Startseite › Foren › Das Radio-Forum › Roots. Mit Wolfgang Doebeling › 20.01.2013
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Wolfgang DoebelingInsbesondere die Farren-45 auf Ork dürfte nicht so leicht aufzutreiben sein, da sie bereits 1977, wenige Wochen nach Erscheinen, vergriffen und entsprechend gesucht war.
Bei discogs sind wider Erwarten doch ein paar im Angebot, z.B. in m-/vg+ für knapp € 25. Vor 30 Jahren war diese Single noch etwas kostspieliger.
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WerbungEine schöne Sendung. Highlights/Nachkäufe werden wohl The Subterraneans „My flamingo“ (bei discogs sehe ich die Single für 7 Euro) und Ethan Johns sein.
Danke für meine Lieblingssingle der Pretenders, Thin Lizzy und dem King bei Roots mit dem famosen „Flaming star“. Wenn ich Elvis höre, muss ich immer wieder erschrecken, was für ein fantastischer Sänger er doch ist. Die anderen Versionen konnten dann nur noch blass erscheinen im Vergleich zum Orginal.
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Haben The Subterraneans nur diese eine Single veröffentlicht? „My Flamingo“ gefällt mir sehr, sehr gut. Ich hörte sie bei Roots irgendwann. Die Single wird geordert.
Ich habe gerade in Folge „Subterraneans“ mit „My Flamingo“ gehört, dann Flesh For Lulu mit „Subterraneans“ und schließlich Bowie auf „Low“ mit „Subterraneans“.--
Some Velvet MorningHaben The Subterraneans nur diese eine Single veröffentlicht?
Ja, leider. Überaus famose 45, trotz etwas wackligen Gesangs. Guter Song auch, mit einigen feinsinnigen Wendungen. „I held out for you like a deaf mute in a phone booth“ ist zwar nicht originär Kent, sondern eine Bangs-Paraphrase, dafür aber umso treffender. Weitere Singles wären wahrlich hochwillkommen gewesen.
On the other hand: hätte sich Kent aufs Singen und Songschreiben verlegt, wären etliche seiner Texte als Musik-Kritiker ungeschrieben geblieben. Da verzichtet man im Zweifel lieber auf ein paar Platten. Großartige Platten gab und gibt es immerhin in Hülle und Fülle, herausragende Musikschreiber seinerzeit zwar durchaus noch einige (Barnes, Booth, Farren, Cohn, Murray, etc.), jedoch natürlich nicht annähernd genug.
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Wolfgang DoebelingBei discogs sind wider Erwarten doch ein paar im Angebot, z.B. in m-/vg+ für knapp € 25. Vor 30 Jahren war diese Single noch etwas kostspieliger.
A propos Farren: Schätzt du The Deviants? Ich kann mich daran erinnern, dass du mal etwas aus der „Screwed Up“-EP gespielt hast, aber zumindest in den letzten Jahren nichts aus dem Deviants-Output der 60er.
Was sind deine zehn liebsten Musik-Kritiker? Ob der Verzicht auf weitere Subterraneans-7inches nicht das noch größere Opfer ist, wäre zumindest diskutierenswert. „My Flamingo“ zählt immerhin zu meinen Top 50-Faves (thanks to Roots). Ist Kent jemals live aufgetreten?
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A Kiss in the DreamhouseWolfgang DoebelingJa, leider. Überaus famose 45, trotz etwas wackligen Gesangs.
Wacklig und doch charismatisch. „My flamingo“ ist durch die Wackeligkeit so anziehend auf mich. Der Bassist hat Talent.
Ich hätte mich natürlich über ein Album gefreut, aber ein guter Musikkritiker immanent wichtig. Keith Flints spätere Zukunft war mir nicht bekannt.--
Napoleon DynamiteA propos Farren: Schätzt du The Deviants? Ich kann mich daran erinnern, dass du mal etwas aus der „Screwed Up“-EP gespielt hast, aber zumindest in den letzten Jahren nichts aus dem Deviants-Output der 60er.
Was sind deine zehn liebsten Musik-Kritiker? Ob der Verzicht auf weitere Subterraneans-7inches nicht das noch größere Opfer ist, wäre zumindest diskutierenswert. „My Flamingo“ zählt immerhin zu meinen Top 50-Faves (thanks to Roots). Ist Kent jemals live aufgetreten?
Sorry, gerade erst gesehen, Deine recht anspruchsvollen Fragen. Ob Kent jemals live auftrat, entzieht sich meiner Kenntnis. Kann es mir eigentlich nicht vorstellen, dazu war er viel zu sehr darauf bedacht, sich keine Blöße zu geben. Murray, mit dem ihn eine herzliche gegenseitige Abneigung verband, frotzelte einmal, Kent habe sich noch vor dem Spiegel im Treppenhaus zurechtgezupft, bevor er die NME-Redaktion betrat. Und da er nunmal kein Sangeskünstler war, hätte eine Live-Performance da erheblichen Schaden anrichten können. Nur eine Vermutung, wie gesagt.
Diskutierenswert ist meine obige Präferenz allemal, klar. Aber so umwerfend „My Flamingo“ ist, so viel wichtiger war mir Kent seinerzeit als Schreiber. Im Rückblick unterliegt ein solcher Vergleich unweigerlich Verzerrungen, weil man die Single ja auflegen, genießen und sich mehr davon wünschen kann, während Gedankenfülle einst gelesener Prosa und damit verbundene Erkenntnissprünge sich nicht mehr ohne weiteres trennen lassen von den Früchten anderer, späterer Lektüre. Einzelne Artikel oder Kritiken bleiben haften, sind ja aber nur Sprossen einer Leiter. Totzdem: ist es so schwierig zu entscheiden, worauf man eher verzichten könnte, auf diese tolle 45 oder etwa auf Kents bahnbrechendes Wilson-Interview (zu einem Zeitpunkt, als die Beach Boys von der Kritik noch gönnerhaft behandelt wurden, „Pet Sounds“ inclusive)? Für mich nicht. Das eine ist punktuell euphorisierend, ein musikalisches Vergnügen, das andere vermittelte Wissen, veränderte Perspektiven, förderte Musikverständnis. Was ja wiederum zu gesteigertem Vergnügen an Musik führt, auf höherer Sprosse, um im Bild zu bleiben.
Letztlich geht es um diese Entwicklung, um die Evolution als Hörer, um Inspiration. Weshalb Deine Frage nach meinen Top10 der Musikkritiker kaum zu beantworten ist. Zwar läßt sich sagen, daß die große Zeit der Popkritik (Reflektion, Haltung, Gleichzeitigkeit, Sprachstilistik, Relevanz) in den Siebzigern lag (und damals gehörten die oben Genannten fraglos zu den besten/einflussreichsten Schreibern), Stichwort New Journalism. Doch gab es auch davor Kritiker, die nicht bloß als Rädchen im Getriebe funktionierten, als tumbe Dienstleister oder Werbetexter. Als zum Beispiel Derek Johnson anfangs der Sechziger beim NME ästhetische Kriterien für die Beurteilung heranzuziehen begann, war das unerhört und wurde von vielen Lesern als anmaßend und arrogant gebrandmarkt. Eine verlässliche Konstante übrigens in der Historie der Popkritik: die wichtigen, lesenswerten Schreiber waren stets die umstrittenen, nicht selten die verhassten. Je weniger heftig das Reaktionspendel der Leser (positiv/negativ) ausschlägt, desto nutzloser ist der Kollege. Nicht selten durchlaufen Kritiker einen solchen Prozess, sind für einige Zeit kontrovers und relevant, passen sich dann aber irgendwann an, verlieren die Fähigkeit zu polarisieren. Chris Welch etwa sorgte beim „Melody Maker“ für eine frische Brise, als er dort 1963 anfing, als junger Jazz-Buff mit Folk-Faible und einer gesunden Verachtung für dämliche Pop-Texte, allen voran die der Beatles. Fünf Jahre später vertrat er bereits reaktionäre, schnödes Handwerk verklärende Ansichten, wurde zum Sachwalter von Pomp & Circumstance. Er bereue, sich früher so „rude“ ausgedrückt zu haben, so Welch später allen Ernstes, immerhin gebe jeder Künstler immer sein Bestes, das dürfe man doch nicht einfach abkanzeln. Auch Peter Jones beim „Record Mirror“ machte eine ähnliche Aufweichung durch. Oder nimm Robert Christgau, der in jungen Jahren als selbstherrlicher Schnösel angefeindet wurde, weil er den Mut zu apodiktischen Urteilen aufbrachte, sich aber längst in fader Ausgewogenheit ergeht und heute als Instanz nur noch von Leuten anerkannt wird, die Bestätigung brauchen für den mediokren Mist, den er inzwischen gelten läßt.
Und wie die vielen fabelhaften Fanzine-Schreiber gewichten: Alan Betrock, John Tobler, Greg Shaw, Billy Miller, Miriam Linna, Lindsay Hutton, etc.? Oder John Peel, dessen Singles-Reviews in „Disc“ ich auswendig lernte? Oder Julie Burchill, deren Stalinismus fast so abstoßend war wie ihr Springsteen-Wahn, deren Texte aber nie langweilten, zumindest ein paar Jahre lang. Gillett? Hoskyns? Needs? Die Liste ist verdammt lang. Und dabei könnte ich die essentiellen „DownBeat“-Writer (Gleason, Feather, Gitler, etc.) der Vierziger und Fünfziger gar nicht berücksichtigen, weil ich sie erst wahrnahm, als ihre Texte schon fast 40 Jahre auf dem Buckel hatten. Ich beende das hier mal, eine halbe Stunde am Stück war ich in diesem Forum schon lange nicht mehr. Eine evaluierte, belastbare Top10 muß ich Dir also einstweilen schuldig bleiben, fürchte ich. Deine würde mich freilich schon interessieren: thanks.
Ach so, ich vergaß: The Deviants in den Sixties: nope, not really. Mit der Attitüde hatte ich keine Probleme, doch wurde mir ihre Musik mit zu viel Agitprop und Sloganeering beschwert, ähnlich wie die der MC5 oder der Edgar Broughton Band. Klare Sache: Mick Farren war als Kritiker ungleich wichtiger denn als Musiker. Allein sein berühmtes NME-Fanal „The Titanic Sails At Dawn“ hatte mehr (heilsamen) Einfluss auf die Pophistorie als sein gesamtes musikalisches Output, by a mile.
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Wolfgang DoebelingEine evaluierte, belastbare Top10 muß ich Dir also einstweilen schuldig bleiben, fürchte ich. Deine würde mich freilich schon interessieren: thanks.
Oh, du hast meine Frage bereits sehr eingehend beantwortet, ohne noch etwas schuldig zu bleiben. Very much appreciated!
Deinen Standpunkt dazu, was einen Musikkritiker ausmacht, teile ich ohne Einschränkungen. Interessant, was du zu Christgau schreibst, ich kenne ihn bereits nur noch als den pappy der Village Voice, der gutmütig gedrechselte Dreizeiler verfasst, consumer-friendly durch und durch. Sämtliche Schreiber, die ich schätze, zeichnen sich hingegen aus durch Schärfe und Tiefe in Stil und Gedankengängen, nicht unbedingt durch ebenmäßige und um konsensuelle Harmonie buhlende Urteile. Mit apodiktischer Haltung? Yeah! Es gibt viel zu wenig davon. Nahezu alle habe ich aber aus dem Rückblick kennengelernt, weswegen die Vorlieben sehr persönlich sind, ich ihre volle Relevanz aber nur noch mittelbar nachvollziehen kann. Einige der Kritiker sind natürlich auch nicht mehr so treffsicher wie früher: Kents heutiger Stil mag noch lediglich dann verblassen, wenn man ihn gegen seine frühen NME-Artikeln absetzt, bei Penman dagegen ist mittlerweile nur noch die Attitüde intakt. Was natürlich an der grundsätzlichen Klasse nichts ändert. Deswegen aber ohne belastbare Reihenfolge: Nick Kent, Charles Shaar Murray, Lester Bangs, Mick Farren, Ian MacDonald, Wolfgang Doebeling, Ian Penman, Paul Morley, David Toop, Byron Coley
Wolfgang DoebelingKlare Sache: Mick Farren war als Kritiker ungleich wichtiger denn als Musiker. Allein sein berühmtes NME-Fanal „The Titanic Sails At Dawn“ hatte mehr (heilsamen) Einfluss auf die Pophistorie als sein gesamtes musikalisches Output, by a mile.
Sure thing.
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A Kiss in the DreamhouseNapoleon Dynamite
Deinen Standpunkt dazu, was einen Musikkritiker ausmacht, teile ich ohne Einschränkungen. Interessant, was du zu Christgau schreibst, ich kenne ihn bereits nur noch als den pappy der Village Voice, der gutmütig gedrechselte Dreizeiler verfasst, consumer-friendly durch und durch. Sämtliche Schreiber, die ich schätze, zeichnen sich hingegen aus durch Schärfe und Tiefe in Stil und Gedankengängen, nicht unbedingt durch ebenmäßige und um konsensuelle Harmonie buhlende Urteile. Mit apodiktischer Haltung? Yeah! Es gibt viel zu wenig davon. Nahezu alle habe ich aber aus dem Rückblick kennengelernt, weswegen die Vorlieben sehr persönlich sind, ich ihre volle Relevanz aber nur noch mittelbar nachvollziehen kann. Einige der Kritiker sind natürlich auch nicht mehr so treffsicher wie früher: Kents heutiger Stil mag noch lediglich dann verblassen, wenn man ihn gegen seine frühen NME-Artikeln absetzt, bei Penman dagegen ist mittlerweile nur noch die Attitüde intakt. Was natürlich an der grundsätzlichen Klasse nichts ändert. Deswegen aber ohne belastbare Reihenfolge: Nick Kent, Charles Shaar Murray, Lester Bangs, Mick Farren, Ian MacDonald, Wolfgang Doebeling, Ian Penman, Paul Morley, David Toop, Byron ColeyMuch obliged.
Ad Christgau – Ein Kritiker, den ich nicht mehr ernstnehmen kann, seit er mir allen Ernstes mitteilte, er habe Ende der Sixties aufgehört, Singles wahrzunehmen, denn – wait for it! – es gebe davon einfach zu viele. Mein Verdikt: D+
Ad Penman – Sehr clever, had a way with words (and puns), bot also unterhaltsame Lektüre, doch hatte ich auch zu seiner besten Zeit nie das Gefühl, er wäre mir voraus, ich könne etwas von ihm lernen. A little pretentious, too.
Ad Morley – Wirklich? In den 70ern allenfalls, ähnlich wie Tony Parsons. Danach waren beide upwardly mobile, ließen sich vor Karren spannen, ihre Schreibe wurde gesamtgesellschaftlicher, verlor an Konkretion. Morleys Part beim Fabrizieren von Frankie Goes To Fuckin‘ Hollywood macht ihn mir zudem nicht gerade sympathisch.
Ad MacDonald – Armer Kerl. Ich mochte ihn als Stimme der Vernunft beim NME, bevor er zum Beatles-Fex wurde, Religion abonnierte (Sufi oder sowas), schließlich zum Headcase mutierte und endete wie Syd Barrett. Guter, verlässlicher Schreiber trotzdem, zumindest in den Wirren von 1977 ff.
Ad Coley – Absolut! Right attitude, no nonsense, straight to the heart. War der beste Mann beim „NY Rocker“, ist aber derzeit wohl mit anderem als music writing beschäftigt. Ab und zu taucht er noch in „Wire“ auf, sonst lese ich selten etwas von ihm, leider.
Ad Toop – Nope, I don’t think so. Was ich von ihm kenne, ist gut geschrieben, aber so verdammt ausgewogen. Ich schätze durchaus sein Fachwissen, mit seinen musikalischen Vorlieben freilich weiß ich meist nicht viel anzufangen. Südsudanesische Schamanenmusik? Gimme a fuckin‘ break.Now? Dies ist nicht die Zeit für Musikkritik, so viel ist sicher. Jeder Idiot meint, er wisse hinreichend bescheid. And Google’s just a click away, click away (zur Melodie von „Gimme Shelter“).
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Wolfgang Doebeling
Now? Dies ist nicht die Zeit für Musikkritik, so viel ist sicher. Jeder Idiot meint, er wisse hinreichend bescheid. And Google’s just a click away, click away (zur Melodie von „Gimme Shelter“).Yep. No need to argue.
Toop für seine frühen Artikel über Hip Hop, nicht die Spurensuche in Feedback, Sinustönen, Wellenrauschen oder obskuren Field Recordings. Wobei ich selbst noch „Ocean Of Sound“ mit etwas Distanz anregend fand. Penman natürlich Ende der 70er, insbesondere durch seine Berichterstattung vom Hofe des Marquis Smith, die sich so liest, wie die Releases von The Fall klangen. Pretentious? Etwas schon. But with a cause. Morley für seine zahlreichen Interviews und Live-Reviews, als sich Post-Punk im UK ausdifferenzierte. Aufgeweicht wurde seine Schreibe erst als er in New Wave machte, finde ich. Dann allerdings leider nachhaltig, das Tor war offen für noch den miesesten Dreck (Marillion!). Okay, vor diesem Hintergrund tausche ich ihn vielleicht doch gegen Barney Hoskyns aus.
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A Kiss in the DreamhouseFalls Du es noch nicht kennen solltest: „In Their Own Write – Adventures In The Music Press“ von Paul Gorman dürfte Dich blendend unterhalten. A very good read, indeed. Etwa Farrens Einlassungen über Studierstubenkritiker wie Christgau oder Marcus, die nie gefährlich gelebt hätten, nie bedroht oder gar misshandelt worden seien. Worauf Christgau Einspruch erhebt: „Once I was physically attacked by someone I was later told – correctly? I’m not positive – was one of the guys in Suicide, who I’d always put down and still do.“ Köstlich. Ist freilich auch schon eine Weile her.
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Schlagwörter: Radio Eins, Roots, vinyl only
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