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vorgarten
thelonicaEs ist vermutlich komplizierter.
komplizierter als was?
Naja, die Faktoren die zusammenkommen. Ich habe viel über die wechselhafte Stimmung zwischen Miles und Paul Chambers nachgedacht, auch was Chambers noch nach Miles gemacht hat, ist ja schon noch ziemlich gut (u.a. Alben mit Jaki Byard, Teddy Edwards, Sonny Criss, Barry Harris). Biografisch weiß man gar nicht extrem viel über ihn (seine Mutter verstarb sehr früh). Der Begriff „Miles Davis Rhythm Section“ ist ein bißchen Fluch und Segen, finde ich, Jimmy Cobb hatte allerdings ein langes Leben, Red Garland hatte ein Comeback.
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Werbungah verstehe, ich habe mich gefragt, ob das noch auf meinen text oder fehler darin bezug nimmt.
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SPACE IS THE PLACE
sun ra, akh tal ebah, hadi, allen, davis, [northington], gilmore, thompson, omoe, patrick, humphries [andere quelle: wright, richards, underwood], atakatun, odun, tyson, wright, banks, holton, michel, abraham, bigsby (19.& 20.10.1972)1972 unterrichtete sun ra in berkeley, kalifornien. ein film entsteht, der eigentlich nur musik und band und ein planetarium in szene setzen will, aber die hauptfigur mischt sich ein, geht ins kino, hat ideen. es reicht sun ra nicht, allein in einem von musik angetriebenen raumschiff unterwegs zu sein, er sieht ein, dass er die schwarze bevölkerung der erde retten muss. aber kann sie überzeugt werden, mit ihm zusammen eine diaspora auf einem fernen planeten zu gründen, wenn gleichzeitig FBI, CIA und die NASA intrigieren und der militante flügel der schwarzen bürgerrechtsbewegung ihn zum „faker“ erklärt? ein regisseur hilft aus, durch ihn kommen gangster-motive und sexszenen in die geschichte (für sun ra ein graus, aber er erinnert sich an szenen in chicago, als er sich orte mit dieser szene geteilt hat). szenen werden gedreht, mit ihm und ohne ihn. erst später kommt ein drehbuchautor dazu, der das zusammenfügen soll, was schon gedreht wurde. sun ra lässt die sexszenen wieder hinausschneiden, später möchte er, dass der film schöner und poetischer wird, aber nachgedreht wird nicht; noch viel später, da ist der film längst ein undergroundklassiker, findet er es in ordnung, die dreckigen, weltlichen elemente wieder einzufügen. die afrofuturistische idee wird ja dadurch nur komplexer.
1972 ist auch herbie hancock nach kalifornien gezogen und nimmt dort HEAD HUNTERS auf. parallel entsteht ein musikalischer nachklapp zum sun-ra-film (zu dem es vorher schon einen veritablen soundtrack gab), als projekt von ed michel, das arkestra für impulse aufzunehmen. das klappt erstmal nicht – sun ra nimmt sich den vertrag mit nach hause und tauscht bei den positionen einfach „el saturn“ und „ABC“. aber irgendwie entsteht SPACE IS THE PLACE für blue thumb. zwei weltraumfluchten mit irdischem chaos dazwischen, von baker bigsby luzide aufgenommen – immer wieder wird der klangraum geöffnet, das dirigat des leiters durch den fokus im mix unterstützt, die eigenartige instabilität der band als agiler organismus inszeniert. farfisa-impulse glissieren nach oben weg, eine flexible percussion (es hört sich an, als würde immer gerade jemand anderes die beiden drumkits übernehmen, wenn die hände frei sind) swingt leicht durch den raum, die vier sängerinnen machen sich unbeirrte vier reime auf die eine textzeile und werden dabei von musikern kommentiert, stoisch hält das baritonsax das komplizierte grundmotiv aufrecht, manchmal vom e-bass (pat patrick) unterstützt. die space-orgel kriegt immer wieder stoff, um einen sprung zu machen. „space is the place“ ist dabei kein dadaistisches wortspiel, sondern eine sanfte anwerbung der community: kommt mit! euer ort ist woanders!
auf der zweiten seite dann was ganz anderes – eine swingnummer, ein dunkler marsch, eine freie kaskade. wieder passt alles nur so gerade eben zusammen, was programm ist, denn geübt haben die ja miteinander unablässig und hätten das wahrscheinlich auch so exekutieren können wie das rias tanzorchester. aber die instabilität ist das benzin, mit einem bein sind alle schon woanders, der rhythmus hält sie nicht am boden, aber aus eigener kraft kommen weder das terror-altsax-duo allen/davis, noch der manchmal frei drehende gilmore aus der umlaufbahn. erst mit der rakete nummer 9 klappt das, und da sind auch die selbstbewussten stimmen wieder da, die lecture ist verdaut. der wind verrät nicht, wo er hinweht, schreibt sun ra in berkeley auf – und genausowenig mach ich das auch. ich überrede nicht, ich führe nicht: „you need wings to ride with the spirit of the air!“
ich hatte gerade großen spaß, SPACE IS THE PLACE im nachgang von HEAD HUNTERS zu hören. clavichord-ostinato hier, das die soli anstößt, das von der space-orgel angestoßene baritonsax-ostinato dort. beides sind aushandlungen von luft und boden. und im film, den ich mal als queeres musical in einem uniseminar anmoderiert habe, sind beide ansätze sichtbar und verstehen sich. aber hildesheim 2021 war halt nicht berkeley 1972.
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Schöner Text, @vorgarten!
Ich habe Space Is the Place damals nach der Lektüre von David Toops Ocean of Sound entdeckt – der zeigt ja schön, wie Sun Ra weit über Musik hinausging und sein Arkestra als kosmisch-politisches Gesamterlebnis inszenierte. Deine Lesart als sanfte Einladung passt da perfekt. Spannend finde ich auch deinen Verweis auf Head Hunters: während Hancock Groove und Erdung suchte, zieht Sun Ra gleich ins All. Zwei sehr unterschiedliche Fluchten – beide absolut zeitlos.--
Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...atom
Spannend finde ich auch deinen Verweis auf Head Hunters: während Hancock Groove und Erdung suchte, zieht Sun Ra gleich ins All. Zwei sehr unterschiedliche Fluchten – beide absolut zeitlos.ja, wobei ich denke, dass das noch komplexer ist. die space-momente gibt es eben auch (noch) auf HEAD HUNTERS, und sun ra fängt beim zweiten stück „images“ ja eigentlich schon mit den reminiszenzen an fletcher henderson und seine eigenen weltlichen anfänge an. bei hancock (und da war jetzt für mich die entdeckung, wie viel das noch mit dem mwandishi-sextet zu tun hat) und bei sun ra geht es nicht um sowas platt exotisches wie weltraumbegeisterung, sondern, meinerseits vielleicht etwas hochgepitcht, um eine analyse des zustands der eigenen community und die dazu vorgestellten utopischen gegenmittel – bei hancock hat das freundlich-panafrikanische (und später buddhistische) ansätze, sun ra und das arkestra klingen in ihrem afrofuturismus sehr viel schroffer und desillusionierter. interessant ja auch, dass HEAD HUNTERS mit der bassdrum, also quasi mit dem herzschlag, aufhört, SPACE IS THE PLACE mit einem wegglitchenden orgelton.
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UNDERCURRENT
evans, hall, douglas, schwartau (24.4. & 14.5.1962)angst-album. eine produzentenidee, natürlich. und es gibt ja auch menschen, die es herzig finden, wenn eine blockflöte von steel drums begleitet wird und dabei sowas wie musikalisch sinnvolle kommunikation entsteht. nicht der spaß, den ich so beim jazzhören habe, aber natürlich völlig legitim. und natürlich haben evans und hall über alle schwierigkeiten einer solchen kollaboration dreimal länger nachgedacht als ich – und offensichtlich lösungen gefunden.
evans und hall sind zurückhaltende musiker, und UNDERCURRENT ist kein feuerwerk kräftemessender virtuosität geworden. in zwei alternate takes kann man hören, wie sie andere dinge ausprobieren, die nicht funktionieren und weswegen die master takes anders arrangiert sind: bassfiguren des klaviers während eines hall-solos z.b. oder schlaggitarrenbegleitung während eines evans-solos. im mastertake skelettieren sie stattdessen die melodie von „my funny valentine“ und ergänzen/ kommentieren sich im kontrapunkt. ein labor reizvoller sprünge über selbstgebaute hürden. manchmal deutet hall woanders einen walking bass mit den tiefen gitarrensaiten an – oder er spielt ganz leise akkordisch 4 schläge pro takt. nicht selten lassen sie den anderen unbegleitet solieren. ganz toll, wenn hall in einer akrobatischen verwirbelung von evans pausiert, um genau dann wieder einzusetzen, wenn der pianist auf der 1 landet. auch eine gute idee: hall stellt fast immer das thema vor, was sofort eine intimität der interpretation vorgibt. und nicht selten ergänzt evans mit ein paar zweiton-figuren von hall, damit ein komplexer, vollerer, gemeinsamer akkord entsteht. zwei also, die sich verstehen und die das beste aus der situation machen.
trotzdem scheinen mir hier missverständnisse vorzuliegen. sich nicht in die quere zu kommen, heißt ja noch nicht, dass man einen song auslotet. wenn evans losprescht, braucht es keine gitarre mehr. manchmal kommen sie sich eben doch in die quere. und manchmal gehen sie so vorsichtig miteinander und dem balladentempo um, dass die musik einschläft („darn that dream“). aber: das programm war das eines „besonderen albums“, und irgendwie hat dieser eindruck bis heute überlebt. und auch die schwarze romantik des covers, das etwas illustriert, was ich nirgends höre, generiert ein merkwürdiges echo – ein stück namens „undercurrent“ gibt es nicht auf dem album, und der titel eines tatsächlich eingespielten, „skating in central park“, hätte vielleicht besser gepasst. was also ist die „unterströmung“, die das modefoto, aufgenommen bei einem meerfrauen-event in weeki wachee springs, morbide auflädt, denn was sonst kann eine frau im abendkleid ins wasser getrieben haben als ein gefährlicher sprung oder ein nicht einkalkulierter drift? evans und hall würden vielleicht sagen: jazz! synkopen! unsere liebe zu tin pan alley songs! und darauf kann man sich ja einigen. und ob drähte jetzt angeschlagen oder gezupft werden, ist ja letztlich auch nicht so weit voneinander entfernt, jedenfalls näherliegend als blockflöte und steel drums. ich bin froh, dass ich mir im rahmen dieser selbstgebauten hürde wenigstens nicht die sachen anhören muss, auf denen sich evans per overdub selbst begleitet.
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MACHINE GUN
brötzmann, parker, breuker, van hove, kowald, niebergall, bennink, johansson, brötzmann, zipelius (5/1968)mai 1968. ich habe viel sympathie für das wegbrettern von heuchelei, kleinkariertheit, anpassung, verharmlosung, autoritarismus, restauration. gesellschaften erproben das freie sprechen, den freien ausdruck. an sehr vielen orten auf der welt. aber man kann auch mit der musik anfangen, die durchaus arrangiert, geordnet, konzipiert ist, setzungen vornimmt: ausgeschriebene themen, vorgegebene solo-ordnungen, kontraste, konstellationen. das ist kein wildes alles-auf-einmal, hier reicht das spektrum vom überblasenen krawall bis zum einzelnen angerissenen ton auf dem daumenklavier. nichts davon ist ohne FREE JAZZ und ASCENSION zu denken (die hier noch anstehen), aber neu ist die schnelligkeit, das stop-and-go, das hauruck von aktion, impuls, stille und reaktion. da liegen schon punk und zorn (john) in der luft, und noise in den welligen soundbewegungen: keine wand, vor der man steht, an der man apprallt, sondern ein dynamisches wechselbad, und man ist mittendrin, wenn man sich darauf einlässt.
was auch auffällt, ist, dass sich diese musik in der welt verortet, sich nicht lokal abschließt wie andere improvisationsszenen. die tänzerischen figuren, die r&b-bläsersätze, das südafrikanische thema, beides am ende von zwei stücken, hat die ohren weit offen zu den erfahrungen von anderen. außerdem haben wir es hier mit einem transnationalen netzwerk zu tun, das sich nicht im aufstampfen in der vertrauten guten stube erschöpft: ein deutsch-niederländisch-belgisch-schwedisch-britisches spektrum des freistoßes, das gleichwohl männlich-mackerhaft anschlüsse sucht an eine größere bewegung.
es gab vor ein paar jahren überschneidungen dieses lauten ausdrucks mit „querdenkerischen“ anti-autoritären me-first-schreihälsen. da muss man natürlich differenzieren, und das hat vielleicht weniger mit den musikern selbst zu tun als mit ihren fans bzw. denen, für die sie auch über 50 jahre später den soundtrack liefern. der partner einen freundes von mir ist vor ein paar tagen an covid-19 gestorben – ja, es ist 2025, sowas passiert noch auf der welt, woanders. womit ich zum ausdruck bringen will, dass ich skepsis habe vor schreienden männern. aber auf MACHINE GUN höre ich auch witz, offenheit und einen feinen sinn für schönheit. und ich möchte diese erfahrung eines vollfrontalen wegbretterns auf keinen fall missen. ein stück auf MACHINE GUN heißt „responsible“.
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Tolle Texte wieder – da krieg ich direkt Lust auf „Machine Gun“, und das ist eher selten der Fall
Dass Du mit „Undercurrent“ fremdelst, hatte ich gar nicht präsent – aber überraschend ist das schon nicht.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #166: First Visit: Live-Dokumente aus dem Archiv von ezz-thetics/Hat Hut Records - 14.10., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind da krieg ich direkt Lust auf „Machine Gun“, und das ist eher selten der Fall
ich muss gestehen, dass ich MACHINE GUN gestern zum ersten mal gehört habe. keine ahnung warum, ich war ja früh brötzmann-sozialisiert (mein drittes jazzkonzert, glaube ich), wahrscheinlich kam man damals schlecht ran, es fiel mir nicht in die hände…
habe noch länger darüber nachgedacht, wie ich den anti-autoritären gestus dieser musik wahrnehme, der ja irgendwie nicht aus einer ohnmächtigen position heraus kam, und bei dem ich schwer einschätzen kann, ob der immer nur nach oben getreten hat oder strukturell auch nach unten. @gypsy-tail-wind wird vielleicht nochmal nachschauen, wie irène schweizer das album und seine protagonisten wahrgenommen hat, sie hätte ja hier auch am klavier sitzen können, und das wäre eine sehr starke geste gewesen. aber gut, hätte, wäre, könnte – es hat großen spaß gemacht, sich mit dem album so, wie es ist, auseinanderzusetzen.
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vorgarten33
MACHINE GUN
brötzmann, parker, breuker, van hove, kowald, niebergall, bennink, johansson, brötzmann, zipelius (5/1968) mai 1968.
ich habe viel sympathie für das wegbrettern von heuchelei, kleinkariertheit, anpassung, verharmlosung, autoritarismus, restauration. gesellschaften erproben das freie sprechen, den freien ausdruck. an sehr vielen orten auf der welt. aber man kann auch mit der musik anfangen, die durchaus arrangiert, geordnet, konzipiert ist, setzungen vornimmt: ausgeschriebene themen, vorgegebene solo-ordnungen, kontraste, konstellationen. das ist kein wildes alles-auf-einmal, hier reicht das spektrum vom überblasenen krawall bis zum einzelnen angerissenen ton auf dem daumenklavier. nichts davon ist ohne FREE JAZZ und ASCENSION zu denken (die hier noch anstehen), aber neu ist die schnelligkeit, das stop-and-go, das hauruck von aktion, impuls, stille und reaktion. da liegen schon punk und zorn (john) in der luft, und noise in den welligen soundbewegungen: keine wand, vor der man steht, an der man apprallt, sondern ein dynamisches wechselbad, und man ist mittendrin, wenn man sich darauf einlässt. was auch auffällt, ist, dass sich diese musik in der welt verortet, sich nicht lokal abschließt wie andere improvisationsszenen. die tänzerischen figuren, die r&b-bläsersätze, das südafrikanische thema, beides am ende von zwei stücken, hat die ohren weit offen zu den erfahrungen von anderen. außerdem haben wir es hier mit einem transnationalen netzwerk zu tun, das sich nicht im aufstampfen in der vertrauten guten stube erschöpft: ein deutsch-niederländisch-belgisch-schwedisch-britisches spektrum des freistoßes, das gleichwohl männlich-mackerhaft anschlüsse sucht an eine größere bewegung. es gab vor ein paar jahren überschneidungen dieses lauten ausdrucks mit „querdenkerischen“ anti-autoritären me-first-schreihälsen. da muss man natürlich differenzieren, und das hat vielleicht weniger mit den musikern selbst zu tun als mit ihren fans bzw. denen, für die sie auch über 50 jahre später den soundtrack liefern. der partner einen freundes von mir ist vor ein paar tagen an covid-19 gestorben – ja, es ist 2025, sowas passiert noch auf der welt, woanders. womit ich zum ausdruck bringen will, dass ich skepsis habe vor schreienden männern. aber auf MACHINE GUN höre ich auch witz, offenheit und einen feinen sinn für schönheit. und ich möchte diese erfahrung eines vollfrontalen wegbretterns auf keinen fall missen. ein stück auf MACHINE GUN heißt „responsible“.Ich habe mir die RS-Gesamtliste nicht angesehen und lasse mich hier überraschen: diesmal tatsächlich etwas, das ich auf Platte habe. Schöner Text über diesen Brachial-Ansatz von Brötzmann, bei gleichzeitigem Sinn für, ja, „Verantwortung“. Wenn man – verständlicherweise – alles einreißt, wäre es eine gute Idee zumindest eine grobe Ahnung zu haben, wo es denn dann hingehen soll. Oft höre ich die Platte nicht, sie ist ja auch ein rechter Tort. Und wenn, dann steht man leicht ratlos vor diesem wall of Krach. Ich werde das nächste Mal versuchen, die gegenläufigen, „aufbauenden“ Linien zu erkennen.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.Wow, wieder mal sehr interessante Texte @vorgarten. Den „feinen Sinn für Schönheit“ möchte ich auf der Machine Gun LP auch gerne hören. Mehr noch habe ich aber Lust bekommen „Undercurrent“ aufzulegen, da ich dort „den feinen Sinn für Schönheit“ hörbarer erfahren habe. Zumindest hatte ich das immer so abgespeichert (habe das Album lange nicht aufgelegt).
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Well...you like flowers and I like liqourdanke euch! UNDERCURRENT hat natürlich einen anderen schönheitsbegriff als MACHINE GUN
aber da gibt es eben auch ein schmelzendes vibrato und die kollektive rücksicht auf leisere instrumente.
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LADY IN SATIN
holiday, ellis, johnson, green, davis, waldron, galbraith, hinton, johnson, ockner, green, hofman, katzmann, kruczek, lomask, meinikoff, newmna, rand, sarcer, brecher, dichler, soyer, brown, putman, bank, bodner, penquw, parchley, butterfield, ochner, glow, green, mitchell, bretton, workman, ogerman, townsend, plaut (19.-21.2.1958)glad | to be unhappy. but | beautiful. easy to remember | but so hard to forget. i get along | without you | very well. you don’t know what love is | until you know the meaning of the blues. in diesen tin-pan-alley-songs wird die gleichzeitigkeit widerstrebender gefühle leicht verpackt und so kultiviert, dass alle was damit anfangen können, ohne es in der tiefe erlebt zu haben. wenn es regnet, scheint auch bald wieder die sonne. immer wieder redet man sich ein, dass man darüber weg ist, und weiß doch, dass das nie passieren wird. in diesen songs gibt es keinen abschluss, kein ende und neuanfang, immer bleibt alles da, was man erlebt hat, als gespenst, schöne erinnerung. die erzählung ist: je mehr erfahrungen man macht, umso reifer geht man mit ihnen um. kalendersprüche um brüche und wunden herum, und die souveränität erlangt man nicht dadurch, dass man etwas hinter sich lässt, sondern im stoßseufzer des wissens um die ewige unlösbarkeit.
wenn man LADY IN SATIN laut hört, hört man holiday zwischen den zeilen tatsächlich immer wieder seufzen. und den schweren atem. und die bewegungen des künstlichen gebisses. und die raue stimme, die nie wieder schön sein wird. im schwankenden rhythmus der songs muss man die angst der krankenschwester im studio mitdenken, dass der star, für dessen gesundheit sie zuständig ist, vom stuhl fallen könnte. es ist ein riskantes manöver, diese stimme, diese stoßseufzer in pop-verpackung singen zu lassen, dabei noch viele songs, die gar nicht zu ihrem repertoire gehören, auf den spuren der perfekten zeitgenoss*innen, sinatra und fitzgerald. ellis und ogerman bauen so viele spuren um das reibeisen herum, dass es fast wie dj culture klingt, wie sie in diesem luxus hin- und herswitchen, ebenen auf- und zuklappen: bass, drums und schlaggitarre, hollywood-streicherwellen, vogelimitatsflöten, raunende bassklarinetten, ein begleitendes jazzklavier, solierende posaunen und trompeten – und im keller schluchzen sich zwei backgroundsängerinnen die seelen aus den leibern. würde man all diese spuren löschen und hätte nur stimme, bass und schlagzeug, wäre der eindruck: albert ayler trio, spiritual unity.
es gibt halbe katastrophen. und es gibt songs, bei denen alles stillsteht. das ornament gerät im exzess auf die schiefe bahn. und die stimme lässt nicht den hauch von sentimentalität zu. manche textzeilen vermitteln einen derartigen grad der vollständigen verwüstung, auf den die komponisten im leben nicht gekommen wären. und wenn die letzte zeile kommt, „i’ll be around | when she’s gone“, spaltet sich das sängerinnen-ich in jemand, der noch da ist und jemand, der immer da bleiben wird, auch wenn das licht ausgeht und das mischpult abgeschaltet wird.
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mein lieber jan, auch wenn du profi bist, ist dies ein text der dieses album, nein, mehr, die ganze tragik der person und situation von billie auf das votrefflichste umschreibt, chapeau…
lese hier alles mit…bisher das highlight….btw meine liebste platte mit ihr…--
Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!Allerdings, sehr schön!
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words. -
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