lang seine künstler zensiert und noch anders zum schweigen gebracht hat. danke dafür.
danach wurde gilberto gil kulturminister. und dionne warwick sagte: “ sie wollen mitr doch wohl nicht weismachen, dass die bossa nova nicht von burt bacharach erfunden wurde??“
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
gypsy-tail-windNoch nicht gelesen (unterwegs an ein Konzert … mal wieder) aber das Merrill-Cover gesehen … echt?!?
Was ist denn mit dem Cover?
@friedrich Danke!
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clasjazgypsy-tail-windNoch nicht gelesen (unterwegs an ein Konzert … mal wieder) aber das Merrill-Cover gesehen … echt?!?
Was ist denn mit dem Cover?Nichts ist mit dem Cover – ich war nur schockiert über die Auflösung, darüber dass ich Merrill nicht erkannt und obendrein noch so halb gedisst hatte.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind
clasjazgypsy-tail-windNoch nicht gelesen (unterwegs an ein Konzert … mal wieder) aber das Merrill-Cover gesehen … echt?!? Was ist denn mit dem Cover?
Nichts ist mit dem Cover – ich war nur schockiert über die Auflösung, darüber dass ich Merrill nicht erkannt und obendrein noch so halb gedisst hatte.
@gypsy-tail-wind
@clasjazMit dem Blind Fold Test ist es wie mit dem DFB-Pokal: Er hat seine eigenen Gesetze. Beim Pokal kickt David Goliath aus dem Wettbewerb und beim BFT erkennen ausgewiesene Jazzexperten ihre eigenen Lieblingsmusiker nicht. Manchmal bin ich selbst verblüfft, wie anders Musik klingen kann, wenn man den Kontext verändert.
Gern geschehen, clasjaz!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
vorgarten
was ich meinte, war, dass einerseits ein vergleichsweise freies denken und sprechen möglich war, andererseits aber eben auch neue produktions- und zirkulationsmöglichkeiten dafür. und ein kulturpolitisches projekt. kubitscheks öffnung des landes für die internationalen märkte holte geld ins land, und wahrscheinlich wurde die abkehr von sozialistischen ideen mit der rhetorik einer „brasilianischen moderne“ kompensiert, die so tat, als würde sie allen menschen etwas gutes tun wollen. […]
Um diese Spagate zwischen Hoffnung, Weiterleben und Vergangenheit dürfte es auch in Brasilien gegangen sein, unter den Bedingungen des Lebens. So sehr erfinderisch sind die Menschen ja letztlich nicht. – Du sprichst von vielen Einzelheiten, zu denen ich nichts sagen kann. Oberflächlich ist eh alles, und so sehe ich das also nicht und danke sehr für deine Antwort; Du hast, lese ich aus Deinen Worten, eine enge Beziehung zu diesem Land.
das sind sicherlich unterschiedliche dinge. außerdem hat fichte die schreie nicht selbst gehört, er hat sich von ihnen erzählen lassen. aber auf seine poetische methode lasse ich nichts kommen, sie hier zu beschreiben, würde nur zu weit führen. mir ging es nur darum, dass er mit seinen manieristischen texten, die mit recherchiertem material, mit eigenen und fremden aussagen, eine wiederverzauberung der welt anstrebten, ein ambivalentes, komplexes bild zeichnen konnte, in denen das alles spürbar ist und rätselhaft bleiben darf […]
Ich bin da etwas zurückhaltender als Du. Ich kann fast nur sagen, dass Fonteles eben keine poetische Methode hatte und womöglich deshalb eine Lektüre verlangt. Wie richtig zu sprechen, „darzustellen“ sei, wissen meist nur Künstler im Fernsehen, das sie womöglich noch gegen ihren Willen zubereitet. Der Manierismus ist aber ganz sicher ein wichtiges Denken, seit mehr als Jahrhunderten in einem Abgrenzungswillen, oder auch einer Abgrenzungsnot, und damit ex negativo und geradewegs heraus fast schon klassisch. Obwohl es um diese Einebnungen nomenklatorischer Art ja nie geht, erst hinterher von denen, die nicht dabei waren. Auch das ist nicht gegen Fichte gesagt. Obwohl ich Zweifel gegenüber Verzauberungen habe, die geschaffen werden sollen. Wenn es nur um ein offenes Auge für sie, ihre Möglichkeit und Wirklichkeit geht, dann sei’s mir recht. Auch wenn da wieder so viel gesprochen wird …
Etwas anderes ist das schlichte Verlangen nach einem guten Leben ohne Unterdrückung. Wie schlichter soll man es noch sagen, dass die Irren Ruhe geben?
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friedrichManchmal bin ich selbst verblüfft, wie anders Musik klingen kann, wenn man den Kontext verändert.
Genau so ist es. Deswegen gibt es auch keine ewig gültige Rezeption und Beurteilung von Musik. Man hört immer aus dem Kontext heraus. Immer.
wahr
friedrichManchmal bin ich selbst verblüfft, wie anders Musik klingen kann, wenn man den Kontext verändert.
Genau so ist es. Deswegen gibt es auch keine ewig gültige Rezeption und Beurteilung von Musik. Man hört immer aus dem Kontext heraus. Immer.
Jetzt wird es philosophisch. Ich habe sogar festgestellt, dass der Klang von Musik sich verändert, je nachdem in welcher Gesellschaft man sie hört.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)friedrichJetzt wird es philosophisch. Ich habe sogar festgestellt, dass der Klang von Musik sich verändert, je nachdem in welcher Gesellschaft man sie hört.
Zum Beispiel in der bft-Gesellschaft.
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Schlagwörter: Blindfold Test, Jazz
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