Antwort auf: Miles Davis

#9953333  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

Beiträge: 12,003

1. februar 1975. osaka. nachmittagskonzert.

das riff von „funk“, auf der orgel. dann setzt punktgenau und lässig die band ein. wenn man die original-lp-abmischungen (laut!!) hört, kriegt man mit, wie sich die gitarrensounds von lucas und cosey ineinandersägen und dann mit der miles-orgel verschmelzen. macero bleibt bei seinen grundrezepten – die conga als trance-teppich verteilt, die drums schießen von hinten nach vorne, im zentrum der bass von henderson. darüber hinaus verschiebt sich das klangbild sehr kunstvoll vom echolastigen hallensound bis in die trockenste unmittelbarkeit, als würde sich die band in einer abstellkammer stapeln. miles macht wenig mehr als das thema zu variieren, staccato, dann in langen linien, ständig von mtume kommentiert und von macero durch den raum geschickt. feedbacks, schreie, auf dem unglaublichen druck, den henderson erzeugt. dann kommt fortune mit einem großartig schlüssigen altsax-solo, für das er auch ein bisschen raum bekommt – cosey bleibt still oder akzentuiert mit percussion. fortune tanzt sich, über spielpausen der band hinweg, in einen absolut zwingenden höhepunkt, den miles mit clusterakkorden provoziert. cosey übernimmt sofort, macero verschafft ihm ein kanalübergreifendes echo. fantastisches solo, gepresste sounds, in klirrende destruktion ausfransend, eine sich selbst zersetzende angeber-gitarre. lucas macht dazu nicht mehr als verstärkerrauschen mit wahwah. am ende lässt cosey töne im geräusch verschwinden, zusammenpressen, im pianissimo. dann setzen unfassbar cool foster, henderson und lucas ein, während von cosey noch ein paar leise elektrostatische entladungen kommen. die orgel sägt sich durchs geschehen. abwarten, auf einem akkord. miles spielt noch mal das thema und leitet dann zum „agharta prelude“ über.
fortune soliert etwas weniger inspiriert auf dem sopran, während die band tatsächlich funk in großbuchstaben spielt – henderson slappt sogar. ein weiteres cosey-solo fräst dich hindurch(und macero schaltet daazu hall ein und aus, um die unwirklichkeit der ausbrüche zu betonen, die die band dagegen sehr lässig aufgreift). danach groovt es ein bisschen aus, mit einem conga-solo.
orgel und „maiysha“. feedbacks im bossa. ein schönes flötensolo lotet die tänzerisches potentiale der komposition aus, dann kommt der rockige b-teil und natürlich der solo-raum für cosey. im a-teil ist erstmals die trompete von miles zu hören, etwas unsicher, sich aber dann zu schönen melodischen einfällen aufschwingend. die dramaturgie wechselt noch ein bisschen zwischen a- und b-teil, coseys schweinesoli und fortunes tänzerischer flöte, endet schließlich etwas ratlos.

der zweite teil fängt mit dem schnellen riff von „right off“ an (lucas und henderson unisono), mit einem entsprechend heißen altsax-solo, von hereinstürzenden sounds von cosey und miles (orgel) unbeeindruckt. dann spielen henderson, lucas und foster plötzlich etwas ganz anderes, als vorlage für ein selbstzerstörerisches cosey-solo, das aber durch den begleitkontext im r&b-rahmen bleibt. andere fragmente aus den JACK-JOHNSON-sessions werden eingespeist, die sich für das miles-solo auch mal in ein swing-, dann in ein shuffle-gewand kleiden. alles erprobte tricks dieser band, die hier so locker gesetzt sind.

doch dann wird es spannend. das düstere bass-riff deutet „ife“ an. fortune setzt mit der flöte die eher melancholische stimmung. es dauert nicht lange, bis orgel und coseys gitarren-synth ein abstraktes soundgeflecht aufschichten – helicopter-rattern, geloopte feedbacks – bis henderson und foster pause machen zulassen, dass die geräusche sich ausbreiten. es gibt einen gesteuerten feedback-sound (von mtume? fortune?), der immer wieder durchdringt und immer drängender wird, schließlich alles infiziert, spätestens in coseys reinem noise-solo. es ist fast so, als würden die geräte auf der bühne anfangen, sich zu verkoppeln, miteinander zu kommunizieren, während die musiker ratlos darum herum stehen. foster versucht immer wieder einen beat, bricht wieder ab. es ist absurderweise reggie lucas, der die band wieder auf vertrautes terrain führt – mit einem butterweichen, dann etwas angeberischen bluesrock-solo, das macero schließlich auch auf hall und geräusch schaltet. full stop und miles, zitternd, mit dem thema. das feedback will nicht sterben. nächste phase der ratlosigkeit. die band entlädt sich. bis miles‘ orgel das melancholische akkordschema von „mr foster“ andeutet (und das feedback will immer noch nicht sterben). anschwellend ins finish.

ein letztes erigiertes cosey-solo. dann, gepresst, unendlich melancholisch, miles, von lucas mit warmen akkorden umspült. irgendwie fasert der auftritt aus, leises grooven, uneindeutige orgelakkorde, die percussion schiebt sich nach vorne, congas und castagnetten. cosey ist doch noch nicht fertig. ein bisschen flöte gibt es auch noch. lucas‘ abschlussakkorde werden vom feedback besiegt. leergespielt. für den nachmittag.

--