Antwort auf: Miles Davis

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vorgarten

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19. juni 1974. „he loved him madly“.

die band im studio, um die 32-minütige erinnerung an duke ellington aufzunehmen, der am 24. mai gestorben war. losin zählt ganze 33 fragmente, aus denen macero später das stück zusammengesetzt hat, das sich auf selbstbewusste weise als artefakt kenntlich macht und doch organisch wirkt.

die ersten elf minuten bestehen aus collagierten, mäandernden linien von gaumont über mysteriösen orgelakkorden von miles. mtumes conga ist als zusätzliche ebene auf beide kanäle als klangfläche verteilt; al foster spielt kurze trauermarsch-hafte wirbel. die intimität der atmosphäre evoziert ein nachtstück, in der ein paar sounds gegen die stille gesetzt werden.

nach 11 minuten setzt foster einen sparsamen beat, aus wenig mehr als aus gleichzeitig leise angeschlagenen hi-hat und snare. henderson federt etwas mit, mtume wird in die live-ebene des beats hineingezogen, lucas setzt sparsame verminderte akkorde. die meisten sounds haben einen nachhall, klingen wie aus einem entfernten raum. zwei minuten später ein melancholisches kurzes solo von liebman auf der flöte. ab minute 16 übernimmt miles – todtraurig, mit echo und durch den wahwah-filter, in sich zurückgezogen; behutsam motive weiterentwickelnd.

nach 20 minuten wird der beat kurz wieder mit vom ersten rubato-teil abgelöst, das liebman-solo kommt wieder, der beat wird wieder aufgegriffen und intensiviert sich langsam. lucas wird dominanter, doch dann lassen sie es wieder mit der dramatisierung. es kommen wieder fragmente vom anfang, ein paar linien von gaumont, nochmal der beginn des liebman-solos, kurzes aussetzen des beats. wir befinden uns in einer geloopten entwicklungsstörung, die immer wieder von auf- und zusammenbruch erzählt. erst um 25 minuten herum geht es mit der groove-intensivierung von foster weiter, werden ein paar ideen von gaumont weiterverfolgt – dann sind wir in einem neuen teil, miles übernimmt, ein zittern im raum. foster wechselt die frequenz der hi-hat-schläge, mtumes spiel wird auch aufwendiger, lucas bleibt jetzt auf einem akkord. ganz subtil zieht die ganze band die schraube an, während miles für sich trauert und dann mehr und mehr in den groove findet. tatsächlich sind sie um die 30-minuten-marke zusammen wieder in einem komplexen funk-gerüst, bevor macero die coda zusammenmontiert – aus schimmernder orgel, gaumont-kürzeln, wahwah-akzenten von henderson, während foster auf dem funk-beat beharrt. ein teil davon läuft weiter, während fragmente vom anfang hinzukommen, der schlussakkord: ein sanfter orgelcluster. ein spektakulär subtil zusammengebautes stück trauerarbeit.


einen tag später versucht die band, noch das stück „dominique“ aufzunehmen, ein feature für den neuen gitarristen. es überleben ca. 30 minuten, auf denen nur gaumont, lucas, henderson und foster zu hören sind, laut losin ein mäandernder, ergebnisloser jam, der es noch nicht einmal auf die COMPLETE ON THE CORNER SESSIONS geschafft hat.

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