Antwort auf: Miles Davis

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vorgarten

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17. september 1973. „calypso frelimo“, „mr. foster“, mit der workingband plus john stubblefield (ss).

eineinhalb monate später geht die band wieder ins studio. diesmal ist noch john stubblefield dabei, noch keine 20 jahre alt, interessanterweise hat er vorher mit braxton aufgenommen (sein eigenes debüt folgt erst 1976).

„calypso frelimo“ ist eine nicht mehr entwirrbare montage aus mindestens 6 takes plus overdubbtem trompetensolo unbekannter herkunft, insgesamt 30 minuten lang und auf GET UP WITH IT zu finden. grundlage ist ein ziemlich verschütteter latin-beat und ein fröhliches orgelmotiv, das aber von miles unvorhersehbar eingestreut wird, wann immer es ihm gerade passt. foster wechselt permanent zwischen gerade und synkopierten variationen des beats, henderson ist eigentlich wieder nur auf einen ton festgelegt, er reagiert aber auf die merkswürdigen plateau-momente, in denen miles einen orgelakkord gedrückt hält, sehr flexibel. die bläser wechseln sich konstant ab, miles mit seinem dreckigen wahwah-sound, liebman mit unkonventionellen linien auf der flöte, stubblefield mit einem formelhaften, klimaxsüchtigen sopransax. beide gitarren drehen hier ziemlich auf, spielen konstant durch, über alle rumpeligen rhythmusverschiebungen hinweg. nach 10 minuten dann full stop, ein neues bassriff, schräge orgelakkorde, minimalbegleitung, geisterstunde. irgendjemand pfeift. das orgelthema kommt ansatzweise wieder, in halb so schnellem tempo. lucas klingt mit seinen esoterischen akkorden plötzlich ein bisschen wie rypdal. dann hört er auf, während zwei shaker frage & antwort spielen. ein komplett freier jam, super von macero zusammengeklebt. in dieser ruhigen passage liefern sich miles und liebman plötzlich einen wettkampf zum thema verlorenheit, während foster langsam wieder anzieht und mtume ein festes percussion-pattern findet. jetzt wird es echt trippig, wechselt aber im letzten drittel doch noch mal in den schnellen anfangsgroove, und nach einem cut in ein splitterndes cosey-solo, dem miles sehr schnell den spot wegnimmt. cosey greift das leicht idiotische orgelthema auf und übersetzt es in ironische gitarrenakkorde. miles on fire, am ende noch zu einem schrägen versöhnlchen abschluss mit cosey findend.

warum das wunderbare „mr. foster“ seinerzeit nicht veröffentlicht wurde, ist mir ein großes rätsel. es hat ein melancholisches thema (von liebman auf dem tenor vorgestellt), das in den orgelakkorden und der bassbegleitung in immer neuem licht erscheint. foster und cosey spielen dazu patterns in double-time. die sounds sind toll hier, der knarzende tenorsax-ton, die orgel, das wahwah-einzelnotenspiel von cosey, der minimalistische bass, fosters hi-hat. liebmans kurzes solo ist fantastisch, ausdrucksstark, ungehetzt, total inspiriert, wird aber von miles‘ knisternd moduliertem schluchzen danach in den schatten gestellt. sehr interessant, wie gut das alles funktioniert, obwohl (weil?) viel mehr festgelegt ist. ein kleines epos in 15 minuten.

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